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Als Preistheorie wird in der Volkswirtschaftslehre eine Vielzahl von Theorien bezeichnet die sich mit der Preisbildung fur Guter und Dienstleistungen auf Markten befassen Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte 3 Klassische Preistheorien 4 Neoklassische Preistheorien 5 Die Preistheorie von Sraffa 6 Betriebswirtschaftslehre 7 Wirtschaftliche Aspekte 8 Literatur 9 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenErkenntnisobjekt sind die Preise sowie deren Bestimmungsgrossen und Abhangigkeiten 1 Preistheorien gehoren zu den wichtigsten Theorien nicht nur in der Volkswirtschaftslehre sondern auch in der Betriebswirtschaftslehre wo sie Losungen fur die Probleme der Preispolitik von Unternehmen zur Verfugung stellen 2 Denn ein Anbieter kann meist schwer voraussagen wie seine Konkurrenten oder die Nachfrager auf eine vorgesehene Preisanderung reagieren werden Geschichte BearbeitenMit dem Warenpreis haben sich bereits Autoren im Mittelalter befasst Im Zentrum der Untersuchung stand lange Zeit der gerechte Preis der heute zur Wirtschaftsethik gehort Albertus Magnus betonte in seiner Kritik zu Aristoteles dass zur Preisgerechtigkeit die Berucksichtigung der aufgewendeten Arbeit und des eingesetzten Materials gehore 3 Auch Thomas von Aquin stutzte sich auf Aristoteles Aquin bestimmt jeden Wert einer Ware als Marktpreis Der Wert der Dinge aber die zum Nutzen des Menschen in Umlauf kommen wird nach dem bezahlten Preis bemessen 4 Er schrankte allerdings ein Teurer verkaufen oder billiger einkaufen als eine Sache wert ist ist also an sich ungerecht und unerlaubt 5 Insbesondere sei die Ausnutzung einer Notlage untersagt weil der uberhohte Preis nicht auf eine Leistung des Verkaufers zuruckzufuhren sei Andererseits hielt Thomas von Aquin im Gegensatz zu Aristoteles der dies als Chrematistik ablehnte massvolle Gewinne aus dem Handel fur zulassig So darf der Preis auch eine Vergutung fur den entgangenen Nutzen des Verkaufers beinhalten Wahrend bei Aristoteles und Thomas von Aquin noch wichtig war dass der Preis nicht zu einer Veranderung der gesellschaftlichen Ordnung fuhren solle findet sich bei Thomas Cajetan die Auffassung dass ein Preis auch dann gerechtfertigt ist wenn er mehr ausmacht als dem Verkaufer zur Wahrung seiner Bedurfnisse notig ist weil dadurch ein Aufstieg in einen hoheren Stand moglich wird 6 Auch Gabriel Biel sah den Handel positiv Fur ihn war 1514 der gerechte Preis bestimmt vom Bedarf an einem Gut von dessen Knappheit und vom Aufwand zu seiner Produktion Dabei sprach er dem Kaufmann auch einen Lohn als Aufschlag zu Wenn der Gesetzgeber das alles klug uberlegt vermag er den gerechten Preis der Waren abzuschatzen und festzulegen 7 Eine starkere Betonung des Marktes und eine weitgehende Ablehnung staatlich beeinflusster Preise findet sich in der spanischen Scholastik so etwa bei Luis de Molina der in diesem Zusammenhang von einem gerechten Preis sprach 8 Vom gerechten Preis der Scholastiker ist der naturliche Preis franzosisch prix naturel der Physiokraten Francois Quesnay und Anne Robert Jacques Turgot einerseits und von Adam Smith David Ricardo und Karl Marx andererseits zu unterscheiden Die auf Adam Smith zuruckzufuhrende klassische Preistheorie beruht unter anderem auf dem 1705 von John Locke aufgestellten klassischen Wertparadoxon wonach haufig bei Gutern ein Unterschied besteht zwischen Nutzen und Nutzwert einerseits und Tauschwert und Preis andererseits 9 Adam Smith stellte im Marz 1776 in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen 10 verschiedene Entwicklungsstufen seiner Preistheorie vor Sein Buch geht von der Theorie des absoluten Werts aus um sich danach mit dem Tauschwert zu befassen 11 Nachster Schritt ist die Produktions und Kostentheorie der schliesslich die wert freie Preistheorie folgt 12 Insbesondere stellte Smith die Theorie des Gleichgewichtspreises in den Mittelpunkt 13 Er ging davon aus dass mit Hilfe von Arbeitsteilung und Spezialisierung und der Neigung des Menschen zu Handel und Tausch sich Produktivitat und Wohlstand verbessern Er unterschied zwischen dem Marktpreis Gebrauchswert und dem naturlichen Preis Tauschwert wobei letzterer allein durch die Produktionskosten bestimmt werde Erich Gutenberg hat die Preistheorie 1984 an die Wirtschaftspraxis angenahert 14 Er befasste sich mit heterogenen Gutern auf unvollkommenen Markten in atomistischer Konkurrenz die er polypolistische Konkurrenz nennt Klassische Preistheorien BearbeitenDen klassischen Preistheorien liegt der vollkommene Markt zugrunde Nachfrager verfolgen auf ihm das Ziel der Nutzenmaximierung handeln rational verfugen uber vollkommene Markttransparenz und passen ihr Marktverhalten mit unendlich schneller Reaktionsgeschwindigkeit an veranderte Marktentwicklungen an 15 Zudem sind die gehandelten Guter und Dienstleistungen homogen Fur Adam Smith bestimmte sich die Hohe des Preises fur ein Gut durch Angebot und Nachfrage Preismechanismus und die Herstellungskosten fur dieses Gut Da Angebot und Nachfrage standig schwanken ist auch der Marktpreis diesen Volatilitaten unterworfen 16 Der naturliche Preis entspricht den Herstellungskosten schwankt nicht und wird langfristig nicht vom Marktpreis unter oder uberschritten Die klassischen Preistheorien haben unterschiedliche Preis Absatz Funktionen fur die verschiedenen Marktformen entwickelt Sie gehen von einem linearen Verlauf im Monopol von einem parallel zur Abszisse gehenden Verlauf bei vollstandiger Konkurrenz und von einem linearen Verlauf im Oligopol aus 17 Beim Oligopol hangt der genaue Verlauf auf vollkommenen Markten von dem Absatzvolumen der Konkurrenten auf unvollkommenen Markten von den Verkaufspreisen der Konkurrenten ab 18 Neoklassische Preistheorien BearbeitenDie klassische Preistheorie des Adam Smith wird von der Neoklassik nicht inhaltlich erganzt sondern lediglich mit Hilfe verfeinerter geometrischer Techniken und mathematischer Ausdrucksformen zur Erweiterung der Deduktionsmoglichkeiten aus den der klassischen Preistheorie zu Grunde liegenden Annahmen exakter formuliert 19 Empirische Forschungen zeigen dass sich Nachfrager oftmals nicht nach der klassischen Preistheorie verhalten und sich fur ein Preismodell entscheiden das nicht zur Maximierung der Konsumentenrente fuhrt 20 Die neoklassische Preistheorie ruckte das Marktgleichgewicht und dessen Auswirkungen in den Mittelpunkt Deren Hauptvertreter waren William Stanley Jevons Leon Walras und Alfred Marshall Jevons formulierte 1866 das Gesetz von der Unterschiedslosigkeit der Preise wonach auf demselben offenen Markte zu irgend einem Zeitpunkt nicht zwei Preise fur die gleiche Art von einem Gegenstand vorhanden sein konnen 21 In der Marktstruktur der homogenen Konkurrenz des Polypols mit rationalem Verhalten der Marktteilnehmer gilt zu jedem Zeitpunkt ein einheitlicher Marktpreis Walras untersuchte 1874 die Abhangigkeit der nachgefragten Menge eines Gutes von den Preisen aller anderen Guter siehe Kreuzpreiselastizitat 22 Fur Marshall wurde 1890 das Marktgleichgewicht in der Partialanalyse bei einem Preis erreicht bei dem die subjektive Nachfrageseite und die objektive Angebotsseite ubereinstimmen also am Schnittpunkt der Angebots und Nachfragekurve 23 Die Preistheorie von Sraffa BearbeitenWahrend die neoklassische Preistheorie auf psychologischen Faktoren aufbaut geht die Preistheorie von Piero Sraffa aus von den objektiven Bedingungen der Produktion 24 Sraffa betrachtet eine geschlossene Volkswirtschaft in der n gt 1 verschiedene Waren darunter auch die Produktionsmittel produziert werden Unter der Voraussetzung dass alle Arbeiter den gleichen Lohn beziehen und dass in allen Industrien die gleiche Profitrate erzielt wird zeigt er dass die Preise aller Waren und die Profitrate n Gleichungen mit n 1 Unbekannten genugen Das Gleichungssystem kann mit bekannten Methoden der linearen Algebra gelost werden 25 Wenn jede Industrie nur ein Produkt herstellt dann sind alle Preise positiv Bei Kuppelproduktion konnen jedoch negative Preise auftreten Produkte mit negativen Preisen sind schadliche Nebenprodukte deren Entsorgung Kosten verursacht Sraffas Theorie kann deshalb auch in der okologischen Okonomie angewendet werden 26 Betriebswirtschaftslehre BearbeitenDie volkswirtschaftlich gepragte mikrookonomische Preistheorie misst dem Markt die Preisfindungsfunktion zu verwendet jedoch sehr starke Pramissen des vollkommenen Marktes worunter ihre Anwendbarkeit nach Ansicht von Erich Gutenberg leidet 27 Kaum ein Fachgebiet ist wissenschaftlich so intensiv bearbeitet und gleichzeitig von der Praxis so gering geschatzt worden wie die mikrookonomisch fundierte betriebswirtschaftliche Preistheorie 28 Kritisiert wird dass es an der Anerkennung theoretischer Preismodelle in der Wirtschaftspraxis fehlt Gutenberg ging von Produktdifferenzierung aus und billigte den Nachfragern Praferenzen zu Folge hiervon ist dass Anbieter einen Preisspielraum besitzen innerhalb dessen sie Preise verandern konnen ohne dass Nachfrager abwandern wegen bestehender Praferenzen und oder mangelnder Markttransparenz Diesen Preisspielraum nannte Gutenberg den monopolistischen Bereich weil der Anbieter sich bei der Preisfestsetzung wie ein Monopolist verhalten kann 29 Das verhaltenswissenschaftlich orientiere Konzept des Behavioral pricing fand neue Wege Es orientiert sich am individuellen Kaufverhalten des Nachfragers 30 Es wird untersucht wie Verbraucher nach Preisinformationen suchen sie aufnehmen konsolidieren verarbeiten und bewerten 31 Wirtschaftliche Aspekte BearbeitenAus dem Marktformenschema lassen sich Aussagen fur die Preispolitik ableiten Die Preis Absatz Funktion der klassischen Preistheorie zeigt welches gesamte Absatzvolumen auf einem vollkommenen Markt zu alternativen Einzelpreisen verkauft werden kann 32 Danach gibt es auf einem vollkommenen Markt einen einheitlichen Marktpreis so dass einzelne Anbieter keinen Preisspielraum besitzen Die hochste Wettbewerbsintensitat findet sich bei vollkommenem Wettbewerb wo eine Vielzahl kleiner Anbieter um die Nachfrager wirbt 33 Als Grundprinzip gilt Je hoher der Preis desto geringer ist die Nachfrage und umgekehrt Nur in Ausnahmefallen steigt die Nachfrage mit steigendem Preis Veblen Effekt Snobeffekt Mitlaufereffekt Preis als Qualitatsmassstab Literatur BearbeitenWilhelm Krelle Preistheorie J C B Mohr Paul Siebeck und Polygraphischer Verlag Tubingen und Zurich 1961 Niklas Luhmann Preise Kapitel 1 S 13 42 in Die Wirtschaft der Gesellschaft 1988 ISBN 3 518 28752 4Einzelnachweise Bearbeiten Clemens Baum Moglichkeiten und Grenzen der Entwicklung einer gesamtwirtschaftlichen Preistheorie 1974 S 15 Gunter Wohe Ulrich Doring Einfuhrung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 25 Auflage 2013 S 415 f ISBN 978 3 8006 4687 6 Christian Hecker Lohn und Preisgerechtigkeit 2008 S 44 ISBN 978 3 89518 677 6 Thomas von Aquin S Th II II q77 a1 re Thomas von Aquin S Th II II q77 a1 re Christian Hecker Lohn und Preisgerechtigkeit 2008 S 56 Gabriel Biel Super quattuor libros sententiarum 1514 IV libr Dist 15 qu 10 art 1 Christian Hecker Lohn und Preisgerechtigkeit 2008 S 57 John Law Money and trade considered 1705 S 4 Adam Smith Der Wohlstand der Nationen Band I 1776 1973 S 9 ff Adam Smith Der Wohlstand der Nationen Band I 1776 1973 S 47 mit dem Wertparadoxon Manfred Trapp Adam Smith Politische Philosophie und politische Okonomie 1987 S 251 f Wolfgang Seiler Verbraucherschutz auf elektronischen Markten 2006 S 52 f Erich Gutenberg Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre Band 2 Der Absatz 1984 S 233 ff ISBN 978 3 540 04082 8 Isabel Tobies Akzeptanz von Preismodellen im Systemgeschaft 2009 S 44 Armin Hegelheimer Wirtschaftslenkung und Preisintervention 1969 S 79 f Wolfgang J Koschnick Management Enzyklopadisches Lexikon 1996 S 432 Wolfgang J Koschnick Management Enzyklopadisches Lexikon 1996 S 503 Wolfgang Seiler Verbraucherschutz auf elektronischen Markten 2006 S 57 Isabel Tobies Akzeptanz von Preismodellen im Systemgeschaft 2009 S 46 William Stanley Jevons Brief Account of a General Mathematical Theory of Political Economy in Journal of the Statistical Society of London Band XXIX Juni 1866 S 1 ff Leon Walras Elements d economie politique pure 1874 S 1 ff Alfred Marshall Principles of Economics 1890 S 281 ff Piero Sraffa Production of Commodities by Means of Commodities deutsch Warenproduktion mittels Waren mit Nachworten von Bertram Schefold Frankfurt a M 1976 Cambridge University Press Cambridge 1960 Bertram Schefold Sraffa Warenproduktion mittels Waren Suhrkamp Frankfurt a M 1976 S 216 225 Anhang Einige Grundthesen des Buchs mathematisch formuliert Jean Francois Emmenegger et al Sraffa and Leontief revisited de Gruyter Berlin Boston 2020 S 323 345 Erich Gutenberg Ruckblick auf die Betriebswirtschaftslehre des Absatzes in Zeitschrift fur Betriebswirtschaft 55 1985 S 1206 ff Stefan Muller Marketing auf verhaltenswissenschaftlichen Abwegen in Hans H Bauer Hermann Diller Hrsg Wege des Marketing Festschrift zum 60 Geburtstag von Erwin Dichtl 1995 S 200 Erich Gutenberg Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre Band 2 Der Absatz 1979 S 245 Dieter Ahlert Peter Kenning Christian Brock Handelsmarketing 2018 S 267 Hooman Estelami Sarah Maxwell The Behavioral Aspects of Pricing in Journal of Business Research 56 2003 S 353 Gunter Wohe Ulrich Doring Einfuhrung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 25 Auflage 2013 S 419 Gunter Wohe Ulrich Doring Einfuhrung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 25 Auflage 2013 S 416Normdaten Sachbegriff GND 4115623 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Preistheorie amp oldid 233840257