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Das Lotharkreuz ist ein ottonisches Vortragekreuz im Aachener Domschatz Gemass der jungeren Forschung wurde es im letzten Viertel des 10 Jahrhunderts um 985 im Rheinland 1 vermutlich in Koln gefertigt und moglicherweise von Otto III gestiftet Bis heute wird es an hohen Festtagen in der Liturgie verwendet Seinen Namen tragt das Kreuz nach dem in der Umschrift eines eingearbeiteten Siegelsteins genannten Konig Lothar KaiserseiteChristusseite Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Entstehung 2 1 Provenienz 2 2 Auftraggeber 3 Veranderungen 4 Bedeutung 5 Literatur 6 Anmerkungen 7 WeblinksBeschreibung BearbeitenDas Lotharkreuz Hohe 50 cm Breite 38 5 cm Tiefe 2 3 cm hat einen offenbar mehrfach erneuerten Eichenholzkern der auf der edelsteinbesetzten Kaiserseite mit Goldblech auf der Christusseite und auf den Seitenflachen mit vergoldetem Silberblech belegt ist Die Enden der Balken des lateinischen Kreuzes sind kapitellartig verbreitert und werden durch je einen besonders grossen ungeschliffenen Saphir hervorgehoben Die Steine sitzen auf einem nach innen zeigenden Dreieck dessen Ecken mit je einem kleinen Stein oder einer Perle besetzt sind Die Spitze des Dreiecks liegt auf zwei wulstigen Staben auf die mit Goldfiligran beziehungsweise einem verzierten Zellenschmelz geschmuckt sind Das Lotharkreuz ist auf seiner prachtvolleren Seite Kaiserseite mit 102 Edelsteinen und 35 Perlen besetzt die in unterschiedlicher Grosse und Farbe wohlgeordnet den Goldgrund der Kreuzbalken bedecken Aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Zahl als Symbol des Himmlischen Jerusalems lasst sich vermuten dass es sich ursprunglich um 144 Edelsteine und Perlen gehandelt haben wird zumal die Einfassung der Steine von der Seite gesehen Tempelgebaude darstellt was ebenfalls einen Verweis auf das Himmlische Jerusalem bildet Die Vierung ist durch einen prachtvollen dreischichtigen Kameo aus Sardonyx betont Die leicht ovale antike Kamee zeigt die nach links gewendete Buste des mit einem Lorbeerkranz gekronten Kaisers Augustus der in seiner rechten Hand ein Adlerszepter halt Neben dem Kameo sind ein schwarzer Onyx mit einem schreitenden Lowen und ein Amethyst mit der eingeschnittenen Darstellung der drei Grazien als antike Steine auszumachen In den Bergkristall auf der unteren Halfte des senkrechten Balkens ist ein Herrscherbild im Profil geschnitten umgeben von einer in spiegelverkehrten Buchstaben geschnittenen Inschrift XPE ADIVVA HLOTARIVM REG Christus hilf Konig Lothar Die Edelsteine auf den Kreuzbalken sind in funf Reihen angeordnet In der mittleren Reihe sitzen grosse Steine in hohen Arkadenfassungen In den beiden inneren Reihen daneben sitzen in niedrigeren Arkadenfassungen kleine Steine Perlen und Golddrahtkorbchen Die ausseren Reihen sind mit kleinen und grossen Steinen und mit Perlen in einfach ornamentierten Kastenfassungen belegt Das Rankenornament des Goldfiligrans scheint aus den grossen Steinen der mittleren Reihe herauszuwachsen wahrend es die niedrigeren Steine und Perlen in den anderen Reihen nur umrahmt Die andere Seite des Lotharkreuzes Christusseite zeigt keinen Schmuck und keine ornamentalen Verzierungen Auf glattem Grund ist hier ein Kreuz mit einem Kruzifixus eingraviert Der leblose Korper hangt leicht abgewinkelt an den Armen und das Haupt ist auf die Brust gesunken Die Fusse stehen gespreizt auf einem Suppedaneum Links und rechts vom waagrechten Kreuzbalken personifiziert in einem Medaillon verhullen Sonne und Mond trauernd ihr Gesicht Um den Fuss des Kreuzes windet sich die durch den Erlosertod Christi besiegte das Bose symbolisierende Schlange Aus Feuerzungen kommend reicht die Hand Gottes dem Gekreuzigten den Lorbeerkranz in dessen Mitte sich eine Taube befindet die den Heiligen Geist versinnbildlicht Hand Kruzifixus und Taube symbolisieren die gottliche Trinitat 2 Entstehung BearbeitenProvenienz Bearbeiten Zur Entstehung des Lotharkreuzes gibt es keine schriftlichen Quellen Um den Ort und die Zeit zu ermitteln ist man auf den Vergleich mit anderen Objekten angewiesen In der ausseren Form weist das Lotharkreuz eine enge Ubereinstimmung mit dem Otto Mathilden Kreuz sowie insbesondere dem Theophanu Kreuz 1046 auf beide im Essener Munsterschatz Auch die Fassung der Steine und die Filigrantechnik sind auf den Kreuzen gleich Der Kruzifixus auf der Ruckseite des Lotharkreuzes gleicht in seiner Darstellung dem Kruzifix auf dem Kolner Gerokreuz wahrend der Kruzifixus auf dem Otto Mathilden Kreuz stilistisch der Kolner Buchmalerei aus dem fruhen 11 Jahrhundert entspricht Die angesprochenen Gemeinsamkeiten machen es sehr wahrscheinlich dass das Lotharkreuz in Koln entstanden ist Auftraggeber Bearbeiten nbsp Kameo im Zentrum der Kaiserseite nbsp Siegelstein Konig Lothars des Namensgebers aus BergkristallDas Lotharkreuz tragt seinen Namen nach dem Lotharsiegel einem Intaglio auf der unteren Halfte des senkrechten Kreuzbalkens Der geschnittene Bergkristall wurde im 9 Jahrhundert gefertigt als Siegelstempel fur Lothar I den Sohn Ludwigs des Frommen oder fur seinen Sohn Lothar II Der Siegelstein nimmt auf dem Kreuz den Platz ein auf dem sich in ottonischer Zeit bei vergleichbaren Kreuzen dem Essener Otto Mathildenkreuz beispielsweise das Stifterbild befindet Da das Lotharkreuz sehr viel spater entstand als der Siegelstempel kann es sich bei diesem nicht um das Stifterbild Lothars I 795 855 oder Lothars II 855 869 handeln Aber Lothar I von Frankreich 954 986 konnte den karolingischen Siegelstempel aus dem 9 Jahrhundert verwendet haben um sich auf dem Lotharkreuz als Stifter auszuweisen In die Zahlenordnung der Steine und Perlen auf dem Kreuz integriert ist das Intaglio aber offensichtlich nur ein sekundar verwendeter Schmuckstein Der antike Augustus Kameo fruhes 1 Jahrhundert im Schnittpunkt der Kreuzbalken beherrscht die Vorderseite des Lotharkreuzes In der Forschung diskutierte man lange die Bedeutung seiner Platzierung hier Fur Josef Deer dem man sich heute weitgehend anschliesst scheidet die Moglichkeit einer sinnfreien Anwendung als Schmuckstein an dieser ikonographisch wichtigen Stelle aus Beim vergleichbaren Theophanu Kreuz befindet sich an dieser Stelle gar ein angebliches Stuck aus dem Kreuz Jesu Auch die Moglichkeit einer religiosen Umdeutung des Augustus Kameo als Christus imperator halt Deer fur ausgeschlossen weil wahrend des ganzen Mittelalters eine Herrscherbuste im Profil mit einem nach antiker Art bekranzten Haupt einen weltlichen Herrscher reprasentiert allerdings ist der Kameo nicht mittelalterlich Fur Deer hat die Gemme in der Vierung des Lotharkreuzes die volle ikonografische Bedeutung eines Herrscherbildes 3 Eine zeitlich parallele Miniatur im ebenfalls im Aachener Domschatz befindlichen ottonischen Evangeliar zeigt Otto III als himmlischen Weltenherrscher Der Imperator galt zur Zeit Ottos also als Stellvertreter Christi sowohl in der irdischen als auch in der himmlischen Welt sodass der Augustus Kameo auch als Ausdruck dieses Anspruchs gesehen werden kann 4 Ort und Zeit der Herstellung die Erkenntnisse zum Lotharsiegel und zum Augustus Kameo sprechen neben der Qualitat und Kostbarkeit des Kreuzes fur Kaiser Otto III als Stifter 983 wurde er in Aachen zum Konig gekront 996 in Rom zum Kaiser Otto III sah seine Herrschaft in der Nachfolge Karls des Grossen Sein Ideal und Programm war die Renovatio imperii Romanorum in der sich die romische Tradition mit der karolingischen und ottonischen verbindet Veranderungen BearbeitenIn seiner tausendjahrigen Geschichte wurde das Lotharkreuz immer wieder bearbeitet um den Erhalt des Kreuzes zu gewahrleisten So wurde der Holzkern mindestens einmal erneuert was durch dendrochronologischen Untersuchungen und das Fehlen von Nagellochern gezeigt werden konnte Ein Teil der Veranderung betraf im Laufe der Zeit die Ausstattung der Kaiserseite mit Edelsteinen 1865 berichtete der Aachener Ehrenstiftsherr und Konservator des Diozesanmuseum Koln Franz Bock 1823 1899 uber die teilweise Besetzung des Lotharkreuzes mit Siegelsteinen die als Ersatz fur verlorengegangene ursprungliche Edelsteine verwendet wurden 5 Diese Steine waren nicht nach dem Cabochonschliff gefertigt und passten daher nicht zu den anderen Steinen Wann diese Steine eingesetzt wurden liess sich nicht mehr rekonstruieren An einer anderen Stelle aussert der Konservator den Wunsch das Lotharkreuz zukunftig wieder als Prozessionskreuz nutzen zu konnen Hierfur waren allerdings Umbauarbeiten am Fuss des Kreuzes notig um eine Tragstange anbringen zu konnen 1871 erfolgte dann die Installation einer Eisenschraube in die Bodenplatte des Kreuzes spater durch eine Silberschraube ersetzt wodurch die Verwendung als Vortragekreuz ermoglicht wurde Zum Austausch der unpassenden Steine kam es erst 1932 im Zuge einer grossen Restaurierung die nach dem Ersten Weltkrieg notig wurde Um das Kreuz nicht zu verlieren versteckte man es Anfang 1914 zusammen mit anderen Bestandteilen der Domschatzkammer in einer Blechkiste und lagerte diese in einem Kohlenkeller ein Die uber ein Jahr anhaltende Einwirkung von Feuchtigkeit fuhrte dem Kreuz erhebliche Schaden zu Die ausseren sichtbaren Schaden konnten direkt nach dem Ersten Weltkrieg behoben werden die inneren machten sich erst 1932 bemerkbar als der Eichenholzkern auseinanderbrach Der Aachener Goldschmied Bernhard Witte offnete das Kreuz reparierte den gebrochenen Holzkern durch die Einbringung von Winkeln aus Silber und erneuerte teilweise die seitlichen Goldplatten Anschliessend entnahm er die Siegelsteine insgesamt 39 an der Zahl und ersetzte sie durch Steine die passend zu den anderen mit mugeligem Schliff versehen waren Die entnommenen Siegelsteine sind bis auf 17 Stuck im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen Der heutige Zustand des Kreuzes ist das Ergebnis der letzten Konservierung und Ausbesserungmassnahme von 1978 Im 14 Jahrhundert wurde fur das Kreuz ein Fuss gefertigt um es auch als Standkreuz nutzen zu konnen Bedeutung BearbeitenSeit der Kronung Ottos I in Aachen 936 wurden in den folgenden 600 Jahren 31 Kronungen im Aachener Dom vollzogen Zum Kronungsritual gehorte der feierliche Einzug in die Pfalzkapelle Kaiser Karls des Grossen um in seiner Nachfolge rechtmassiger Konig des Heiligen Romischen Reiches zu werden Es ist davon auszugehen dass das Lotharkreuz als Prozessionskreuz diesem feierlichen Einzug vorangetragen wurde Das Volk sah auf die prachtige strahlende das Paradies verheissende Seite mit dem Bildnis des den Herrscher reprasentierenden Kaiser Augustus in der Mitte 6 Der hinter dem Kreuz schreitende Konig blickte auf die schlichte Ruckseite und sah das Bild des Gekreuzigten Es mahnte ihn zur Demut und erinnerte ihn an die Erhohung Christi durch Gott vgl Phil 2 5 11 EU Insofern kann auch nicht von einer Vorder oder Ruckseite gesprochen werden denn beide Seiten gehoren integral zusammen Durch sein Leiden am Kreuz hat Jesus den Menschen das Paradies geschenkt Fur den neuen Konig war das Kreuz Mahnung und Rechtfertigung fur seinen Auftrag zur Herrschaft im Sinne Christi auf Erden Gottesgnadentum Das Lotharkreuz ist ein Zeugnis fur das herrscherliche Selbstverstandnis der ottonischen und salischen Kaiser An hohen Festtagen und zu Pontifikalamtern wird das Kreuz nach wie vor als Vortragekreuz verwandt beim Ein und Auszug jedoch anders als fruher mit der Christusseite voran Wahrend der Messe blicken die Glaubigen auf die Kaiserseite Trotz des hohen Alters und des grossen kunsthistorischen Werts stellt das Lotharkreuz mithin nicht nur ein museales Ausstellungsstuck der Schatzkammer dar sondern bleibt zu besonderen Anlassen im Gebrauch der Liturgie des Aachener Doms Literatur BearbeitenJosef Deer Das Kaiserbild im Kreuz Ein Beitrag zur politischen Theologie des fruhen Mittelalters Schweizer Beitrage zur Allgemeinen Geschichte Bd 13 Sauerlander Aarau 1955 S 48 110 Lothar Bornscheuer Miseriae regum Untersuchungen zum Krisen und Todesgedanken in den herrschaftstheologischen Vorstellungen der ottonisch salischen Zeit Arbeiten zur Fruhmittelalterforschung 4 Berlin 1968 Ernst Gunther Grimme Der Aachener Domschatz Aachener Kunstblatter 42 Schwann Dusseldorf 1972 S 24 28 Theo Julich Gemmenkreuze Die Farbigkeit ihres Edelsteinbesatzes bis zum 12 Jahrhundert In Aachener Kunstblatter 54 55 1986 87 S 99 251 Helga Giersiepen Die Inschriften des Aachener Doms Die Deutschen Inschriften Band 31 Reichert Wiesbaden 1992 ISBN 3 88226 511 6 S 9 10 Nr 11 Online Norbert Wibiral Augustus patrem figurat Zu den Betrachtungsweisen des Zentralsteines am Lotharkreuz im Domschatz zu Aachen In Aachener Kunstblatter Bd 60 1994 S 105 130 Ernst Gunther Grimme Text Ann Munchow Aufnahmen Der Dom zu Aachen Architektur und Ausstattung Einhard Aachen 1994 ISBN 978 3 920284 87 3 S 89 92 125 Herta Lepie Georg Minkenberg Die Schatzkammer des Aachener Domes Brimberg Aachen 1995 ISBN 3 923773 16 1 S 33 35 Ernst Gunther Grimme Der Dom zu Aachen Einhard Aachen 2000 ISBN 978 3 930701 75 9 S 51 61 Ernst Gunther Grimme Der goldene Dom der Ottonen Einhard Verlag Aachen 2001 ISBN 3 930701 90 1 S 53 60 Genevra Kornbluth Engraved gems of the Carolingian Empire Pennsylvania State University Press University Park PA 2010 ISBN 978 0 271 01426 5 S 58 63 Herta Lepie Der Domschatz zu Aachen In Clemens M M Bayer Dominik M Meiering Martin Seidler Martin Struck Hrsg Schatzkunst in Rheinischen Kirchen und Museen Schnell amp Steiner Regensburg 2013 ISBN 978 3 7954 2827 3 S 121 137 hier S 128 129 Walter Maas Pit Siebigs Der Aachener Dom Schnell amp Steiner Regensburg 2013 ISBN 978 3 7954 2445 9 S 149 152 157 Anmerkungen Bearbeiten Lotharkreuz auf den Seiten der Aachener Domschatzkammer Wolfgang Braunfels Art Dreifaltigkeit In Engelbert Kirschbaum Hrsg Lexikon der christlichen Ikonographie Erster Band Herder Verlag Rom Freiburg Basel Wien 1974 Sp 525 537 hier Sp 535 Josef Deer Das Kaiserbild im Kreuz Ein Beitrag zur politischen Theologie des fruhen Mittelalters Schweizer Beitrage zur Allgemeinen Geschichte Bd 13 Sauerlander Aarau 1955 S 57 Walter Maas Pit Siebigs Der Aachener Dom Regensburg 2013 S 154 156 Franz Bock Karls des Grossen Pfalzkapelle und ihre Kunstschatze Kunstgeschichtliche Beschreibung des karolingischen Octogons zu Aachen der spateren gothischen Anbauten und sammtlicher im Schatze daselbst befindlichen Kunstwerke des Mittelalters mit zahlreichen erklarenden Holzschnitten nach photographischen Aufnahmen Schwann Coln amp Neuss 1866 S 35 Herta Lepie Der Domschatz zu Aachen In Clemens M M Bayer u a Hrsg Schatzkunst in Rheinischen Kirchen und Museen Regensburg 2013 S 121 137 hier S 128 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Lotharkreuz Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eintrag in Deutsche Inschriften Online Eintrag zum Sockel in Deutsche Inschriften Online Eintrag im Bildindex der Kunst und Architektur50 775052777778 6 0827583333333 Koordinaten 50 46 30 2 N 6 4 57 9 O Normdaten Werk GND 7717508 6 lobid OGND AKS VIAF 189201055 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lotharkreuz amp oldid 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