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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Warlord Begriffsklarung aufgefuhrt Warlord deutsch auch Kriegsfurst bezeichnet einen militarischen Anfuhrer der unabhangig von der Staatsmacht den Sicherheitssektor eines Landesteils kontrolliert oder ein begrenztes Gebiet beherrscht das der Staatsgewalt entglitten ist Inhaltsverzeichnis 1 Begrifflichkeit und Abgrenzung 2 Historische Beschreibung 2 1 Erste chinesische Republik 2 2 Spatantike 2 3 Warlords in der Gegenwart 3 Literatur 4 AnmerkungenBegrifflichkeit und Abgrenzung BearbeitenDas Phanomen der Warlords bzw Kriegsfursten 1 tritt in moderner Zeit insbesondere in durch Burgerkriege geschwachten oder gescheiterten Staaten auf 2 Der aus dem Englischen entlehnte Begriff wurde zunachst zur Beschreibung militarischer Akteure im chinesischen Burgerkrieg ab 1911 verwendet als Lehnubertragung von chinesisch 軍閥 军阀 Pinyin junfa 3 4 Im Englischen wird auch der aus der jungeren deutschen Verfassungsgeschichte stammende deutschsprachige Begriff Kriegsherr mit dem englischen Wort Warlord ubersetzt 3 Im Deutschen sind die beiden Begriffe Kriegsherr und Warlord jedoch nicht gleichbedeutend sondern in der Regel streng zu unterscheiden 5 Kriegsherr bezeichnet in diesem Zusammenhang im Krieg den Oberbefehlshaber Ein Ausnahmefall in dem die Benennungen Warlord und Kriegsherr auch im Deutschen weitgehend austauschbar verwendet werden ist die Geschichtsschreibung zum alten Kaiserreich China in der die besonders seit der Zeit der Han Dynastie auftretenden konkurrierenden lokalen Machthaber Provinzfursten und Kleinkonige oft unterschiedslos als Kriegsherren Kriegsfursten oder wohl beeinflusst durch die englischsprachige Historiographie als Warlords bezeichnet werden 6 Der deutsche Begriff Kriegsherr kam in der Neuzeit in Gebrauch und etablierte sich in der jungeren deutschen Verfassungsgeschichte als Bezeichnung fur den legitimen Fuhrer einer Kriegspartei 5 7 In der Regel wurde damit ein Landesherr in seiner Funktion als oberster Befehlshaber des Militars bezeichnet Meist fungierte als Kriegsherr ein Monarch in manchen Reichsstadten wurden auch die Mitglieder des stadtischen Kriegsamts als Kriegsherren tituliert so etwa im Heiligen Romischen Reich in Nurnberg Bisweilen bezeichnete das Wort auch einen Heerfuhrer dem die Kriegfuhrung als Untertan oder Beauftragten des Herrschers eigenverantwortlich ubertragen wurde 7 8 Der Kriegsherr unterscheidet sich von einem Feldherrn oder Heerfuhrer insbesondere durch die Befugnis oder Ermachtigung den Krieg zu erklaren und gegebenenfalls durch Waffenstillstand oder Friedensschluss volkerrechtlich bindend wieder zu beenden Ein Kriegsherr ist demnach gerade kein Warlord dessen volkerrechtlich als illegitim betrachtete Stellung nur auf der Macht des Faktischen beruht In der Bismarckschen Reichsverfassung wurde die staatsrechtliche Stellung des Kriegsherrn dem Deutschen Kaiser vorbehalten der als Inhaber der hochsten Befehls und Kommandogewalt Oberbefehl uber die gesamten Streitkrafte des Deutschen Reiches als alleiniger souveraner Kriegsherr fungierte wahrend die deutschen Bundesfursten mit der Reichsgrundung auf die Befugnis eigenstandig Krieg fuhren zu konnen verzichteten Daher wurde der Kaiser bis zum Ende des Kaiserreichs als Oberster Kriegsherr bezeichnet 9 Historische Beschreibung BearbeitenDer Begriff Warlord wurde in dieser Bedeutung ursprunglich im Kontext der ersten chinesischen Republik 1912 1949 gepragt in der weite Teile Chinas von konkurrierenden lokalen Machthabern kontrolliert wurden die die Autoritat der formell existierenden Zentralregierung in Nanjing nicht oder nur bedingt anerkannten 10 Gegen Ende der 1990er Jahre wurde der Begriff wiederbelebt und wird heute vor allem im Zusammenhang mit Krisenherden in Afrika und der Grossregion Nahost Mittelost insbesondere Afghanistan gebraucht 1 Die Stellung eines Warlords beruht in der Regel nicht auf formellen Befugnissen sondern auf der faktischen Moglichkeit aufgrund der ihm geltenden Loyalitat bewaffneter Verbande Macht bzw Herrschaft auszuuben Charakteristisch fur die Herrschaft von Warlords ist eine hohe Instabilitat da es ihnen an Legitimitat mangelt und sie aus diesem Grund in hohem Masse von temporaren Machtkonstellationen und militarischen Erfolgen abhangig sind Warlords sind daher oft in erster Linie auf die Kontrolle und Sicherung ihres lokalen Machtbereiches bedacht Sie sind nicht mit Feldherren oder Oberbefehlshabern eines regularen Heeres oder einer Armee gleichzusetzen Ein Warlord kann seine Position nur erreichen wenn das Gewaltmonopol des Staates zumindest lokal zusammenbricht Diese Situation tritt oft im Zusammenhang mit Burgerkriegen auf Auch ein Machtvakuum etwa nach einem Putsch einer Kriegsniederlage oder dem Abzug von Besatzungstruppen kann Bedingungen schaffen unter denen Warlords moglich werden Bei Erfolg entwickeln sie sich unter Vernachlassigung der ursprunglich moglicherweise verfolgten politischen Ziele regelmassig zu Gewaltunternehmern Georg Elwert Elwert hat demgemass das Aufkommen von Warlords unter dem Gesichtspunkt der Entstehung von Gewaltmarkten in zerfallenden Staaten untersucht 11 Erste chinesische Republik Bearbeiten Hauptartikel Nordliche Militaristen Im China der Ersten Republik waren Warlords in der Regel im Beamtenapparat aufgestiegene Angehorige des niederen Landadels die unter der Herrschaft der Nationalpartei chin Guomindang als Gouverneure mehr oder weniger selbstandig und mit eigener Hausmacht uber Provinzen oder Teilgebiete Chinas herrschten 12 So herrschten z B Liu Wenhui uber Sichuan die Provinz die sich ostlich an Tibet anschliesst und der muslim chinesische Hui Gouverneur Ma Bufang uber Amdo Qinghai Als eigentliche Periode der Warlords gelten die Jahre 1916 1927 Nach dem Tod des chinesischen Diktators Yuan Shikai zerfiel die Autoritat der Zentralregierung dermassen dass sie faktisch auf die Kontrolle der Hauptstadt Peking beschrankt war Derjenige Warlord der Peking dominierte stellte somit auch die Zentralregierung Mit dem Nordfeldzug der Guomindang 1927 einigte Chiang Kai shek das Land zwar formell unter der neuen nationalchinesischen Regierung in Nanjing Faktisch wechselten aber viele Warlords einfach die Seiten anstatt wirklich militarisch besiegt zu werden Bis zu Beginn des Zweiten Japanisch Chinesischen Krieges 1937 gelang es der Nationalregierung nur begrenzt die lokalen Machthaber unter Kontrolle zu bringen Diese reagierten auf derartige Versuche immer wieder mit Aufstanden Dem Warlord Zhang Xueliang auch als Junger Marschall bekannt gelang es am 12 Dezember 1936 gar den Staatsprasidenten Chiang Kai shek zu entfuhren Spatantike Bearbeiten In der neueren historischen Forschung werden von Autoren wie zum Beispiel Penny MacGeorge und Stuart Laycock im Rahmen der Betrachtung des zusammenbrechenden westromischen Reichs in der ausgehenden Spatantike mehrere romische und nichtromische Machthaber als Warlords bezeichnet 13 Mit diesem an sich anachronistischen Begriff soll vor allem zum Ausdruck gebracht werden dass es sich nicht um rechtlich legitimierte sondern rein auf faktische militarische Gewalthabung gestutzte Herrschaftsausubung handelte Diese Personen traten zudem nicht etwa als Gegenkaiser auf sondern versuchten zumindest anfangs durchaus sich in die Matrix der romischen Staatlichkeit einzuordnen etwa indem sie den Rang eines Heermeisters beanspruchten Im 5 Jahrhundert kam es in Westrom aufgrund der zunehmenden Schwache der kaiserlichen Zentralgewalt zur Etablierung von lokalen Machthabern 14 die auf militarische Macht gestutzt in einzelnen Territorien des zusammenbrechenden Reiches Herrschaft ausubten Darunter sind Romer wie Aegidius gest 464 Marcellinus gest 468 und Syagrius 464 bis 486 zu nennen 15 aber auch Nichtromer wie Geiserich und Chlodwig 16 wobei letztere teils auch gleichzeitig als Heerkonige angesehen werden hinzu kamen regionale Kleinkonige die besonders in Britannien betrachtliche Bedeutung erlangten 17 Einigen von ihnen gelang es nach dem Zusammenbruch Westroms stabile Reiche zu bilden Aus diesen spatantiken Warlords wurden schrittweise mittelalterliche Konige In der neueren althistorischen Forschung wird der Begriff teilweise auch fur andere antike Militarbefehlshaber in der Zeit vor der Spatantike benutzt 18 Warlords in der Gegenwart Bearbeiten In der gegenwartigen Diskussion bezeichnet Warlord eine Person die militarische wie zivile Kontrolle uber ein Territorium besitzt Diese Kontrolle ist nicht politisch legitimiert sondern gestutzt auf bewaffnete Einheiten die nur dem Warlord gegenuber loyal sind Das Auftreten von Warlords ist besonders in gescheiterten Staaten haufig zu beobachten Beispiele fur von Warlords dominierte Lander in der jungsten Geschichte sind Somalia Mohammed Farah Aidid Ali Mahdi Mohammed seit 1991 Afghanistan die Demokratische Republik Kongo der Sudan Syrien und Libyen Aber auch andere Lander der Dritten Welt kennen Warlords wenn auch in geringerem Ausmasse Ein Warlord 19 beherrscht als Gewaltunternehmer 20 und alleiniger Machtinhaber ein mehr oder weniger regional abgegrenztes Gebiet das sich innerhalb eines Staatsgebietes befindet Dies ist nur moglich wenn der Zentralstaat einem Warlord Autonomie zugesteht oder vielmehr nicht in der Lage ist das staatliche Gewaltmonopol 21 gegenuber dem Warlord durchzusetzen Darum findet man Warlords oft in Krisen beziehungsweise Burgerkriegsregionen Die Rolle des Warlords ist stark mannlich gepragt in sehr seltenen Fallen sind aber auch weibliche Warlords belegt 22 Einnahmen gewinnt ein Warlord beispielsweise durch Zolle fur Waren die sein Gebiet durchlaufen 23 oder durch andere Besteuerungen die er illegitim verlangt Manche Warlords werden auch von konventionellem Militar wie der US Army unterstutzt und geduldet 23 Literatur BearbeitenDavid Bonavia China s Warlords Oxford University Press Hong Kong 1995 Tom Burgis Der Fluch des Reichtums Warlords Konzerne Schmuggler und die Plunderung Afrikas Westend Frankfurt am Main 2016 ISBN 978 3 86489 148 9 Antonio Giustuzzi Empires of Mud War and warlords in Afghanistan Hurst London 2012 ISBN 978 1 84904 225 3 Kimberly Marten Warlordism in Comparative Perspective In International Security 31 3 2006 2007 S 41 73 Herfried Munkler Die neuen Kriege Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2002 ISBN 3 7632 5366 1 Toni Naco del Hoyo Fernando Lopez Sanchez Hrsg War Warlords and Interstate Relations in the Ancient Mediterranean Brill Leiden Boston 2018 ISBN 978 90 04 35405 0 Michael Riekenberg Warlords Eine Problemskizze In Comparativ Nr 5 6 1999 S 187 205 Anmerkungen Bearbeiten a b Conrad Schetter Kriegsfurstentum und Burgerkriegsokonomien in Afghanistan PDF 720 kB In Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Aussenpolitik AIPA 3 2004 S 3 f Abgerufen am 8 November 2010 Warlord wird im Duden definiert als Anfuhrer eines Stammes einer Volksgruppe der meist bei burgerkriegsahnlichen Konflikten in einem begrenzten Gebiet die militarische und politische Macht ubernommen hat Abruf vom 8 September 2017 Schetter spricht von Eliten die unter Bedingungen eines fortschreitenden Staatsverfalls die Kontrolle uber den Sicherheitssektor gewinnen und das Land zur eigenen Bereicherung ausbeuten Abruf vom 8 November 2010 a b Oxford English Dictionary Band 2 zweite Auflage 1989 s v warlord junfa 軍閥 军阀 warlord In zdic net Abgerufen am 18 Marz 2018 chinesisch englisch a b Stig Forster Markus Pohlmann Dierk Walter Hrsg Kriegsherren der Weltgeschichte 22 historische Portraits Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 54983 7 S 7 Helwig Schmidt Glintzer China C H Beck Munchen 1997 S 311 Sachregister Warlords s Kriegsherren Heinz Wagner China Das alte und das neue Reich der Mitte Komplett Media Munchen Grunwald 2008 nennt die junfa der Zeit nach 1912 Warlords und die lokalen Machthaber der alteren Epoche Kriegsfursten a b Kriegsherr In Jacob Grimm Wilhelm Grimm Hrsg Deutsches Worterbuch Band 11 K V S Hirzel Leipzig 1873 Sp 2276 woerterbuchnetz de Kriegsherr In Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR Heidelberger Akademie der Wissenschaften Hrsg Deutsches Rechtsworterbuch Band 7 Heft 10 bearbeitet von Gunther Dickel Heino Speer unter Mitarbeit von Renate Ahlheim Richard Schroder Christina Kimmel Hans Blesken Hermann Bohlaus Nachfolger Weimar 1983 OCLC 832567164 Sp 1549 1550 adw uni heidelberg de Wilhelm Deist Kaiser Wilhelm II als Oberster Kriegsherr In Wilhelm Deist Militar Staat und Gesellschaft Oldenbourg Munchen 1991 S 2 Vgl einfuhrend David Bonavia China s Warlords Hong Kong 1995 Vgl Georg Elwert Markets of Violence In Georg Elwert Stephan Feuchtwang Dieter Neubert Hrsg Dynamics of Violence Processes of Escalation and De Escalation in Violent Group Conflicts Duncker amp Humblot Berlin 1999 S 85 102 Edward A McCord The Power of the Gun The Emergence of Modern Chinese Warlordism Berkeley 1993 online Vgl dazu etwa Jeroen W P Wijnendaele Generalissimos and Warlords in the Late Roman West In Naco del Hoyo Lopez Sanchez Hrsg War Warlords and Interstate Relations in the Ancient Mediterranean Leiden 2018 S 429 451 Vgl dazu Henning Borm Westrom 2 Auflage Stuttgart 2018 Penny MacGeorge Late Roman Warlords Oxford 2002 Bernhard Jussen Chlodwig und die Eigentumlichkeiten Galliens Ein Warlord im rechten Augenblick In Mischa Meier Hrsg Sie schufen Europa Historische Portraits von Konstantin bis Karl dem Grossen Munchen 2007 S 141 155 Vgl Stuart Laycock Warlords The Struggle for Power in Post Roman Britain Stroud 2009 Toni Naco del Hoyo Fernando Lopez Sanchez Hrsg War Warlords and Interstate Relations in the Ancient Mediterranean Leiden 2018 zu den theoretischen Voruberlegungen diesbezuglich vgl ebd S 1 12 Bundeszentrale fur politische Bildung Glossar Warlords Abgerufen am 17 Mai 2022 Bundeszentrale fur politische Bildung Glossar Gewaltunternehmer Abgerufen am 17 Mai 2022 deutsch Bundeszentrale fur politische Bildung Glossar Gewaltmonopol des Staates Abgerufen am 17 Mai 2022 Vgl Kimberly Marten Warlords Strong arm Brokers in Weak States Ithaca London 2012 S 4 mit Hinweis auf Bibi Aysha in Baghlan Afghanistan a b Wolfgang Bauer Afghanistan Hass und Hoffnung In Die Zeit 29 Marz 2018 abgerufen am 10 April 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Warlord amp oldid 236760262