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Die Vinca Kultur vɪnt ʃa ist eine archaologische Kultur der Jungsteinzeit in Sudosteuropa Sie war von 5400 bis 4600 4550 v Chr 1 schwerpunktmassig im Gebiet des heutigen Serbien verbreitet zusatzlich auch in West Rumanien Sud Ungarn im ostlichen Bosnien und dem heutigen Kosovo In der Untergliederung der Jungsteinzeit fallt die Vinca Kultur in das sudosteuropaische Mittel und Spatneolithikum sowie fruhe Aneolithikum Sie wurde von Friedrich Holste in die Phasen Vinca A D eingeteilt 2 Diachrone Verbreitungskarte der regional jeweils fruhesten Kultur mit Topferware ca 6000 4000 v Chr Bandkeramische Kultur neolithische KulturBukker Kultur ostliche LBK Cardial oder ImpressokulturSopot Kultur Ertebolle Kultur mesolithische KulturDnepr Don KulturVinca KulturLa Almagra KulturDimini KulturKaranowo KulturKammkeramische Kultur mesolithische KulturSitzende Vinca Figur British Museum LondonVerbreitung der Vinca Kultur Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Kultur 2 1 Keramik 2 2 Vinca Zeichen 2 3 Stein und Knochengerate 2 4 Siedlungen 2 5 Bestattungen 2 6 Kultorte 2 7 Wirtschaft 3 Interpretation 4 Wichtige Fundorte 5 Palaogenetik 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseForschungsgeschichte BearbeitenDie Kultur erhielt ihren Namen von dem Fundort Vinca Belo Brdo am rechten Steilufer der Donau bei Belgrad nahe der Mundung des Flusses Bolecica In dem 12 Meter hohen Tell wurde von 1908 bis 1918 von Miloje Vasic Vassits kleinere Ausgrabungen durchgefuhrt Vasic publizierte seine ersten Ergebnisse bereits 1908 Spater konnten 1924 bis 1936 mit finanzieller Unterstutzung durch Sir Charles Hyde insgesamt 3 5 ha ausgegraben werden Durch die ubereinanderfolgenden Siedlungsschichten war es moglich eine Chronologie der keramischen Entwicklung zu erstellen allerdings wurde nicht nach archaologischen Schichten sondern nach 10 bis 20 cm dicken kunstlichen Straten gegraben Da die Oberflache des Siedlungshugels sicher selten vollstandig eben und gleichformig besiedelt war und zu allen Zeiten Gruben in tiefere Bodenschichten gegraben wurden fand so eine gewisse Vermischung von Fundmaterial unterschiedlichen Alters statt Die folgenden Schichten werden beschrieben 9 3 m bis 8 m Keramiken aus der Starcevo Kultur Zusammenfunde von Starcevo und Vinca Keramik beschranken sich auf wenige Gruben 9 m bis 8 m Stufe A 8 m bis 6 m daruber Brandschicht Stufe B manchmal noch in B1 und B2 unterteilt 6 m bis 4 5 m Stufe C 4 5 m bis 3 m Stufe D nbsp Radiokohlenstoffdaten Vinca Kalibrierung mit Oxcal nbsp Nachzeichnungen einiger Vinca ZeichenVladimir Milojcic wollte Vinca in einer Publikation von 1949 aus der agaischen Fruhbronzezeit herleiten und argumentierte mit den scharf profilierten Gefassformen und der kannelierten Verzierung die fur ihn Vorbilder aus Metall verrieten Da die Radiokohlenstoffdatierung noch nicht erfunden war datierte er Vinca aus stilistischen Erwagungen heraus irrtumlicherweise auf 2700 2000 v Chr Auch Vere Gordon Childe der die Grabungen 1957 besuchte sah in der Vinca Keramik deutliche Parallelen zu Funden aus Troja und datierte Vinca daher auf ca 2700 v Chr Er unterschied die Phasen Vinca Tordos Turdas Stufe A B1 und Vinca Plocnik Stufe C1 D2 mit einem Zwischenstadium Gradac B2 C1 Die Ansicht auch neolithische Kulturen Europas konnten nicht alter sein als das Alte Reich in Agypten wurde von Milojcic bis zur verbreiteten Akzeptanz der Radiokohlenstoffmethode vertreten Inzwischen liegt eine Reihe von 14C Daten vor siehe Abbildung die eine genauere Datierung ermoglichen 1978 wurden die Grabungen von Nikola Tasic und Gordana Vujovic wieder aufgenommen Seit 1982 graben Milutin Garasanin und Dragoslav Srejovic die neolithischen Schichten aus Kultur BearbeitenKeramik Bearbeiten Typisch ist eine sehr qualitatvolle uberwiegend unbemalte Keramik Die Oberflache ist meist geglattet und glanzend poliert teilweise mit Riefen oder Kanneluren verziert Daneben kommen rechtwinklige Ritzmuster vor Scharf profilierte bikonische Formen sind haufig Oft sitzen 2 bis 4 Knubben am Umbruch Die Stufen von Friedrich Holste 1908 1942 zeichnen sich durch folgende keramischen Merkmale aus Vinca A bikonische Schalen und Schusseln Becher mit Kragenrand hohe Fussschalen oft mit rotem Uberzug doppelkonische Gefasse mit Zylinderhals eiformige Topfe Verzierung durch Kannelurmuster geradlinige Ritzmuster Vinca B Die meisten Formen aus A setzen sich fort Bei den Verzierungen tauchen nun auch gerundete Ritzmuster auf sowie mit Stichen gefullte Bander Vinca C Topfe mit Spiralriefenverzierung und Maandermuster mit stichgefullten Bandern Erstmals Knopfhenkel und Gefasse mit Ausguss Vinca D Gefassformen ahneln C nun aber pastose weisse und rote Bemalung mit rektilinearen Mustern Tonfiguren zeigen meist stehende Frauen mit grossen und vortretenden Augen und einem dreieckigen Gesicht das von manchen Forschern als Maske gedeutet wird Diese Gesichtsform findet sich auch bei theriomorphen tierformigen Figuren wir hatten es also mit maskierten Rindern zu tun Eine 20 cm lange Maske aus schwach gebranntem Ton wurde 2001 in Uivar gefunden Menschen und Tierkopfe aus Ton werden als Giebelzier der Hauser gedeutet Wahrend der jungeren Vinca Stufen kommen auch Tonfiguren vor die sitzende Figuren zeigen so die in Pristina gefundene Gottheit auf dem Thron Ferner finden sich menschen und tiergestaltige Gefassdeckel die meist mit Ritzlinien verziert sind und dieselben hervorquellenden Augen wie die Idole zeigen nbsp Topfe und Schusseln aus Keramik nbsp Keramikbehalter nbsp Tonfigur nbsp Frauenfigur aus KeramikVinca Zeichen Bearbeiten Hauptartikel Vinca Zeichen nbsp Nachzeichnung einer der 1961 gefundenen Tontafeln von Tărtăria nbsp Original einer Tontafel von TărtăriaAuf einigen der Idole finden sich einzelne Ritzlinien die als Topfer oder Besitzermarken gedeutet werden Einige Forscher wollten daraus eine Fruhform der Schrift ableiten Bereits 1903 hatte Hubert Schmidt versucht Zeichen aus Turdaș uber Funde aus Troja aus den agyptischen Hieroglyphen abzuleiten Vasic glaubte an einen griechischen Ursprung Vor der allgemeinen Verwendung der Radiokarbondatierung wurde von Vladimir Milojcic fur eine Ableitung dieser angeblichen Schrift Tontafeln von Tărtăria aus den archaischen Schriftzeichen von Uruk pladiert inzwischen weiss man dass diese fast ein Jahrtausend junger sind Besonders Vladimir Popovic machte die These einer fruhen serbischen Hochkultur mit eigener Schrift popular Da Schrift gewohnlich auftaucht wenn grossere Verwaltungsaufgaben zu bewaltigen sind Lagerhaltung und Steuereinziehung ist es sehr unwahrscheinlich dass diese einfache Bauernkultur dafur Verwendung besass Stein und Knochengerate Bearbeiten Typisch fur die Vinca Kultur sind lange regelmassige Klingen Obsidian aus Semplen wurde gerne zur Gerateherstellung verwendet daneben wurde qualitatvoller balkanischer honiggelber Silex importiert Gegen Ende der Vinca Kultur nehmen Importe deutlich ab Beile sind insgesamt selten und oft sehr klein Aus der Vinca Kultur sind auch Knochenidole und oft stark abgenutzte Loffelchen spatulae aus Rindermetapodien bekannt Aus diesen werden bandkeramische Knochenidole abgeleitet wie sie etwa in Nieder Morlen gefunden wurden Aus der Schale der Spondylus Muschel wurden Schmuckstucke gefertigt nbsp Artefakte aus Knochen nbsp Gegenstande aus Knochen nbsp Werkzeug aus Obsidian nbsp Verschiedene ExponateSiedlungen Bearbeiten Die Siedlungen liegen meist auf Tells Siedlungshugel die zwischen 3 m und 12 m hoch sein konnen und manchmal durch Grabenwerke befestigt sind Uivar Daneben sind aber auch Flachsiedlungen bekannt wenn auch kaum erforscht Die rechteckigen teilweise mehrraumigen Hauser hatten Fussboden aus dunnen Baumstammen die mit Estrich bedeckt sind die Wande bestehen aus lehmverschmiertem Flechtwerk das vielleicht manchmal plastische Verzierungen trug In Rumanien werden teilweise Schwellbauten angenommen da Pfostenlocher fehlen In den Hausern befanden sich Herdstellen und Backofen die haufig erneuert wurden Wie das Dach aussah ist unbekannt Da tragende Pfosten im Hausinneren fehlen muss es recht leicht gewesen sein und bestand vielleicht aus Holzschindeln oder Rinde Die Hauser waren entlang von Strassen recht regelmassig angeordnet Sehr haufig finden sich durch Brand zerstorte Hauser was Ruth Tringham veranlasste von einem chronologischen Horizont der verbrannten Hauser zu sprechen Vielleicht wurden die Gebaude beim Tod eines Familienmitgliedes absichtlich in Brand gesetzt 3 nbsp Rekonstruktion eines Hauses der Vinca KulturBestattungen Bearbeiten Graberfelder sind bisher nicht bekannt Kultorte Bearbeiten Bei Parța in Rumanien wurde ein 11 5 Meter langer und 6 Meter breiter Altarraum gefunden der aus zwei Teilen der Altarkammer und der Opferstelle besteht Heiligtum von Parța Auf dem Altar befinden sich zwei Statuen eine weibliche Gottheit und ein Stier nach Lazarovici ein Symbol der Fruchtbarkeit Der Tempel diente wahrscheinlich auch als Kalender Genau zur Zeit der Tagundnachtgleiche fiel das Licht durch einen Spalt und beleuchtete den Altar 4 Im Altarraum wurden auch Gefasse aus Keramik gefunden Der alteste europaische Solarkalender in der Hohle von Magura im nordwestlichen Balkangebirge Bulgarien zeigt 366 Tage und befindet sich im historischen Gebiet der Vinca Kultur 5 Wirtschaft Bearbeiten An Haustieren waren neben dem Hund Rinder Schafe Ziegen und Schweine bekannt In Liubcova wie in Uivar dominierte das Rind Auch der Hund wurde anscheinend gegessen aus Liubcova liegen zahlreiche Knochen mit Schlachtspuren vor Daneben wurden Rothirsch Wildesel Reh Ur Biber und einige andere Wildtierarten gejagt womit ist unklar Pfeilspitzen aus Silex sind unbekannt Wichtigste Kulturpflanze war Einkorn eine primitive Weizenart daneben wurden auch Emmer Nacktweizen Spelzgerste Erbsen Linsen und Flachs angebaut Auch Sammelpflanzen wie Haselnusse Schlehen Kornelkirsche und Weisser Gansefuss wurden genutzt Die Zinnober Mine von Suplja Stena am Avalaberg wird gerne der Vinca Kultur zugeordnet da alle Schichten von Vinca Zinnober enthalten der vermutlich als Farbstoff verwendet wurde Funde aus dem Bergwerk selber stammen allerdings erst aus der spatkupferzeitlichen Badener Kultur und dem Mittelalter Interpretation Bearbeiten nbsp Die litauische Archaologin Marija Gimbutas rechnete die Vinca Kultur zu den Alteuropaischen Kulturen welche durch eine von ihr mit den Proto Indoeuropaern verbundene Invasion patriarchalischer Kurgan Volker aus dem Osten zerstort oder assimiliert wurden Heute sehen Archaologen eher soziale Veranderungen John Chapman 1981 2000 6 7 oder einen Klimaumschwung als Grund fur das Ende der Vinca Kultur Wichtige Fundorte BearbeitenAnza Begovo Divostin bei Kragujevac Serbien Grivac bei Kragujevac Serbien Opovo bei Belgrad Serbien Ausgrabungen durch Ruth Tringham 1983 1987 bei Parța im Kreis Timiș Rumanien Heiligtum von Parța Potporanj bei Vrsac Serbien Selevac bei Kragujevac Serbien Ausgrabungen durch Ruth Tringham Uivar Banat Rumanien Ausgrabungen durch die Universitat Wurzburg Wolfram Schier seit 1998 Vinca Serbien Tărtăria Rumanien Plocnik Serbien Alteste verhuttete Kupferobjekte Palaogenetik BearbeitenMit der palaogenetischen Untersuchung der Haplogruppe des Y Chromosoms lassen sich die gemeinsamen Vorfahren in einer rein mannlichen Abstammungslinie verfolgen denn das Y Chromosom wird immer vom Vater an den Sohn weitergegeben Als Haplogruppe wird eine Gruppe von Haplotypen bezeichnet die spezifische Positionen auf einem Chromosom innehaben Auf dem Y Chromosom Y DNA ergibt sich die vaterliche Linie und auf der mitochondrialen DNA mtDNA die mutterliche Linie Die Haplogruppe G2a Y DNA stammt aus der Kaukasusregion und kam wahrscheinlich mit den fruhen neolithischen also Landwirtschaft treibenden Kulturen nach Europa Die meisten der untersuchten Skelettfunde der Starcevo und der Vinca Kultur auf der Balkanhalbinsel ebenso Angehorige der linearbandkeramischen Kultur gehorten zur Y Haplogruppe G2 Literatur BearbeitenDusan Boric Absolute dating of metallurgical innovations in the Vinca Culture of the Balkans In Tobias L Kienlin Benjamin W Roberts Hrsg Metals and Societies Studies in Honour of Barbara S Ottaway Verlag Dr Rudolf Habelt Bonn 2009 S 191 245 Florin Drasovean The Vinca culture its role and cultural connections International Symposium on the Vinca Culture its Role and Cultural Connections Banater Nationalmuseum Timișoara 1995 Bibliotheca historica et archaeologica banatica 2 Milutin Garasanin Hronologia vincanske grupe Belgrad 1951 Friedrich Holste Zur chronologischen Stellung der Vinca Keramik In Wiener Prahistorische Zeitschrift 27 1939 1 21 Vladimir Milojcic Das vorgeschichtliche Bergwerk Suplja Stena am Avalaberg bei Belgrad Serbien In Wiener Prahistorische Zeitschrift 1937 41 54 Erika Qasim Die Tărtăria Tafelchen eine Neubewertung In Das Altertum 58 2013 S 307 318 Erika Qasim Draussensitzen Horchen und Bannen In Das Altertum 61 2 2016 S 133 150 Robert J Rodden The Spondylus shell trade and the beginnings of the Vinca culture In Actes du VIIe Congres International des Sciences Pre et Protohistoriques Prag 1970 S 411 413 Wolfram Schier Masken Menschen Rituale Wurzburg 2005 Katalog Nikola Tasi Dragoslav Srejovic Bratislav Stojanovic Vinca Centre of the Neolithic culture of the Danubian region Belgrad 1990 Ruth E Tringham Bogdan Brukner Timothy M Kaiser Ksenija Borojevic Ljubomir Bukvic Petar Steli Nerissa Russell Mirjana Stevanovic Barbara A Voytek Excavations at Opovo 1985 1987 Socioeconomic Change in the Balkan Neolithic In Journal of Field Archaeology 19 Nr 3 1992 S 351 386 Miloje Vasic Preistorijska Vinca II IV Belgrad 1936 Ian Shaw Robert Jameson A Dictionary of Archaeology Wiley 2002 ISBN 0631235833 S 606 Auszug Google Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Vinca Kultur Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Vinca symbols bei omniglot com inkl Font Eric Lewin Altschuler The Number System of the Old European Script Grabung Uivar der Freien Universitat Berlin Grabung Opovo englisch Memento vom 2 September 2006 im Internet Archive Grabung Vinca englisch http www rastko org rs arheologija vinca vinca html Fuhrer Vinca serbokroatisch Einzelnachweise Bearbeiten Dusan Boric The End of the Vinca World Modelling the Neolithic to Copper Age transition and the notion of archaeological culture In Svend Hasen et al Hrsg Neolithic and Copper Age between the Carpathians and the Aegean Sea Archaologie in Eurasien 31 Bonn Habelt 2015 S 163 Mihael Budja The transition to farming in Southwest Europe perspectives from pottery Documenta Praehistorica XXVIII S 27 47 Memento vom 4 Marz 2016 im Internet Archive M Stevanovic The Age of Clay The Social Dynamics of House Destruction In Journal of anthropological Archaeology 16 1997 S 334 395 doi 10 1006 jaar 1997 0310 1 Sanctuarul Neolitic de la Parta The Magura Cave The Rabisha Cave The Tourist Portal of Bulgaria Abgerufen am 31 Mai 2021 John Chapman The Vinca culture of south east Europe Studies in chronology economy and society 2 vols BAR International Series 117 1981 Oxford BAR ISBN 0 86054 139 8 John Chapman Fragmentation in Archaeology People Places and Broken Objects Routledge London 2000 ISBN 978 0 415 15803 9Normdaten Sachbegriff GND 4188311 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vinca Kultur amp oldid 236375377