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Das Tribunenkollegium diente den Volkstribunen in der Zeit der Romischen Republik zur Vermeidung widerspruchlichen Handelns und der Aufrechterhaltung faktischer Handlungsfahigkeit Benotigt wurden die gemeinsamen Stimmen fur kollegiale Interzessionen denn erhob auch nur ein einzelnes Mitglied des Tribunats Einspruch gegen die geplante Amtsmassnahme eines anderen Mitglieds so konnte diese nicht vorgenommen werden Die Rechte des Kollegiums enthielten gegenuber denen des einzelnen Volkstribuns keine Weiterungen denn allein der einzelne Tribun war Organ der Plebs und im Lichte der lex Hortensia also nach Abklingen der Standeskampfe konstitutives Verfassungsorgan Voraussetzungen der Amtsmacht BearbeitenUrsprunglich hatten die Tribunen keine Amtsgewalt denn ihr originares Hilfe und Beistandsrecht leitete sich allein aus dem Sakralrecht her Um Amtsgewalt fur sich beanspruchen zu konnen hatte es einer Volkswahl durch die Burgerschaft bedurft die es als Grundungsakt nicht gab Vielmehr war die Amtsmacht das Ergebnis langwieriger geschichtlich politischer Anerkennungsprozesse im Streit um Amtzugange Vollstandig ging das Volkstribunat in der Amterlaufbahn dem cursus honorum dabei nie auf Die historisch zugestandenen Gewaltbefugnisse aber waren konsequent und stets ungeteilt unterlagen also keinen rechtlichen Einschrankungen Als tribunicia potestas bezeichnet war sie keine private Gewalt vergleichbar der patria potestas vielmehr war sie offentliche Gewalt 1 und hatte Vorrangstellung 2 Die tribunizische Gewalt wenngleich nicht mit imperium ausgestattet 3 war sehr weitreichend denn sie umfasste Beistands und Hilferechte ius auxilii Verbietungsrechte ius prohibendi auch Interzessionsrechte gegen Senatsbeschlusse Die Tribunen durften aber auch rogieren Edikte und Gesetze erlassen und daruber wachen dass sie eingehalten werden widrigenfalls sie Amtsgenossen ehemalige Magistrate und auch Private im Concilium plebis anklagten 4 Da aber jeder einzelne Volkstribun mit seinem Einspruch bis auf wenige Ausnahmen namlich da wo eine Interzession auf eine Interzession gestossen ware ganze Verfahren lahmlegen konnte kam die Frage kollegialer Interzessionen auf nachdem der dem cursus honorum und damit der Magistratur innewohnende Grundsatz der Kollegialitat auf die Amtsgeschafte des Volkstribunats ubertragen worden war 5 6 Unabhangig noch von der Frage einer Herleitung der Kompetenz war im praktischen Alltag das Problem des Aufeinandertreffens jeweils ungeteilter Gewaltbefugnisse fur den Konfliktfall zu losen was zu der Erkenntnis fuhrte dass die Durchfuhrung kollegialer Interzessionen notwendig war 4 So gedachte man auch mehrheitlichen Interzessionen in einen vom einzelnen Volkstribun angeregten tribunizischen Prozess begegnen zu konnen wie der Beispielsfall der Anklage gegen die Zensoren M Atilius Regulus und P Furius Philus es aus dem Jahr 214 v Chr vergegenwartigt 7 Grenzen der Amtsmacht BearbeitenDas Tribunenkollegium war nicht Rechtssubjekt konnte also nicht Trager von subjektiven Rechten und Pflichten sein Folglich mussten alle Tribunen gemeinsam handeln Das galt nicht nur fur anstehende Wahlen sondern auch Petitionen So gibt Aulus Gellius wieder dass einer Prostituierten meretrix tribunizische Gemeinschaftshilfe per Dekret zuteilwurde um einen nachstellenden kurulischen Adil in die Schranken zu weisen 8 Haufig war der Erlass von Gesetzen oder Dekreten selbst der Grund fur ein gemeinschaftliches Zusammenzutreten meldet Cicero 9 Abgefassten Dekreten stand dann einleitend die Auffuhrung aller Antragsteller voran praescriptio Das Ansehen des Kollegiums muss im Zuge verstarkter Gemeinschaftsarbeit insgesamt gewachsen sein mischten sich einzelne Tribunen jedoch zu sehr in private Streitigkeiten ein wurde es aber durchaus beargwohnt Ti Sempronius Gracchus wird namlich die Ausserung zugeschrieben sich zum Anwalt fremder Angelegenheiten zu machen sei collegii potestate indignum der Allmacht des Kollegiums unwurdig 10 Dort wo ein Volkstribun originar eigene Rechte verfolgte konnten Mehrheitsentscheidungen nicht herbeigefuhrt werden da unvereinbar mit dem Kollegialitatsprinzip Fur Mehrheitsentscheidungen war es erforderlich dass andere Magistrate in den Fall involviert waren ansonsten wurden sie wie Livius festhielt darauf verwiesen Ubereinkunfte in eigener Sache herbeizufuhren oder das Los entscheiden zu lassen 11 So bedurfte die Widmung dedicatio eines Tempels gemass einem Plebiszit aus dem Jahr 304 v Chr neben dem Mehrheitsentscheid der Zustimmung des Senats 12 181 v Chr beschloss der Senat die Notwendigkeit des Zusammenwirkens mit dem Prator in einer Schadensersatzsache nach Bucherenteignung 13 In kaiserzeitlich klassischen Quellen lasst sich nachlesen dass die Mehrheit des Tribunenkollegiums fur die Bestellung eines Vormunds notwendig war 14 15 16 Mit einem terminus ante quem ist die Rechtshistorie konfrontiert wenn Livius fur das Jahr 186 v Chr auf die pratorische Ernennung eines Vormunds unter Anhorung der Tribunen verweist 17 die wohl im Jahr 210 v Chr stattgefunden hat 18 Bereits vor der bahnbrechenden lex Hortensia 287 v Chr konnten Plebiszite verbindliche Kraft fur das Gesamtvolk entfalten vorbehaltlich einer senatorischen Zustimmung zum Gesetzesvorhaben Ein knappes halbes Jahrhundert vor der lex Hortensia namlich 339 v Chr wies die lex Publilia Philonis den Tatbestand bereits an Das hortensische Regelwerk erweiterte diesen letztlich indem die Notwendigkeit der Zustimmung des Senats beseitigt wurde 19 In der Zeit davor Plebiszite waren noch unverbindliche Erklarungen sollen die Tribunen nach Auffassung Kunkels Vorberatungen im Kollegium durchgefuhrt haben um erst danach das Volksgericht tagen zu lassen dies zumal Einigungsmangel die Umsetzung von Amtshandlungen zum Stillstand brachten War man sich hingegen im Kollegium einig bestand wenigstens die faktische Aussicht offentliches Gehor beim Patriziat zu erlangen Nach den deutlichen Privilegierungen des Tribunats in seiner Rechtsstellung erlaubten die leges auch die verbreiteten kollegialen Interzessionen gegen Rogationen was Bedeutung erlangte Das wiederum erschwerte dem Senat das Leben der fruhzeitig versuchte Tribunen auf seine Seite zu ziehen um das Schwert eines Rechtsbehelfs remedium intercessionis gegen das Tribunat zu fuhren 20 Kollegiale Interzessionen gegen tribunizische Rogationen waren zwar rechtlich moglich doch beugten sich die Intervenierenden regelmassig dem politischen Gegendruck so etwa als 195 v Chr mittels Interzession gegen die Abrogation der lex Oppia gedroht wurde man von dem Vorhaben dann aber Abstand nahm als ein beherzter Aufmarsch der Frauen stattfand 21 Als etwa eine kollegiale Interzession gewaltsam vereitelt werden sollte festgehalten ist die Abstimmung uber die lex Appuleia frumentaria befand sich die spate Republik bereits im Verfall 22 Widerruf der Amtsmacht BearbeitenDem Volkstribun war die tribunizische Gewalt nicht zu nehmen Eine Abrogation hatte den Grundsatz der Kollegialitat verletzt 23 24 In der Geschichtsschreibung sind gleichwohl drei Falle der Amtsenthebung bekannt geworden nebst einem weiteren bei dem der Prozess noch abgewendet werden konnte So wurde M Octavius 133 v Chr von T Sempronius Gracchus abgesetzt als er Einwendungen gegen die zum Schutz des Bauernstandes im Rahmen der Ackergesetze geschaffene lex Sempronia agraria erhob 25 Gracchus setzte mit der Absetzung des Tribuns aber eine weit uber diesen an sich schon revolutionaren Zug der Abrogation hinausgehende politische Dimension Er zeigte dem Senat der seit dem Zweiten Punischen Krieg bei Gesetzesvorhaben wieder dominierte dessen Grenzen auf als Gracchus eine tribunizische Interzession beseitigte bevor der Senat sich der Interzession fur eigene Instrumentalisierungszwecke bedienen konnte 26 Bereits in der Antike wurde diese Entscheidung wegen der Verletzung des Grundsatzes der Sakrosanktitat sehr streitig diskutiert 27 Oktavius erkannte seine rechtswidrige Absetzung nicht an gleichwohl machte sein Fall Schule Es folgte in der ausgehenden Republik der Fall des Tribuns L Trebellius der 67 v Chr zur Verhinderung der Ubertragung eines ausserordentlichen Kommandos gegen die Seerauber an Pompeius der gesetzlichen Legitimation durch die lex Gabinia widersprach Nach Mehrheitsbeschluss ware er fast abgesetzt worden doch wurde ihm eingeraumt seine Interzession folgenlos zuruckzunehmen 28 In einen Konflikt mit Julius Caesar waren die Tribunen Caesetius Flavus und Gaius Epidius Marullus verstrickt die das Diadem von Caesars Statue entfernt hatten und ausserdem bei seiner Ruckkehr vom Latinerfest im Jahr 44 v Chr dessen Begrussung als rex zu verhindern versuchten Sie wurden per Plebiszit abgesetzt und aller Rechte und Pflichten entbunden 29 Mit Caesar im Zusammenhang steht eine letztlich noch festgehaltene Abrogation Caesars Ermordung im Jahr 43 v Chr bedeutete fur den Verschworungsbeteiligten Publius Servilius Casca dass er sein tribunizisches Amt verlor als er mit seiner Flucht aus der Stadt gegen die Aufenthaltsbestimmungen verstiess Eine zumindest formal nachvollziehbare Begrundung fur die Amtsenthebung liegt in diesem Fall darin dass er sich als amtierender Tribun nicht ausserhalb der Stadt aufzuhalten hatte 30 Anmerkungen Bearbeiten Cicero De inventione 2 52 Aulus Gellius 2 2 13 Varro bei Aulus Gellius 13 12 6 a b Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 582 587 582 Herleitung nach Theodor Mommsen Romisches Staatsrecht Band 2 WBG 2017 ISBN 978 3 534 26913 6 S 280 Anders Jochen Bleicken der die Kollegialitat aus der Kontrolle des Senats uber die Magistratur herleitet In Jochen Bleicken Lex publica Gesetz und Recht in der romischen Republik de Gruyter Berlin 1975 ISBN 3 11 004584 2 S 315 Livius 24 43 1 3 Ateius Capito bei Aulus Gellius 4 14 Cicero Reden gegen Verres 2 2 100 Titus Livius Ab urbe condita 39 5 2 Livius 29 20 9 Livius 9 46 7 Livius 40 29 13 Gaius Institutiones 1 185 Ulpian Regulae 11 18 Paul Jors Wolfgang Kunkel Leopold Wenger Romisches Recht 4 Auflage New York Berlin Heidelberg 1987 neu bearbeitet von Heinrich Honsell Theo Mayer Maly Walter Selb S 423 Livius 39 9 7 Robert Broughton Magistrates of the Roman Republic Bd 1 509 B C 100 B C American Philological Association New York 1951 1952 Nachdruck Scholars Press Atlanta 1986 ISBN 0 89130 812 1 S 279 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 582 587 584 Livius 2 56 4 4 48 10 16 5 25 1 Livius 34 1 4 34 5 1 34 8 2 Rhetorica ad Herennium 1 21 Wolfgang Kunkel mit Roland Wittmann Staatsordnung und Staatspraxis der romischen Republik Zweiter Abschnitt Die Magistratur Munchen 1995 ISBN 3 406 33827 5 von Wittmann vervollstandigte Ausgabe des von Kunkel unvollendet nachgelassenen Werkes S 582 587 586 f Theodor Mommsen Romisches Staatsrecht Band 2 WBG 2017 ISBN 978 3 534 26913 6 S 279 Grundsatzlich hierzu Appian Bellum civile I 8 33 9 37 10 38 Karl Christ Krise und Untergang der romischen Republik Darmstadt 2000 S 119 Vgl insoweit Cicero Pro Milone 82 ausserdem Cicero De legibus 3 24 Plutarch Tiberius Gracchus 14 4 Cassius Dio 36 30 1 2 Cassius Dio 44 9 3 10 3 Plutarch Caesar 61 3 und Antonius 12 2 Sueton Caesar 79f Cassius Dio 46 49 1 Cicero Epistulae ad Atticum 16 15 3 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tribunenkollegium amp oldid 235893206