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Die pflanzliche Abwehr von Herbivoren Frassschutz basiert wie die pflanzliche Abwehr von Pathogenen auf zahlreichen Mechanismen die in vielen Fallen artspezifisch sind Ihr Verstandnis ist von wirtschaftlichem Interesse weil weltweit erhebliche Teile der Ernte durch Insektenfrass 13 und Pflanzenkrankheiten 12 vernichtet werden 1 Die Evolution selektiert Pflanzen wie alle Lebewesen nach ihrem Fortpflanzungserfolg der bei Pflanzen okologisch durch Symbiosen mit Pilzen Mykorrhiza und bestaubenden Insekten Bestaubung ebenso wie durch erfolgreiche Verteidigung gegen Pflanzenfresser Herbivoren und Pathogene erreicht werden kann Das Verhaltnis zwischen Pflanzen und ihren Herbivoren oder Pathogenen kann als eine Art Wettrusten verstanden werden Diese Koevolution fuhrt in den meisten Okosystemen zu einer Situation in der die Pflanzen und ihre Herbivoren uberleben konnen Blatt fressende Larven des Kartoffelkafers Inhaltsverzeichnis 1 Konstitutive Abwehr 1 1 Morphologische Aspekte 1 2 Sekundarmetabolite 2 Induzierte Abwehr 2 1 Jasmonsaure und induzierte Abwehrstoffe 2 2 Systemin und systemische Reaktion 2 3 Fluchtige organische Verbindungen 3 Pflanzliche Abwehrmechanismen eine Frage der richtigen Investition 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseKonstitutive Abwehr BearbeitenMorphologische Aspekte Bearbeiten nbsp Die Trichome der Brennnessel sind ein Beispiel fur die konstitutive Abwehr von Herbivoren Hauptartikel Brennhaar Die pflanzlichen Abwehrmechanismen sind wie tierische Immunreaktionen teils konstitutiv und teils induziert Die konstitutive Abwehr wirkt vorbeugend und ist bereits vor Interaktionen mit Herbivoren aktiv Sie wird morphologisch durch Bildung von Stacheln zum Beispiel bei Rosen und Brombeeren Dornen zum Beispiel bei Schlehe Wildbirne und Kakteen oder verharteten Trichomen zum Beispiel bei Kreuzblutlern realisiert Die Brennnessel bildet als Brennhaare spezialisierte Trichome deren Spitze bei Beruhrung abbricht der verbleibende Schaft wirkt wie eine Injektionskanule aus der irritierende Substanzen wie Histamin Acetylcholin und Ameisensaure freigesetzt werden Nach einer Verwundung nimmt die Dichte der Brennhaare auf allen sich neu entwickelnden Blattern zu 2 Dies ist bereits ein Beispiel fur die induzierte Abwehrreaktion Weitere mechanische Resistenzfaktoren sind verholzte oder verkieselte Zellwande die als eine physikalische Barriere gegen Blattfrass wirken konnen Sekundarmetabolite Bearbeiten Die chemische Basis fur die konstitutive Abwehr liefern zahlreiche Sekundarmetabolite die in Bezug auf Struktur Wirkungsweise und Vorkommen stark variieren 20 der Gefasspflanzen bilden Alkaloide von denen die meisten Abwehrsubstanzen darstellen Fast alle dieser Substanzen konnen auf Menschen toxisch wirken In geringeren Konzentrationen werden jedoch einige darunter Nicotin Kokain und Morphin pharmakologisch oder als Rauschmittel genutzt Die Wirkungsweisen sind gut erforscht Zum Beispiel hemmt Nicotin die synaptische Ubertragung in den Nerven aufgrund der chemischen Verwandtschaft mit dem Neurotransmitter Acetylcholin und erhoht unter anderem die Adrenalinsekretion Andere Alkaloide beeinflussen den Membrantransport die Proteinsynthese oder die Aktivitat von Enzymen Leguminosen bilden Isoflavone die aus einem aromatischen Ringsystem bestehen Die Isoflavone in Klee Arten konnen bei Schafen Unfruchtbarkeit bewirken indem sie aufgrund ihrer Strukturahnlichkeit zu Steroiden an die Ostrogen Rezeptoren binden Dadurch wird in diesem Fall die Population der Herbivoren langfristig verringert Andere Isoflavone wie Rotenoide sind insektizid Als Phytoalexine schutzen manche Isoflavone die Pflanzen vor Infektionen durch Pilze oder Bakterien Tannine sind im Pflanzenreich weit verbreitete phenolische Polymere die bevorzugt in unreifen Fruchten akkumulieren Ihre Toxizitat ist darauf zuruckzufuhren dass sie unspezifisch an Proteine binden und somit insbesondere Verdauungsenzyme inaktivieren Sie verursachen einen bitteren Geschmack und uben dadurch eine Abschreckungsfunktion aus Die geringe Dosis an Tanninen in Rotweinen konnte jedoch fur Blutgefasserweiterungen verantwortlich sein und somit Herzinfarkten oder Hirnschlagen entgegenwirken 3 nbsp Cyanogene Glucoside werden erst bei Blattfrass in Ketone und Blausaure umgesetzt Viele Pflanzen speichern Sekundarmetabolite aus denen bei Verwundung unmittelbar Gifte gebildet werden Hierzu gehoren cyanogene Glycoside die in den Vakuolen von Epidermoszellen gelagert werden Durch Blattfrass brechen die Vakuolen auf und die cyanogenen Glykoside werden in das Cytoplasma freigesetzt wo sie enzymatisch in Ketone und Blausaure Cyanwasserstoff umgesetzt werden Es handelt sich um Abwehrstoffe die haufig bei Grasern zum Beispiel Dhurrin in der Hirse Leguminosen und Rosen vorkommen Glucosinolate die vor allem in Kreuzblutengewachsen akkumulieren werden wie die cyanogenen Glykoside erst bei Beschadigung der Pflanze enzymatisch abgebaut In diesem Fall entstehen hochreaktive und daher toxische Isothiocyanate und Nitrile Steinklee Melilotus spec und Waldmeister Galium odoratum speichern in ihren Vakuolen o Cumarsaure Glucosid Bei Verwundung und somit Zerstorung der Zellkompartimente kommt diese Verbindung in Kontakt mit Glucosidasen aus der Zellwand Die Enzyme katalysieren die Umsetzung des Glucosids in o Cumarsaure die spontan zum toxischen Cumarin weiterreagiert 4 nbsp Strukturvergleich von Arginin und CanavaninNicht proteinogene Aminosauren wie Canavanin stellen eine weitere Gruppe von Abwehrstoffen dar Canavanin ahnelt in seiner Struktur der Aminosaure Arginin und kann deshalb statt dieser in die Proteine der Herbivoren eingebaut werden was zum todlichen Verlust zahlreicher Proteinfunktionen fuhren kann Pflanzen wie Canavalia ensiformis die Canavanin in grossen Mengen produzieren weisen eine tRNA auf die im Rahmen der Proteinsynthese nur Arginin und nicht Canavanin bindet wodurch keine Gefahr der Selbstvergiftung besteht Andere nicht proteinogene Aminosauren storen in Herbivoren die Synthese oder die Aufnahme von proteinogenen Aminosauren Induzierte Abwehr BearbeitenJasmonsaure und induzierte Abwehrstoffe Bearbeiten Die induzierten Abwehrmechanismen der Pflanzen setzen als direkte Reaktion auf eine Beschadigung durch Herbivoren ein Da sie nicht standig ausgepragt sind mussen im Vergleich zur konstitutiven Abwehr relativ wenig Energie und Nahrstoffe investiert werden In vielen Fallen reagiert Glutamin aus dem Speichel von angreifenden Insekten mit Fettsauren aus den zerstorten Plasmamembranen der Pflanzenzellen zu Fettsaureamiden Fettsaure Aminosaure Konjugate Diese Verbindungen sind Elicitoren die Abwehrreaktionen auslosen Typischerweise induzieren sie die Produktion des Pflanzenhormons Jasmonsaure aus Linolensaure Letztere ist Bestandteil von Membran Lipiden Die Synthese der Jasmonsaure beginnt in den Chloroplasten und wird in den Peroxisomen zu Ende gefuhrt Das Pflanzenhormon aktiviert seinerseits uber Transkriptionsfaktoren die Synthese verschiedener Abwehrsubstanzen Zu diesen gehoren artabhangig verschiedene Alkaloide Proteinase Inhibitoren darunter Inhibitoren der Verdauungsenzyme Trypsin und Chymotrypsin verdauungsstorende Lektine und Inhibitoren der Starke abbauenden alpha Amylase Untersuchungen an Macaranga tanarius haben gezeigt dass eine durch Jasmonsaure induzierte Steigerung der Blattnektar Produktion Fressfeinde und Parasiten der Herbivoren anlockt und somit weiterem Blattfrass entgegenwirkt 5 Dies gilt wahrscheinlich auch fur andere Blattnektar bildende Pflanzen wie Holunder Baumwolle Balsabaum Cashew Nuss oder Kirschbaume Systemin und systemische Reaktion Bearbeiten In der Tomate Solanum lycopersicum L und weiteren Vertretern der Nachtschattengewachse fuhrt Blattfrass zur Synthese von Proteinase Inhibitoren und weiteren Abwehrverbindungen in der gesamten Pflanze das heisst auch in unbeschadigten Organen Fur die systemische Abwehrreaktion in der Tomate wurde folgendes Modell entwickelt 6 nbsp Uberblick zur systemischen Reaktion in der Tomate Solanum lycopersicum L Die verwundeten Tomatenblatter synthetisieren Prosystemin ein Protein aus 200 Aminosauren Durch eine proteolytische Spaltung am C Ende wird aus Prosystemin das 18 Aminosaure grosse Systemin freigesetzt Systemin wird aus den verletzten Zellen in die Zellwande freigesetzt Im Phloemparenchym bindet es an einen Rezeptor in der Plasmamembran Der Rezeptor aktiviert uber eine Phosphorylierung eine ebenfalls in der Plasmamembran befindliche Phospholipase Die Phospholipase spaltet aus den Membranlipiden Linolensaure ab die schliesslich in Jasmonsaure umgewandelt wird Jasmonsaure wird durch das Phloem transportiert und erreicht auf diesem Weg samtliche Gewebe in denen sie die Gene zur Expression von Proteinase Inhibitoren aktiviert Der hier vorgestellte Systemin Signalweg existiert nur in Solanaceen Dennoch konnen systemische Reaktionen auch fur andere Pflanzen zum Beispiel bei Limabohne Getreide und Baumwollpflanzen Arten festgestellt werden Die dahinter stehenden Mechanismen sind noch unbekannt Fluchtige organische Verbindungen Bearbeiten Alle Pflanzen reagieren auf mechanische Beschadigung mit der Freisetzung von fluchtigen Aldehyden Alkoholen und Estern Diese fluchtigen organischen Verbindungen englisch VOC locken in vielen Fallen naturliche Feinde der attackierenden Insekten an Fluchtige organische Verbindungen die nach der Eiablage von Schmetterlingen freigesetzt werden wirken auf Weibchen der Schmetterlinge abschreckend so dass eine weitere Eiablage und Herbivorie verhindert werden Manche fluchtige organische Verbindungen bleiben an der Blattoberflache gebunden und wirken aufgrund ihres Geschmacks abschreckend auf blattfressende Insekten Pflanzen konnen ihre Herbivoren voneinander unterscheiden und auf diese unterschiedlich reagieren Zum Beispiel produziert die wilde Tabak Art Nicotiana attenuata gewohnlich verstarkt Nicotin nach Herbivoren Befall Im Fall von Raupen die eine Resistenz gegen Nicotin entwickelt haben setzt die Tabakpflanze jedoch fluchtige Terpene frei die auch zu den fluchtigen organischen Verbindungen gezahlt werden Diese Verbindungen locken wiederum Fressfeinde der Raupen an Die Herbivoren werden von der Pflanze durch die Art der Verwundung oder aufgrund spezifischer Substanzen im Speichel erkannt Bestimmte fluchtige organische Verbindungen konnen in benachbarten Pflanzen zur Induktion von Genen mit Abwehrfunktionen fuhren Pflanzliche Abwehrmechanismen eine Frage der richtigen Investition BearbeitenDie Produktion von Abwehrsubstanzen lohnt sich nur ab einer bestimmten Anzahl von Herbivoren oder Pathogenen weil sie Energie und Nahrstoffe erfordert Das heisst die Verteidigungsmassnahmen einer Pflanze konkurrieren mit anderen physiologischen Prozessen wie Wachstum und Reproduktionsraten Frucht und Samenbildung um die verfugbaren Ressourcen Dies spiegelt sich in der Erfahrung wider dass gezuchtete Nutzpflanzen gegenuber wild wachsenden Vorfahren zwar ertragreicher aber dafur krankheitsanfalliger sind Zudem haben Laborversuche gezeigt dass resistenzerhohende Mutationen in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana zu verringerter Samenproduktion fuhren Es muss noch erforscht werden inwiefern durch Dungungsmassnahmen ein durch erhohte Resistenzen bedingter Ernteruckgang vermieden werden kann 7 Siehe auch BearbeitenInsektizid Pflanzenschutz Forstschadling Waldschutz Forstschutz Liste giftiger PflanzenLiteratur BearbeitenBob B Buchanan Wilhelm Gruissem Russell L Jones Hrsg Biochemistry and molecular biology of plants American Society of Plant Physiologists Rockville MD 2000 ISBN 0 943088 37 2 Peter Schopfer Axel Brennecke d i Axel Brennicke Pflanzenphysiologie 6 Auflage Elsevier Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2006 ISBN 3 8274 1561 6 Lincoln Taiz Eduardo Zeiger Plant Physiology Sinauer Sunderland MA 2006 ISBN 0 87893 856 7 F Borchard A Berger M Bunzel Druke T Fartmann Diversity of plant animal interactions possibilities for a new plant defense indicator value In Ecological Indicators Band 11 Nr 5 2011 S 1311 1318 Weblinks BearbeitenHigh Noon im Beet In Die Zeit Nr 9 24 Februar 2005 BSA Online Image Collection Plant Defence Mechanisms Memento vom 7 September 2015 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten D Pimentel Diversification of biological control strategies in agriculture In Crop protection 10 4 August 1991 S 243 253 doi 10 1016 0261 2194 91 90001 8 Andreas Schaller Die Abwehr von Fressfeinden Selbstverteidigung im Pflanzenreich In Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zurich Band 147 Nr 4 2002 S 141 150 online PDF 373 kB Memento vom 14 Dezember 2013 im Internet Archive Roger Corder Julie A Douthwaite Delphine M Lees Noorafza Q Khan Ana Carolina Viseu dos Santos Elizabeth G Wood Martin J Carrier Health Endothelin 1 synthesis reduced by red wine In Nature Band 414 Nr 6866 Dezember 2001 S 863 864 doi 10 1038 414863a Philippe Matile Das toxische Kompartiment der Pflanzenzelle In Naturwissenschaften 71 1 1984 S 18 24 doi 10 1007 BF00365975 Martin Heil Thomas Koch Andrea Hilpert Brigitte Fiala Wilhelm Boland K Eduard Linsenmair Extrafloral nectar production of the ant associated plant Macaranga tanarius is an induced indirect defensive response elicited by jasmonic acid In Proceedings of the National Academy of Sciences PNAS Band 98 Nr 3 2001 S 1083 1088 doi 10 1073 pnas 98 3 1083 Lei Li Chuanyou Li Gyu In Lee Gregg A Howe Distinct roles for jasmonate synthesis and action in the systemic wound response of tomato In PNAS Band 99 Nr 9 30 April 2002 S 6416 6421 doi 10 1073 pnas 072072599 ODF PDF M Heil Fitness costs of induced resistance emerging experimental support for a slippery concept In Trends in Plant Science Band 7 Nr 2 2002 S 61 67 doi 10 1016 S1360 1385 01 02186 0 PDF Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pflanzliche Abwehr von Herbivoren amp oldid 231081596