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Als Heerkonigtum wird in der historischen Forschung eine auf militarischen Fahigkeiten beruhende Herrschaftsform bezeichnet Die Bezeichnung Heerkonig ist in den Quellen im Altnordischen in der Namensform herkonungr belegt und ist als parallele Bezeichnung von Seekonig saekonungr zu betrachten 1 Beim Heerkonigtum handelt es sich demnach um einen speziellen Typus des Konigtums das vor allem aber nicht ausschliesslich bei den Germanen verbreitet war In diesem Zusammenhang leitete sich die Legitimation und Autoritat des Heerkonigtums nicht von einem ererbten Adelsanspruch ab sondern von den Fahigkeiten des Herrschers uber eine grossere Menge von Kriegern zu verfugen und diese erfolgreich zu fuhren Durch Erfolge ergaben sich materielle Gewinne die der Gefolgschaft des Konigs zuflossen und sie an ihn banden Grundsatzlich ist der Begriff Heerkonig auch auf nichtgermanische Herrscher anwendbar die in ahnlicher Weise Macht ausgeubt haben 2 In der Forschung wurde das von Walter Schlesinger massgeblich entwickelte und spater von Reinhard Wenskus modifizierte Konzept des Heerkonigtums vor allem auf germanische Stamme der Volkerwanderungszeit bezogen wobei die Aspekte von Eroberung und Landnahme miteinander einhergingen Wenngleich sie adliger Abstammung gewesen sein mochten beruhte die Autoritat dieser Anfuhrer nicht auf dynastischen Anspruchen sondern auf militarischen Leistungen Dies wird auf die Entwicklung des Konigtums bei den Germanen zuruckgefuhrt was sich auch linguistisch niederschlug so loste sich im Gotischen der Zusammenhang von Konigsbezeichnung und der Ausubung tatsachlicher politischer Herrschaft wobei etwa Tacitus vermerkte dass die Germanen zwischen Konigen im Sinne eines kultisch dynastisch legitimierten Konigtums und militarischen Anfuhrern unterschieden 3 Zur Zeit der Kontaktaufnahme mit den Romern habe es bei vielen germanischen Stammen zwar konigliche Familien gegeben aber oft kein dynastisch legitimiertes Konigtum mehr das sich an den Randern der germanischen Welt teils hielt 4 Anfuhrer bzw in den lateinischen Quellen als rex bezeichnete Herrscher haben sich als erfolgreiche Heerfuhrer hervorgetan und auf dieser Grundlage Herrschaft ausgeubt mussten ihren Herrschaftsanspruch jedoch durch standige weitere Erfolge legitimieren Dennoch sollte sich das Heerkonigtum gegenuber dem alteren sogenannten Volkskonigtum 5 in der Volkerwanderungszeit durchsetzen Die Heerkonige wurden so zu Grundern neuer Herrschaftsgebilde Eine externe Legitimation konnte ebenfalls erfolgen so im Fall von Childerich I und Chlodwig I die nicht nur als germanische Heerfuhrer sondern auch als romische Amtstrager auftraten 6 Ahnlich ist das Handeln des gotischen Heerkonigs Alarich I einzuordnen der stets bestrebt war mit Rom eine vertragliche Regelung zu erzielen Rom wiederum setzte den Titel rex im diplomatischen Verkehr mit germanischen Heerfuhrern gezielt ein 7 Insofern sind bei der Ausbildung der Institution des Konigtums in der Volkerwanderungszeit und im beginnenden Fruhmittelalter romische Einflusse feststellbar 8 Als fruhe Beispiele fur Heerkonige gelten Ariovist und Marbod im Rahmen der Volkerwanderungszeit und des Fruhmittelalters etwa der Gotenkonig Theoderich der Grosse und spater verschiedene skandinavische Herrscher so im Rahmen der Wikingereinfalle 9 In neuerer Zeit wird jedoch Schlesingers Konzeption wonach neben dem Heerkonigtum das Sakralkonigtum als gegeben angesehen wird was lange Zeit die gangige Forschungsmeinung war 10 zunehmend kritisiert so konne man ein alteres sakrales Konigtum nicht voraussetzen 11 Das Heerkonigtum ist im Gegensatz zum Sakralkonigtum in den Quellen besser belegt und nachweisbar so dass die Existenz des Heerkonigtums auch in der neueren Forschung nicht bestritten wird 12 Georg Scheibelreiter etwa sieht den militarischen Erfolg der fruhen merowingischen Konige die eine sehr heterogene Truppe fuhrten und uber eine gemischte heidnisch germanische und christianisierte galloromanische Bevolkerung herrschten als allein legitimationsbegrundend an Das barbarische Erfolgsdenken mit seinem Opportunismus und seiner kampferischen Grundhaltung sei mit dem romischen Amtsverstandnis das daher immer mehr durch Sippenbeziehungen ersetzt wurde oder gar mit christlichen Werten nicht eigentlich vereinbar gewesen doch wurde es von spateren christlichen Geschichtsschreibern uminterpretiert 13 Insofern bleibt die Erkenntnis dass militarische Macht und darauf beruhende Erfolge eine zentrale Legitimationsquelle des Konigtums in der Umbruchphase der Volkerwanderungszeit und im Fruhmittelalter waren Literatur BearbeitenMatthias Becher Herrschaft im Ubergang von der Spatantike zum Fruhmittelalter Von Rom zu den Franken In Theo Kolzer Rudolf Schieffer Hrsg Von der Spatantike zum fruhen Mittelalter Kontinuitaten und Bruche Konzeptionen und Befunde Vortrage und Forschungen 70 Jan Thorbecke Verlag Ostfildern 2009 S 163 188 Stefanie Dick Der Mythos vom germanischen Konigtum Studien zur Herrschaftsorganisation bei den germanischen Barbaren bis zum Beginn der Volkerwanderungszeit de Gruyter Berlin 2008 Walter Schlesinger Uber germanisches Heerkonigtum In Theodor Mayer Hrsg Das Konigtum Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen Vortrage und Forschungen 3 Jan Thorbecke Verlag Lindau Konstanz 1956 mehrere NDe S 105 141 Herwig Wolfram Heerkonigtum In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 14 Walter de Gruyter Berlin New York 1999 ISBN 3 11 016423 X S 115 118 Artikel abgerufen uber Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter Online Herwig Wolfram Fruhes Konigtum In Franz Reiner Erkens Hrsg Das fruhmittelalterliche Konigtum Ideelle und religiose Grundlagen de Gruyter Berlin 2005 S 42 64 Anmerkungen Bearbeiten Walter Schlesinger Uber germanisches Heerkonigtum In Theodor Mayer Hrsg Das Konigtum Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen Lindau Konstanz 1956 hier S 106 Vgl Herwig Wolfram Fruhes Konigtum In Franz Reiner Erkens Hrsg Das fruhmittelalterliche Konigtum Ideelle und religiose Grundlagen Berlin 2005 hier S 47 Tacitus Germania 7 vgl dazu Walter Schlesinger Uber germanisches Heerkonigtum In Theodor Mayer Hrsg Das Konigtum Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen Lindau Konstanz 1956 hier S 109ff Herwig Wolfram Heerkonigtum In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Band 14 Berlin New York 1999 hier S 116 Herwig Wolfram Heerkonigtum In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Band 14 Berlin New York 1999 hier S 117 Vgl Reinhold Kaiser Das romische Erbe und das Merowingerreich 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Munchen 2004 S 110 Stefanie Dick Der Mythos vom germanischen Konigtum Berlin 2008 S 203ff Vgl Matthias Becher Herrschaft im Ubergang von der Spatantike zum Fruhmittelalter Von Rom zu den Franken In Theo Kolzer Rudolf Schieffer Hrsg Von der Spatantike zum fruhen Mittelalter Kontinuitaten und Bruche Konzeptionen und Befunde Ostfildern 2009 hier S 166 168 Uberblick bei Herwig Wolfram Heerkonigtum In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 2 Auflage Band 14 Berlin New York 1999 S 115 118 Vgl Stefanie Dick Der Mythos vom germanischen Konigtum Berlin 2008 S 1 Anmerkung 1 Siehe die Ausfuhrungen bei Stefanie Dick Der Mythos vom germanischen Konigtum Berlin 2008 S 32ff Gegen eine ererbte Sakralitat der Konigsherrschaft auch Herwig Wolfram Fruhes Konigtum In Franz Reiner Erkens Hrsg Das fruhmittelalterliche Konigtum Ideelle und religiose Grundlagen Berlin 2005 S 42 64 Vgl Matthias Becher Herrschaft im Ubergang von der Spatantike zum Fruhmittelalter Von Rom zu den Franken In Theo Kolzer Rudolf Schieffer Hrsg Von der Spatantike zum fruhen Mittelalter Kontinuitaten und Bruche Konzeptionen und Befunde Ostfildern 2009 hier S 166 Walter Pohl Die Germanen 2 Aufl Munchen 2004 S 67f Herwig Wolfram Fruhes Konigtum In Franz Reiner Erkens Hrsg Das fruhmittelalterliche Konigtum Ideelle und religiose Grundlagen Berlin 2005 hier S 55ff Georg Scheibelreiter Die barbarische Gesellschaft Darmstadt 1999 S 297 vgl auch S 134 168 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heerkonig amp oldid 225670160