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Carl Andreas Hilty 28 Februar 1833 in Werdenberg bei Grabs Kanton St Gallen 12 Oktober 1909 in Clarens bei Montreux war ein Schweizer Staatsrechtler Politiker Ethiker und Laientheologe Carl Hilty um 1890 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Familie und fruhe Karriere 1 2 Tatigkeit beim Militar als Staatsrechtler und Nationalrat 1 3 Gluck und Politische Jahrbucher 1 4 Letzte Lebensjahre 1 5 Nachleben 2 Werke 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFamilie und fruhe Karriere Bearbeiten nbsp nbsp Das Rote Haus in dem Hilty geboren wurde mit dem Familienwappen der nicht adeligen Hiltinge goldene Lilie auf rotem Grund Hilty wurde als Sohn des in Chur tatigen Arztes Johann Ulrich Hilty geboren der 1835 wegen der uber Jahrhunderte gewachsenen Verbundenheit seiner Familie mit der Ortschaft Werdenberg das verwahrloste Schloss Werdenberg ersteigerte 1 Seine aus Chur stammende Frau Elisabeth geb Kilias die bereits 1847 verstarb war die Tochter eines ehemaligen franzosischen Regimentsarztes 2 Nach dem Besuch der Volksschule in Chur absolvierte Hilty dort von 1844 bis 1850 die Evangelische Kantonsschule Von 1851 bis 1853 studierte Hilty Jurisprudenz an der Universitat Gottingen und promovierte 1854 an der Universitat Heidelberg zum Doctor iuris utriusque Im Anschluss unternahm er Sprachreisen nach Paris und London Von 1855 an leitete er fur fast zwei Jahrzehnte eine Anwaltskanzlei in Chur 3 Schon in dieser Zeit fuhlte er sich als Verfechter der direkten Demokratie berufen da er als Nichtburger des Kantons Graubunden keinerlei bloss aus dem Blute stammende Vorliebe fur die althergebrachten Institutionen des Landes hatte 4 1857 heiratete Hilty nach kurzer Verlobungszeit Johanna Gaertner die aus einer liberalen preussischen Juristenfamilie stammte Ihr bereits 1842 verstorbener Vater Gustav war Rechtsprofessor in Bonn gewesen Ihre Mutter Marie Simon die in Breslau als Tochter eines Gerichtsrates und Vorsitzenden der preussischen Juristenprufungskommission geboren wurde hatte 1849 einen politischen Roman uber die Deutsche Revolution von 1848 1849 geschrieben und veroffentlicht In der nachfolgenden Reaktionsara musste sie offenbar wie ihr Bruder Heinrich Simon der ein prominentes Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung gewesen war wegen ihrer liberalen Ansichten in die Schweiz fluchten Johannas Patenonkel war der nationalistische und demokratische Schriftsteller Ernst Moritz Arndt der ebenfalls ein ehemaliger Abgeordneter der Nationalversammlung war 5 Hiltys Schwester Anna war mit dem Juristen und Brigadier Hans Hold verheiratet einem der fuhrenden Bundner Freisinnigen in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts 6 Tatigkeit beim Militar als Staatsrechtler und Nationalrat Bearbeiten nbsp Hilty in seiner fruhen Berner Zeit Portrat der Malerin Clara von RappardAb 1862 trat Hilty zusatzlich zu seiner Kanzleiarbeit dem Justizstab des Schweizer Militars bei 1872 wurde er auch Mitglied des Churer Grossen Stadtrats 7 Sein Eintreten fur die Schweizer Rechtsvereinheitlichung brachte ihm 1874 offenbar fur ihn selbst unerwartet die Berufung durch den Berner Regierungsrat als Professor auf Lebenszeit ein 2 An der Universitat Bern unterrichtete er zunachst Schweizer Bundesrecht und kantonales Staatsrecht ab 1882 auch allgemeines Staats und Volkerrecht Seine Vorlesungen gewannen einen solchen Ruf dass sie auch von Bundesraten besucht wurden 4 1886 heiratete Hiltys Tochter Maria den Neuenburger Juraprofessor Fritz Henri Mentha 8 Am 1 Dezember 1890 trat Hilty erstmals fur den Wahlkreis St Gallen Mitte sein Mandat als Nationalrat im Schweizer Parlament an Er tat dies zunachst fur die Freisinnige Linke FL drei Jahre spater fur die Demokratische Partei DP und ab 1896 bis zu seinem Tode fur die Freisinnig Demokratische Partei FDP In dieser Zeit erwarb er sich den Ruf eine Art Gewissen der Nation zu sein 4 1892 wurde Hilty als Oberauditor Leiter der Militarjustiz 1899 vertrat er die Schweiz als Delegierter an der ersten Haager Friedenskonferenz auf der am 29 Juli das Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfalle unterzeichnet wurde Aus diesem ging der Standige Schiedshof in Den Haag hervor 1904 gehorte er dem Prasidium des 1 Internationalen Kongresses gegen Madchenhandel in London an 1906 verlieh ihm die Universitat Genf die Ehrendoktorwurde 7 1909 ernannte der Bundesrat Hilty zu einem der drei Vertreter der Schweiz am internationalen Haager Schiedsgerichtshof 3 Gluck und Politische Jahrbucher Bearbeiten Bekannt wurde Hilty in jenen spaten Jahren vor allem durch seine philosophisch theologischen Schriften Seine Darlegungen zur Frage Was ist Bildung grunden in der Erkenntnis dass allein durch die Uberwindung des menschlichen Zwiespalts wahre Bildung und Gluck zu erreichen sind Mit seinen drei Banden Gluck erschienen ab 1890 hatte Hilty auch publizistisch grossen Erfolg Die Glucksbande erreichten enorm hohe Auflagen gingen noch wahrend seiner Lebenszeit in die Zehntausende Es kam zu Ubersetzungen und Ausgaben ins Russische Skandinavische und sogar in Amerika erschien eine Sammlung mit Aufsatzen Diese Bucher gehorten auch zur Lekture von Konrad Adenauer dem sie vor allem in der finsteren Zeit des Nationalsozialismus geistige Orientierung gegen das Regime gegeben haben 9 Sein Schaffen spiegelt seine Begabungen in Politik Recht Lebenshilfe Psychologie Medizin und Religion er war kein akademisch gebildeter Theologe ist von diesen bis heute nicht anerkannt wider die die Basis fur sein publizistisches Schaffen bildeten vorab seine heute noch vereinzelt uberlieferten Zitate das in der Glucksforschung der Moderne ihren Niederschlag findet Hilty definierte als Elemente des Glucks die Gottesnahe und Arbeit worunter er das aktive auch politische Mitwirken am Reich Gottes verstanden hatte Theologisch distanzierte er sich nach anfanglicher Zustimmung von David Friedrich Strauss Richard Rothe und August Tholuck sagten ihm mehr auch Adolf von Harnack Ganz nah stand er zu den Blumhardts Er hatte die Blatter aus Bad Boll abonniert In der Institutio Christianae Religionis von Johannes Calvin sah er das beste protestantische Lehrgebaude auch wenn er seine Pradestinationslehre verwarf An Literatur empfahl er u a die Pilgerreise zur seligen Ewigkeit von John Bunyan dann Johann Heinrich Jung Stilling Gerhard Tersteegen und die Lieder von Nikolaus Ludwig von Zinzendorf aber auch die alttestamentlichen Predigten von Charles Haddon Spurgeon Hilty sah in der Christozentritat seines Glaubens die hochste Erwerbung seines Lebens 10 nbsp Hilty in seinen spaten JahrenNeben Vorlesungen zur eidgenossischen Geschichte bilden vor allem seine selbst herausgegebenen Politischen Jahrbucher der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1886 1909 ein Werk von einem grossen Umfang und unausgeschopfter Tiefe Friedrich Seebass So forderte Hilty etwa bereits im Jahrbuch von 1897 das Frauenstimmrecht und bezeichnete es als die weitaus grosste der noch zur Losung ausstehenden Staatsfragen Der Staat tut sich selbst einen grossen Schaden wenn er die ganze Halfte seiner Burger des Rechtes sich fur die offentlichen Interessen zu interessieren und damit notwendig auch der Fahigkeit dazu beraubt Die Freiheit besteht wesentlich darin dass man an der Gesetzgebung teilnimmt 11 Hiltys einziger Enkel Benigne Mentha der die juristische Familientradition fortsetzte und sich auf das Urheberrecht spezialisierte 12 folgerte unter anderem aufgrund eines romantischen Tagebuches seine Grossmutter Die Eindringlichkeit mit welcher er immer wieder auf diese Ursache seines Gluckes zuruckkommt ist charakteristisch man darf annehmen dass die Verbindung Carl Hiltys mit Johanna Gaertner eine lebendige Quelle gegenseitiger Bereicherung und Fortschritte fur beide Eheleute wurde 5 nbsp Das FamiliengrabLetzte Lebensjahre Bearbeiten 1897 starb Hilty Ehefrau Johanna 5 Hilty starb zwolf Jahre spater im Hotel Mirabeau in Clarens bei Montreux am Ufer des Genfersees wo er noch seinen letzten Text Pax Perpetua Ewiger Frieden zum politischen Frieden zwischen den Staaten fertiggeschrieben hatte Der Grabstein auf dem Bremgartenfriedhof im Berner Familiengrab in dem auch Hiltys Frau Johanna sowie Edgar Hilty 1864 1921 und Edith Hilty 1861 1944 bestattet sind tragt die Worte amor omnia vincit Liebe besiegt alles nbsp Die Carl Hilty StrasseNachleben Bearbeiten 1959 ehrte die Schweizerische Post Hilty anlasslich seines 50 Todesjahres mit einer Briefmarke in der Portratserie zugunsten der Pro Juventute Stiftung allerdings als Karl Hilty In Buchs ist eine Strasse nach Hilty benannt 2018 grundete sich in der Stadt der Verein Carl Hilty Forum um mit Veranstaltungen das Wissen uber Hiltys Gedankengut weiterzuverbreiten Hiltys Nachlass befindet sich im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern Werke BearbeitenDer moderne Gesindevertrag 2 Aufl Hitz schen Buchhandlung Chur 1893 Frauenstimmrecht In Hilty Carl Hg Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bern 1897 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Fur schlaflose Nachte Hinrichs Leipzig 1901 Bausteine Aphorismen und Zitate aus alter und neuerer Zeit Edward Erwin Meyer Leipzig Aarau Wien 1910 Das Evangelium Christi Mit einigen erlauternden Anmerkungen Huber Leipzig Frauenfeld 1910 Bausteine zum Gluck Epiktets Handbuchlein der Moral Hrsg von Raphael Baer Bar Niederuzwil 2010 ISBN 978 3 9523212 4 9 Politische Verantwortung Politisches Jahrbuch der Schweizerischen Eidgenossenschaft 1886 1910 Hrsg von Raphael Baer Bar Niederuzwil 2010 ISBN 978 3 9523212 5 6 Von der Heiligkeit der Ehe Meine Grundsatze in der familiaren Erziehung Der mangelhafte Beitrag der staatlich organisierten Schulen fur Selbsterziehung und Leben In Raphael Baer Hrsg Ehe Familie Gesellschaft Red Jerzy Kulaczkowski Bar Niederuzwil 2011 ISBN 978 3 9523212 6 3 S 717 730 731 740 741 750 Moderne Heiligkeit Die neue Reformation In Raphael Baer Hrsg Sankt Gallus Geschichte Legende Interpretation Bar Niederuzwil 2011 ISBN 978 3 9523212 7 0 S 97 104 136 f Literatur BearbeitenHeinrich Auer Carl Hilty Blatter zur Geschichte seines Lebens und Wirkens K J Wyss Bern 1910 Raphael Koeber Carl Hilty In Kleine Schriften Neue Folge Tokio 1921 bzw in Carl Hilty Bausteine zum Gluck Bar Niederuzwil 2010 ISBN 978 3 9523212 4 9 S 535 553 Jakob Steiger Carl Hiltys schweizerisches Vermachtnis Huber Frauenfeld Leipzig 1937 Alfred Stucki Carl Hilty Leben und Wirken eines grossen Schweizers Friedr Reinhardt Basel 1946 Hans Rudolf Hilty Carl Hilty und das geistige Erbe der Goethezeit St Gallen 1953 Friedrich Seebass Carl Hilty Ein Freund Gottes 2 Aufl Giessen Basel 1956 Hanspeter Mattmuller Carl Hilty 1833 1909 Basler Beitrage zur Geschichtswissenschaft Band 100 Helbing und Lichtenhahn Basel Stuttgart 1966 KurzbiographienHanspeter Mattmuller Hilty Carl In Neue Deutsche Biographie NDB Band 9 Duncker amp Humblot Berlin 1972 ISBN 3 428 00190 7 S 166 Digitalisat Friedrich Wilhelm Bautz Carl Hilty In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 2 Bautz Hamm 1990 ISBN 3 88309 032 8 Sp 873 874 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Eva Petrig Schuler Carl Hilty In Historisches Lexikon der Schweiz Weitere Sekundarliteratur mit spezifischen ThemenRaphael Baer Carl Hilty uber die Heiligkeit der Ehe In Ehe Familie Gesellschaft Bar Niederuzwil 2011 ISBN 978 3 9523212 6 3 S 119 145 Raphael Baer Fehler und Grenzen der staatlichen Erziehung nach Carl Hilty In Ehe Familie Gesellschaft Bar Niederuzwil 2011 ISBN 978 3 9523212 6 3 S 663 688 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikiquote Carl Hilty Zitate Publikationen von und uber Carl Hilty im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek Nachlass Carl Hilty in der Datenbank Helveticarchives des Schweizerischen Literaturarchivs Literatur von und uber Carl Hilty im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Tondokumente von und uber Carl Hilty im Katalog der Schweizerischen Nationalphonothek Seelsorge an sich selber Beitrag zum 100 Todestag im Kirchenboten seines Geburtskantons Epiktet Handbuchlein der Moral Ubersetzung von Carl Hilty im Projekt Gutenberg DE Gluck Teil 1 1894 im Internet Archive Teil 1 1901 im Internet Archive Teil 2 im Internet Archive Teil 3 im Internet Archive Carl Hilty Fur schlaflose Nachte und Stunden der Einkehr Carl Hilty ForumEinzelnachweise Bearbeiten Die Familie Hilty in Stadtli und Schloss Schloss Werdenberg In Schloss Werdenberg 2014 abgerufen am 27 Februar 2021 a b Hanspeter Mattmuller Hilty Carl In Neue Deutsche Biographie Bd 9 1972 S 166 abgerufen am 27 Februar 2021 a b Eva Petrig Schuler Carl Hilty In Historisches Lexikon der Schweiz HLS 13 Januar 2010 abgerufen am 24 Februar 2021 a b c Daniel Thurer und Karin Spinnler Staatspolitik heisst Suche nach leitenden Ideen In Neue Zurcher Zeitung 10 Oktober 2009 abgerufen am 23 Februar 2021 a b c Benigne Mentha Studie zu einem Bild Carl Hiltys 1833 1909 In Berner Zeitschrift fur Geschichte und Heimatkunde Band 38 1976 S 83 98 doi 10 5169 seals 245915 e periodica ch PDF abgerufen am 23 Februar 2021 Jurg Simonett Hans Hold In Historisches Lexikon der Schweiz HLS 22 November 2006 abgerufen am 24 Februar 2021 a b Christa Heyd Carl Hilty Schliessen Sie sich Christus an nicht bloss Menschen In Jesus ch 20 November 2009 abgerufen am 27 Februar 2021 Jean Gauthier Ubersetzung Ernst Grell Mentha Fritz Henri In Historisches Lexikon der Schweiz HLS 24 Februar 2011 abgerufen am 27 Februar 2021 Gemass der Aussage von Otto Kopp einem Biographen Adenauers der noch mit dessen Sohn gesprochen hatte im Gesprach mit dem Verlag Bar und der schriftlichen Andeutung im Buch von Anneliese Poppinga Das wichtigste ist der Mut Konrad Adenauer die letzten funf Kanzlerjahre S 255 Eine ausfuhrliche Beschreibung und Einordnung von Adenauers Hilty Lekture findet sich bei Hans Peter Schwarz Adenauer Der Aufstieg 1876 1952 Stuttgart DVA 1986 S 109 114 Hanspeter Mattmuller Carl Hilty 1833 1909 Basler Beitrage zur Geschichtswissenschaft Band 100 Helbing und Lichtenhahn Basel Stuttgart 1966 S 278 f und S 284 zitiert nach Robert Jorin Hilty forderte Stimmrecht bereits 1897 In Werdenberger amp Obertoggenburger 5 Februar 2021 S 3 Therese Steffen Gerber Mentha Benigne In Historisches Lexikon der Schweiz HLS 18 August 2020 abgerufen am 27 Februar 2021 Normdaten Person GND 118705032 lobid OGND AKS LCCN no99029466 VIAF 3265317 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Hilty CarlALTERNATIVNAMEN Hilty Carl AndreasKURZBESCHREIBUNG Schweizer StaatsrechtlerGEBURTSDATUM 28 Februar 1833GEBURTSORT WerdenbergSTERBEDATUM 12 Oktober 1909STERBEORT Clarens VD Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Carl Hilty amp oldid 239308097