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Das Gewaltmonopol des Staates bezeichnet in der Allgemeinen Staatslehre die ausschliesslich staatlichen Organen vorbehaltene Legitimation physische Gewalt auszuuben oder zu legitimieren Unmittelbarer Zwang Das staatliche Gewaltmonopol gilt in Deutschland als Staatsgewalt nach Art 20 GG fur das Funktionieren des Rechtsstaates Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Ausnahmen 3 Geschichte 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenDen Rechtsbegriff selbst hat der Soziologe Max Weber im Jahr 1919 in seinem Vortrag Politik als Beruf gepragt Das staatliche Gewaltmonopol ist aber in seinem Wesensgehalt als Folge staatlicher Souveranitat bereits bei Jean Bodin in seiner Schrift Sechs Bucher uber den Staat 1576 und bei Thomas Hobbes so im Leviathan 1651 angelegt Die Idee des Gewaltmonopols will dass die Angehorigen eines Gemeinwesens darauf verzichten Gewalt z B im Wege der Selbstjustiz auszuuben Die Angehorigen verzichten darauf tatsachliche oder vermeintliche Rechte und Anspruche durch individuelle Ausubung von Zwang durchzusetzen Vielmehr ubertragt in Deutschland das Volk in Art 20 GG Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus seinen Schutz und deren Durchsetzung ganz auf die staatlichen Judikativ und Exekutivorgane also an Gerichte beziehungsweise Polizei und Verwaltung Diese wiederum sind in einem demokratischen Rechtsstaat an das von der Legislative sanktionierte Recht und Gesetz gebunden Das Gewaltmonopol hat vorherige Formen der Konfliktbeseitigung wie Fehde und Blutrache als Mittel der Rechtsdurchsetzung abgelost Wilhelm von Humboldt schrieb dazu 1792 Denn bei der Zwietracht entstehen Kampfe aus Kampfen Die Beleidigung fordert Rache und die Rache ist eine neue Beleidigung Hier muss man also auf eine Rache zuruckkommen welche keine neue Rache erlaubt und diese ist die Strafe des Staats 1 In seiner idealtypischen Auspragung schutzt das Gewaltmonopol den Burger vor Ubergriffen anderer indem Vollzugsbeamte gewaltsamen Rechtsmissbrauch oder Willkur einzelner Personen oder Gruppen verhindern Das staatliche Gewaltmonopol stellt eine entscheidende Rahmenbedingung fur ein moglichst angstfreies Sozialleben dar und gilt als zivilisatorischer Fortschritt 2 Ausnahmen BearbeitenDie Rechtsordnung demokratischer Staaten kennt auch Ausnahmen vom Gewaltmonopol des Staates Dazu zahlt das Recht sich mit Gewalt gegen aktuelle rechtswidrige Angriffe zu wehren Notwehr Nothilfe 3 4 und sich vor sonstigen Gefahren zu schutzen Notstand Eine weitere Ausnahme in Deutschland ist die Jedermann Festnahme 127 Abs 1 StPO bei der jeder Burger einen auf frischer Tat ertappten Straftater festnehmen und dabei auch die notwendige Gewalt ausuben darf Das Burgerliche Gesetzbuch definiert einzelne Ausnahmefalle in denen Burger im Wege der Selbsthilfe die Realisierung privater Anspruche gewaltsam durchsetzen durfen Diese Ausnahmen stehen jedoch nicht in einem echten Widerspruch zum Gewaltmonopol Denn einerseits gelten Notwehr Selbsthilfe und rechtfertigender Notstand immer nur dann wenn der Staat die zu schutzenden Interessen nicht schutzen kann Andererseits beziehen die Ausnahmen ihre Legitimation vom Staat der Vollzugsbeamte als Inhaber der unmittelbaren Staatsgewalt fur seine Burger zuvor ex ante definiert hat Das in der Vergangenheit geltende lange umstrittene richterliche Gewohnheits Recht von Eltern gegenuber ihren Kindern zu Erziehungszwecken Gewalt anzuwenden wurde mit der gesetzlichen Festlegung des Anspruchs des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung abgeschafft Kindesmisshandlung Ebenso kann die nunmehr mit dem Gewaltschutzgesetz gesetzlich eingehend geregelte Ausdehnung des staatlichen Gewaltmonopols auf die Familie und damit auf einen sehr privaten Bereich als ein weiterer Fall der Nichtanerkennung einer staatsfreien Zone betrachtet werden Weitgehend anerkannt ist ein privates Widerstandsrecht fur den Fall dass die staatliche Rechtsordnung versagt oder der Staat selbst zur Bedrohung fur die Rechte der Burger wird Im Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland ist dies in Art 20 Abs 4 GG festgehalten Widerstandsrecht in Deutschland Geschichte BearbeitenDie Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols begann mit der Staatsentstehung als solcher Seit der Fruhen Neuzeit hat sich in Europa der Staat allmahlich als einziger Gewaltinhaber gegenuber anderen sozialen Kraften durchgesetzt Das historische Ziel war die Machtausweitung des jeweiligen Monarchen Diese Entwicklung wurde durch eine neue Staatsidee beflugelt die nicht mehr den gottgewollten Monarchen sondern eine imaginierte eigene Substanz des Staates als Trager des Gewaltmonopols betrachtete 5 Dieser Prozess war auch mit dem Ersatz von Sach durch Geldleistungen der Zentralisierung der staatlichen Finanzen und der Entwicklung des staatlichen Steuermonopols verbunden was nur auf Basis eines Gewaltmonopols durchgesetzt werden konnte Nach Norbert Elias ist der Prozess der Durchsetzung des Gewaltmonopols von der Ersetzung korperlicher Zwange und Bedrohungen z B Fronarbeit Blutrache Wegelagerei triebhaft ausgelebte Gewalt durch okonomische Zwange und durch die Verbreitung der Geldwirtschaft begleitet Wahrend Elias zufolge Gesellschaften ohne Gewaltmonopol durch eine geringe Arbeits und Funktionsteilung und kurze triebgebundene Handlungsketten gekennzeichnet sind sind die Handlungsketten in Gesellschaften mit stabilem Gewaltmonopol langer und die funktionalen Abhangigkeiten grosser Der Einzelne ist hier geschutzt vor dem schockartigen Einbruch korperlicher Gewalt in seinen Alltag aber er muss seine Affekte zuruckdrangen und die langfristigen Aspekte seines Handelns bedenken Zwang zur Langsicht d h die Gewalt und insbesondere die Reaktionen auf individuelle Gewalt werden im Laufe des zivilisatorischen Prozesses berechenbar Korperliche Strafen werden im Laufe der Zeit immer haufiger durch Geld oder Gefangnisstrafen ersetzt 6 Siehe auch BearbeitenStrafanspruch des Staates Strafverfolgung Strafvollzug Legitimes Machtmonopol Schwacher Staat Ewiger Landfriede von 1495 Wurzel des GewaltmonopolsLiteratur BearbeitenMattias G Fischer Reichsreform und Ewiger Landfrieden Uber die Entwicklung des Fehderechts im 15 Jahrhundert bis zum absoluten Fehdeverbot von 1495 Zugleich ein Beitrag zu den historischen Grundlagen des staatlichen Gewaltmonopols Untersuchungen zur deutschen Staats und Rechts Geschichte Neue Folge Band 34 Scientia Aalen 2007 ISBN 978 3 511 02854 1 Zugleich Gottingen Universitat Dissertation 2002 Dieter Grimm Das staatliche Gewaltmonopol In Wilhelm Heitmeyer John Hagan Hrsg Internationales Handbuch der Gewaltforschung Westdeutscher Verlag Wiesbaden 2002 ISBN 978 3 322 80377 1 S 1297 1313 Thomas Gutmann Bodo Pieroth Hrsg Die Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols Munsterische Beitrage zur Rechtswissenschaft Neue Folge Band 9 Nomos Baden Baden 2011 ISBN 978 3 8329 6187 9 Stefan Klingbeil Die Not und Selbsthilferechte Eine dogmatische Rekonstruktion Studien zum Privatrecht Band 70 Mohr Siebeck Tubingen 2017 ISBN 978 3 16 155533 6 S 8 ff Zugleich Frankfurt am Main Goethe Universitat Dissertation 2017 Jan Philipp Reemtsma Gewalt Monopol Delegation Partizipation In Wilhelm Heitmeyer Hans Georg Soeffner Hrsg Gewalt Entwicklungen Strukturen Analyseprobleme edition suhrkamp 2246 Suhrkamp Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 518 12246 0 S 346 361 Wolfgang Reinhard Geschichte der Staatsgewalt Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfangen bis zur Gegenwart C H Beck Munchen 1999 ISBN 3 406 45310 4 Birgit Sauer Die Asche des Souverans Staat und Demokratie in der Geschlechterdebatte Reihe Politik der Geschlechterverhaltnisse Band 16 Campus Frankfurt am Main New York 2001 ISBN 3 593 36743 2 Zugleich Wien Universitat Habilitationsschrift 2000 Weblinks BearbeitenMax Weber Wirtschaft und Gesellschaft Kap 1 17 Das legitime Gewaltmonopol als konstitutives Element des Staates Gewaltmonopol des Staates in Bundeszentrale fur politische Bildung Glossar Innerstaatliche KonflikteEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm von Humboldt Ideen zu einem Versuch die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen im Projekt Gutenberg DE Peter Lessmann Faust Polizei und Politische Bildung VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 531 15890 7 S 68 Nikolaus Bosch Die Bestimmung der Notwehrvoraussetzungen Alles eine Frage der Perspektive Juristische Ausbildung 2023 S 410 Christian Burr Notwehr und staatliches Gewaltmonopol Juristische Rundschau 1996 S 230 Wolfgang Reinhard Geschichte der Staatsgewalt 1999 passim Norbert Elias Uber den Prozess der Zivilisation Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen Band 2 Wandlungen der Gesellschaft Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 159 Suhrkamp Frankfurt am Main 2010 ISBN 978 3 518 09934 6 S 320 ff wortliches Zitat S 336 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Normdaten Sachbegriff GND 4257032 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gewaltmonopol des Staates amp oldid 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