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Philipp Nicodemus Frischlin 22 September 1547 in Erzingen heute Ortsteil von Balingen 29 November 1590 in Urach war ein spathumanistischer Philologe neulateinischer Dramatiker und geadelter Lyriker Philipp Nicodemus Frischlin nach einem zeitgenossischen Holzschnitt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Herkunft und Ausbildung 1 2 Professur in Tubingen 1 3 Exil Arrest und todlicher Absturz 2 Hinterbliebene 3 Rezeption 4 Werke 5 Textausgaben und Ubersetzungen 6 Literatur 7 Weblinks 8 BelegeLeben BearbeitenHerkunft und Ausbildung Bearbeiten nbsp Frischlins Haus in Tubingen neben der Stiftskirche Clinicumsgasse 18 nbsp Gedenktafel fur Frischlin an seinem ehemaligen Wohnhaus in TubingenNicodemus Frischlins Grossvater Johannes Frischlin war 1498 aus Diessenhofen nach Balingen gekommen und hatte hier Leutgarde die Tochter des Burgermeisters Konrad Metz geheiratet Deren Sohn Jakob Frischlin 1522 1566 wurde Pfarrer in Balingen und heiratete hier 1546 Agnes Ruoff Tochter eines ortsansassigen Buchsenmachers Nicodemus war ihr erstes von acht Kindern Er wuchs in Balingen auf war Schuler an der hiesigen und an der Lateinschule auf dem Tubinger Osterberg sowie an den Klosterschulen in Bebenhausen und Konigsbronn deren progressive Lehrkrafte er spater als wichtige Impulsgeber hervorhob 1 Anschliessend wurde er Stipendiat des Tubinger Stifts Nachdem sein Vater und vier Geschwister 1566 der Pest zum Opfer gefallen waren musste Nicodemus nebenbei seinen jungsten Bruder Jakob Frischlin 1557 1621 vaterlich betreuen Dieser erfuhr eine ahnliche Grundbildung wurde Schulmeister und versuchte zeitlebens Nicodemus als Autor von Prosa Lyrik und historischen Sammelwerken nachzueifern Literaturkritiker quittierten sein umfangreiches Werk allerdings als schlechten Abklatsch 2 Professur in Tubingen Bearbeiten In Tubingen studierte Nicodemus Frischlin ab 1563 Philologie Poesie und Theologie 1568 folgte er einem Ruf als ausserordentlicher Professor fur Poesie und Geschichte Noch im selben Jahr heiratete er die mit dem Reformator Johannes Brenz verwandte Margarethe Brenz aus Weil der Stadt was ihm den Zugang zu den einflussreichen Kreisen der wurttembergischen Ehrbarkeit ermoglichte Mit Margarethe sollte er 16 Kinder bekommen von denen langerfristig allerdings nur funf uberlebten nbsp Professor im Lehrstuhl bei der Vorlesung aus dem Jahr 1500 auf einem Holzschnitt aus dem Werk Kleines DistillierbuchWahrend seiner Professur machte Frischlin durch zahlreiche Veroffentlichungen auch ausser Landes von sich reden So stand er alsbald nicht nur in der Gunst von Herzog Ludwig sondern wurde 1576 vom jungen kunstsinnigen Kaiser Rudolf II als Dichter zum Poeta laureatus gekront und 1577 schliesslich zum Hofpfalzgrafen Comes Palatinus erhoben Wegen Meinungsverschiedenheiten und Rivalitaten insbesondere mit seinem fruheren Forderer und kunftigen Erzfeind Martin Crusius verlor das streitlustige Genie an seiner Fakultat jedoch zunehmend an Ruckhalt Die angestrebte ordentliche Professorenstelle wurde ihm ebenso verwehrt wie der Wechsel an eine Universitat im Ausland Wegen seiner 1578 vorgetragenen Eloge Oratio de vita rustica in der er dem reichlich geschmahten Landadel den edlen Landmann entgegenstellte schlug Frischlin heftige Kritik entgegen Nachdem er sie 1580 auch noch drucken liess kam er in ernsthafte Schwierigkeiten weil der organisierte Ritterstand Strafanzeige erstattete einzelne Ritter ihm gar nach dem Leben trachteten und der Herzog nun seine schutzende Hand zuruckzog 3 Zwischenzeitlich mit Veroffentlichungsverbot und Hausarrest belegt blieb Frischlin 1582 nur der illegitime Abgang ins Ausland 4 Exil Arrest und todlicher Absturz Bearbeiten Wahrend seiner Wanderjahre war er von 1582 bis 1584 Schulrektor in Laibach heute Slowenien Ab 1584 85 lebte er in Strassburg 1587 in Wittenberg 1588 als Leiter der Lateinschule in Braunschweig und 1589 kurzzeitig in Marburg wo Margarete das sechzehnte Kind eine Totgeburt zur Welt brachte Die zwischenzeitlich erhoffte Vergebung und Wiederanstellung an der Tubinger Universitat hatten Crusius und andere 1585 durch intrigante Unterstellungen zu verhindern gewusst Einem drohenden Prozess entzog sich Frischlin durch die Flucht nach Frankfurt 5 Nachdem er 1590 eine Streitschrift gegen den wurttembergischen Hof verfasst hatte schickte die Kanzlei einen Fahnder aus der ihn in Mainz dingfest machte Nach der vom Erzbischof bewilligten Auslieferung wurde er zuerst auf Burg Wirtemberg unter Hausarrest gestellt und schliesslich unter verscharften Bedingungen auf der Burg Hohenurach eingekerkert Doch obwohl sich sein Gesundheitszustand hier zunehmend verschlechterte und er sich vor Sorgen um seine Frau verzehrte verweigerte Frischlin den erwarteten Widerruf mit Gnadengesuch und plante stattdessen den Ausbruch Bei einem Fluchtversuch in der Nacht vom 28 auf den 29 November 1590 riss jedoch das aus Bettlaken gefertigte Seil Der Widerspenstige sturzte den Hang hinab und brach sich unter anderem das Genick 6 Am 4 Dezember wurde der erst 43 Jahre alte Delinquent auf Geheiss des Herzogs nicht wie andere Haftlinge anonym verscharrt sondern im Uracher Kirchhof bestattet Hinterbliebene BearbeitenSeine Gattin Margarete die bis zuletzt gegen alle Anfechtungen zu ihm gehalten hatte und in die Nahe der Uracher Burg umgezogen war wurde fortan von ihrem Schwager und ihrer Mutter in Tubingen versorgt Als die beiden 1591 auch gestorben waren wurde ihr das Burgerrecht entzogen Nach Wildberg verwiesen ging sie hier in ihrer Not eine Vernunftehe ein liess sich aber bald wieder scheiden und verstarb 1599 in Tubingen 7 Der Biograph David Friedrich Strauss schilderte sie als ein Frauenzimmer mit sehr lebhaftem Temperament das nicht nur in der Eifersucht mit Augenauskratzen drohen sondern auch in Geschafts und Vermogenssachen gegen ihre Verwandten sehr spitzig werden konnte 8 Der Brenz Biograph Adolf Rentschler monierte ihre sittliche Auffuhrung zumal im Witwenstand liesse zu wunschen ubrig 9 Auch wenn ihr Sohn Johann Jakob nach dem Tod des Vaters sein Studium in Strassburg abbrechen musste fanden ihre verbliebenen funf Kinder alle ein Auskommen Die Familien des Malers Johann Jakob und des Beamten Johann Friedrich fanden sich in Gruningen wieder wo zwischendurch auch ihr unsteter Onkel Jakob Station machte Nikodemus wurde Untervogt und geistlicher Verwalter in Liebenzell Katharina heiratete den Diakon Balthasar Moninger aus Appetshofen Anna Maria den Tubinger Schneider Georg Preiss der 1603 das ehemalige Haus der Frischlins zuruckkaufte 10 Rezeption Bearbeiten nbsp Nicodemus Frischlin posthum portratiert fur die Tubinger ProfessorengalerieCrusius schickte ihm folgenden Vers ins Grab nach Frischlinus lieget hier vom Falle bos verstaucht er war ein guter Kopf doch hat er ihn missbraucht Frischlin galt als begnadeter Poet als lebenslustiger trinkfreudiger und zugleich streitbarer Querdenker auch als eifriger Verfechter des Protestantismus und Kritiker der sozialen Verhaltnisse Verfechter des Protestantismus war allerdings eher seine selbstbewusste Gattin die ihm die angestrebte Anstellung im katholischen Freiburg ausredete und bei der Wahl ihrer Aufenthaltsorte im Exil konfessionsorientiert mitbestimmte Seine gesellschaftskritische Polemik war weniger politisch als personlich motiviert und seinen Streitigkeiten mit Vertretern der attackierten Kreise geschuldet Laut der Copernicus Biographie von Pierre Gassendi aus dem Jahr 1654 hatte Nicodemus Frischlin Kenntnis von dessen 1543 veroffentlichtem Hauptwerk De revolutionibus orbium coelestium und soll ein fruher Anhanger dieses revolutionaren Weltbildes gewesen sein 11 Durch die Ubersetzung einiger in Latein verfasster Werke trug sein Bruder Jakob zu Frischlins Popularitat bei In gehobenen Kreisen konnte er mit seiner Verteidigungsschrift gegen die nachhaltigen Verleumdungen von Crusius und der Familie Brenz allerdings wenig ausrichten Seine Heimatstadt Balingen widmete dem grossen schwabischen Querkopf zum 400 Todestag eine Ausstellung mit Vortragsprogramm und gab eine umfassende Biographie heraus 12 Werke BearbeitenHymnen und Epigramme des Kallimachos Ubersetzung 1571 De studiis linguarum et liberalium artium 1575 Digitalisat Rebecca biblisches Drama 1576 Digitalisat Oratio de vita rustica 1578 Digitalisat Priscianus vapulans 1578 Digitalisat Hildegardis Magna Drama 1579 Digitalisat Frau Wendelgard deutschsprachige Komodie 1579 Digitalisat Dido Tragodie 1581 Digitalisat Venus Tragodie 1584 Julius Caesar redivivus 1585 Graecanica proverbia selectiora cum symbolis veterum quorundam philosophorum regum et imperatorum 1588 Digitalisat der Bibliothek Mecklenburg Vorpommern Helvetiogermani Drama 1589 Dialogus logicus contra Ramum 1590 Digitalisat Poppysmus tertius Hrsg von Jakob Frischlin Tobias Jobin Frankfurt am Main 1596 gegen Crusius gerichtete Streitschrift 13 62 Facetiae 1603 Digitalisat Phasma 1598 Digitalisat Hebraeis continens duodecim libros 1599 Digitalisat Operum Poeticorum pars epica Digitalisat Operum poeticorum pars elegiaca continens viginti duos elegiacorum carminum libros Digitalisat Operum Poeticorum Paralipomena Continentur hoc Opere Poemata maiori ex parte typis ante non excusa Videlicet 5 Libri Carminum Heroicorum amp Octo Satyrae adversus Iac Rabum Apostatam Ex recensione Valentini Clessii Horologiographia Nomenclator trilinguis Graecolatinogermanicus continens omnium rerum quae in probatis omnium doctrinarum auctoribus inueniuntur appellationes Opus nova quadam methodo secundum categorias Aristotelis concinnatum Et tertio iam recognitum Francofurti ad Moenum Spies 1591 Digitalisat Sieben Buecher von der Fuerstlichen Wuertembergischen Hochzeit des durchleuchtigen Herrn Ludwigen Hertzogen zu Wuertemberg vnd Theck Digitalisat Textausgaben und Ubersetzungen BearbeitenNicodemus Frischlin Samtliche Werke Hrsg von Hans Gert Roloff u a 20 Text und 6 Kommentarbande Peter Lang Berlin 1992 ff spater Frommann Holzboog Stuttgart Bad Cannstatt Julius Redivivus In der Ubersetzung von Jacob Frischlin hrsg von Richard E Schade Reclams UB 7981 Reclam Stuttgart 1983 Nicola Kaminski Hrsg Nicodemus Frischlin Hildegardis Magna Dido Venus Helvetiogermani Band 1 Historisch kritische Edition der lateinischen Texte und deutsche Ubersetzung Peter Lang Bern 1995 ISBN 3 906755 28 2 Literatur BearbeitenUbersichtsdarstellungenGustav Bebermeyer Frischlin Nicodemus In Neue Deutsche Biographie NDB Band 5 Duncker amp Humblot Berlin 1961 ISBN 3 428 00186 9 S 620 f Digitalisat Wilhelm Kuhlmann Nicodemus Frischlin 1547 1590 Der unbequeme Dichter In Paul Gerhard Schmidt Hrsg Humanismus im deutschen Sudwesten Biographische Profile Thorbecke Sigmaringen 2000 ISBN 3 7995 4166 7 S 265 288 Gesamtdarstellungen und UntersuchungenSabine Holtz u a Hrsg Nicodemus Frischlin 1547 1590 poetische und prosaische Praxis unter den Bedingungen des konfessionellen Zeitalters Tubinger Vortrage Arbeiten und Editionen zur mittleren deutschen Literatur N F 1 Frommann Holzboog Stuttgart Bad Cannstatt 1999 ISBN 3 7728 1832 3 David Price The political dramaturgy of Nicodemus Frischlin Essays on humanist drama in Germany University of North Carolina Studies in the Germanic Languages and Literatures 111 University of North Carolina Press Chapel Hill u a 1990 ISBN 0 8078 8111 2 Hedwig Rockelein Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroffentlichungen des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 Josef A Kohl Nikodemus Frischlin Die Standesatire in seinem Werk Mainz 1967 DNB 482266996 Dissertation Universitat Mainz 1967 Reinhold Stahlecker Martin Crusius und Nicodemus Frischlin In Zeitschrift fur wurttembergische Landesgeschichte Band 7 1943 S 323 366 BibliographieThomas Wilhelmi Friedrich Seck Nikodemus Frischlin 1557 1590 Bibliographie Tubinger Bausteine zur Landesgeschichte Band 4 DRW Verlag Leinfelden Echterdingen 2004 ISBN 3 87181 704 X Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Nicodemus Frischlin Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Nicodemus Frischlin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Werke von und uber Nicodemus Frischlin in der Deutschen Digitalen Bibliothek POEMATA Werkverzeichnis Uni Mannheim CAMENA Kurzbiographie Uni Mannheim Allgemeine Encyclopadie der Wissenschaften und Kunste Bd 50 S 225 Artikel von Conz 1791 Frischlinus Nicod In Johann Heinrich Zedler Grosses vollstandiges Universal Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste Band 9 Leipzig 1735 Sp 2137 f Werke von Nicodemus Frischlin bei Zeno org Belege Bearbeiten Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroffentlichungen des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 29ff Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 62 Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 78ff Um das Land zu verlassen bedurfte es der Erlaubnis des Landesherrn Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 56 Vgl Gedicht zum unglucklichen Ende seines Fluchtversuchs Wikisource Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 61 David Friedrich Strauss Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nicodemus Frischlin Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte in der zweiten Halfte des sechszehnten Jahrhunderts Literarische Anstalt J Kutten Frankfurt am Main 1856 Adolf Rentschler Zur Familiengeschichte des Reformators Johannes Brenz Tubingen 1921 Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 61ff Bezweifelt von Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 7f Zitat von Oberburgermeister Eugen Fleischmann im Vorwort der Biographie von Hedwig Rockelein u Casimir Bumiller Ein unruhig Poet Nicodemus Frischlin 1547 1590 Veroff des Stadtarchivs Balingen Band 2 Balingen 1990 S 3 Hans Widmann Autorennote eines Gelehrten im 16 Jahrhundert In Borsenblatt fur den Deutschen Buchhandel Frankfurter Ausgabe Nr 89 5 November 1968 S 2929 2940 S 2930 Anm 11 Normdaten Person GND 118693719 lobid OGND AKS LCCN n85808581 VIAF 51787739 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Frischlin NicodemusALTERNATIVNAMEN Frischlin Philipp NicodemusKURZBESCHREIBUNG spathumanistischer Philologe neulateinischer Dramatiker und LyrikerGEBURTSDATUM 22 September 1547GEBURTSORT Erzingen bei BalingenSTERBEDATUM 29 November 1590STERBEORT Hohenurach Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nicodemus Frischlin amp oldid 237634882