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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Zugang Begriffsklarung aufgefuhrt Zugang ist ein Rechtsbegriff der die Rechtswirksamkeit empfangsbedurftiger Willenserklarungen beschreibt Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Rechtsfragen 2 1 Zugang unter Anwesenden oder unter Abwesenden 2 2 Zugangsregeln 2 3 Zugangsfiktion 3 Rechtsfolgen 4 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenBeteiligte bei Willenserklarungen sind der erklarende Absender und der die Erklarung erhaltende Empfanger Mit der Abgabe einer Willenserklarung durch den Absender darf nicht deren Wirksamwerden verwechselt werden 1 Eine streng einseitige Willenserklarung wie etwa das Testament ist bereits mit Vollendung ihrer Voraussetzungen hier der eigenhandigen Unterschrift des Erblassers wirksam 2247 BGB weil es keinen Erklarungsempfanger gibt Sind dagegen Willenserklarungen gegenuber anderen Rechtssubjekten abzugeben empfangsbedurftige Willenserklarungen mussen sie zu ihrer Wirksamkeit dem richtigen Empfanger auch zugehen Zugegangen ist eine Willenserklarung sobald sie derart in den Machtbereich des Empfangers gelangt dass bei Annahme gewohnlicher Verhaltnisse damit zu rechnen ist er konne von ihr Kenntnis erlangen 2 Hiermit konnen Ubermittlungsrisiken verbunden sein Denn der erklarende Absender tragt das Risiko einer fehlerhaften oder gescheiterten Ubermittlung bis zur erfolgreichen Zustellung in den Machtbereich des Empfangers Empfangstheorie der Absender tragt das Untergangs und Verspatungsrisiko Der Empfanger tragt das Risiko dass er die Erklarung so zur Kenntnis nimmt wie sie ihm zugegangen ist 3 Der Empfanger hat die Risiken seines raumlichen Machtbereiches zu tragen Fuhren diese dazu dass der Empfanger vom Inhalt der Willenserklarung entweder verspatet etwa durch Krankheit oder Urlaub oder gar nicht Kenntnis nimmt sind diese dem Empfanger zuzurechnen wenn die Erklarung in seinen raumlichen Machtbereich gelangt ist 4 Rechtsfragen BearbeitenZu den zugangsbedurftigen empfangsbedurftigen Willenserklarungen gehoren insbesondere das Angebot 145 BGB und dessen Annahme 147 BGB Ausnahme 151 BGB die Anfechtungserklarung 143 BGB Vollmachtserteilung 167 Abs 1 BGB Zustimmungserklarung 182 Abs 1 BGB der Rucktritt 349 BGB und die Aufrechnung 388 BGB Zugang unter Anwesenden oder unter Abwesenden Bearbeiten Das Gesetz unterscheidet zwischen Willenserklarungen unter Anwesenden und unter Abwesenden Beim Zugang unter Anwesenden auch beim Telefonat oder anderen technischen Kommunikationsmitteln 147 Abs 1 Satz 2 BGB ist der Empfanger bei der Abgabe der Willenserklarung zugegen Er muss diese Willenserklarung wahrnehmen und auch verstehen Das ist nicht der Fall bei Tauben oder Sprachunkundigen eine Trennung zwischen der akustischen Wahrnehmung und dem sprachlich intellektuellen Verstandnis findet nicht statt Vernehmungstheorie Ein Schriftstuck mit einer Willenserklarung muss ubergeben werden Eine Willenserklarung unter Abwesenden wird im Zeitpunkt des Zugangs an diesen wirksam 130 Abs 1 BGB sie wird bei Abgabepflicht gegenuber einer Behorde auch amtsempfangsbedurftige Willenserklarung genannt 130 Abs 3 BGB Hierzu gehort beispielsweise die Erbausschlagung nach 1945 Abs 1 BGB die der zustandigen Behorde zugehen muss Der Zugang bei einer unzustandigen Behorde fuhrt nicht zur Wirksamkeit und ist nicht fristwahrend Weder die blosse Ausserung oder das Absenden durch den Erklarenden noch die Kenntnisnahme durch den Empfanger fuhren zur Rechtswirksamkeit einer Willenserklarung Vielmehr ist ihr Zugang von Bedeutung Als zugegangen gilt eine Willenserklarung wenn sie in den Machtbereich des Empfangers gelangt ist Zum Machtbereich gehort bereits der Briefkasten die in ihn eingeworfene Post gilt als zugegangen Wird der Briefkasten etwa urlaubsbedingt nicht geleert gilt der Brief dennoch als zugegangen selbst wenn der Absender die Urlaubsabwesenheit des Empfangers kannte 5 Nur der Zugang unter Abwesenden ist gesetzlich ausreichend geregelt der Zugang unter Anwesenden ergibt sich uberwiegend aus der Rechtsprechung Zugangsregeln Bearbeiten Wer per Brief Telefax E Mail oder SMS am Rechtsverkehr teilnimmt muss fur Empfangsbereitschaft und regelmassige Durchsicht des Posteingangs sorgen 6 Wer aufgrund bestehender oder angebahnter Geschaftsbeziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklarungen zu rechnen hat muss geeignete Vorkehrungen treffen dass ihn derartige Erklarungen auch erreichen 7 Ein Brief gelangt in den Machtbereich des Empfangers wenn er ihm oder seinem Empfangsboten ubergeben in seinen Briefkasten eingeworfen oder in das vom Empfanger unterhaltene Postfach einsortiert wurde Ein Telefax gelangt in den Machtbereich des Empfangers wenn es von seinem Empfangsgerat gespeichert wurde eine E Mail oder SMS wenn sie im Posteingangsordner des Empfangers auf dem Server seines Providers abgespeichert wurde 8 Ein Brief der in einem bei der Wohnung oder beim Geschaftsbetrieb angebrachten Briefkasten eingeworfen ist gilt als zugegangen wenn nach der Verkehrsauffassung mit der Leerung des Briefkastens gerechnet werden kann 9 Nach dieser Regel gilt ein werktags morgens um 08 00 Uhr in den Briefkasten eingeworfener Brief als am selben Tag zugegangen wenn der Briefkasten zu einem Geschaftsraum oder einem Unternehmen gehort Bis 18 00 Uhr eingeworfene Briefe sollen nach einer Ansicht in der Literatur auch bei Privatpersonen als Empfanger am selben Tag zugehen 10 Nach einer anderen Ansicht die auch vom Bundesarbeitsgericht vertreten wird sei auch zu berucksichtigen wenn in einem Ort die Postzustellung gegen 11 Uhr abgeschlossen sei 11 Bei der Bestimmung der Verkehrsanschauung seien die ortlichen Postzustellungszeiten zu berucksichtigen 12 In der Abend oder Nachtzeit eingeworfene Briefe gehen erst am nachsten Werktag zu Wird ein Schriftstuck erst am 31 Dezember nachmittags in den Briefkasten eines Burobetriebs geworfen in dem branchenublich Silvester nachmittags auch wenn dieser Tag auf einen Werktag fallt nicht mehr gearbeitet wird so geht es erst am nachsten Werktag zu 13 Ein Telefax das in einer Bank am Samstagnachmittag ankommt geht erst am Montagmorgen zu ist aber wenn die Frist auf den Samstag fiel dennoch fristgerecht zugestellt da nach 193 BGB der nachste Werktag an die Stelle eines Samstags Sonntags oder eines staatlich anerkannten allgemeinen Feiertags tritt Ein Brief ist auch zugegangen wenn er dem Empfanger oder einem seiner Angehorigen oder Hausangestellten in der Wohnung ausgehandigt wird 14 Ist die Erklarung zugegangen dann muss der Empfanger auch wenn er vom Erklarungsinhalt keine Kenntnis nimmt sich so behandeln lassen als ob ihm der Inhalt bekanntgeworden sei 15 Dem Urteil lag die Unterschlagung eines Schreibens durch einen empfangsberechtigten Angestellten zugrunde das trotz Unterschlagung als dem richtigen Empfanger zugegangen gilt Allerdings ist der Zugang erst dann vollendet wenn die Kenntnisnahme durch den Empfanger moglich und nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist Daher ist auch bei einer Ubermittlung per Telefax auf den Zeitpunkt abzustellen in dem sich der Empfanger nach den Gepflogenheiten der Verkehrsanschauung Kenntnis vom Inhalt der Willenserklarung verschaffen konnte 16 Diesem Urteil zufolge genugt dass die Willenserklarung in den Bereich des Empfangers gelangt ist und zwar so dass sie ublicherweise nicht zufallig alsbald wahrgenommen werden kann Zudem ist dem BGH zufolge die objektive Moglichkeit zur Kenntniserlangung im abstrakten Sinn zu verstehen und daher fur den Zugang einer Kundigung eine tatsachliche Kenntnisnahme des Empfangers nicht erforderlich Entscheidend fur die Wirksamkeit der Erklarung ist der Zeitpunkt des Zugehens nicht der der Kenntnisnahme Nur in den Fallen in denen das Gesetz ausdrucklich Kenntnisnahme verlangt etwa 407 Abs 1 BGB genugt das blosse Zugehen nicht Die gleiche Systematik gilt auch fur den Zugang elektronisch ubermittelter Willenserklarungen 17 Nimmt der Empfanger die Willenserklarung schon vorher tatsachlich zur Kenntnis so liegt bereits dann Zugang vor 18 19 20 Zugangsfiktion Bearbeiten Eine Zugangsfiktion ist einerseits eine Klausel mit welcher der Erklarende gegenuber dem Empfanger bestimmt dass seine Erklarung als beim Empfanger zugegangen gilt Derartige Zugangsfiktionen sind in Allgemeinen Geschaftsbedingungen in der Regel fur eine Erklarung des Verwenders von besonderer Bedeutung unwirksam 308 Nr 6 BGB Von solcher besonderen Bedeutung sind dabei Erklarungen wie Mahnung Fristsetzung Kundigung Ladung zur Eigentumerversammlung oder Genehmigung 21 Eine Zugangsfiktion kann anderseits auch kraft Gesetz gelten Eine solche gesetzliche Zugangsfiktion gilt gemass 13 Versicherungsvertragsgesetz allerdings nur unter besonderen Voraussetzungen 22 Rechtsfolgen Bearbeiten Hauptartikel Zugangsvereitelung Die Verteilung der Ubermittlungsrisiken ist fur die Behandlung auftretender Zugangshindernisse von Bedeutung Als Zugangshindernisse gibt es den verspateten Zugang oder die Zugangsvereitelung 23 Beim Widerruf von Verbrauchervertragen genugt zur Fristwahrung der 14 tagigen Widerrufsfrist die rechtzeitige Absendung des Widerrufs 355 Abs 1 BGB der verspatete Zugang beim Unternehmer spielt keine Rolle Der Erklarende tragt bei fristgebundenen Erklarungen das Transportrisiko es sei denn der Empfanger vereitelt bewusst den Zugang etwa wenn er den Briefkasten unbenutzbar macht Verweigert der Empfanger die Annahme der Erklarung etwa wegen Nachporto so ist die Erklarung nicht zugegangen Bei einer unberechtigten Verweigerung ist dagegen von einem Zugang auszugehen weil die Moglichkeit der Kenntnisnahme bestand Der Erklarende hat aber den gescheiterten dem Empfanger anzulastenden Zugang nachzuholen 24 Der Zugang eines Benachrichtigungsscheins ersetzt nicht den Zugang des Einschreibebriefes 2 Ein Empfanger der sich im Urlaub befindet ohne seine Urlaubsanschrift zu hinterlassen oder einen Nachsendeauftrag zu stellen kann sich nicht auf einen verspateten Zugang berufen selbst wenn der Erklarende hier die Kundigung eines Arbeitsverhaltnisses die Urlaubsabwesenheit kannte 25 Es ist zwischen fahrlassiger und vorsatzlicher Zugangsvereitelung zu unterscheiden Eine fahrlassige Zugangsvereitelung besteht beispielsweise dann wenn jemand umzieht ohne seinem Arbeitgeber oder einer anderen wichtigen Vertragspartei seine neue Adresse mitzuteilen Eine zu einem spateren Zeitpunkt erfolgte Zustellung wird so behandelt als ware das Dokument bereits beim ersten Zustellversuch an den Empfanger gelangt Es steht allerdings in der Verantwortung des Absenders einen zweiten Zustellversuch zu veranlassen Versucht der Empfanger absichtlich vorsatzliche Zugangsvereitelung die Zustellung des Schriftstuckes zu verhindern wird die Zustellung des Schriftstuckes fingiert Ausnahme ist beispielsweise die Falschadressierung des Schriftstucks 26 Zugangsvereitelung wird auch nur dann unterstellt wenn eine Nachricht uber die Hinterlegung eines Schriftstuckes bei der Poststelle an den Empfanger gelangt ist welche einen Hinweis auf den Inhalt der Sendung enthalt 27 Ist der Empfanger geschaftsunfahig 104 BGB oder steht er unter einem Einwilligungsvorbehalt 1903 BGB so ist der Zugang gemass 131 BGB nicht erfolgt bevor der gesetzliche Vertreter des Betroffenen Eltern Vormund Pfleger Betreuer die Willenserklarung erhalt Ausnahmen gelten bei Minderjahrigen uber 7 Jahren und bei Personen unter Einwilligungsvorbehalt Hier gilt der Zugang an den Betroffenen selbst in den Fallen wenn sich entweder aus der Erklarung ausschliesslich ein rechtlicher Vorteil ergibt z B bei einer Schenkung oder wenn der gesetzliche Vertreter bereits zuvor in den Empfang der Willenserklarung eingewilligt hat 131 BGB Der Zugang einer Willenserklarung kann gemass 132 Abs 1 BGB mit der Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher ersetzt werden Eine Zustellung die nicht durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers vorgenommen wird hat dagegen keine Zugangswirkung 28 Daher kann diese Zustellung weder durch Niederlegung beim Amtsgericht oder der Post 181 Abs 1 ZPO noch durch offentliche Zustellung 185 ZPO erfolgen Der Zugang muss im Zweifel vom Absender bewiesen werden Einzelnachweise Bearbeiten Carl Creifelds Creifelds Rechtsworterbuch 2000 S 1579 a b BGHZ 67 271 275 Peter Gottwald Examens Repetitorium BGB Allgemeiner Teil 2008 S 35 BGH NJW 2004 1320 BAGE 34 260 Joachim Knoche BGB Grundstrukturen 2004 S 19 BGH Urteil vom 27 Oktober 1982 V ZR 24 82 NJW 1983 929 930 Achim Bonninghaus BGB Allgemeiner Teil I 2014 S 64 Kurt Herbert Johannsen Gerda Kruger Nielandt Das Burgerliche Gesetzbuch Band I 1982 S 267 Otto Palandt Jurgen Ellenberger BGB Kommentar 73 Auflage 2014 130 Rn 6 BAG Urteil vom 22 August 2019 Az 2 AZR 111 19 Heinz Peter Mansel in Jauernig Burgerliches Gesetzbuch 18 Auflage 2021 BGB 130 Rn 5 BGH Urteil vom 5 Dezember 2007 Az XII ZR 148 05 RGZ 60 336 BGHZ 20 149 152 BGH NJW 2004 1320 Thorsten Vehslage Elektronisch ubermittelte Willenserklarungen In Deutscher Anwaltverein Hrsg Anwaltsblatt 2002 S 86 88 anwaltverein de PDF Heinrich Dorner in Schulze Burgerliches Gesetzbuch Handkommentar 10 Auflage 2019 BGB 130 Rn 4 Holger Wendtland in BeckOK BGB Hau Poseck 58 Edition Stand 1 Mai 2021 BGB 130 Rn 9 Zum Zugang eines Zahlungsauftrag BGH Urteil vom 19 Marz 2019 Az XI ZR 280 17 Rn 21 NJW 2019 2469 2470 Astrid Stadler in Jauernig Burgerliches Gesetzbuch 18 Auflage 2021 BGB 308 Rn 8 Jorn Becker in BeckOK BGB Hau Poseck 58 Edition Stand 1 Mai 2021 BGB 308 Nr 6 Rn 7 Peter Gottwald Examens Repetitorium BGB Allgemeiner Teil 2008 S 35 BGHZ 137 205 208 ff BAG DB 1965 747 OLG Koln Beschluss vom 21 Januar 2008 Az 6 W 182 07 OLG Stuttgart Beschluss vom 31 Marz 2010 Az 5 W 62 09 BGHZ 67 271 282Normdaten Sachbegriff GND 4191103 9 lobid OGND AKS Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zugang amp oldid 238332517