www.wikidata.de-de.nina.az
Centum Prata ist eine Siedlung aus romischer Zeit am Ostufer des Zurichsees in Kempraten einem Ortsteil von Rapperswil Jona im Kanton St Gallen Der uberwiegende Teil der erhaltenen Anlagen von Gewerbe und Wohnbauten steht in Kempraten einige im Ortsteil Rapperswil Weitere Fundstellen sind bei der St Martinskirche in Busskirch und der Pfarrkirche in Jona sowie Pfahlreste der Seebrucke zwischen Rapperswil und Hurden die in direktem Zusammenhang mit der Zentrumssiedlung Centum Prata gestanden haben durften Das Zentrum der romischen Siedlung Kempraten und die gleichnamige Bucht am Zurichsee Inhaltsverzeichnis 1 Keltische Vorgangersiedlung 2 Vicus Centum Prata 2 1 Grundung 2 2 Lage 2 3 Gewerbe und Wohnbauten 2 4 Offentliche Bauten 2 4 1 Galloromischer Tempelbezirk 2 4 1 1 Fluchtafeln 2 4 2 Forum 2 5 Verkehrsknotenpunkt 3 Gallo romische Siedlung 4 Name 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseKeltische Vorgangersiedlung BearbeitenZahlreiche archaologische Funde zeigen dass das Gebiet um Rapperswil Jona und insbesondere Kempraten seit mindestens 5000 Jahren besiedelt ist vor der Zeitenwende von Kelten spater von Romern der gallo romischen Mischbevolkerung und eingewanderten alamannischen Bevolkerungsgruppen Zu den Glanzlichtern archaologischer Funde zahlen in Kempraten eine neolithische Beilwerkstatt im Seegubel aus der Latenezeit Korpergraber die auf eine fruhe Besiedlung hinweisen sowie eine Vielzahl an Einzelfunden 1 Bislang nicht geklart ist ob an der Kempratnerbucht gegenuber dem heutigen Schlosshugel Rapperswil eine helvetische Siedlung Cambioratin Bucht Hugel existiert hat Vicus Centum Prata BearbeitenGrundung Bearbeiten nbsp Fundstelle Meienbergstrasse mit dem Forum nbsp Mauerreste in der Wohnuberbauung Romerwiese nbsp Lage des Tempelbezirks bei der Romerwiese nbsp Friedhof der St Ursula KapelleNach der Eroberung durch Drusus und seinen Bruder Tiberius Kaiser Tiberius Claudius Nero von 14 bis 37 n Chr lag das Gebiet am rechten ostlichen Ufer des Zurichsees im Grenzbereich der romischen Provinzen Raetia Ratien und Germania superior Obergermanien Centum Prata entstand um 40 n Chr 2 als Strassensiedlung am Kreuzpunkt der Strassen von Zurich lat Turicum und Winterthur Vitudurum sowie der nach Chur Curia Raetorum und Italien fuhrenden Alpenroute Andererseits war Kempraten auch ein wirtschaftliches Zentrum fur das umliegende Gebiet das Wohn und Wirtschaftsraume fur Handwerker Gewerbetreibende Schiffer und Fuhrleute aufwies 1 Der Vicus Centum Prata Kempraten wurde zu einer bedeutenden romischen Siedlung die vom 1 bis nachchristlichen 4 Jahrhundert zur Sicherung der Provinzgrenzen gedient haben durfte Lage Bearbeiten Die Hauptstrasse heutige Kreuz und Fluhstrasse der Siedlung lag parallel zum Seeufer bei der Kempratner Bucht Die Ausdehnung betrug in Nord Sud Richtung uber 300 Meter und rund 200 Meter in der West Ost Achse mit in der ersten Siedlungsphase Fachwerk und einfachen Holzhausern Am ostlichen Rand lag ein Brandgraberfeld Das Zentrum der Siedlung erstreckte sich um die sogenannte Romerwiese heute eine Wohnuberbauung in deren Zentrum Mauerreste und einige Exponate aus den Grabungen der Offentlichkeit zuganglich sind sowie weitere Uberreste von steinernen Wohn und Gewerbebauten mit dem Forum bei der Meienbergstrasse und im Friedhof der St Ursula Kapelle Gewerbe und Wohnbauten Bearbeiten Um 120 n Chr wurden nach einem Grossbrand im Siedlungszentrum Steinbauten mit Innenhofen errichtet An der Peripherie standen einfachere Hauser sogenannte Streifenhauser mit fur die Region typischen langrechteckigen Grundrissen Gewerbebauten waren zur Strasse hin ausgerichtet im der Strasse abgewandten Gebaudeteil lagen die Wohnraume In den Hinterhofen fanden sich teilweise Nachweise fur ein bis zweiraumige kleinere Gebaude sowie Areale fur Garten Haustiere Abfallgruben und Topferofen 2 Offentliche Bauten Bearbeiten Offentliche Einrichtungen wie die Thermen werden im Umfeld des heutigen Friedhofs vermutet und ein ummauerter Tempelbezirk mit zwei gallo romischen Umgangstempeln einem Brandaltar und zwei Kapellen am nordwestlichen Seewiese sudlich vom Bahnhof Kempraten Rand der Siedlung 2 An der Ausfallstrasse nach Vitudurum Rutistrasse Rebacker ist ein Graberbrandfeld mit rund 50 Bestattungen archaologisch erfasst 2 Galloromischer Tempelbezirk Bearbeiten Sondierungen anlasslich von Planarbeiten zu einer Wohnuberbauung im November 2003 zeigten auch sudlich des 1894 errichteten Bahndamms in Kempraten romische Artefakte Am Rande des Siedlungsgebiets erforschte die Grabungsequippe der Kantonsarchaologie St Gallen auf rund 1500 Quadratmeter den galloromischen Tempelbezirk dessen eingefriedetes Gebiet etwa 900 Quadratmeter betragen haben durfte In einer alteren Phase von einem Graben umgeben wurde das langliche trapezformige Areal spater durch eine Mauer abgegrenzt 3 Die altesten datierbaren Strukturen des Tempelbezirks sind lange Graben ausgekleidet mit unbearbeiteten Sandsteinplatten die als Drainagen dienten um den Baugrund in Seenahe zu entwassern Keramik aus der Verfullung kann um 100 n Chr datiert werden 3 Im Hofareal standen zwei galloromische Umgangstempel und in der cella des grosseren aus Handquadern aus Sandstein gemauerten Gebaudes 4 8 4 3 Meter fanden sich Reste eines Mortelbodens Dieser lag uber dem damaligen Aussenniveau und war uber Stufen zuganglich Das Mauerwerk weist auf der Aussenseite starke Brandrotungen auf Gefunden wurden Hinweise auf eine altere Holzbauphase des Gebaudes Die Mauern des Umganges verfugten uber vermutliche Sockelfundamente fur Saulen oder Pfosten 3 Der zweite Tempelbau cella 3 6 3 7 Meter war kleiner aus Lesesteinen konstruiert und wurde ruckseitig von der Hofmauer abgeschlossen Direkt neben dem kleinen Tempel lagen in einer Grube mehrere Fragmente eines durchlochten Fassbodens der vermutlich als Brunnen diente 3 Unter dem in drei Gruben mit Feuchtbodenerhaltung gesicherten Fundmaterial grosstenteils aus dem 2 und 3 Jahrhundert n Chr sind die Fragmente von Inschriften und funf Fluchtafelchen aus Blei besonders hervorzuheben Die Inschriften sind Sockelteile von zwei Weihealtarchen und zwei Fragmente einer grosseren Inschrift Unter den Keramikfunden sind die zahlreichen Reste von Raucherkelchen bemerkenswert Weitere Funde sind Opfergaben darunter mehrere Fragmente von Venusfigurinen aus Terrakotta zwei Fragmente von bronzenen Votivbeilchen sowie Munzen Vereinzelt wurden prahistorische Streufunde geborgen 3 Zwei zu Halbsaulen umgearbeitete Kapitelle und weitere Architekturfragmente aus Sandstein erlauben einen Eindruck von der baulichen Gestaltung der beiden Sakralbauten Ein Brandaltar stand in der Mittelachse der zwei Tempelbauten Kohlereste in seinem Umfeld durfen wohl Brandopfern in Verbindung zu bringen sein Rings um den Altar wurden mehrere aufeinanderfolgende Kiesschuttungen dokumentiert Vermutlich fanden sich im Tempelbezirk noch weitere kleinere Holzbauten aus Holz Am Rand der Grabung kam ein Kalkbrennofen des 1 Jahrhunderts n Chr zum Vorschein 3 Dokumentiert wurden drei Steininschriften darunter eine Bauinschrift sowie eine grosse Zahl an Keramik Knochen und Botanikfunden aus denen sich die mit der Auswertung betrauten Fachleute vertiefte Erkenntnisse zu Opfer und Kulthandlungen und zu den im Heiligtum verehrten Gottheiten erhofften Die inschriftlich uberlieferte Muttergottin Magna Mater Kybele konnte in der Schweiz bislang nur in den stadtischen Zentren Aventicum Avenches und Augusta Raurica Augst Kaiseraugst nachgewiesen werden 4 Die Ausgrabungen des galloromischen Tempelbezirks in der Seewiese wurden 2012 abgeschlossen Fluchtafeln Bearbeiten Unter dem umfangreichen Fundmaterial sind funf Fluchtafeln aus Blei mit antiken Verwunschungen und Zauberspruchen bemerkenswert 5 die in der Schweiz bislang ausserst selten und von denen aus den gallischen und germanischen Provinzen des romischen Reiches nur etwa 100 Stuck bekannt sind 4 Weitgehend vollstandig erhalten ist nur eines der Tafelchen von 10 10 Zentimeter Breite und 0 2 Zentimeter Dicke Angerufen wird die in Kempraten verehrte Muttergottin Kybele und die Verwunschungen richten sich gegen die Ubeltater von Einbruch und Diebstahl Tater und Mitwisser sollen so im Dreck liegen wie dieser Brief im Dreck liegen wird Latein Sic iaceat in micto quemadmodum haec epistula iacitura est Auch auf dem zweiten fragmentarisch erhaltenen Tafelchen wird die Magna Mater angerufen um den Dieb eines Mantels zu bestrafen Ein drittes Bleitafelchen ist zusammengefaltet und deshalb unlesbar 6 Forum Bearbeiten Das Forum bei der Meienbergstrasse beherbergte an seiner ostlichen Seite Rutistrasse einen Steinbau mit zwei markanten Frontsaulen wovon eine rekonstruiert wurde Betreten wurde das Gebaude uber eine breite Treppe und uber eine zweiflugelige Tur war der Hauptraum zuganglich Erhalten sind die Grundmauern sowie die Drehpunkte der Turflugel und das Riegelloch Aufgrund seiner zentrale Lage und der Saulenfront wird der Bau als Tempelanlage interpretiert Der davorliegende grosse Platz wurde durch symmetrische seitliche Mauern abgeschlossen Im Westen der Anlage stand ein weiterer Steinbau mit Saulen dessen Gebaudeumrisse nicht erhalten sind eine Nutzung als Curia oder Tempel aber nicht ausgeschlossen wird 7 Verkehrsknotenpunkt Bearbeiten In der heutigen Kempratner Bucht lag der Umschlagplatz fur Guter die auf den erwahnten Romerstrassen uber die Holzbrucke Rapperswil Hurden und auf der Wasserstrasse Zurichsee Walensee transportiert wurden Von hier fuhrte vermutlich auch eine Bootsverbindung zum gallo romischen Inselheiligtum auf der Ufenau Nach der Unterwerfung Ratiens durch die Romer nahm der schon damals von der helvetischen Bevolkerung betriebene Warenverkehr in West Ost Richtung betrachtlich zu und ihre Blutezeit erreichte die Siedlung im zweiten und beginnenden dritten Jahrhundert Mit der Einwanderung der Alamannen verlor Kempraten seine Bedeutung als Schnittpunkt des Warenverkehrs 8 Kempraten zahlt im Kanton St Gallen zu den bedeutendsten archaologischen Fundstellen Anlasslich von archaologischen Untersuchungen wurden im Herbst 2004 zwischen den modernen Bruckenpfeilern der Rekonstruktion der historischen Seebrucken zwischen Rapperswil und Hurden die Uberreste von machtigen Pfahlen aus Weisstanne und Eiche entdeckt ein weiterer Hinweis auf die Zentrumsfunktion der Siedlung Die bohlenartigen Weisstannen wurden gemass C14 Analysen um 165 n Chr zu Beginn der Regierungszeit von Kaiser Marcus Aurelius Antoninus Augustus gefallt 9 Eine romische Befestigung des heutigen Schlosshugels von Rapperswil mit seiner strategisch gunstigen Position durch den einen Kilometer entfernten vicus Centum Prata gilt als wahrscheinlich wenn auch nicht archaologisch nachgewiesen Gallo romische Siedlung Bearbeiten Hauptartikel Kempraten Nach dem Abzug der romischen Truppen und Verwaltung um das Jahr 401 488 nach Italien liegen nur wenige Erkenntnisse vor Wie andernorts auch hat die Siedlung in Kempraten Lenggis vermutlich weiterbestanden und die gallo romische Bevolkerung durfte mit der alamannischen Einwanderungswelle im 3 und 5 Jahrhundert n Chr verschmolzen sein In den romischen Ruinen wurden alamannische Korpergraber aus dem 7 Jahrhundert und eine Vielzahl von Gebrauchsgegenstanden und Waffen aus der gesamten Besiedlungsgeschichte gefunden Aegidius Tschudi beschreibt in seiner Chronik einen Stein mit romischer Inschrift womit der Weihestein aus der Pfarrkirche in Jona gemeint sein konnte Name BearbeitenIn nachromischer Zeit wurde der Vicus in Anlehnung an den lateinischen Namen in Centoprato Ort der hundert Wiesen genannt und 863 als Centiprata urkundlich erwahnt wovon sich das heutige Kempraten fur den Ortsteil ableitet nbsp Terrakotta Figurchen von der sogenannten Romerwiese nbsp eiserne Nagel und Werkzeuge Romerwiese nbsp Keramik Romerwiese nbsp Grabbeigabe vermutlich aus Mittelgallien 2 Jh n Chr Terrakotta Stadtmuseum Rapperswil Jona nbsp Romischer Weihestein aus der Pfarrkirche in JonaLiteratur BearbeitenAlois Stadler Kempraten In Historisches Lexikon der Schweiz Regula Ackermann Der romische Vicus von Kempraten Rapperswil Jona Neubetrachtung anhand der Ausgrabungen Fluhstrasse 6 10 2005 2006 Archaologie im Kanton St Gallen Band 1 Kantonsarchaologie St Gallen 2013 ISBN 978 3 033 03916 2 PDF auf der Kantons Website Georg Matter Die Romersiedlung Kempraten und ihre Umgebung Hrsg Gemeinde Jona 2003 Staatsarchiv des Kantons Zurich Hrsg Kleine Zurcher Verfassungsgeschichte 1218 2000 Hrsg im Auftrag der Direktion der Justiz und des Innern auf den Tag der Konstituierung des Zurcher Verfassungsrates am 13 September 2000 Chronos Zurich 2000 ISBN 3 905314 03 7 G Matter Der romische Vicus von Kempraten In JbSGUF 82 1999 S 183 211 D Hintermann Der romische Vicus von Kempraten In HA 106 108 1996 S 128 136 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Centum Prata Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Website des Kantons St Gallen Romersiedlung KempratenEinzelnachweise Bearbeiten a b Alois Stadler Kempraten In Historisches Lexikon der Schweiz a b c d Website des Kantons St Gallen Der romische vicus von Kempraten Memento des Originals vom 8 November 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sg ch PDF 1 2 MB abgerufen am 14 Februar 2013 a b c d e f Kanton St Gallen Archaologischer Jahresbericht 2010 Rapperswil Jona Kempraten Seewiese abgerufen am 20 Februar 2013 a b Kanton St Gallen Archaologischer Jahresbericht 2011 Rapperswil Jona Kempraten Seewiese abgerufen am 20 Februar 2013 Sebastian Geisseler Pirmin Koch Diebstahl am Zurichsee Eine Fluchtafel aus dem Magna Mater Heiligtum in Kempraten Kt St Gallen Schweiz In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Band 207 2018 S 298 307 hier S 298 Tagblatt Ostschweiz 7 November 2011 Romische Fluchtafeln in Kempraten gefunden Website des Kantons St Gallen Das forum in Kempraten Memento des Originals vom 23 Januar 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sg ch PDF 1 1 MB abgerufen am 11 Februar 2013 Stadtmuseum Rapperswil Jona Kantonsarchaologie Website Labor fur Dendrochronologie der Stadt Zurich47 238641 8 816358 Koordinaten 47 14 19 1 N 8 48 58 9 O CH1903 704314 232884 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Centum Prata amp oldid 214293285