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Ein physikalisches System materielles System oder konkretes System ist ein in der Raumzeit existierendes physikalisches Objekt oder eine Ansammlung solcher Objekte das sich als Ganzes in wohl definierter Weise von seiner Umgebung abgrenzen lasst Typische Beispiele sind das Sonnensystem ein Atom ein Kristall oder ein Fluid Auch technische Systeme Beispiel Uhr oder biologische Systeme Beispiel Zelle sind gleichzeitig physikalische Systeme In der Regel wird auch das Universum als physikalisches System aufgefasst obwohl es keine Umgebung besitzt Blosse Konzepte wie z B ein kanonisches Ensemble zahlen hingegen nicht zu den physikalischen Systemen Jedes physikalische System ist vollstandig durch seine Zusammensetzung seine Umgebung seine Struktur und die systemintern wirksamen Mechanismen bestimmt Die Eigenschaften physikalischer Systeme konnen naherungsweise durch idealisierte physikalische oder mathematische Modelle beschrieben werden Mit der Steuerung und Regelung physikalischer Systeme befasst sich die Regelungstechnik Die systematische Ausarbeitung von allgemeinen Konzepten physikalischer Systeme ist Gegenstand der Philosophie der Physik und der Ontologie In Naturwissenschaft und Technik ist der Begriff allgegenwartig wobei er hier oft entweder als undefinierter Grundbegriff verwendet wird oder sich nur auf eine disziplin spezifische Untermenge physikalischer Systeme bezieht Beispielsweise befasst sich die Thermodynamik mit thermodynamischen Systemen Die im vorliegenden Artikel verwendete allgemeine Darstellung auf Basis des ZUSM Modells ZUSM Zusammensetzung Umgebung Struktur Mechanismus 1 orientiert sich an dem Systemkonzept des Physikers und Philosophen Mario Bunge daneben werden auch verwandte Systemkonzepte anderer Autoren berucksichtigt Inhaltsverzeichnis 1 Zusammensetzung 2 Umgebung und Systemgrenze 2 1 Offene geschlossene und abgeschlossene Systeme 3 Struktur 4 Mechanismen 5 Eigenschaften zusammengesetzter Systeme 6 Literatur 7 EinzelnachweiseZusammensetzung BearbeitenDie Zusammensetzung eines Systems ist die Menge aller seiner Bestandteile Bei offenen Systemen siehe unten kann sich die Zusammensetzung mit der Zeit andern Systeme die nicht aus anderen Objekten zusammengesetzt sind werden als einfache Systeme bezeichnet Beispiele fur einfache Systeme sind Elektronen Quarks oder andere Elementarteilchen Die meisten physikalischen Systeme sind aus anderen Objekten zusammengesetzt man spricht dann auch von komplexen Systemen oder Ganzheiten Jedes physikalische System ist ein Subsystem eines grosseren physikalischen Systems Eine Ausnahme ist das Universum welches kein Subsystem eines grosseren Systems ist Fur die Bestimmung der Zusammensetzung werden in der Literatur einige Kriterien vorgeschlagen Bunge unterscheidet in Abhangigkeit von der Starke der systeminternen Bindungen zwischen zwei Klassen der Zusammensetzung der Aggregation und der Kombination Die Aggregation ist eine lockere Zusammenlagerung physikalischer Objekte wie z B die Aneinanderlagerung von Sandkornern in einem Sandhaufen Die Kombination resultiert hingegen aus starkeren Bindungen zwischen den Bestandteilen des Systems Solche auch als kohasive Systeme bezeichneten Ganzheiten zeichnen sich oft durch eine mehr oder weniger stark ausgepragte Bestandigkeit aus In Bunges Theorie physikalischer Systeme sind nur die letztgenannten kohasiven Systeme physikalische Systeme Objekte die keine oder nur schwache Bindungen mit den Systemkomponenten haben zahlen nicht zum System sondern zur Umgebung siehe auch nachster Abschnitt Andere Autoren definieren die Zusammensetzung nicht uber Bindungen sondern geometrisch als Inhalt eines je nach konkreter Fragestellung beliebig wahlbaren Raumvolumens In der Regelungstechnik wird die Systemzusammensetzung oft nach funktionalen Zusammenhangen als die Menge an Objekten definiert die zusammen einen bestimmten technischen Zweck erfullen Umgebung und Systemgrenze BearbeitenJedes physikalische System mit Ausnahme des Universums existiert in einer Systemumgebung von der es durch seine Systemgrenze getrennt ist Die Umgebung ist damit als die Menge aller physikalischen Objekte ausserhalb des Systems definiert Bei der Beschreibung eines Systems wird in der Regel nicht die gesamte Umgebung einbezogen Es werden nur die Objekte der Umgebung also des nicht zum System gehorenden Rests des Universums berucksichtigt die einen relevanten Einfluss auf das System haben Die Systemgrenze ist in Bunges Ontologie als die Menge der Systemkomponenten definiert die direkt mit Objekten aus der Umgebung verknupft sind Typische Beispiele sind die Zellwand einer Zelle die Oberflache eines Wassertropfens die Grenzschicht eines Fluids oder die Innenwand eines Rohrs Bei einer alternativen geometrischen Systemdefinition ist die Systemgrenze hingegen die Oberflache des Raumvolumens welches der Systemdefinition zugrunde gelegt ist In diesem Fall muss die Systemgrenze nicht zwangslaufig mit der Position materieller Objekte zusammenfallen Ein physikalisches System und seine Umgebung mussen nicht raumlich voneinander getrennt sein sondern konnen sich auch vermischen Ein Beispiel sind die Elektronen und die Ionen die in einem Plasma als getrennte Systeme mit jeweils eigener Temperatur betrachtet werden konnen Ein anderes Beispiel ist ein chemischer Stoff der mit anderen Stoffen gemischt ist und chemisch mit ihnen reagiert Des Weiteren kann eine bestimmte Wechselwirkung zwischen zwei Korpern wahlweise zum System der Korper gezahlt werden oder zur Umgebung Fur ein Beispiel siehe die Behandlung der Schwerkraft wenn man die Hubarbeit im Schwerefeld analysiert Offene geschlossene und abgeschlossene Systeme Bearbeiten Physikalische Systeme sind aufgrund unvermeidbarer physikalischer Wechselwirkungen wie z B der Gravitation oder Warmestrahlung nie vollig von ihrer Umgebung isoliert Auch durch den Transport von Materie oder Warme kann sich die Zusammensetzung oder der Zustand eines physikalischen Systems andern Der Massen oder Energietransport kann durch naturliche oder kunstliche Barrieren ganz oder teilweise unterbunden sein Je nach Typ der Isolierung wird unterschieden zwischen offenen Systemen geschlossenen Systemen und abgeschlossenen Systemen Offene Systeme konnen Materie und Energie mit ihrer Umgebung austauschen Bei geschlossenen Systemen ist kein Materie wohl aber ein Energieaustausch mit der Umgebung moglich Unter einem abgeschlossenen System versteht man ein System das mit seiner Umgebung weder Materie noch Energie austauscht Das Universum hat keine Systemgrenze und keine Umgebung es ist daher weder ein offenes noch ein geschlossenes System In der Thermodynamik und statistischen Physik werden offene geschlossene und abgeschlossene Systeme durch grosskanonische kanonische und mikrokanonische Ensembles beschrieben Ensembles sind Mengen physikalisch moglicher Systeme sie sind daher keine realen physikalischen Systeme sondern abstrakte Konzepte Struktur BearbeitenDie Gesamtheit aller Relationen eines Systems untereinander und mit den Komponenten der Umgebung bildet dessen Struktur Die Relationen zwischen den Teilen eines Systems werden als interne Struktur oder Endostruktur bezeichnet Die Relationen zwischen den Systemkomponenten und Objekten aus der Umgebung bilden die externe Struktur oder Exostruktur Bunge unterscheidet weiter zwischen bindenden Relationen Verknupfungen und nicht bindenden Relationen Eine bindende Relation zwischen zwei Objekten x und y liegt vor wenn sich der Zustand von y andert wenn die Beziehung zu x besteht Andernfalls ist die Relation nicht bindend Typische Beispiele fur Verknupfungen sind die Grundkrafte der Physik Nicht bindende Relationen sind beispielsweise raumliche oder zeitliche Relationen So hat z B die blosse Tatsache dass zwei Objekte einen Abstand von einem Meter haben keine Auswirkung auf die beiden Objekte Mechanismen BearbeitenDie in den drei letzten Abschnitten erlauterten Konzepte Zusammensetzung Umgebung und Struktur beschreiben nur Momentaufnahmen von Systemen Der Zustand realer materieller Systeme kann zwar unter Umstanden fur gewisse Zeitspannen naherungsweise stationar sein fruher oder spater kommt es jedoch stets zu Anderungen Neben ihrer Entstehung und Vernichtung weisen materielle Systeme in der Regel auch weitere charakteristische dynamische Prozesse auf Typische Beispiele sind die Funktion einer Uhr oder die Photosynthese der Chloroplasten Die charakteristischen Prozesse eines Systems werden als deren Mechanismen oder Funktionen bezeichnet Die Mechanismen eines Systems konnen aber mussen nicht kausaler Natur sein Bunge unterscheidet zwischen Zustandsanderungen durch Eigenbewegung Beispiel Inertialbewegung durch kausale Prozesse Beispiel Stoss zweier Billardkugeln oder durch zufallige Ereignisse Beispiel radioaktiver Zerfall eines Atomkerns Eigenschaften zusammengesetzter Systeme BearbeitenDie Thermodynamik unterscheidet bei der Zusammensetzung zwischen intensiven und extensiven Grossen Erstere andern sich nicht mit der Stoffmenge letztere sind proportional zur Stoffmenge Sehr oft weisen materielle Systeme aber auch qualitativ neue Eigenschaften auf die sich unter Umstanden radikal von den Eigenschaften ihrer Komponenten unterscheiden Gelegentlich wird dieses Auftreten qualitativ neuer Eigenschaften in zusammengesetzten Systemen auch als Emergenz bezeichnet Insbesondere in der Quantenmechanik gibt es zahlreiche Effekte die sich aus der Verschrankung der fur Quantensysteme spezifischen Form der Zusammensetzung ergeben Beispiele sind die Dekoharenz makroskopischer Quantensysteme 2 die Ausbildung elektronischer Zustande in Atomen Molekulen oder Festkorpern 3 sowie das Auftreten nichtlokaler Korrelationen in Experimenten zur Bellschen Ungleichung Literatur BearbeitenM Bunge Foundations of Physics Springer Tracts in Natural Philosophy Springer 1967 M Bunge Martin Mahner Uber die Natur der Dinge Hirzel 2004 Ibrahim A Halloun Modelling Theory in Science Education Springer 2006 Ernst Schmutzer Grundlagen der Theoretischen Physik Band 1 Wiley VCH 3 uberarbeitete Auflage 2005 Kap 5 2 google books Einzelnachweise Bearbeiten Das Akronym ZUSM ist die deutschsprachige Ubersetzung des haufiger verwendeten Akronyms CESM fur die englischen Begriffe composition environment structure und mechanism Die deutschsprachige Variante ZUSM wird z B verwendet in M Bunge M Mahner Uber die Natur der Dinge Hirzel 2004 M Schlosshauer Decoherence and the Classical to Quantum Transition Springer 2007 S 7 google books W Nolting Fundamentals of Many Body Physics Principles and Methods Springer 2009 Normdaten Sachbegriff GND 4174610 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Physikalisches System amp oldid 231277321