Der Regierungsrat (französisch Conseil-exécutif) ist die Regierung des Kantons Bern. Er besteht aus sieben Mitgliedern (Regierungsräten), die jeweils eine Direktion der kantonalen Verwaltung führen (vergleichbar mit einem Departement des Bundesrats). Bis 1990 waren es neun Mitglieder. Der Regierungsrat tagt in der Regel am Mittwoch im Regierungszimmer des Berner Rathauses. Nach der Sitzung werden der Öffentlichkeit zugängliche Beschlüsse und Traktanden publiziert.
Die Mitglieder werden vom Volk im Majorzwahlverfahren gewählt. Die Amtsdauer beträgt vier Jahre. Der Regierungsrat veröffentlicht Richtlinien der Regierungspolitik für die Amtsperiode und jährlich einen Geschäftsbericht.
Die Staatskanzlei des Kantons Bern (französisch Chancellerie d’État) ist die Stabs- und Verbindungsstelle des Regierungsrates und des Grossen Rates (Legislative).
Geschichte Bearbeiten
Bis 1798 war der Kleine Rat die Regierung der Stadt und Republik Bern. Mit dem Franzoseneinfall und der Kapitulation Berns im Jahr 1798 wurde der Kleine Rat abgesetzt. Ab 1804 hiess die Regierung des neu gegründeten Kantons Bern Kleiner Rat, die Exekutive der Stadt Bern hiess Stadtrat. Seit 1831 heisst die Kantonsregierung Regierungsrat.
Die Verfassung von 1846 reduzierte die Anzahl der Mitglieder von 17 auf 9. Und der traditionelle Titel Schultheiss wurde durch den eines Präsidenten des Regierungsrats ersetzt.
Seit 1906 werden die Mitglieder des Regierungsrates nicht mehr vom Grossen Rat, sondern vom Volk gewählt (seit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 auch von den Frauen).
1989 wurde eine Volksinitiative zur Reduktion der Anzahl von 9 auf 7 Mitglieder mit 54 % der Stimmen angenommen, entgegen der Empfehlung des Grossen Rates.
Parteipolitische Zusammensetzung Bearbeiten
Die 1918 gegründete Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB, später SVP) konnte 1920 bis 1938 immer fünf der neun Sitze im Regierungsrat besetzen. 1938 zogen erstmals zwei Sozialdemokraten (SP) in die Kantonsregierung ein, 1946 deren drei. Danach hatte die Formel mit vier BGB-, drei SP- und zwei FDP-Regierungsräten bis 1986 Bestand. In den Regierungsratswahlen von 1986 traten die FDP und die SVP erstmals mit getrennten Listen an. Die FDP verlor im zweiten Wahlgang ihre beiden Sitze an die Freie Liste, eine Oppositionsgruppe, die sich besonders für Umweltanliegen einsetzte. 1986 wurde erstmals eine Frau gewählt. Nach der Verkleinerung der Regierung von 9 auf 7 Sitze gingen diese 1990 wieder an die grossen traditionellen Parteien (drei SVP, zwei SP, zwei FDP). Dies blieb bis 2006 so. Als der bisher von der FDP besetzte Jurasitz von der SP errungen wurde und die Grünen wieder Einzug in den Regierungsrat hielten, hatten diese zusammen mit 4 Sitzen eine Mehrheit in der Regierung. Nach zehn Jahren ging der Jurasitz an einen SVP-Vertreter und die bürgerlichen Parteien erreichten damit wieder eine Mehrheit. Seit 2022 ist erstmals eine Vertreterin der Mitte in der Regierung, die Partei ist eine Fusion von BDP und CVP, wovon die CVP nie im Regierungsrat vertreten war.
Sitzanspruch des Berner Juras Bearbeiten
Der französischsprachige jurassische Kantonsteil hat Anspruch auf einen Sitz. Für dessen Besetzung ist das geometrische Mittel der von den Kandidaten im Gesamtkanton und im Berner Jura erzielten Stimmen massgeblich. Wählbar sind die französischsprachigen Stimmberechtigten, die in einem der drei Amtsbezirke Courtelary, Moutier oder La Neuveville wohnen.
Zwischen 1950 und 1978 hatte der Berner Jura 2 garantierte Sitze im Regierungsrat (von 9). Die Gebietsreduktion infolge Abspaltung des Kantons Jura hatte auch die Verringerung der dem Berner Jura zustehenden Regierungsratssitze von zwei auf einen zur Folge. Vor 1950 verlangt die Verfassung nur "auf Vertretung der Minderheit angemessene Rücksicht zu nehmen".
Direktionen Bearbeiten
Die Regierungsräte leiten jeweils eine der folgenden Direktionen der kantonalen Verwaltung (Departemente):
Wahlen Bearbeiten
Die reguläre Wahl findet alle 4 Jahre statt, bei den Grossratswahlen. Die Sitze werden nach dem Majorzwahlrecht vergeben werden, wobei ein Sitz dem Berner Jura vorbehalten ist.
Tritt ein Regierungsrat während einer Amtsperiode zurück finden Ersatzwahlen statt.
Wahlgänge Bearbeiten
Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer das absolute Mehr erreicht. Sollten nicht alle Sitze im ersten Wahlgang besetzt werden, findet ein zweiter Wahlgang statt, an dem alle Kandidaten teilnehmen können, die mindestens 3 % der Stimmen erzielt haben. Hier genügt das einfache Mehr, es sind also die Kandidaten mit den meisten Stimmen gewählt.
Absolutes Mehr Bearbeiten
Aspekt | Wert | Anmerkungen |
---|---|---|
Stimmberechtigte | 693'710 | Jahr 2006 |
Eingegangene Wahlzettel | 205'909 | |
Wahlbeteiligung | 29,68 % | (eingegangene Wahlzettel/Stimmberechtigte) |
Leer | 1'608 | |
Ungültig | 990 | |
in Betracht fallende gültige Wahlzettel | 203'311 | (ohne leere und ungültige) |
Sitze | 7 | |
Zahl der gültigen Kandidatenstimmen ("Total der Stimmen") | 935'684 | ca. 4,6 pro gültiger Wahlzettel |
Absolutes Mehr | 66'835 | Int(935684/7/2+1) |
Wahl Kandidat Berner Jura Bearbeiten
Einer der sieben Sitze wird für französischsprachige Kandidaten mit Wohnsitz im Berner Jura reserviert. Unter den in Frage kommenden Kandidaten wird das geometrische Mittel aus dem gesamtkantonalen und dem regionalen Wahlergebnis ermittelt, um den reservierten Sitz zu besetzen. Auch hier ist im ersten Wahlgang das absolute Mehr erforderlich.
Kandidat | Stimmen Berner Jura (A) | Stimmen Kanton (B) | Produkt (A*B) | Geometrisches Mittel (SQR(A*B)) |
---|---|---|---|---|
Roberto Bernasconi | 5'270 | 107'755 | 567'868'850 | 23'380 |
Pierre Alain Schnegg | 7'003 | 111'657 | 781'933'971 | 27'963 |
Wahltermine Bearbeiten
Jahr/Art | Wahlgänge | Daten | Wahlbeteiligung | Absolutes Mehr (1. Wahlgang) |
---|---|---|---|---|
2026 Gesamterneuerungswahl | Termine nicht bekannt (Stand November 2023) | |||
2022 Gesamterneuerungswahl | 1 | 27. März 2022 | 31,2 % | 77'674 |
2018 Gesamterneuerungswahl | 1 | 25. März 2018 | 29,5 % | 69'475 |
2016 Ersatzwahl | 2 | 28. Februar 2016, 3. April 2016 | 52,71 %, 30,4 % | 181'084 |
2014 Gesamterneuerungswahl | 1 | 30. März 2014 | 31,1 % | 73'014 |
2010 Gesamterneuerungswahl | 1 | 28. März 2010 | 31,4 % | 67'832 |
2008 Ersatzwahl | 1 | 24. Februar 2008 | 51'571 | |
2006 Gesamterneuerungswahl | 1 | 9. April 2006 | 29,68 % | 66'835 |
2002 Gesamterneuerungswahl | 1 | 14. April 2002 | 28,2 % | 64'795 |
1998 Gesamterneuerungswahl | 1 | 29,3 % | 68'528 |
Prüfung Bearbeiten
Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates hat die Oberaufsicht über die Tätigkeit des Regierungsrates und die von ihm geleitete kantonale Verwaltung.
Die Finanzkontrolle des Kantons Bern ist zuständig für die Abschlussprüfung, die Finanzaufsicht und als Meldestelle für Missstände. Sie wird vom Grossen Rat ernannt. Für die Jahresrechnungen 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022 formulierte sie Vorbehalte.
Der Grosse Rat kann eine Parlamentarische Untersuchungskommission zu gewissen Vorkommissionen ernennen.
Mitglieder als Organe von Unternehmen und Organisationen Bearbeiten
Mitglieder des Regierungsrates können, sofern es im Interesse des Kantons nötig ist, den Verwaltungsorganen wirtschaftlicher oder gemeinnütziger Unternehmen und Organisationen angehören. Sie werden meist "von Amts wegen" delegiert.
Unternehmen oder Organisation | Funktion | Jahre |
---|---|---|
Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) | Vorstand | 2022, 2021 |
Ausgleichskasse des Kantons Bern | Mitglied des Aufsichtsrates | 2022, 2021 |
Invalidenversicherungsstelle Kanton Bern | Mitglied des Aufsichtsrates | 2022, 2021 |
Bernische Denkmalpflegestiftung | Präsidentin | 2022, 2021 |
Schweizerisches Polizei-Institut | Präsident Stiftungsrat | 2022, 2021 |
Schweizerische Nationalbank | Mitglied Bankrat | 2022, 2021 |
Diözesankonferenz des Bistums Basel | Mitglied | 2022 |
Schweizer Salinen AG | Mitglied des Verwaltungsrates | 2022, 2021 |
SwissDRG AG | Verwaltungsratspräsident | 2022, 2021 |
Cantosana AG | Verwaltungsratspräsident; Mitglied des Verwaltungsrates | 2022 2021, ab 2017 |
Post Sanela Health AG (ab 2023), früher Axsana AG | Verwaltungsratspräsident; Mitglied des Verwaltungsrates | 2022 2021, ab 2018 |
OAAT Organisation ambulante Arzttarife AG | Verwaltungsratspräsident | 2022 |
Zukunft für Schweizer Fahrende | Präsident des Stiftungsrates | 2022, 2021 ab 2016 |
Verband Bernischer Jugendmusiken (VBJ) | Präsidentin | 2021 |
Literatur Bearbeiten
- Richtlinien der Regierungspolitik
- Richtlinien der Regierungspolitik 2015–2018. 2015 (deutsch, französisch).
- Richtlinien der Regierungspolitik 2019–2022. 2023 (deutsch, französisch).
- Richtlinien der Regierungspolitik 2023–2026. 2023 (deutsch, französisch, be.ch [PDF]).
- Geschäftsbericht und Jahresrechnung
- ↑ Geschäftsbericht 2021. 2021 (deutsch, französisch, Band 1: Jahresrechnung, Band 2: Produktgruppen).
- ↑ Geschäftsbericht 2022. 2022 (deutsch, französisch, Band 1: Jahresrechnung, Band 2: Produktgruppen).
Anmerkungen Bearbeiten
- Prov. Resultat: 724'332 (Total Stimmen)/2 (Sitze)/2 + 1
- 103'141 (Total der Stimmen)/ 1 (Sitz) / 2 + 1
- 907'118 (Total der Stimmen) / 7 (Sitze) / 2 + 1
- auch Institut Suisse de Police (ISP)
- ↑ nicht von Amtes wegen
- auch OTMA Organisation tarifs médicaux ambulatoires SA
Siehe auch Bearbeiten
Einzelnachweise Bearbeiten
- Conseil-exécutif. Kanton Bern, abgerufen am 17. November 2023 (französisch).
- ↑ Regierungsrat des Kantons Bern. In: Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura. Abgerufen am 18. November 2023.
- ↑ Volksbeschluss betreffend die Volksinitiative "7 statt 9 Regierungsräte". In: Gesetz, Dekrete und Verordnungen des Kantons Bern. Jahrgang 1989, 24. September 1989, S. 371–372.
- Sitzungen des Regierungsrates
- BSG 101.1 – Verfassung des Kantons Bern. Kanton Bern, abgerufen am 17. November 2023 (Artikel 72 und 85).
- Ratsmanuale, 1465–1798. In: Online-Inventar des Staatsarchivs des Kantons Bern. (be.ch).
- Regimentbuch 1804, S. 3.
- Verfassung für die Republik Bern (1831). Abgerufen am 17. November 2023.
- ↑ Beat Junker, Anne-Marie Dubler: Bern (Kanton). In: Historisches Lexikon der Schweiz. 3. September 2023.
- Berner Wahlen: Rotgrün bleibt am Ruder. In: swissinfo.ch. 28. März 2010, abgerufen am 19. November 2023.
- Berner Regierung wieder bürgerlich. In: schweizerbauer.ch. 3. April 2016, abgerufen am 19. November 2023.
- Wahlen Kanton Bern - Berner Regierung bleibt bürgerlich: Bärtschi holt Sitz für Mitte. In: srf.ch. 27. März 2022, abgerufen am 19. November 2023.
- BSG 101.1 – Verfassung des Kantons Bern. Kanton Bern, abgerufen am 17. November 2023 (Artikel 84 und 85).
- Peter Gilg: Berner Jura – 3. Von der Trennung zum Sonderstatut. In: Historisches Lexikon der Schweiz, abgerufen am 18. November 2023.
- Verfassung von 1893, Art. 33
- Verwaltung. Kanton Bern, abgerufen am 17. November 2023.
- Wahlen 2006
- Wahlen 2006
- Nächste Wahlen
- Finanzkontrolle
- Kantonales Finanzkontrollgesetz (KFKG) vom 7. März 2022, Art. 11 Aufgaben
- Gesetz vom 20. Juni 1995 über die Organisation des Regierungsrates und der Verwaltung (OrG; BSG 152.01), Art. 17 Abs. 2
- UID CHE-483.277.989
- UID CHE-338.108.067
- UID CHE-101.808.844
- UID CHE-105.823.156
- UID CHE-105.957.650
- UID CHE-113.846.231
- ↑ Handelsregister CHE-342.575.176
- ↑ Handelsregister, CHE-183.688.919
- UID CHE-458.374.945
- ↑ Handelsregister, UID CHE-110.407.556
- UID CHE-441.190.911