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Merzdorf obersorbisch Luco war ein Dorf im heutigen Landkreis Gorlitz in Sachsen und Verwaltungssitz der gleichnamigen aus drei Dorfern bestehenden Gemeinde Bekanntheit erlangte das im sorbischen Siedlungsgebiet der Oberlausitz gelegene Dorf als Geburtsort des sorbischen Wissenschaftlers und Volksschriftstellers Jan Arnost Smoler Ein nach altem Vorbild an der ursprunglichen Ortslage aufgestelltes Ortsschild erinnert an Merzdorf Der um das Jahr 1400 urkundlich erstmals erwahnte Ort wurde von 1975 bis 1978 umgesiedelt und seine Ortsflur vom Juni 1979 bis Juli 1980 vom Tagebau Barwalde uberbaggert Das Gebiet der ursprunglichen Ortslage gehort heute zur Gemeinde Boxberg O L und ist inzwischen rekultiviert in etwa einem Kilometer Entfernung liegt das Nordwestufer des Barwalder Sees Inhaltsverzeichnis 1 Geographie 2 Geschichte 2 1 Ortsgeschichte 2 2 Bevolkerungsentwicklung 2 3 Ortsname 3 Erinnerung 4 Personlichkeiten 5 Quellen und weiterfuhrende Literatur 5 1 Literatur 5 2 Fussnoten 5 3 Verweise 5 4 WeblinksGeographie Bearbeiten nbsp Luftbild aus dem Jahr 1960Am rechten Ufer des ursprunglichen Spreelaufs gelegen war Merzdorf von einer weitlaufigen dunn besiedelten Heidelandschaft umgeben Rund 1 5 Kilometer sudwestlich lag Schopsdorf nach weiteren zwei Kilometern folgte Uhyst Flussabwarts betrug die Distanz nach Barwalde etwa zwei Kilometer Rund vier bis funf Kilometer von der ursprunglichen Ortslage ist Boxberg in nordostlicher und Kringelsdorf in ostlicher Richtung entfernt Etwa zehn Kilometer in sudostlicher Richtung liegen Klitten und Jahmen Merzdorf lag in Form eines Strassendorfes mit einer Gewannflur auf 127 m u NN vereinzelt wurden auf Binnendunen Hohen bis 140 Meter erreicht Am nordlichen Rand des Dorfes floss das aus Sudosten kommende Jahmener Fliess das etwas nordlich des Merzdorfer Gutes in die Spree mundete Geschichte BearbeitenOrtsgeschichte Bearbeiten Archaologische Grabungen vor der Uberbaggerung des Dorfes bargen einige Werkzeuge nacheiszeitlicher Jager und Sammler die der Alt und Mittelsteinzeit zuordenbar sind Die dauerhafte Wiederbesiedlung der Region um Hoyerswerda durch die Milzener und Lusitzer erfolgte wahrscheinlich vom Suden her ab dem 10 Jahrhundert Fur Merzdorf wird eine Besiedlung um 1200 angenommen die im 14 Jahrhundert durch deutsche Einwanderer aus Schwaben in der zweiten Phase der deutschen Ostsiedlung erweitert wurde Die urkundliche Ersterwahnung erfolgte um das Jahr 1400 die Ersterwahnung des deutschen Namens Merteinsdorf zusammen mit Schewbsdorf erfolgte 1418 im Lehnbuch Konig Wenzels IV nbsp Die Fachwerkkirche aus dem Jahr 1611 musste 1934 wegen Baufalligkeit abgerissen werden Um das Jahr 1500 hatte Merzdorf bereits eine Kirche die damals noch Filialkirche von Klitten war In ihr waren die beiden Nachbardorfer Barwalde und Schopsdorf eingepfarrt Das Kirchgebaude wurde 1611 als Fachwerkkirche neu errichtet Noch wahrend des Dreissigjahrigen Krieges wechselte die Herrschaft uber die Oberlausitz infolge des Prager Friedens 1635 endgultig vom Konigreich Bohmen zum Kurfurstentum Sachsen nachdem Sachsen sie bereits seit einigen Jahren ausubte Im Zuge des Wiener Kongresses gelangte Merzdorf 1815 an Preussen und wurde 1825 dem neu entstandenen Landkreis Hoyerswerda in der Provinz Niederschlesien zugeordnet Die fast durchgangig sorbische bauerliche Bevolkerung musste neben der Landwirtschaft zu dieser Zeit auf die Forstwirtschaft zuruckgreifen Der Landrat schrieb hierzu 1881 an die Regierung des Regierungsbezirks Liegnitz Die Gemeinden Barwalde Merzdorf und Schopsdorf gehoren mit zu den armsten Gemeinden des Kreises die Landereien daselbst bestehen grosstenteils aus sehr leichten Sandboden und gewahren nur ausserst geringen Ertrag nbsp Die neue Kirche konnte bereits 1935 geweiht werden Der letzte Gottesdienst fand 1977 statt 1979 wurde sie gesprengt Unter diesen Umstanden verkauften viele Bauern Anfang des 20 Jahrhunderts ihre Landereien an die Braunkohlegesellschaften die im Lausitzer Braunkohlerevier tatig waren Bis zum geplanten Grubenaufbruch war den Bauern die weitere Bewirtschaftung der Felder erlaubt Die alte Fachwerkkirche wurde 1934 abgerissen und durch einen massiven Kirchbau ersetzt der schon 1935 geweiht werden konnte Bereits 1925 baute die Evangelische Bibelgemeinschaft mit Sitz in Chemnitz eine Kapelle Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Braunkohlegesellschaften enteignet und ihre Landereien im Zuge der Bodenreform Junkerland in Bauernhand neu verteilt Durch die Verwaltungsreform von 1952 lag die Gemeinde am sudostlichen Rand des neugebildeten Kreises Hoyerswerda im Bezirk Cottbus die Kreise Weisswasser und Niesky lagen in unmittelbarer Nahe Am 1 Januar 1957 wurden Barwalde und Schopsdorf nach Merzdorf eingegliedert 1 Auf diese Weise sollten sozialistische Strukturen gefestigt und die Kollektivierung der Landwirtschaft vorangetrieben werden nbsp Das Merzdorfer Suhnekreuz an seinem neuen Standort in BarwaldeDie Planung des Ortsabbruchs wurde am 16 Dezember 1969 in einer Einwohnerversammlung offiziell bekannt gegeben Die Umsiedlung des Dorfes erfolgte in den Jahren 1975 und 1976 Das Suhnekreuz aus dem 14 15 Jahrhundert wurde 1977 kurz vor dem Ortsabbruch nach Barwalde gebracht und dort aufgestellt Am 24 April 1977 fand in der Kirche der letzte Gottesdienst statt die letzte Bibelstunde in der Bethlehem Kapelle wurde am 1 April 1978 abgehalten 2 Am 19 Mai 1978 fand die letzte Gemeinderatssitzung der Gemeinde Merzdorf in Barwalde statt Zuvor wurde am 1 Januar 1978 der vom Tagebau nicht betroffene Ortsteil Barwalde wieder eine selbstandige Gemeinde Im selben Jahr begann der Ortsabbruch Merzdorfs dessen Flur wurde in die Gemeinde Barwalde eingegliedert Dort errichtete die Evangelische Bibelgemeinschaft auch eine neue Kapelle Schopsdorf wurde bis 1981 umgesiedelt und anschliessend uberbaggert die Flur wurde der sudlichen Nachbargemeinde Uhyst angeschlossen Bevolkerungsentwicklung Bearbeiten Jahr Einwohner1825 3 1521840 4 1751871 2281885 2191905 2121925 2401939 2021946 2341950 2831964 4971971 5 476kursiv Gemeinde mit OrtsteilenBei der Erhebung des sachsischen Landesrezesses wurden 1777 in Merzdorf 10 besessene Mann 3 Gartner und 14 Hausler gezahlt Die erste Volkszahlung bei der jeder einzelne Einwohner gleichwertig gezahlt wurde erbrachte 1825 eine Ortsbevolkerung von 152 Einwohnern Bis zur Reichsgrundung im Jahr 1871 stieg die Einwohnerzahl auf 228 fiel danach bis zum Anfang des 20 Jahrhunderts leicht ab Arnost Muka zahlte um 1880 unter den 226 Einwohnern nur 9 Deutsche die Sorben stellten mit 96 die Bevolkerungsmehrheit Die relativ hohe Zahl von 240 Einwohnern zur Zeit der Weimarer Republik konnte bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht gehalten werden Nach dem Krieg stieg die Einwohnerzahl durch Fluchtlinge und Vertriebene aus dem Osten wieder auf Vorkriegsniveau an und erreichte 1950 einen Stand von 283 Einwohnern Gleichzeitig sank der sorbischsprachige Bevolkerungsanteil bis 1956 laut Ernst Tschernik auf nur noch 53 6 Durch den Zusammenschluss von Barwalde Merzdorf und Schopsdorf hatte die Gemeinde rund 500 Einwohner War die Einwohnerzahl 1964 noch uber der Summe der Einwohnerzahlen der drei Orte von 1950 so zeichnete sich 1971 eine rucklaufige Tendenz ab Offiziell wurden im Zuge des Merzdorfer Ortsabbruchs 182 Personen in 72 Haushalten umgesiedelt Der Grossteil davon zog nach Hoyerswerda und Weisswasser der Rest nach Barwalde oder baute in anderen landlichen Gemeinden zumeist im Raum Uhyst Boxberg neue Eigenheime Ortsname Bearbeiten Der deutsche Ortsname ist 1418 als Merteinsdorf 1429 als Mertensdorff 1473 mit ss und bereits 1536 als Merzdorff belegt Neben der heute gangigen Schreibweise Merzdorf 1597 1768 ist im Jahr 1658 noch Mertzdorff nachweisbar Wahrscheinlich geht der Name auf einen Marten Merten oder Martin zuruck der vermutlich als Lokator eine Gruppe deutscher Siedler anfuhrte 7 Der sorbische Ortsname wird um 1400 in Form eines Personennamens als Lucze in einem Steuerverzeichnis des Bautzener Ratsarchivs erwahnt spatere Formen sind Wuczo 1767 in Christian Knauthes Derer Oberlausitzer Sorbenwenden umstandliche Kirchengeschichte Wuczo 1800 und Luco 1843 Ernst Eichler gibt 1975 als mundartliche Aussprache wuc an 7 was eine Erklarung dafur liefern konnte dass der sorbische Name auf dem Ortsschild am Ortseingang aus Richtung Schopsdorf nur mit Luc angegeben wurde 8 Der Name geht wahrscheinlich auf das sorbische Wort lut fur Linde Lindenbast zuruck Erinnerung Bearbeiten nbsp Gedenkstein an der Stelle der Kirche nbsp Informationstafel an der Gedenkstatte fur Merzdorf und Schopsdorf am Barwalder SeeAn der Stelle der fruheren Ortslage erinnert heute ein Gedenkstein an das Dorf Eine weitere Gedenkstatte fur Merzdorf und Schopsdorf liegt etwas sudlich davon am Nordufer des Barwalder Sees In Barwalde tragt die ursprungliche Merzdorfer Strasse noch immer diesen Namen in der Hoyerswerdaer Neustadt wurden im Wohnkomplex 8 einige Strassen nach Dorfern benannt die von Tagebauen im fruheren Kreisgebiet devastiert wurden Der Charakter der dortigen Merzdorfer Strasse hat sich seit um 2000 ein starker Wohnungsruckbau einsetzte von einer Wohn zu einer Durchgangsstrasse geandert Personlichkeiten BearbeitenDer lutherische Theologe und Kirchenlieddichter Johann Mentzer 1658 1734 wurde im benachbarten Jahmen geboren und trat 1691 seine erste Pfarrstelle in Merzdorf an Der evangelische Theologe und spatere Gorlitzer Pastor primarius Johann Gottfried Mosig 1726 1805 war seit 1749 Pfarrer von Merzdorf Der sorbische Philologe Schriftsteller und Verleger Jan Arnost Smoler dt Johann Ernst Schmaler 1816 1884 wurde als Sohn eines Kantors in Merzdorf geboren Quellen und weiterfuhrende Literatur BearbeitenLiteratur Bearbeiten Gunter Meusel et al Merzdorf Aus der Geschichte eines kleinen Heidedorfes Bautzen 1979 Frank Forster Verschwundene Dorfer Die Ortsabbruche des Lausitzer Braunkohlenreviers bis 1993 Schriftenreihe des Instituts fur sorbische Volksforschung in Bautzen Band 8 Domowina Verlag Bautzen 1995 ISBN 3 7420 1623 7 S 127 133 Joachim Muhle Hrsg Von der Muskauer Heide zum Rotstein Heimatbuch des Niederschlesischen Oberlausitzkreises Lusatia Verlag Bautzen 2006 ISBN 978 3 929091 96 0 S 272 Text von Lothar Simon Fussnoten Bearbeiten Statistisches Bundesamt Hrsg Gemeinden 1994 und ihre Veranderungen seit 01 01 1948 in den neuen Landern Metzler Poeschel Stuttgart 1995 ISBN 3 8246 0321 7 S 279 Evangelische Kirchgemeinde Horno Hrsg Verlorene Heimat Der Bergbau und seine Auswirkungen auf Kirchen und Kirchgemeinden der Ober und Niederlausitz 2007 ISBN 3 935826 88 5 S 58 65 Merzdorf im Historischen Ortsverzeichnis von Sachsen Frank Forster Verschwundene Dorfer Seite 130 Von der Muskauer Heide zum Rotstein Seite 272 Ludwig Elle Sprachenpolitik in der Lausitz Domowina Verlag Bautzen 1995 S 249 a b Ernst Eichler Hans Walther Ortsnamenbuch der Oberlausitz Studien zur Toponymie der Kreise Bautzen Bischofswerda Gorlitz Hoyerswerda Kamenz Lobau Niesky Senftenberg Weisswasser und Zittau Deutsch slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte Band 28 Band I Namenbuch Akademie Verlag Berlin 1975 S 134 f Abbildung bei Gunter Meusel et al Merzdorf Seite 102 Verweise Bearbeiten Einen Uberblick uber weitere Orte die im Lausitzer Revier teilweise oder ganzlich abgebrochen wurden gibt die Liste der abgebrochenen Orte im Lausitzer Kohlerevier Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Merzdorf Luco Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ortschaften in der Gemeinde Boxberg O L Ortsteile Barwalde Bjerwald Boxberg Hamor Drehna Tranje Durrbach Dyrbach mit Thomaswalde Jahmen Jamno Kaschel Kosla Klein Oelsa Wolesnica Klein Radisch Radsowk Klitten Kletno Kringelsdorf Krynhelecy Monau Manjow Nochten Wochozy Rauden Rudej Reichwalde Rychwald Sprey Sprjowje Tauer Turjo Uhyst Delni Wujezd Zimpel Cympl Aufgegangene Ortschaften Eselsberg Woslica hora Wilhelmsfeld Wylemocy Ehemalige Ortschaften Jasua Jazowa Merzdorf Luco Schopsdorf Sepsecy 51 394444444444 14 5375 Koordinaten 51 24 N 14 32 O Normdaten Geografikum GND 4100857 1 lobid OGND AKS VIAF 237273524 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Merzdorf Oberlausitz amp oldid 210414978