www.wikidata.de-de.nina.az
Baudolino ist der Titel eines historischen Romans von Umberto Eco der 2000 unter demselben Titel im italienischen Original und 2001 in der Ubersetzung von Burkhart Kroeber erschienen ist Er erzahlt im Stil eines Schelmenromans die Lebensgeschichte eines piemontesischen Bauernjungen aus der Gegend von Alessandria der anno 1154 als etwa Dreizehnjahriger von dem Stauferkaiser Friedrich I Barbarossa adoptiert und an dessen Hof erzogen wurde nach einem Studium in Paris zum Berater des Kaisers in italienischen Dingen aufstieg 1189 mit dessen Heer zum Dritten Kreuzzug aufbrach nach abenteuerlichen Reisen in den fernen Osten anno 1204 die Plunderung von Konstantinopel durch die Kreuzritter des Vierten Kreuzzugs miterlebte und einige Jahre spater irgendwo im Orient verschollen sein soll Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Einleitung 1 2 Rahmenhandlung 1 3 Erster Teil 1 4 Zweiter Teil 2 Stil und Aufbau 3 Besondere Elemente 4 Aufnahme in der Kritik 5 Prazisierungen und Einzelnachweise 6 Figuren im Roman 7 Ausgaben 8 Sekundarliteratur 9 Horspiel 10 WeblinksInhalt BearbeitenEinleitung Bearbeiten Der Roman beginnt mit einem selbstverfassten Bericht des jungen Baudolino uber seine erste Begegnung mit Barbarossa Es muss wahrend dessen erster Romfahrt 1154 gewesen sein der noch ungekronte Kaiser hatte sich im Wald und Nebel der westlichen Poebene verirrt bat den Bauernjungen um Hilfe und wurde nachdem er die Nacht in der Hutte von Baudolinos Vater verbracht hatte am nachsten Tag von dem Jungen zu seinem Heer zuruckgefuhrt Der Text reproduziert den von Baudolino eigenhandig niedergeschriebenen Bericht den er am kaiserlichen Hofe in Regensburg Anno Domini MCLV 1155 unter der Uberschrift Chronik des Baudolino aus dem Geschlecht der Aulari verfasst hat Da er gerade erst Lesen und Schreiben gelernt hat und in seiner heimatlichen Mundart zu schreiben versucht ist sein Bericht in einer zunachst gewohnungsbedurftigen dann aber sich als sehr plastisch und farbig erweisenden Sprache und Orthographie geschrieben Rahmenhandlung Bearbeiten Nach dieser sehr personlichen Einleitung wird das Leben Baudolinos zwar in der dritten Person und in heutiger Sprache erzahlt aber so wie er selbst es im April 1204 als bereits uber Sechzigjahriger in Konstantinopel dem byzantinischen Historiker und hohen Beamten Niketas Choniates erzahlt den er aus den Handen marodierender frankischer Kreuzfahrer gerettet und in Sicherheit gebracht hat 1 Wahrend er dem Byzantiner sein Leben erzahlt und mit ihm daruber und allgemein uber den Lauf der Welt spricht sehen sie von einem sicheren Ort aus zu wie die prachtige Stadt am Bosporus drei Tage lang brennt und geplundert wird Am vierten Tag wagen sie es ihr Versteck zu verlassen und ziehen verkleidet gemeinsam mit anderen Fluchtlingen in die Stadt Selymbria am Marmarameer Dort beendet Baudolino die Erzahlung seines Lebens Sie lasst sich inhaltlich und perspektivisch in zwei Teile zerlegen 2 Erster Teil Bearbeiten Schon als zwolf bis dreizehnjahriger Bauernjunge hat Baudolino den deutschen Kaiser der sich im Nebel der Poebene verirrt hatte mit einem Lugenmarchen beeindruckt San Baudolino der Ortsheilige jener Gegend habe ihm die Einnahme der nahe gelegenen Stadt Tortona durch Kaiser Barbarossa prophezeit Friedrich ist von dem Jungen angetan und nimmt ihn mit zur Kaiserkronung nach Rom Danach kummert sich Bischof Otto von Freising in Regensburg um Baudolinos Erziehung 3 wobei er den ohnehin mit ausgepragter Fabulierlust Gesegneten lehrt es sei ein gutes Werk um der hoheren Wahrheit willen falsch zu bezeugen was du fur richtig haltst 4 Auf dem Sterbebett mahnt er ihn stets an das Reich des Priesterkonigs Johannes im fernen Osten zu denken und nach ihm zu suchen Denn Nur wenn man danach sucht wird man das Banner der Christenheit uber Byzanz und Jerusalem hinaustragen konnen 4 Baudolino nimmt sich den Rat zu Herzen geht jedoch vorerst zum Studium nach Paris und lernt dort erste Freunde kennen einen Rittersohn aus Koln von dem alle nur als der Poet sprechen einen rothaarigen Levantiner namens Abdul der schone provencalische Lieder zur Laute singt einen fahrenden Scholaren namens Boron einen fur die bretonischen Ritter und Feengeschichten schwarmenden Franzosen namens Kyot und den judischen Rabbi Solomon 5 Mit ihnen trainiert er sein Talent zum Erfinden von Lugengeschichten wozu sie wiederholt Haschisch konsumieren sprich den berauschenden grunen Honig den Abdul bei den Assassinen kennengelernt hat Nach dem Studium nimmt Baudolino seine Freunde mit an den Hof des Kaisers wo er zu einem Ministerialen des Reiches ernannt wird Als solcher und als begabter Lugner nimmt er Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte Er begleitet den Kaiser auf dessen Feldzugen nach Italien dient ihm als gewiefter Unterhandler in den Auseinandersetzungen mit den lombardischen Stadten erlebt die Grundung der Stadt Alessandria mit 6 und spater die Schlacht von Legnano 7 beschafft nutzliche Reliquien so etwa die Gebeine der Heiligen Drei Konige deren Uberfuhrung nach Koln anno 1164 er zusammen mit seinen Freunden organisiert und tut alles um die Macht und das Ansehen seines Adoptivvaters zu vergrossern So erfinden die Freunde in Anlehnung an die Begegnung des Seefahrers Sindbad mit dem Prinzen von Sarandip einen Brief des angeblich uber Indien herrschenden Priesterkonigs Johannes an Kaiser Friedrich der dessen Autoritat in der Auseinandersetzung mit dem Papst starken soll womit sie jedoch eine formidable politische Falschergeschichte auslosen Denn noch bevor sie den Brief wirklich abschicken kopiert ihn ein griechischer Spion namens Zosimos andert ihn ein wenig um und adressiert ihn an Kaiser Manuel von Byzanz aber spater taucht der Brief diesmal an Papst Alexander III gerichtet offenbar auch in Rom auf In den nur leicht verschiedenen dem jeweiligen Adressaten angepassten Versionen wird stets ausfuhrlich von der grossen Macht und dem juwelenstrotzenden Reichtum jenes fernen Landes im Osten berichtet 8 Als Geschenk des morgenlandischen Priesterkonigs an den abendlandischen Kaiser hatte Baudolino den Heiligen Gral vorgesehen 9 unter dem man sich damals zumeist einen besonders kostbaren Kelch vorstellte aus welchem Jesus beim letzten Abendmahl getrunken haben sollte Doch statt eines goldenen und juwelenbesetzten Kelches prasentiert Baudolino als er dann etwas vorweisen muss die holzerne Trinkschale seines Vaters als den Heiligen Gral denn das Trinkgefass des einfachen Zimmermannssohnes Jesus konne ja nicht aus Gold und Juwelen bestanden haben sondern musse schlicht schmucklos arm wie Unser Herr Jesus Christus gewesen sein 10 Und die Operation gelingt ihm denn wie Niketas in einem fruheren Gesprach uber Reliquien bemerkt hat Es ist der Glaube der sie echt macht nicht sie den Glauben 11 Weder der Gral noch Baudolino konnen jedoch verhindern dass Barbarossa als er 1189 zum Dritten Kreuzzug aufbricht unterwegs in Kilikien beim Schwimmen in dem Flusschen Saleph stirbt In Baudolinos Erinnerungen liest sich Barbarossas Tod allerdings ganz anders als in den Geschichtsbuchern und der mysteriose Badeunfall seines geliebten Adoptivvaters wird ihn noch lange beschaftigen und erst gegen Ende seiner Geschichte eine mogliche Erklarung finden Zweiter Teil Bearbeiten Nach Friedrichs Tod beschliesst Baudolino nicht umzukehren sondern mit seinen Freunden und Getreuen weiter nach Osten zu ziehen um das Reich des Priesters Johannes zu finden Diese Expedition fuhrt die Gruppe in ferne Weltgegenden die von allerlei kuriosen Menschen und Monsterwesen bewohnt sind ein phantastischer teils komischer teils anruhrender teils dramatischer Streifzug durch die mittelalterliche Mythologie der Fabelwesen Dabei bedienen sich die Reisenden der Weltkarte des Kosmas Indikopleustes der eine flache Erde annahm Nach einer endlosen Reise durch Steppen und Wusten die sie unter anderem durch das Land der weisen Gymnosophisten fuhrt welche in paradiesischer Nacktheit leben und durch das stets und immer stockdunkle Land Abkasia wo der fieberkranke Abdul wieder zu singen beginnt aber danach die Begegnung mit einer Mantikore nicht uberlebt gelangen sie endlich zu dem steinernen Fluss Sambation hinter dem angeblich die zehn verlorenen Stamme Israels leben und der nur am Sabbat uberquert werden kann weil er dann stillsteht aber am Sabbat darf ihn auch Rabbi Solomon nicht uberqueren was jedoch fur den einfallsreichen Baudolino kein Problem ist Schliesslich erreichen sie die Stadt Pndapetzim zu Fussen eines Gebirges hinter dem das Reich des Priesters Johannes liegen soll In dieser Stadt die aus zahlreichen spitzen Felsenkegeln mit bienenwabenartigen Hohlenhausern besteht ahnlich der Stadt Goreme in Kappadokien werden die Reisenden lange aufgehalten sie schliessen Freundschaft mit einem hilfsbereiten Skiapoden Einfussler namens Gavagai 12 der ihnen das multikulturelle Volkergewimmel erklart das dort in schonster Eintracht aber theologischer Zwietracht zusammenlebt Baudolino fuhrt lange Gesprache mit dem Diakon Johannes der als Stellvertreter des Priesters Johannes uber Pndapetzim herrscht sich jedoch als ein leprakranker Jungling erweist der ahnlich phantastische Vorstellungen vom Leben im Abendland hat wie die Abendlander vom Leben im Morgenland und am Ende verliebt sich Baudolino sogar unsterblich in eine feenhafte Jungfrau mit Einhorn namens Hypatia die ihn nicht nur in eine fur ihn ganz neue Art von Liebe sondern auch in die Grundzuge der gnostischen Weltsicht und Gottesvorstellung einfuhrt Da aber droht der Stadt ein Angriff der beruchtigten Weissen Hunnen Baudolino und seine Freunde helfen den Einwohnern sich zu wehren und organisieren die Verteidigung angefuhrt von dem kampferprobten Poeten doch vergebens die theologische Zwietracht der Pndapetzimer uberwiegt und die Hunnen uberrollen die Stadt Von Baudolinos Gruppe konnen nur er selbst der Poet und vier weitere entkommen Sie werden von Kynokephalen entfuhrt und jahrelang auf der Burg des Assassinenfuhrers Raschid ad Din Sinan festgehalten der hier Aloadin genannt wird Schliesslich konnen sie getragen von drei riesigen Vogeln Roch in einem Zug uber Wusten Steppen Walder und Berge zuruck nach Konstantinopel fliegen Dort sind inzwischen die Kreuzfahrer eingetroffen und belagern die Stadt Baudolino und seine restlichen Freunde erleben die wirren Monate vor der Eroberung Konstantinopels im April 1204 nutzen die anarchische Lage um Geschafte mit falschen Reliquien zu machen So bringen sie etwa das Leichentuch des leprakranken Diakons Johannes als Grabtuch Jesu Christi unter die Leute Dabei geraten sie in Streit und Konflikt miteinander und so kommt es am Ende zu einem regelrechten Showdown in den Katakomben von Konstantinopel Unmittelbar danach trifft der geschockte Baudolino in der von plundernder Soldateska wimmelnden Hagia Sophia auf Niketas befreit ihn aus den Handen der Kreuzritter und flieht schliesslich mit ihm nach Selymbria Nachdem Baudolino seine Lebensgeschichte zu Ende erzahlt hat wird ihm endlich klar wie sein Adoptivvater Friedrich Barbarossa wirklich gestorben ist Entsetzt uber seine eigene Rolle bei diesem Tod zieht er sich in ein Leben als Saulenheiliger zuruck verbringt ein gutes Jahr als bussender Einsiedler und weiser Ratgeber auf einer Eremitensaule am Stadtrand von Selymbria steigt dann herab und macht sich aus Sehnsucht nach seiner geliebten Hypatia erneut auf den Weg in den fernen Osten Niketas sah ihn in der Ferne entschwinden die Hand noch winkend erhoben doch ohne sich noch einmal umzudrehen unbeirrt unterwegs zum Reich des Priesters Johannes 13 Stil und Aufbau BearbeitenStilistisch ist Baudolino Ecos vierter Roman und der erste mit dem er nach Der Name der Rose ins Mittelalter zuruckkehrt das Gegenteil seines funf Jahre zuvor erschienenen Barockromans Die Insel des vorigen Tages Im lockeren Plauderton erzahlt er die Lebensgeschichte eines charmant schlitzohrigen Lugners dem es allein durch seine bluhende Phantasie und seine nie erlahmende Uberredungsgabe gelingt die Grossen der Welt zu beeinflussen und das hiess zu seiner Zeit immerhin den Kaiser des Heiligen Romischen Reiches Dabei werden mit leichter Hand und ganz nebenbei eine Reihe von Fragen beantwortet die in der offiziellen Geschichtsschreibung des Mittelalters bisher als ungeklart gelten und wohl auch nie endgultig geklart werden konnen Zum Beispiel die Hintergrunde der Heiligsprechung Karls des Grossen oder die Frage wie eigentlich die Gebeine der Heiligen Drei Konige 1162 in Mailand gefunden als solche identifiziert werden konnten und so wie sie heute im Kolner Dom liegen dorthin gekommen sind Oder die Frage wer den angeblichen Brief des Priesterkonigs Johannes an Manuel I Komnenos verfasst hat der seinerzeit in Europa grosses Aufsehen erregte und allerlei wilde Spekulationen ausloste In Ecos Roman erfahrt man nun dass und wie es der begabte Lugner Baudolino war der all dies und noch vieles andere in die Wege geleitet hatte So kann man in einem gewissen Sinn sagen dass hier endlich alle offenen Fragen der Geschichtsschreibung des 12 Jahrhunderts beantwortet werden sogar die des Todes von Barbarossa Besondere Elemente BearbeitenBrechung traditioneller Motive aus dem Historien und AbenteuerromanEco durchsetzt den Roman mit postmoderner Ironie in verschiedenen Formen In der Tradition des Schelmenromans ist Baudolino eine aufgeklarte Picaro Figur die Eco die Ereignisse der offiziellen Geschichtsschreibung des Mittelalters miterfinden und neu verknupfen lasst Baudolino erschafft den Gral und historisch dokumentierte Schriften wie den Brief des Priesters Johannes er ist treibende Kraft hinter Barbarossa und veranlasst dessen kluge politische Schachzuge wie die Heiligsprechung Karls des Grossen Dabei entwickelt er sich zu einem immer besseren Lugner Eco lasst den Roman mit einem metafiktionalen Kommentar enden wenn er dem historisch verburgten Geschichtsschreiber Niketas Choniates folgenden Schlussdialog mit einem erfundenen Freund in den Mund legt Es war eine schone Geschichte Schade dass sie nun niemand erfahrt Glaub nicht du warst der einzige Geschichtenverfasser in dieser Welt Fruher oder spater wird sie jemand erzahlen der noch verlogener ist als Baudolino dd Elemente aus dem Abenteuerroman wie Schatzsuche Reisen Kriege und Kampfe gegen Fabelwesen behandelt Eco sehr ironisch Der Heilige Gral ist ein von vornherein erfundenes Objekt Kriege enden als Posse Rettung der Stadt Alessandria durch eine Kuh die Bewohner von Pndapetzim gehen weniger an der Aggression von aussen als an ihrer eigenen Zerstrittenheit zugrunde Fantastische Elemente stehen besonders im zweiten Teil des Romans gleichberechtigt neben historischen Tatsachen Es tauchen vermehrt Fabelwesen Basilisken Mantikoren Einhorner auf Baudolino verliebt sich in die Satyrin Hypatia die den Namen der beruhmten Philosophin Hypatia tragt Ironischerweise werden manche Monster nach ihrem Ableben verspeist und Baudolino wird von der Frage getrieben wo das Geschlechtsteil bei den Skiapoden sitzt Der in der ersten Halfte des Romans beschworene Orientalismus der die Exotik ferner Lander Kulturen Stichwort Essen und Weltanschauungen zum Thema hat erlebt am Ende eine starke Brechung in Pndapetzim will der Orient vom Okzident gerettet werden Selbst die Befassung mit semiotischen Elementen der Eco mit Der Name der Rose ein Denkmal gesetzt hat wird lange nicht mit der gewohnten Ernsthaftigkeit dargestellt der scheinbare Mord an Friedrich in einem geschlossenen Raum ein vertrauter Topos aus Kriminalromanen wird letztendlich gerade von dem Menschen begangen der ihn verhindern wollte Eco nimmt in diesem Roman wie auch in Die geheimnisvolle Flamme der Konigin Loana Bezug auf seinen ersten Roman Der Name der Rose wenn er Baudolinos Manuskript mit den Worten enden lasst und wie jener andre sagte der daumen schmerzt mich Ausgabe Hanser S 19 dtv S 22 Vgl den letzten Satz von Der Name der Rose Kalt ist s im Skriptorium der Daumen schmerzt mich Pndapetzim Als von dem Diakon Johannes der durch seine Krankheit Ahnlichkeit mit Balduin IV von Jerusalem aufweist regierter Stadtstaat ist Pndapetzim dem letztendlich unzuganglichen utopischen Reich des Priesters Johannes vorgeschaltet Die Stadt ist bevolkert von einer unuberschaubaren Anzahl mittelalterlicher Fabelwesen wie Skiapoden Panothier und Blemmyer die die ganze Fulle historischen christlichen Dogmatismus reprasentieren Durch die innere Zerstrittenheit ist Pndapetzim Angriffen von aussen schutzlos ausgeliefert und wird von den Weissen Hunnen problemlos erobert Aufnahme in der Kritik BearbeitenAuch bei diesem vierten Roman von Eco wie bereits bei seinem funf Jahre zuvor erschienenen dritten Die Insel des vorigen Tages war die Kritik im deutschsprachigen Raum gespalten Von harschen Verrissen die den Roman als stofflich total uberladen und literarisch mangelhaft verarbeitet kritisieren diesem Spiel ist seine Prosa nicht gewachsen 14 oder gar als ein Werk des Kalkuls und der kalten Berechnung denn hier schimmert unter dem mittelalterlichen Kostum der Armani Anzug des ausgefuchsten Medien und Presseagenten aus der Welt Berlusconis hervor 15 uber schwankende Urteile Leseerlebnis herrliche Kapitel aber insgesamt zu dick 16 bis zu positiven Bewertungen als sinnenpralles Panorama des Mittelalters 17 mit farbenprachtigen Mittelalterszenarien einer atmospharisch bezwingende n Grundungsgeschichte Alessandrias und einem vergnuglichen Reisebericht 18 oder schliesslich als auch eine philosophische Elegie 19 Verlegerisch war der Roman fast so erfolgreich wie Ecos erster Roman Der Name der Rose Prazisierungen und Einzelnachweise Bearbeiten Niketas ist im Gegensatz zu Baudolino eine reale Person der Geschichte Er lebte von etwa 1150 bis etwa 1215 und hat das grundlegende zeitgenossische Werk uber die Eroberung Konstantinopels geschrieben aus dem ihn Eco immer wieder zitieren lasst vgl Niketas Choniates Die Kreuzfahrer erobern Konstantinopel ubersetzt eingeleitet und erklart von Franz Gabler Byzantinische Geschichtsschreiber Bd 3 Styria Graz 1958 Dies hat schon der Autor selbst verschiedentlich betont In einem langeren Gesprach uber Baudolino das der Romanist Thomas Stauder im Mai 2001 mit ihm gefuhrt hat sagt Eco dazu Das Mittelalter glaubte an die Geheimnisse des Orients auf deren Suche sich Baudolino begibt und woruber auch der Historiker Jacques Le Goff einiges sehr Lesenswerte geschrieben hat Im Roman habe ich daraus eine Art von Chiasmus gemacht Im ersten Teil beschreibe ich ein Abendland voller Probleme das die Losung derselben in einem marchenhaften Morgenland zu finden hofft im zweiten Teil ist dann die Rede von einem in einem katastrophalen Zustand befindlichen Orient der sich die Rettung vom Okzident erwartet Zibaldone Zeitschrift fur italienische Kultur und Gegenwart No 33 Fruhjahr 2002 Tubingen Stauffenberg Verlag 2002 S 101 Otto von Freising ist ebenfalls eine reale Person der Geschichte In seiner umfassenden Weltchronik Chronica sive Historia de duabus civitatibus Geschichte der beiden Reiche gemeint sind das weltliche und das himmlische hat er die Hoffnung auf ein Bundnis zwischen dem Priesterkonig Johannes und dem deutschen Kaiser ausgedruckt a b Baudolino Hanser S 71 dtv S 77 Hinter Baudolinos Freunden verbergen sich lauter historisch belegte Personen der mittelalterlichen Literaturgeschichte der sogenannte Archipoet aus Koln der provencalische Troubadour Jaufre Rudel der fahrende Scholar Robert de Boron sowie der Provencale Kyot der laut Wolfram von Eschenbach die Vorlage fur dessen Parzival verfasst haben soll Alessandria ist die Geburtsstadt von Umberto Eco Beide werden ausfuhrlich und sehr lebendig geschildert erstere aus der Sicht des Heimkehrers Baudolino der am Weihnachtsabend zum ersten Mal seit seiner Kindheit wieder in die alte Heimat kommt letztere aus der Perspektive des verirrten Soldaten wie die Schlacht bei Waterloo in Stendhals Kartause von Parma Der Brief hat wirklich existiert er wurde um 1165 angeblich von dem Presbyter Johannes Konig von Indien an den byzantinischen Kaiser Manuel I Komnenos geschickt und hat so grosses Aufsehen erregt dass Papst Alexander III sich 1177 zu einem Antwortschreiben veranlasst sah Genaueres sowie den Text des Briefes in deutscher Ubersetzung bietet Ulrich Knefelbach Die Suche nach dem Reich des Priesterkonigs Johannes Dargestellt anhand von Reiseberichten und anderen ethnologischen Quellen des 12 17 Jahrhunderts Verlag Andreas Muller Gelsenkirchen 1986 weitere Literaturangaben hier Im Roman heisst er immer nur Gradal von lat gradalis Baudolino Hanser S 315 dtv S 336 Baudolino Hanser S 133 dtv S 142 Ein Insiderwitz fur Kenner des Sprachphilosophen Willard Van Orman Quine der in seinem beruhmten Aufsatz Meaning and Translation das Kunstwort Gavagai benutzt um zu demonstrieren wie schwierig es ist in einer vollig unbekannten Sprache die Bedeutung eines Wortes zu erschliessen selbst wenn dem Sprachforscher ein Eingeborener dabei hilft Ein Kaninchen huscht vorbei der Eingeborene sagt Gavagai und der Sprachforscher notiert Kaninchen oder Sieh da ein Kaninchen als vorlaufige in weiterem Sinn zu erprobende Ubersetzung siehe W V Quine Wort und Gegenstand Word and Object aus dem Engl v Joachim Schulte und Dieter Birnbacher Reclam Stuttgart 1980 S 63 vgl auch Umberto Eco Quasi dasselbe mit anderen Worten Uber das Ubersetzen aus dem Ital v Burkhart Kroeber Hanser Munchen 2006 S 43 Ausgabe Hanser S 596 dtv S 631 Andreas Kilb in der F A Z vom 9 Okt 2001 Lothar Muller in der Suddeutschen Zeitung vom 1 Sept 2001 Fritz J Raddatz in der Zeit vom 4 Okt 2001 Martin Halter im Zurcher Tages Anzeiger vom 5 Sept 2001 Maike Albath in der NZZ vom 3 Sept 2001 die allerdings die symmetrische Struktur des Romans und die historischen Zufalle konstruiert findet Roland H Wiegenstein in der Frankfurter Rundschau vom 13 Sept 2001 der besonders die bezaubernde anruhrende Liebesgeschichte zwischen Baudolino und Hypatia hervorhebt Figuren im Roman Bearbeiten Genaueres zu den Figuren Bilder Beschreibungen Textauszuge bietet die Spezialseite des Hanser Verlags s u unter Weblinks Baudolino sein Vater Gagliaudo Der Byzantiner Niketas Choniates Kaiser Friedrich Barbarossa seine Frau Beatrix von Burgund Bischof Otto von Freising Reichskanzler Rainald von Dassel Baudolinos Freunde Abdul Kyot Boron Rabbi Solomon und der Poet Die Alexandriner Boidi Porcelli Cuttica Boiamondo Colandrino und Aleramo Scaccabarozzi genannt il Ciula Colandrina Zosimos aus Chalkedon Der Armenier Ardzrouni Der Skiapode Gavagai Der Eunuch Praxeas Der Diakon Johannes HypatiaAusgaben BearbeitenUmberto Eco Baudolino Bompiani Mailand 2000 ISBN 8845247368 Umberto Eco Baudolino ubers v Burkhart Kroeber Hanser Munchen 2001 ISBN 3446200487 8 Wochen lang im Jahr 2001 auf dem Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste dtv Munchen 2003 ISBN 3423131381 Neuausgabe 2006 ISBN 9783423209540 Sekundarliteratur BearbeitenThomas Bremer u Titus Heydenreich Hrsg Siebzig Jahre Umberto Eco Zibaldone Zeitschrift fur italienische Kultur der Gegenwart No 33 Stauffenburg Verlag Tubingen 2002 ISBN 3860579851 Horspiel BearbeitenBaudolino Horspielbearbeitung und Regie Leonhard Koppelmann mit Jens Wawrczeck als Baudolino SWR NDR 2002 Der Horverlag Munchen 5 CDsWeblinks BearbeitenSpezialseite des Hanserverlags zu Baudolino Rezensionsnotizen FAZ Zeit FR SZ zu Baudolino bei Perlentaucher Rezension Achim Podak Kulturweltspiegel WDR 29 Juli 2001 Interview mit Umberto Eco im Tagesspiegel zu Baudolino Warum lieben Sie das Lugen Tagesspiegel 18 September 2001Romane von Umberto Eco Der Name der Rose Das Foucaultsche Pendel Die Insel des vorigen Tages Baudolino Die geheimnisvolle Flamme der Konigin Loana Der Friedhof in Prag Nullnummer Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Baudolino amp oldid 216667296