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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Tiberius Sempronius Gracchus Begriffsklarung aufgefuhrt Tiberius Sempronius Gracchus 162 v Chr 133 v Chr in Rom war ein Politiker der Romischen Republik Er wollte als Volkstribun weitgehende Reformen durchsetzen scheiterte jedoch am gewaltsamen Widerstand der Senatsmehrheit und wurde zusammen mit seinen Anhangern ermordet Mit dem Scheitern der Gracchischen Reform begann das Zeitalter der Romischen Burgerkriege Nach seinem Tod wurde Tiberius Sempronius zur Symbolfigur fur den Kampf gegen die Willkur der Oberschicht stilisiert Das Bruderpaar Gracchus von Eugene Guillaume Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Politische Anfange 3 Der Reformkreis 3 1 Hintergrunde 3 2 Tiberius Gracchus und der Reformkreis 4 Die Agrarwirtschaft als Reformobjekt 5 Das Volkstribunat 133 v Chr 5 1 Die lex Sempronia agraria 5 2 Der Kampf in der Volksversammlung 5 3 Das Scheitern der Reformbewegung 6 Nachwirken und Bedeutung 7 Quellen 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseHerkunft Bearbeiten Hauptartikel Gracchus Die Familie der Gracchen war eine der machtigsten und angesehensten der romischen Nobilitat Der jungere Tiberius war der alteste Sohn des alteren Tiberius Sempronius Gracchus des Konsuls der Jahre 177 v Chr und 163 v Chr und der Cornelia einer Tochter des Publius Cornelius Scipio Africanus des Siegers uber Hannibal Tiberius war mit Claudia Pulchra verheiratet Laut Appian hatte er mindestens einen Sohn 1 Cassius Dio und Plutarch erwahnen Kinder im Plural 2 3 Politische Anfange BearbeitenDer junge Tiberius Gracchus begleitete im Alter von funfzehn Jahren den damaligen Konsul Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus in den Dritten Punischen Krieg 147 v Chr und ging im Jahre 137 v Chr mit dem Konsul Gaius Hostilius Mancinus als Quaestor in die Provinz Hispania citerior Seit die Romer nach ihrem Sieg im Zweiten Punischen Krieg grosse Teile der iberischen Halbinsel als Provinz von Karthago erbeutet hatten sahen sich die romischen Truppen mit dem hartnackigen Widerstand der iberischen Stamme konfrontiert der zu einem jahrzehntelangen Krieg fuhrte Gracchus erlebte dort die Kapitulation des romischen Heeres vor Numantia eine der bis dahin schwersten Niederlagen einer romischen Armee Er hatte die Kapitulation mit zu verantworten und war als Quaestor an der Formulierung des Vertrages massgeblich beteiligt er ware daher als der Senat die Ratifizierung des Abkommens ablehnte beinahe an die Feinde ausgeliefert worden Nur seine vornehme Herkunft und machtigen Freunde bewahrten ihn vor der schmachvollen Auslieferung an die Numantiner wie sie Mancinus widerfuhr Dieser wurde nackt und mit gefesselten Handen zu den Feinden geschickt die ihn wiederum nicht aufnehmen wollten um ihrerseits nicht die Nichtigkeit des Vertrages anerkennen zu mussen Mancinus war damit entehrt und politisch erledigt Dieses Erlebnis und seine Folgen hatten im Leben des Tiberius mutmasslich traumatischen Charakter Plutarch vermutete dass durch die Kapitulation bis zu 20 000 romische Soldaten am leben bleiben konnten der Senat hingegen fasste das nach Mancinus beschriebene Vertragswerk aber dennoch als schweren Verrat auf 4 5 Seine Erlebnisse auf der iberischen Halbinsel und die Reaktion des romischen Senats brachten Tiberius zum ersten Mal in einen Konflikt mit Teilen des Senats und deren Politik Er stand nun wie Jochen Bleicken herausarbeiten konnte politisch mit dem Rucken zur Wand und brauchte dringend einen spektakularen Erfolg Schon bei seiner Reise nach Numantia durchreiste er Etrurien und erkannte angeblich dort Missstande welche die Sklavenwirtschaft und die Belastung der bauerlichen Bevolkerung durch den Kriegsdienst verursacht hatten 6 In ihm reifte Plutarch zufolge ein erster Plan zur Reformierung des romischen Staates Plutarch berichtet aber auch uber andere Motive die Tiberius zu seinem politischen Vorhaben beeinflusst haben sollen So schreibt er dass Tiberius von seinen beiden griechischen Beratern Diophanes von Mitylene und Blossios von Kyme dazu uberredet worden sei das Projekt einer Landverteilung wieder aufzugreifen Als weitere mogliche Motive fuhrt Plutarch zum einen Cornelia die Mutter des Tiberius an die durch ihre Klagen ihren Sohn zu masslosem Ehrgeiz angestachelt haben soll und zum anderen habe Tiberius feststellen mussen dass ein etwa gleichaltriger Konkurrent ihn an Ansehen und Ruhm weit uberholt habe weshalb er sich auf ein gewagtes aber vielversprechendes politisches Unternehmen eingelassen habe Als Hauptmotiv fur das Ackergesetz sieht Plutarch allerdings Tiberius Bemuhen um Popularitat an da das Volk ihn in Graffiti an offentlichen Gebauden und Denkmalern aufgefordert habe der armen Bevolkerung den Staatsgrund zuruckzugeben 6 Dass sein politisches Projekt nicht neu war sondern auch von anderen Mitgliedern der Nobilitat verfolgt wurde zeigt der Versuch des Konsuls Gaius Laelius der 140 v Chr ein Ackergesetz verabschieden wollte Aber aufgrund des Widerstandes vieler anderer Senatoren liess er sein Vorhaben wieder fallen Dennoch erhellt es dass zum einen die Idee einer Ackerreform des Tiberius Gracchus nicht unbekannt in Rom war zum anderen verdeutlicht der vorige Fehlversuch des Gaius Laelius dass Tiberius im Senat mit starkem Widerstand rechnen musste Der Reformkreis BearbeitenHintergrunde Bearbeiten Ab dem Ende des Dritten Punischen Krieges im Jahre 146 v Chr geriet die spate romische Republik 133 31 v Chr der nach Christian Meier Res publica amissa 7 mit dem Jahre 133 v Chr in eine schwere Krise 8 Die romische Oberschicht erfullte die vom Volk erwarteten Aufgaben nicht und so begann sich eine Polarisierung innerhalb der romischen Gesellschaft zu vollziehen Kontrovers standen sich jene gegenuber die die Macht und den Status der alten Familien bewahren wollten um so Rom in der Form zu konservieren wie es schon immer war anderseits fanden sich jene zusammen die eine starkere Berucksichtigung der Interessen des Volkes einforderten 9 So gab es im Rom keine in sich geschlossenen politischen Parteien im Sinne moderner Staaten vielmehr kam es zu Gruppenbildungen die etwa um alte Privilegien und deren Beteiligung hieran rungen Andere Gruppierungen suchten die Rechte des romischen Volkes als solches zu erweitern 10 Ein spezielles Problem ergab sich aus der Rekrutierung der romischen Kleinbauern zum Militardienst eine solche Belastung der Kleinbauern und die daraus resultierende mogliche Verarmung weiter Teile dieser Gesellschaftsgruppe stellten sich als ein Problem dar das dringend gelost werden musste 11 Tiberius Gracchus und der Reformkreis Bearbeiten Wieder nach Rom zuruckgekehrt schloss sich Tiberius Gracchus dem Reformkreis um den princeps senatus Appius Claudius Pulcher an welcher auch sein Schwiegervater wurde Trotz seiner jungen Jahre wurde Tiberius schon bald zu dessen aktivstem Mitglied Dem Kreis gehorten angesehene Mitglieder der romischen Nobilitat an so etwa Publius Mucius Scaevola und Publius Licinius Crassus Dives Mucianus Auch Tiberius Schwager Scipio Aemilianus gehorte anfangs zu seinen Unterstutzern Die Reformer hatten sich vor allem zum Ziel gesetzt den ager publicus den im Eigentum des romischen Staates befindlichen Landbesitz neu zu verteilen Wahrend Alvin Bernstein in diesen Mannern die ursprunglichen Urheber des Gesetzes sieht die Tiberius fur ihre Sache gewinnen konnten 12 geben die beiden Hauptquellen Plutarch und Appian nur her dass sie lediglich als Berater des Tiberius zur Seite standen 13 14 Diese Ansicht vertritt auch David Stockton der Tiberius als vorausschauenden Politiker bezeichnet der sich des Widerstandes der Grossgrundbesitzer sicher gewesen sei und deshalb im Voraus bewusst einflussreiche Manner aus der Nobilitat fur sich zu gewinnen gesucht habe 15 Uber die Grosse des Reformerkreises konnen aus den Berichten Plutarchs und Appians keine Ruckschlusse gezogen werden Klaus Meister geht ahnlich wie P A Brunt und Christian Meier von einem kleinen Kreis isolierter Adliger aus 16 wahrend Donald C Earl den Kreis der Unterstutzer erheblich grosser fasst und dies mit der Verbindung des Tiberius mit den anderen einflussreichen Familienmitgliedern der Claudii Pulchri und Mucii Scaevolae begrundet 17 In der neueren Forschung ist zudem vermutet worden dass auch griechische Intellektuelle die sich in Rom aufhielten grossen Einfluss auf das Reformprogramm gehabt hatten 18 Die Agrarwirtschaft als Reformobjekt BearbeitenDer ager publicus war durch die Kriege Roms in Italien enorm gewachsen denn die Romer annektierten bis zu einem Drittel der Flache der von ihnen besiegten italischen Stamme und verleibten diesen Boden ihrem Staatsgebiet ein Wurden diese Boden zu Beginn der italischen Expansion noch in einzelnen Bauernstellen an die eigenen Burger als Kolonisten abgegeben setzte sich bald nach 180 v Chr die Praxis der Okkupation dieser Landereien durch Dies bedeutete dass der ager publicus gegen Erstattung einer festgesetzten einmalig zahlbaren Grundgebuhr von jedermann zur Bewirtschaftung in Besitz genommen werden konnte Hiervon profitierten vor allem die vermogenden Klassen der romischen Bevolkerung also die Senatoren und Ritter und die obersten Census Klassen Dem einfachen Volk war eine Okkupation meist schon aus Mangel an den notigen finanziellen und sachlichen Mitteln unmoglich Zwar war eine Obergrenze fur die Landinbesitznahme gesetzt worden diese war aber uberaus grosszugig bemessen und fuhrte eher dazu dass den Mitgliedern der herrschenden und vermogenden Klassen ein Teil des ager publicus bereitstand als dass hierdurch die unteren Schichten zum Zuge kamen Aber auch die reichsten Mitglieder der Nobilitat waren auf die Nutzung des ager publicus nicht angewiesen und scheinen anders als man fruher glaubte kaum auf ihn zuruckgegriffen zu haben Die derart vergebenen offentlichen Landereien gingen somit praktisch in Privatbesitz uber und alsbald verfestigte sich dieser Zustand derart dass der ager occupatorius vererbt beliehen und verschenkt wurde wie privates Eigentum Viele Historiker folgen der Interpretation der antiken Quellen und bieten daher folgende Rekonstruktion Eine neue und faire Aufteilung des ager publicus sollte demnach nach dem Willen der Reformer zweierlei erreichen Zum einen sollte sie weite Teile der romischen Bevolkerung aus Armut und Besitzlosigkeit befreien die sie zu Abhangigen von staatlichen Kornlieferungen machte und sie in die ubervolkerten Armenviertel der Stadt zog zum anderen sollte so der existenzbedrohende Mangel an wehrfahigen Mannern behoben werden Seit dem Ende des Dritten Punischen Krieges war die Zahl der im Census erfassten romischen Burger von 337 000 auf unter 318 000 gesunken mit der Folge dass nicht mehr ausreichend Soldaten fur die Legionen zur Verfugung standen um die kraftezehrenden und zermurbenden Kriege gegen die Aufstande in den Provinzen vor allem in Spanien zu fuhren Da nach der damaligen Wehrverfassung nur solche Burger zum Dienste in der Legion eingezogen wurden die uber ausreichend Vermogen verfugten um ihre Ausrustung und Bewaffnung selbst zu stellen konnte man hierzu auch nicht auf die besitzlosen Burger capite censi zuruckgreifen welche in Massen in die Stadt Rom zogen Eine entsprechende Anderung der Wehrverfassung sollte erst gut dreissig Jahre spater durch die Heeresreform des homo novus Marius eingefuhrt werden In jungerer Zeit haben Althistoriker wie Klaus Bringmann Zweifel an dieser Version geaussert Kaum 50 Jahre vor Tiberius Gracchus gab es so viel ager publicus und so wenig landlose Interessenten dass man die Moglichkeit das Land einfach zu besetzen uberhaupt erst eingeraumt und zugleich die Grundung von Burgerkolonien zunachst eingestellt hatte Auch seien in der Regel nicht Bauern sondern nur deren jungere Sohne eingezogen worden die Kriege konnten also kaum zu einer Agrarkrise gefuhrt haben da im Gegenteil tendenziell gerade jene im Feld starben die auf dem Hof uberzahlig waren Die Menschen hatten ihre Hofe meist freiwillig aufgegeben da sie in der rasant wachsenden Grossstadt Rom auf ein besseres Leben hofften eine Landreform hatte daran wenig andern konnen Der Ausgang der Forschungsdiskussion ist offen Einwande gegen die These Bringmanns formulierte beispielsweise Jurgen von Ungern Sternberg Zudem werden die wirklichen Motive der Reformer vermehrt in Frage gestellt Man betont dass hinter Gracchus mehrere besonders machtige Senatoren standen Nach Ansicht einiger Forscher wie Ulrich Gotter wollten diese die Reform dazu nutzen jene Rivalen die in den vergangenen Jahren viel vom ager publicus besetzt hatten zu schwachen da sie selbst durchgangig Mitglieder der reichsten Familien uber andere Formen von Besitz verfugten Dies konnte die ungewohnliche Kompromisslosigkeit beider Seiten erklaren Nach dieser Hypothese ging es also nicht um eine Entlastung der Armen sondern um aristokratische Streitigkeiten innerhalb der Nobilitat es fuhrt dann in die Irre den Konflikt als Auseinandersetzung zwischen Volk und Senat zu interpretieren Das Volkstribunat 133 v Chr BearbeitenDen Reformern jedenfalls gelang es fur das Jahr 133 v Chr einige ihrer Mitglieder in einflussreiche Amter wahlen zu lassen Tiberius Gracchus wurde fur dieses Jahr zum Volkstribun gewahlt Publius Mucius Scaevola gar zum Konsul Man kam uberein dass die erfolgversprechendste Vorgehensweise bei der Durchsetzung der Reform der Weg uber die Plebejerversammlung concilium plebis sei Obwohl sich im Senat keine Mehrheit fur die gracchischen Plane fand brachte der Tribun das Gesetz welches wohl ein alteres aufgriff lex Licinia Sextia direkt vor das Volk Dies war hochst unublich da normalerweise innerhalb der Aristokratie sprich im Senat ein Konsens erzielt worden sein musste bevor man das Volk um Zustimmung bat Da die romische Verfassung zahlreiche Instrumente bereithielt mit denen eine Minderheit Beschlusse verhindern konnte war man im Grunde darauf angewiesen sich zu einigen Rein rechtlich war das concilium plebis aber an die Empfehlungen des Senats nicht gebunden und konnte sie niederstimmen dies geschah im Lauf der weiteren Geschichte zum Beispiel im Jugurthinischen Krieg als das senatus consultum erging die Amtszeit des Quintus Caecilius Metellus Numidicus als kommandierender General zu verlangern den das concilium plebis mit der Ernennung von Gaius Marius verwarf Gracchus jedenfalls versuchte nicht einen Konsens im Senat herzustellen mit weitreichenden Folgen Die lex Sempronia agraria Bearbeiten Ursprunglich sah das zur Umsetzung der Reformen ausgearbeitete Gesetz die lex Sempronia agraria vor dass der ager publicus neu zu vergeben sei Die derzeitigen Besitzer des ager publicus sollten 500 iugera Land als Eigentum fur sich behalten durfen der Rest sollte aber zur Einziehung und Neuverteilung an die besitzlosen Burger herangezogen werden Die zu vergebenden neuen Bauernstellen sollten je 30 iugera umfassen und gegen eine an den Staat zu zahlende Gebuhr vergeben werden Die Verausserung des Landes war den Neubauern untersagt hiermit sollte gewahrleistet werden dass das Land nicht binnen kurzer Zeit von Grossgrundbesitzern zuruckgekauft wurde Zur Umsetzung dieser Vorgaben sollte eine Dreimannerkommission eingesetzt werden welche die Reformer aus ihren Reihen zu besetzen gedachten Diese bestand aus Tiberius Gracchus dessen Schwiegervater Claudius Pulcher und Tiberius jungeren Bruder Gaius Gracchus Da die Arbeit der Kommission eine betrachtliche Menge an Geldmitteln erfordern wurde nutzten sie die Gelegenheit der Stunde welche sich durch den Tod des Konigs Attalos von Pergamon bot Dieser hatte sein Reich dem romischen Staat vermacht das Erbe sollte nach dem Willen der Reformer nun zur Finanzierung der Arbeit der Kommission dienen Das Gesetzeswerk ist noch wahrend des Verfahrens verandert worden um den Bedenken und Einwendungen der betroffenen Landbesitzer zu begegnen und grossere Ungerechtigkeiten zu vermeiden So wurde den Okkupatoren laut Appian gestattet bis zu 1000 iugera Land 500 iugera fur den pater familias und jeweils 250 iugera fur die ersten beiden Sohne als privates Eigentum behalten zu durfen Aufwendungen oder Investitionen welche sie in das zuruckzugebende Land getatigt hatten sollten dem Wert nach ersetzt werden Der Kampf in der Volksversammlung Bearbeiten Das ubliche Gesetzgebungsverfahren dieser Zeit sah wie erwahnt vor zunachst die theoretisch nicht bindende faktisch aber unverzichtbare Zustimmung des Senats einzuholen bevor man den Entwurf dem Volk zur Abstimmung vorlegte Gracchus nun provozierte seine Gegner unter den Senatoren indem er das Gesetz ohne vorherige Zustimmung des Senats vor das Volk brachte Das Ackergesetz welches Tiberius Gracchus der Volksversammlung concilium plebis zur Beratung und Verabschiedung vorlegte verteidigte und begrundete er mit grosser Beredsamkeit und Verve Plutarch lasst ihn in seinen Doppelbiographien wie folgt zu Worte kommen Die wilden Tiere die Italien bevolkern haben ihre Hohlen und fur jedes von ihnen gibt es eine Lagerstatte einen Schlupfwinkel Die Manner aber die fur Italien kampfen und sterben haben nichts als Luft und Licht unstet ohne Haus und Heim ziehen sie mit Kindern und Frauen im Land umher Die Feldherren lugen wenn sie in der Schlacht ihre Soldaten aufrufen Graber und Heiligtumer gegen die Feinde zu verteidigen Keiner von diesen armen Romern hat ja einen vaterlichen Altar keiner ein Grab seiner Ahnen Fur Wohlleben und Reichtum anderer kampfen und sterben sie Herren der Welt werden sie genannt in Wirklichkeit gehort ihnen aber kein Krumel Erde 19 Es ist nicht nur umstritten ob Plutarch hier wirklich Gracchus zitiert sondern auch ob derlei oder ahnliche Argumente die sicherlich vorgebracht wurden nicht die eigentlichen Intentionen des Volkstribuns verschleierten Das Gesetz traf jedenfalls auf den erbitterten Widerstand weiter Kreise des Senats Die Gegner der Reform griffen daher zu einem jener Verhinderungsmittel die die Verfassung ihnen fur solche Falle an die Hand gab Ein Kollege des Tiberius Gracchus im Amt des Volkstribuns Marcus Octavius verhinderte im Auftrag der Gegner die Verabschiedung des Reformgesetzes durch die Volksversammlung durch Einlegung seines Vetos Interzession Dieser Schritt war kaum uberraschend Doch damit war Gracchus gescheitert Ebendies konnte er sich aber wie gesagt unmoglich erlauben da es seine Karriere beendet und Schande uber seine Familie gebracht hatte Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und konnte jetzt nicht aufgeben Was folgte war daher der erste offene Verfassungsbruch Tiberius Gracchus und seine Anhanger liessen sich nun zu dem einmaligen und verfassungswidrigen Schritt hinreissen den Volkstribun Octavius durch Plebiszit Beschluss des concilium plebis abzusetzen Ein Volkstribun der seine ihm durch das Volk und zum Wohle des Volkes verliehene Macht gegen den erklarten Willen des Volkes einsetze musse auch durch die Volksversammlung abgesetzt werden konnen argumentierte Gracchus Damit stellte er aber das lange Zeit so selbstverstandliche Konsensprinzip der romischen Innenpolitik radikal in Frage da er ja das Vetorecht aushebelte Es ging nun nicht mehr nur um die Bodenreform es ging nun um die Frage wie in Rom kunftig Politik gemacht werden solle Kurzfristig hatte Gracchus Erfolg Nachdem das Plebiszit uber die Absetzung des Octavius erfolgreich war konnten die Reformer ihr Ackergesetz durchsetzen und die zu bestellende Ackerkommission wurde zunachst mit Tiberius Gracchus dem princeps senatus Appius Claudius Pulcher einem der reichsten Manner seiner Zeit und die treibende Kraft hinter Gracchus und einem dritten Reformer besetzt Jahre spater ruckte der jungere Bruder des Tiberius nach Gaius Sempronius Gracchus Die Umsetzung des Reformgesetzes wurde zunachst durch die Senatsmehrheit dadurch erschwert dass man sich weigerte die zur Bildung der Ackerkommission notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen Tiberius Gracchus umging diesen Widerstand durch einen ebenfalls rechtswidrigen Akt indem er das kurz zuvor dem romischen Staat vermachte Attalosvermogen per Plebiszit eigenmachtig zur Heranziehung freigab hieruber hatte eigentlich der Senat zu entscheiden gehabt Gracchus brach also ein weiteres Mal die Verfassung und provozierte seine Gegner noch mehr Das Scheitern der Reformbewegung Bearbeiten Auf der Wahlversammlung Mitte des Jahres 133 v Chr stellte sich Tiberius Gracchus schliesslich fur eine zweite Amtszeit als Volkstribun zur Wahl da er befurchtete ohne dieses Amt werde die Arbeit der Ackerkommission durch deren Gegner unmoglich gemacht werden und wichtiger er selbst schutzlos den Anklagen wegen des von ihm begangenen Verfassungsbruchs gegenuberstehen nach romischem Recht verlieh ein Amt Immunitat gegen Strafverfolgung Dies stellte einen dritten schweren Rechtsbruch dar da zwischen zwei Amtern oder Amtszeiten ublicherweise immer eine amterlose Zeit zu liegen hatte um uberhaupt rechtliche Schritte gegen Magistrate zu ermoglichen 20 Es schien seinen Feinden als wolle Gracchus eine Gewaltherrschaft gestutzt auf die Volksmenge errichten Die Reformgegner im Senat verlangten daher vom Konsul Gracchus zu inhaftieren Als dieser sich weigerte beschlossen sie unter Fuhrung seines Cousins Publius Cornelius Scipio Nasica Serapio dem Treiben des Volkstribuns selbst gewaltsam ein Ende zu setzen da uber die eigentliche Reform hinaus eine dauerhafte Verlagerung der Macht vom Senat auf die Volksversammlung bzw den Volkstribun befurchtet wurde Als Zeichen dass der Senat die Republik in Gefahr sah legten seine Mitglieder Trauergewander an Tiberius hingegen zeigte sich als Antwort darauf nur noch bewaffnet in der Offentlichkeit Eine weitere Eskalation der Situation war somit bereits vorbestimmt Eine friedliche Losung war langst ausgeschlossen Auch der als Optimat geltende Cicero der sich als Unterstutzer eines starken Senats profilierte bewertete jegliche administrative Hilfe fur die Armen als verwerflich und sah in Publius Cornelius Scipio Nasica Serapio der die Ermordung des Tiberius beforderte den Retter des Vaterlands und ein Vorbild fur sein eigenes Vorgehen gegen politische Kontrahenten 21 22 Die bei Volksversammlungen nicht unublichen handgreiflichen und tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Parteien und Gruppen wurden durch das gezielt verbreitete Gerucht Tiberius Gracchus strebe nach der Konigskrone derart gesteigert dass es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Anhangern der Senatsmehrheit und denen der Reformer kam Scipio Nasica und seine Anhanger bewaffneten sich mit Stuhlbeinen und sturmten die Volksversammlung Tiberius Gracchus und etwa 300 seiner Anhanger wurden erschlagen Die Leiche des Tiberius Gracchus wurde in den Tiber geworfen Die Reformgegner hatten gesiegt Uberlebende Anhanger des Tiberius Gracchus wurden spater durch ein Sondergericht belangt Damit waren die Reformen des Tiberius Gracchus mittelfristig zum Scheitern verurteilt Zwar wurde der Grossteil seiner Gesetze nicht sofort ruckgangig gemacht sie wurden aber nicht mehr in seinem Sinne vorangetrieben In den folgenden Jahren wurde die Parzellierung von ager publicus beendet die dafur eingesetzte Ackerkommission verlor ihre Zustandigkeit und wurde schliesslich 111 v Chr durch eine weitere lex agraria aufgelost Im Ubrigen enthielt der Plan des Tiberius einen gewichtigen Fehler der sich im Verlauf der Verwirklichung des Gesetzes offenbarte Tiberius hatte stets darauf gedrungen die Parzellen nur an romische Burger zu verteilen Dies schurte einen Konflikt zwischen Rom und seinen Bundesgenossen in Italien die im Krieg Seite an Seite mit den romischen Legionaren kampften Dass Gracchus sie nicht berucksichtigt sondern nur an die in der Volksversammlung stimmberechtigten Romer die seine Machtbasis gegenuber dem Senat bildeten gedacht hatte verdeutlicht wohl die Eigennutzigkeit und den innenpolitischen Fokus seines Handelns Tiberius jungerer Bruder Gaius Gracchus griff die Plane des Ermordeten im Jahr 123 v Chr wieder auf wurde aber 121 v Chr gewaltsam aus Rom vertrieben und liess sich in aussichtsloser Lage auf der Flucht durch einen Sklaven toten Zehn Jahre nach dem Tod seines Bruders waren die von den beiden errungenen Teilerfolge damit ganzlich zunichtegemacht stattdessen hatten mit den Gracchen Verfassungsbruch und Gewalt Einzug in Rom gehalten und ein unheilbarer Riss innerhalb der Nobilitat war entstanden Nachwirken und Bedeutung BearbeitenDas kurze politische Wirken des Tiberius Gracchus welches stets im Gesamtzusammenhang mit der Politik seines Bruders Gaius bewertet werden muss ist von enormer Bedeutung fur die weitere Entwicklung der romischen Republik fuhrte es doch wie Cicero bemerkte zur Spaltung der romischen Gesellschaft Die erstmals in diesem Zusammenhang auftauchenden Begriffe Optimaten und Popularen als Bezeichnung fur die Anhanger und Vertreter einer Politik der Senatsmehrheit bzw einer Politik durch Plebiszite der concilia plebis sollten in den nachsten Jahrzehnten das bestimmende Gegensatzpaar in der innerromischen Politik bilden Im Gedachtnis der romischen Bevolkerung kam den Gracchen dem charismatischen Tiberius mehr noch als seinem jungeren Bruder ein ehrendes Andenken zu Hierzu trug auch die nach dem Tod der Sohne vorbildliche Haltung und Lebensfuhrung der Cornelia bei welche alsbald als Musterbild einer Matrona verehrt wurde Auch gelang es zeitweise einem Hochstapler der sich als Sohn des Tiberius Gracchus ausgab den Ruf der Gracchen zu benutzen um politischen Einfluss bei der Plebs zu gewinnen und Unruhe zu schuren Volkstribun im Jahre 99 v Chr Die altere Altertumswissenschaft so etwa Theodor Mommsen hat das Jahr 133 v Chr in dem Tiberius Gracchus das Volkstribunat bekleidete als Epochenjahr bewertet und mit ihm den Beginn der Romischen Revolution datiert In der neueren Forschung so etwa Karl Christ 23 wird diese Auffassung wegen ihrer Begrifflichkeit Revolution und scheinbaren Ausserachtlassung der gesellschaftlichen und sozialen Vorbedingungen oft abgelehnt Die gescheiterten Reformen der Gracchen bilden aber unbestritten den ersten offenen Ausbruch der Krise so Karl Christ welche oft als Zeitalter der romischen Burgerkriege bezeichnet wird und die uber die Diktatur des Sulla die grossen ausserordentlichen Kommandos Imperien des Pompeius des Caesar und des Crassus zum offenen Kampf und dem Ende der Republik und Ubergang ins Prinzipat des Augustus fuhrte Quellen BearbeitenPlutarch Grosse Griechen und Romer Band 6 Tiberius Gracchus S 237 259 Appian Bellum Civile I 7 17 in Appian von Alexandria Romische Geschichte zweiter Teil Die Burgerkriege Bibliothek der griechischen Literatur Bd 27 Ubers von Otto Veh Stuttgart 1989 S 17 24 Literatur BearbeitenFriedrich Munzer Sempronius 54 In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band II A 2 Stuttgart 1923 Sp 1409 1426 Hans von Rimscha Die Gracchen Charakterbild einer Revolution und ihrer Gestalten Winkler Munchen 1947 Jochen Bleicken Uberlegungen zum Volkstribunat 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Gracchen bis Sulla Die romische Republik am Scheideweg 133 78 v Chr Pustet Regensburg 2006 ISBN 3 7917 2003 1 Claude Nicolet Hrsg Les Gracques ou Crise agraire et revolution a Rome Collection Archives Band 33 Gallimard Juillard Paris 1990 ISBN 2 07 022917 3 Raimund Ottow Die Gracchen und ihre Rezeption im politischen Denken der fruhen Neuzeit In Der Staat Band 42 2003 S 557 581 Karen Piepenbrink Gracchen In Peter von Mollendorff Annette Simonis Linda Simonis Hrsg Historische Gestalten der Antike Rezeption in Literatur Kunst und Musik Der Neue Pauly Supplemente Band 8 Metzler Stuttgart Weimar 2013 ISBN 978 3 476 02468 8 Sp 459 468 Hermann Rieger Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur Habelt Bonn 1991 ISBN 3 7749 2510 0 zugleich Dissertation Universitat Munster 1990 David Stockton The Gracchi Clarendon Press Oxford 1979 ISBN 0 19 872105 6 auch Nachdrucke Fritz Taeger Untersuchungen zur romischen Geschichte und Quellenkunde Tiberius Gracchus Kohlhammer Stuttgart 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Sempronius Gracchus amp oldid 242347303