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Die Charta der deutschen Heimatvertriebenen wurde von den Sprechern der Vertriebenenverbande bzw ostdeutschen Landsmannschaften am 5 August 1950 unterzeichnet und am folgenden Tag in einer Massenkundgebung in Stuttgart Bad Cannstatt verkundet 1 Sie nennt Pflichten und Rechte der Fluchtlinge und Vertriebenen die nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1949 die deutschen Ostgebiete und andere Lander Ost und Sudosteuropas verlassen mussten Unter diesen Rechten und Pflichten wird vor allem der Verzicht auf Rache und Vergeltung fur die Vertreibung verstanden das Schaffen eines geeinten Europas und die Beteiligung am Wiederaufbau Deutschlands und Europas Daruber hinaus wird ein Recht auf Heimat postuliert das ein von Gott geschenktes Grundrecht der Menschheit sei und seine Verwirklichung gefordert Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost von 1990 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Forderung nach einem Recht auf die Heimat 3 Proklamierte Rechte der Vertriebenen 4 Aussenwahrnehmung und Debatte 5 Die Unterzeichner der Charta 6 Literatur 7 Siehe auch 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Gedenktafel am Kleinen Kursaal in Stuttgart Bad Cannstatt nbsp Vertriebenendenkmal im Kurpark Bad Cannstatt an den Bodenplatten ist der Text der Charta angebracht nbsp Die Charta am Ehrenmal beim Germanengrab in ItzehoeInfolge der Aufweichung des Koalitionsverbots der Alliierten fur Vertriebene grundeten diese viele eigene Vereine die sich zu Landesverbanden und schliesslich im April 1949 auch zu einem Zentralverband vertriebener Deutscher zusammenschlossen Zu dieser Zeit stellten Fluchtlinge und Vertriebene 16 5 Prozent der Bevolkerung der Bundesrepublik Deutschland Diese Organisationen hatten politisch eine Sonderrolle in Deutschland und einigten sich nach einigen Monaten auf die Formulierung dieser Charta Zwei Jahre spater im November 1951 bildete der Zentralverband zusammen mit den Landsmannschaften der Sudetendeutschen und Schlesier den Bund der Vertriebenen BdV der die Charta unverandert ubernahm 2 Die Charta ist bis heute die Wertegrundlage des BdV 3 Einen Tag vor Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen legten im Wiesbadener Abkommen der Tschechische Nationalausschuss von im Londoner Exil lebenden Tschechen und die Munchener Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen ein Versohnungsdokument vor das eine Kollektivschuld und wie die Charta Rachegedanken von beiden Seiten ablehnte gleichzeitig aber eine Bestrafung der Hauptverantwortlichen forderte Forderung nach einem Recht auf die Heimat BearbeitenDie Charta postuliert ein Recht auf die Heimat und begrundet es auf einer theologischen Basis Sie fuhrt aus Wir haben unsere Heimat verloren Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen bedeutet ihn im Geiste toten Wir haben dieses Schicksal erlitten und erlebt Daher fuhlen wir uns berufen zu verlangen dass das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht wird 4 Proklamierte Rechte der Vertriebenen BearbeitenNeben der Forderung nach einem Recht auf die Heimat und solange dieses Recht fur uns nicht verwirklicht ist enthalt die Charta weitere substantielle Forderungen der Vertriebenen namlich das gleiche Staatsburgerrecht vor dem Gesetz und im Alltag die gerechte und sinnvolle Verteilung der Lasten des Krieges auf die ganze Bevolkerung die Forderung nach der Eingliederung der Berufsgruppen der Vertriebenen und ihre Beteiligung am Wiederaufbau Europas Diese Forderungen wurden erfullt so durch das Lastenausgleichsgesetz von 1952 und das Bundesvertriebenengesetz von 1953 Aussenwahrnehmung und Debatte BearbeitenVon bundesdeutschen Politikern wurde immer wieder der historische Beitrag der Vertriebenencharta zur Aussohnung hervorgehoben So betonte aus Anlass des 50 Jahrestages der Charta der damalige Bundesinnenminister Otto Schily SPD die weitreichende Bedeutung der Charta weil sie innenpolitisch radikalen Bestrebungen den Boden entzog und aussenpolitisch einen Kurs der europaischen Einigung unter Einbeziehung unserer mittel und osteuropaischen Nachbarn vorbereitete 5 Wolfgang Schauble ausserte sich anlasslich der Gedenkfeier der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland zum 65 Jahrestag der Vertreibung der Russlanddeutschen am 27 August 2006 in Stuttgart folgendermassen Die Charta war damals und ist heute noch ein beeindruckendes Zeugnis menschlicher Grosse und Lernfahigkeit Nicht Revanchismus nicht Niedergeschlagenheit bestimmen diese Charta sondern der Glaube an die Zukunft Europaertum christliche Humanitat 6 Micha Brumlik kritisierte dass im Satz der Charta die Volker der Welt sollen ihre Mitverantwortung am Schicksal der Heimatvertriebenen als der vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen empfinden behauptet werde dass die Heimatvertriebenen am schwersten betroffen gewesen seien noch vor den ermordeten Juden noch vor den Verfolgten in Polen und Russland und noch vor den deutschen Kriegswaisen und witwen 7 Auch Ralph Giordano befand die Charta blende die Vorgeschichte der Vertreibung aus und erwahne nur die nach 1945 vertriebenen Deutschen 8 Brumlik befand sogar dass in der Charta Verleugnung und Verdrangung des Nationalsozialismus in geradezu idealtypischer Weise zum Ausdruck kommen 9 Dass die Charta in ihrer Eroffnungssequenz scheinbar grosszugig auf Rache und Vergeltung verzichte sei eine Ungeheuerlichkeit Verzichten konne man namlich nur auf das was einem rechtens zustehe Die Charta postuliere einen grundsatzlichen Anspruch auf Rache und Vergeltung 10 Des Weiteren betont Brumlik dass etwa ein Drittel der Erstunterzeichner der Charta uberzeugte Nationalsozialisten gewesen seien Bei diesen handele es sich vor allem um Funktionare die bereits vor der Machtubernahme der Nationalsozialisten im so genannten Volkstumskampf tatig gewesen seien 11 Brumlik weist darauf hin dass der Bund der Vertriebenen seine Anliegen inzwischen anders vortragt Die These der Charta von der Singularitat deutschen Leids hat er inzwischen preisgegeben ein Verdienst Erika Steinbachs Inzwischen hatten auch die Menschenrechte die die Charta nicht erwahne Eingang in das Selbstverstandnis der Vertriebenenverbande gefunden so in der Satzung des Zentrums gegen Vertreibungen Die Charta stelle dagegen noch eine im Geist von Selbstmitleid und Geschichtsklitterung getragene standestaatliche volkisch politische Grundungsurkunde dar in der nichts weniger als die Absicht beglaubigt wird die Politik der jungen Bundesrepublik in Geiselhaft zu nehmen Glaubwurdig ware dieser Gesinnungswandel aber erst nach einer formlichen Aufhebung der Charta die heute noch in Kraft und das Grundgesetz der Vertriebenenverbande sei 12 Das Recht auf die Heimat ist eine Wortschopfung die von franzosischen belgischen und griechischen Volkerrechtlern bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gepragt wurde Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Recht auf die Heimat vor allem durch die deutschen Volkerrechtler Kurl Rabl Rudolf Laun Otto Kimminich und Dieter Blumenwitz propagiert auch vom osterreichischen Volkerrechtler Felix Ermacora und vom amerikanischen Volkerrechtler und Historiker Alfred de Zayas im Zusammenhang mit den ethnischen Sauberungen in Jugoslawien erlautert In der politischen Auseinandersetzung des Kalten Krieges wurde die Proklamation eines Heimatrechtes durch die organisierten Vertriebenen und die daraus abgeleiteten Anspruche auf Ruckgabe der Heimatgebiete der Vertriebenen von deren politischen Gegnern als Revanchismus interpretiert Nachdem dies anfangs vor allem die Sichtweise der Staaten war auf die sich die Gebietsanspruche der Vertriebenenverbande bezogen wurde die Agitation der Vertriebenenverbande gegen die deutsche Ostpolitik ab Ende der 1960er Jahre auch in der politischen Linken Westdeutschlands zunehmend so verstanden Revanchismus wurde so auch im Westen zum politischen Schlagwort Die Unterzeichner der Charta BearbeitenLinus Kather Zentralverband der vertriebenen Deutschen ZvD Josef Walter Landesverband LV der Heimatvertriebenen in Hessen ehem Mitglied der Sudetendeutschen Partei Hellmut Gossing LV Niedersachsen im ZvD Karl Mocker LvD Wurttemberg ehem Funktionar der Sudetendeutschen Partei Alexander Eschenbach LvD Stuttgart Wilhelm Zeisberger Neuburgerbund Bayern Alfred Gille LvD Schleswig Holstein ehem Mitglied der NSDAP Gebietskommissar im Reichskommissariat Ukraine Bernhard Geisler LV der Ostvertriebenen Nordrhein Westfalen Erwin Engelbrecht LvD Bayern Anton Deichmann LvD Rheinland Pfalz Roman Herlinger Hauptausschuss der Fluchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern Rudolf Lodgman von Auen Sudetendeutsche Landsmannschaft LM Mitbegrunder der Deutschen Nationalpartei in der 1 CSR Erwin Tittes LM der Siebenburger Sachsen Rudolf Wagner LM der Umsiedler aus der Bukowina SS Obersturmbannfuhrer Alfred Rojek Berliner LV der Heimatvertriebenen Walter von Keudell LM Berlin Brandenburg ehem Politiker DNVP CNBLP NSDAP und CDU Konrad Winkler Interessengemeinschaft der Heimatvertriebenen in Sud Baden Axel de Vries Deutsch Baltische LM Franz Hamm LM der Deutschen aus Jugoslawien Block der deutschen Nationalsozialistischen Reichstagsmitglieder in Budapest Volksgruppenfuhrer der Donauschwaben Erich Luft LvD Bayern Karl Bartunek LvD Nord Baden Ottomar Schreiber LM Ostpreussen Erik von Witzleben LM Westpreussen SS Sturmbannfuhrer Walter Rinke LM Schlesien Anton Birkner Karpatendeutsche LM Slowakei Herbert von Bismarck Pommersche LM Waldemar Kraft LM Weichsel Warthe Ehren Hauptsturmfuhrer der Allgemeinen SS NSDAP Mitglied Gottlieb Leibbrandt Arbeitsgemeinschaft der Ostumsiedler Russlanddeutscher Schulungsleiter fur die NSDAP in Wien 1952 Flucht nach Kanada wegen drohender Strafverfolgung 13 Fritz Kimme LvD Bremen Alfred Kautzor Verband der Heimatvertriebenen in Wurttemberg Hohenzollern und Lindau Literatur BearbeitenKurt Nelhiebel 60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen Ursprung und Rezeption eines Dokuments In Zeitschrift fur Geschichtswissenschaft Jg 58 2010 S 730 743 Siehe auch BearbeitenFlucht und Vertreibung der Deutschen von 1945 bis 1950Weblinks BearbeitenCharta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5 August 1950 Matthias Stickler Charta der deutschen Heimatvertriebenen In Online Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im ostlichen Europa 60 Jahre Charta der Vertriebenen und Wiesbadener Abkommen Meilensteine christlicher Aussohnungsbemuhungen Ein Beitrag des Kirchenhistorikers Prof Dr Rudolf GrulichEinzelnachweise Bearbeiten Entstehung und Bedeutung der Charta Memento vom 21 Januar 2012 im Internet Archive Bund der Vertriebenen Der Text der Charta findet sich bei https www bund der vertriebenen de charta auf deutsch Helga Hirsch Kollektive Erinnerung im Wandel Bundeszentrale fur politische Bildung 2003 Memento vom 23 November 2005 im Internet Archive Festakt 50 Jahre Bund der Vertriebenen am 22 Oktober 2007 im Kronprinzenpalais Berlin Rede der Prasidentin Erika Steinbach Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5 August 1950 Alexander Loesch Alexander Loesch Heimatvertriebene Die Charta der Organisation ist 50 Jahre alt In Tagesspiegel 17 August 2000 Online Rede von Bundesminister Dr Wolfgang Schauble anlasslich der Gedenkfeier der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland zum 65 Jahrestag der Vertreibung der Russlanddeutschen am 27 August 2006 in Stuttgart Memento vom 30 April 2009 im Internet Archive Micha Brumlik Wer Sturm sat Die Vertreibung der Deutschen Berlin 2000 ISBN 3 351 02580 7 S 98 Ralph Giordano Ostpreussen ade Munchen 5 Auflage 1999 ISBN 3 423 30566 5 S 105 ff Micha Brumlik Wer Sturm sat Die Vertreibung der Deutschen Berlin 2000 S 92 Micha Brumlik Wer Sturm sat Die Vertreibung der Deutschen Berlin 2000 S 95 Micha Brumlik Wer Sturm sat Die Vertreibung der Deutschen Berlin 2000 S 100 105 Micha Brumlik Wer Sturm sat Die Vertreibung der Deutschen Berlin 2000 S 99 100 108 https agso uni graz at archive sozio biografien l leibbrandt gottlieb htm In Kanada gebardete er sich Mitte der 1970er als Historiker fur Deutsch Kanadisches Normdaten Werk GND 4440574 1 lobid OGND AKS VIAF 206863112 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Charta der deutschen Heimatvertriebenen amp oldid 234154869