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Der Landtag des Herzogtums Westfalen auch westfalische Landstandeversammlung oder nach dem Tagungsort auch Arnsberger Landtag genannt war seit dem Spatmittelalter und wahrend der fruhen Neuzeit bis zur Aufhebung 1806 die standische Vertretungskorperschaft im Herzogtum Westfalen Sie setzte sich aus einer Ritter und einer Stadtekurie zusammen und bildete das entscheidende Gegengewicht gegen die absolutistischen Ambitionen der kolnischen Kurfursten als Landesherren Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung der Landstande 2 Zusammensetzung 2 1 Kurfurst 2 2 Domkapitel 2 3 Ritterkurie 2 4 Stadtekurie 3 Tagungsort Dauer und Entschadigungen 4 Aufgaben und Kompetenzen 5 Verlauf der Verhandlungen 6 Erweiterung der landstandischen Rechte 7 Aufhebung der Landstandeversammlung 8 Einzelnachweise 9 Literatur 9 1 Altere Darstellungen 9 2 ForschungsliteraturEntstehung der Landstande Bearbeiten nbsp Unter Kurfurst Ernst von Bayern kam es zur abschliessenden Regelung der Zustandigkeiten von Standen und LandesherrAnsatze fur Landstande gab es bereits seit dem 14 Jahrhundert So wurde es ublich landesherrliche Vertrage durch die Stande bewilligen zu lassen consilium fidelium et subditorum wie es in der Urkunde zum Verkauf der Grafschaft Arnsberg an Kurkoln 1368 hiess Vor allem dem Adelsstand gelang es die These von einem zweifachen Herzogtum in den Kurkolner Landern durchzusetzen Danach war Westfalen zwar mit Kurkoln in der Person des Kurfursten in dessen Eigenschaft als Herzog von Westfalen verbunden aber das Land war kein integraler Teil des Kurstaates Dadurch gelang es teilweise andere staatsrechtliche Grundlagen durchzusetzen als sie im Rheinland bestanden Deutlich ausgepragt waren sie in den Erblandesvereinigungen von 1437 und 1463 Wahrend des Truchsessischen Krieges stellte sich der Landtag zwar zunachst hinter Kurfurst Gebhard I von Waldburg der den Protestantismus in den kurkolnischen Landern durchsetzen wollte Aber die Mitglieder waren untereinander gespalten In dieser Zeit fanden ungewohnlich haufig Landtage statt Da der Kurfurst auf die finanziellen Leistungen der Stande angewiesen war versuchten diese die Gelegenheit zum Ausbau ihrer Rechte zu nutzen 1 Nach der Eroberung des Herzogtums durch die von Herzog Ferdinand von Bayern befehligten Truppen erkannten die Stande den neuen katholischen Kurfursten Ernst von Bayern auf dem Landtag zu Geseke 1584 an Unter diesem wurden 1590 die Rechte von Landesherren und Standen bis zum Ende des Heiligen romischen Reiches endgultig definiert Ohne Zustimmung der Stande durfte der Landesherr seither nicht mehr in die Rechte der Untertanen eingreifen Steuern festsetzten oder die Landesgrenzen verandern Vor diesem Hintergrund hatten absolutistische Tendenzen keine Moglichkeit der Durchsetzung mehr 2 Zusammensetzung BearbeitenFur die fruhe Zeit der Landstande und ihrer Versammlungen gibt es nur wenige Quellen Protokolle liegen erst fur die Zeit nach 1583 vor 3 Die Landstande setzten sich aus der Ritterkurie und der Stadtekurie zusammen Anfangs scheint die Zusammensetzung der Landtage noch etwas breiter gewesen zu sein So ist in der erneuerten Erblandesvereinigung von 1590 auch von einer gemeinen Landschaft die Rede auch konnten Personen denen es gebuhrt in den ersten Jahrhunderten zum Landtag eingeladen werden Aber der Schwerpunkt lag schon von Beginn an auf den Rittern und Stadten Dies zeigte schon eine erste Vereinigung der Stande der alten Grafschaft Arnsberg und dem ursprunglichen kurkolnischen westfalischen Gebiet dem Marschallamt fur Westfalen die Prima unio seu Pactum mutuae defensionis inter status Westfaliae erectum von 1492 Fur ein Nebenland eines geistlichen Staates bemerkenswert ist das Fehlen eines landtagsberechtigten geistlichen Standes Auch im Land selbst gab es durchaus einige bedeutende Kloster und andere geistliche Einrichtungen s Liste der geistlichen Institute im Herzogtum Westfalen Die Grunde dafur sind nicht ganz klar Meister vermutet dass ihre Privilegien und der Schutz durch den Kurfursten dazu fuhrten dass die geistlichen Einrichtungen keine starken Bedurfnisse nach einem Zusammenschluss entwickelten Auch spater blieben Klerus und die Landbevolkerung von der Teilnahme an den Landtagen ausgeschlossen 4 Kurfurst Bearbeiten nbsp Kurfurst Joseph Clemens von Bayern scheiterte mit seinem Versuch Steuern ohne Bewilligung des Landtages festzusetzenDer Landtag wurde vom Kurfursten von Koln einberufen Ein Selbstversammlungsrecht bestand nicht Nur der Landtag von 1795 wurde wegen der Kriegsereignisse nicht vom Kurfursten einberufen dessen Beschlusse hat dieser aber spater gebilligt 5 Die Kurfursten waren auch fur die Finanzierung zustandig Ansonsten waren ihre Rechte beschrankt Den Vorsitz hatte grundsatzlich der Landesherr er war aber nicht zur Teilnahme verpflichtet Insgesamt nahmen die Kurfursten zwischen 1587 und 1767 etwa siebenundzwanzigmal an den Versammlungen teil In der folgenden Zeit bis zum Ende der Versammlung nahm kein Kurfurst mehr an den Beratungen teil 6 In der Regel liess sich der Landesherr von zwei Kommissaren vertreten In der Auswahl der Kommissare war der Kurfurst frei In der Regel waren diese westfalische Kanzleirate Aber auch Hofrate und kurfurstliche Rate aus der Bonner Residenz waren vertreten 7 Domkapitel Bearbeiten Das Kolner Domkapitel hatte mehrfach versucht neben dem Kurfursten als Landstand anerkannt zu werden Da dies aber in keinem der spatmittelalterlichen oder fruhneuzeitlichen Verfassungsgrundlagen des Staates wie der Erblandesvereinigung vorgesehen war gelang es nur unvollkommen dieses Ziel durchzusetzen Das Kapitel war letztlich eine Mittelinstanz zwischen dem Landtag und dem Kurfursten Das Kapitel hatte die Einberufung der Stande zu bestatigen Es entsandte zu den Verhandlungen zwei Abgesandte Deren Rechte waren indes beschrankt Sie waren bei der Sessionseroffnung an der Hoftafel anwesend und hatten am Ende den Landtagsabschied gegenzuzeichnen Ihre Aufgabe war es bei Konflikten zwischen dem Landesherren und den Standen zu vermitteln In der Praxis haben die Abgesandten diese Aufgabe nur selten wahrgenommen Da die Deputierten des Kapitels nicht zu den Verhandlungen des Landtages zugelassen waren konnten sie kaum vermittelnd tatig werden Ritterkurie Bearbeiten nbsp Friedrich Ferdinand Freiherr von Horde in der grossen Uniform der ritterschaftlichen DeputiertenDie Ritterkurie 8 corpus equestrum bestand aus den Besitzern der landtagsfahigen Guter Die Einladungen zu den Landtagen richteten sich an das Gut nicht an den Ritter Neben dieser materiellen Basis war aber auch der Nachweis des Adels von erheblicher Bedeutung Die Mitglieder der Kurie mussten mindestens sechzehn adelige Ahnen vorweisen die in der ublichen Form aufgeschworen worden waren Diese Anforderungen fuhrten dazu dass sich die Zahl der landtagsfahigen Adeligen im Laufe der Zeit verringerte Die Erblandesvereinigung von 1463 wurde noch von 130 Rittern unterzeichnet Gegen Ende des 18 Jahrhunderts schwankte die Zahl der im kurkolnischen Hofkalender genannten aufgeschworenen Rittern zwischen 49 im Jahr 1779 und 63 im Jahr 1798 Auf den Landtagen von 1801 und 1802 waren noch jeweils 35 Ritter anwesend 9 Wegen der Besitzgemengelage waren auch auswartige Mitglieder Mitglied der Korporation Teilweise wurden auch aus politischen Grunden auswartige Adelige aufgeschworen Dabei wurden die eigentlich strengen Aufnahmebedingungen etwa durch die Ausweisung eines nicht wirklich vorhandenen Rittergutes nicht selten umgangen 10 Es kam daher vor dass ein Adeliger nicht nur im Herzogtum Westfalen sondern auch in den Standeversammlungen etwa des Hochstifts Paderborn oder des Hochstifts Munster vertreten war Es gab auch Falle bei denen Auswartigen die Aufschworung verweigert wurden Dies geschah etwa dem kurkolnischen Konferenzminister Johann Christian von Waldenfels obwohl er uber das landtagsfahige Gut Scheidingen verfugte Dieser rief deshalb 1788 sogar den Reichshofrat an 11 Auch wenn ein Ritter mehrere landtagsfahige Guter besass hatte er nur eine Stimme Die Stimme zahlte ausserdem nur bei Anwesenheit auf dem jeweiligen Landtag Die personelle Zusammensetzung war relativ konstant und die Politik der Kurie konservativ Neuerungen stand sie grundsatzlich skeptisch gegenuber Die ritterschaftlichen Deputierten trugen im 18 Jahrhundert eine spezielle Uniform Von den adeligen Deputierten wurde Verschwiegenheit uber die Verhandlungen erwartet Dazu wurde im 17 Jahrhundert eigens ein bestimmter Eid eingefuhrt Ein Hintergrund war auch der dass die Mitglieder der Ritterschaft die Verhandlungen in der Ritterkurie auch nutzten um auch Angelegenheiten der Ritterschaft selbst wie Fragen der Ahnenprobe oder der Aufschworung zu entscheiden 12 Die laufenden Geschafte der Kurie fuhrte auch zwischen den Sessionen ein Direktorium gefuhrt vom Landdrosten und bei dessen Verhinderung der alteste adelige Rat der Regierung des Herzogtums Der Landdrost handelte hier nicht in seiner Eigenschaft als kurfurstlicher Beamter sondern als angesehener Vertreter der Ritterschaft In dem einen Fall in dem ein Landfremder Landdrost wurde wurde die sonst ubliche Personalunion Vorsitzender des Direktoriums und Drostenamt aufgehoben Die Doppelfunktion als hochster Beamter und Sprecher des landsassigen Adels konnte zu einer Pflichten und Interessenkollision fuhren Dasselbe gilt auch fur den Landschreiber der einerseits der hochste Sekretar der Regierung des Herzogtums war und andererseits fur die Protokollfuhrung der Ritterkurie zustandig war 13 Stadtekurie Bearbeiten nbsp Im Rathaus von Brilon befand sich das Archiv der StadtekurieIm Gegensatz zu anderen Standeversammlungen in denen das Recht auf Vertretung sich im Laufe der Entwicklung auf einige Hauptorte beschrankte bestand die Stadtekurie in Westfalen aus Vertretern aller Stadte und Freiheiten des Herzogtums Unterteilt war die Kurie seinerseits in die vier Hauptstadte der vier Quartale aus denen sie sich zusammensetzte den weiteren 21 Stadten sowie den neun Freiheiten Hauptstadte waren Brilon Ruthen Geseke und Werl Diese entsandten jeweils zwei Burgermeister den Kammerer und ein weiteres Mitglied des Rates zu den Landtagen Insofern waren sie gegenuber den ubrigen Stadten etwas bevorzugt Die anderen Stadte und Freiheiten schickten einen Burgermeister und den Kammerer Die Zahl der landtagsfahigen Orte schwankte nur leicht Nur Bilstein verlor im Laufe der Zeit seine Stimmfahigkeit Unabhangig davon ob jeweils alle Delegierten anwesend waren hatte jede landtagsfahige Gemeinde eine Virilstimme so dass die Zahl der Stimmen der Stadtekurie bis auf die genannte Ausnahme konstant war Das Direktorium das heisst den Vorsitz der Kurie hatte Brilon das als erste Hauptstadt galt Der Briloner Stadtschreiber war daher auch Protokollfuhrer der Kurie Die Niederschriften des Gremiums wurden folgerichtig im Archiv der Stadt Bilon aufbewahrt Jeder Stand wahlte vier standige Deputierte die dem jeweilig anderen Stand die eigenen Beschlusse uberbrachten Diese hatten zudem die Aufgabe sich im Konfliktfall um einen Kompromiss zu bemuhen um letztlich gegenuber dem Kurfursten gemeinsame Antrage zu prasentieren Im Fall der Stadtekurie entwickelte sich im Laufe des 18 Jahrhunderts die Praxis dass die Deputierten nicht aus den eigentlichen Stadtvertretern gewahlt wurden Vielmehr wurden sie aus den gelehrten Raten der Regierung des Herzogtums ausgewahlt daher hatten sie selbst kein Stimmrecht sondern nur beratende Funktion 14 Tagungsort Dauer und Entschadigungen Bearbeiten nbsp Das Arnsberger Rathaus war der Tagungsort des LandtagesEs gab keinen festgelegten Tagungsort Bis zur Soester Fehde in der Mitte des 15 Jahrhunderts fanden Landtage auch in Soest statt Weitere Tagungsorte im Lauf der Jahrhunderte waren Ruthen Geseke Meschede Menden Attendorn Werl und Erwitte Wegen der Residenzfunktion der Stadt setzte sich Arnsberg als Tagungsort durch Im 18 Jahrhundert fand der Landtag nur noch dort statt Bis zur Zerstorung 1762 war das Arnsberger Schloss Schauplatz der feierlichen Eroffnung Danach fand diese an unterschiedlichen Orten wie dem Kloster Wedinghausen oder im Landsberger Hof statt Die eigentlichen Verhandlungen wurden im Arnsberger Rathaus abgehalten Ein verbrieftes Recht auf einen jahrlichen stattfindenden Landtag gab es nicht Da aber die Steuern fur jeweils ein Jahr bewilligt wurden hatten die Kurfursten selbst Interessen an regelmassigen Versammlungen Lediglich in Kriegszeiten und sonstigen Krisenzeiten fanden keine Landtage statt Dies gilt etwa fur einige Perioden wahrend des dreissigjahrigen Krieges So kamen die Stande etwa zwischen 1629 und 1638 nicht zusammen Auch zwischen 1795 und 1800 gab es keine Tagungen Neben den ordentlichen Sitzungen konnten auch ausserordentliche Landtage einberufen werden Der Landtag dauerte etwa zwanzig Tage und fand meist ab Mitte August vor Beginn des neuen Rechnungsjahres statt 15 Die Deputierten erhielten seit dem 17 Jahrhundert als Diaten pro Tag vier Reichstaler fur Adelige und drei Reichstaler fur Vertreter der Stadte Die Entschadigung fur die gesamte Session fiel an sobald ein Deputierter einen Tag anwesend war Ein Kritiker stellte fest dass es doch sehr merkwurdig anmutet dass ein Abgeordneter Diaten beansprucht gleichzeitig aber in Leipzig zur Messe weile Der Kurfurst hatte nicht zuletzt taglich die Landtagstafel zu bezahlen Die Kosten fur eine Landtagssession beliefen sich auch dadurch auf etwa 10 000 Reichstaler Die Folge war das im ersten Quartal der Steuerzahlung kaum etwas fur den Landesherren ubrig blieb 16 Aufgaben und Kompetenzen BearbeitenDie zentrale Aufgabe der Stande war die Bewilligung von Steuern und Abgaben Daneben konnte der Landesherr in Form der sogenannten Landtagspropositionen beliebige Fragen auf die Tagesordnung setzen Auf der anderen Seite konnten die Stande Beschwerden und Vorschlage vorbringen Die Stande nutzten die Geldforderungen des Landesherren dazu die Bewilligung an Bedingungen zu knupfen Da der Kurfurst in der Regel nicht in der Lage war die Staatsschulden abzubauen ging die Tilgung der Schulden in die Verantwortung der Stande uber Diese ubten letztlich die Kontrolle uber die Finanzen des Herzogtums aus nbsp Westfalischer Landstandepokal 1667 von Kurfurst Maximilian Heinrich den Standen geschenktDas Steuerbewilligungsrecht war entscheidend fur den Einfluss der Stande und des Landtages Im Grunde wurde es von den Kurfursten auch nicht in Frage gestellt Als Joseph Clemens von Bayern im Jahr 1696 versuchte Steuern eigenmachtig auszuschreiben wurde er vom Reichshofrat in Wien dafur aber im Jahr 1702 zurechtgewiesen 17 Die Landstande haben dabei mit Erfolg betont dass dies eine freiwillige Leistung ein subsidium charitativum sei Damit hatten sie de facto das Steuerverweigerungsrecht und verfugten damit uber das scharfste Druckmittel parlamentarischer Versammlungen 18 Die Hohe der bewilligten Subsidien lag meist zwischen 40 000 und 60 000 Reichstalern Nur ein Mal lag es bei 70 000 Talern 19 Nicht abschliessend geregelt war die Beteiligung der Stande an der allgemeinen Landesgesetzgebung Aber bereits aus dem Landtagsabschied von 1584 geht hervor dass der Landesherr die standische Mitwirkung an der Gesetzgebung fur geboten hielt Aber die Mitwirkung beruhte nicht auf furstlicher Gnade sondern auf guten Gewohnheiten Freiheiten und Privilegien 20 In der Praxis jedoch wurden viele wichtige Gesetzen auf dem Landtag beraten und daruber mit entschieden Landtagsabschlusse hatten gesetzliche Kraft Zu den mit standischer Zustimmung erlassenen Gesetzen gehorte die Judenordnung von 1599 die Ordnung der Rate von 1667 oder die Wegeordnung von 1704 Die Stande baten 1720 um die Revision der Polizeiordnung von 1596 Nachdem der Kurfurst sich auf diese Forderung eingelassen hatte kamen die Deputierten der Ritterschaft und der Stadte zusammen und berieten uber die Frage Im Jahr 1723 wurde die Revision mit einer neuen Polizeiordnung abgeschlossen In gewisser Weise hatte sogar der Landtag das Recht zur Gesetzesinitiative So ging die Taxordnung fur die Untergerichte von 1726 auf das Ersuchen der Stande zuruck Dasselbe gilt fur die Kanzleiordnung von 1728 die Verordnung betreff des westfalischen Forstamtes von 1753 die Brandsoziats 1778 und die Feuerloschordnung von 1782 Nachdem der Kurfurst sich mit den Standen geeinigt hatte erfolgte auch die kaiserliche Bestatigung fur die Bestimmung dass fur alle kurfurstlichen Teillander ein Oberappellationsgericht in Bonn errichtet werden konnte 21 Andere Gesetze und Verordnungen wurden auch ohne Zustimmung der Stande erlassen Dagegen hatten sie ein Protestrecht das sie auch einsetzten Als Kurfurst Maximilian Heinrich von Bayern 1653 versuchte sein Privilegium de non appellando durch ein Privilegium illimitatum zu erweitern um die Anrufung des Reichshofgerichts oder des Reichskammergerichts zu verhindern protestierten dagegen die Stande Erst 1786 also nach 130 Jahren kam es zu einer Einigung als Joseph II die Einfuhrung des Privilegium illimitatum auf das Herzogtum Westfalen bewilligte Es ging beim Widerstand der Stande nicht darum eine Beteiligung am Gesetzgebungsrecht durchzusetzen sondern um die Verhinderung der Abschneidung von den Reichsgerichten 22 Auch ohne ausdruckliches Gesetzgebungsrecht haben die Stande am Zustandekommen von Gesetzen faktisch mitgewirkt So waren Antrage der Stande Grundlage fur neue Gesetze Ein Grund fur ihre recht starke Stellung auch in diesem Bereich bestand darin dass der rheinische Landesherr kaum Kenntnis uber die Verhaltnisse in seinem Nebenland hatte und die Kurfursten sich daher mit eigener Gesetzesinitiative zuruckhielten Eine weitere Aufgabe der Landtage war die Wahl und Bestellung der standischen Beamten Dazu zahlten fur jeden Stand ein Syndikus Diese vertraten als Juristen die Interessen ihrer jeweiligen Kurie im Konfliktfall gegenuber der anderen Kurie Hinzu kamen die advocati patriae als Rechtsbeistande der Gesamtversammlung Hinzu kam ein Archivar der Landstande ein adeliger Landeshauptmann uber dessen militarische Aufgaben kaum etwas bekannt ist ein Landtrompeter der Landpfennigmeister also der oberste Steuereinnehmer Schatzrezeptoren zur Eintreibung der Steuern auf dem Land ein Botenmeister und untergeordnete Boten 23 Das Archiv der Landstande befand sich im Rathaus Arnsberg Verlauf der Verhandlungen Bearbeiten nbsp Clemens August Freiherr von Weichs zur Wenne war der letzte Landdrost des Herzogtum WestfalensEroffnet wurde die Versammlung durch den ersten Landtagskommissar Dies geschah in einem feierlichen Akt Der Landtagskommissar sass unter einem Baldachin bei Abwesenheit des Landesherren vor einem leeren Thronsessel fur den abwesenden Kurfursten Die Kommissare sassen oder standen zusammen mit den Vertretern des Domkapitels auf einem kostbaren Teppich Nicht auf dem Teppich war der Platz fur den Landdrosten die Rate der Regierung sowie der Deputierten der Stande 24 Der zweite Kommissar hatte die Aufgabe den Zweck der Versammlung zu formulieren Danach folgte die Verlesung der schriftlich vorliegenden Landtagsproposition durch den Landschreiber Darauf folgte die Reaktion der Stande durch die Antwort des Landdrosten Bis 1787 wurden die Meinungen primar mundlich ausgetauscht Spater spielte bei wichtigen Fragen die Schriftlichkeit eine wichtige Rolle Die Verhandlung in den beiden Kurien begann immer mit der Verlesung der Erblandesvereinigung und der alteren Beschlusse Dann folgte die Verlesung der Protokolle des vorigen Jahres Die nicht erledigten Beschwerden wurden erneuert und der Landtag beriet uber die Umsetzung der vorjahrigen Beschlusse Das Zustandekommen der Steuerbewilligung und die Klarung sonstiger Fragen in einem Landtagsabschied war ein langwieriger Prozess Die Kurien tagten getrennt Da von beiden Kurien nur die Stadte Steuerzahler waren hatten diese in der Frage der Subsidien das Recht auf ein erstes Votum Konnten sich die Stande nicht einigen wurden der niedrigste Ansatz dem Kurfursten offeriert Dieser wies regelmassig die ersten Angebote als unzureichend zuruck ehe man sich auf einen Kompromiss einigte Das Subsidium stand aber auch nach der Bewilligung dem Kurfursten nicht zur freien Disposition fur den Gesamtstaat sondern durfte nur fur die Bedurfnisse des Herzogtums verwandt werden Die dazu erhobenen Steuern wurden Schatzung genannt Verantwortlich fur die Umsetzung war der Landpfennigmeister Die Stande hatten das Recht diesen und seine Beamten Rezeptoren genannt zu wahlen Neben der Bewilligung der staatlich benotigten Finanzmittel beschaftigten sich die Stande mit Angelegenheiten der Landeswohlfahrt Bei allen Fragen die nicht die Bewilligung von Geldern betraf gab zunachst die Ritterkurie ihre Meinung ab Die erste Woche des Landtages war meist den Beschwerden Gravamina gewidmet Dies bot Gelegenheit Wunsche und Beschwerden zu aussern Dabei ging es auch um die Verletzung der standischen oder sonstigen Rechte durch den Kurfursten Die Landtagskommissare hatten die Aufgabe diese Antrage zu beantworten Um die oftmals divergierenden Positionen der beiden Stande auszugleichen waren Verhandlungen zwischen beiden Seiten notig die in Kompromissen mundeten Insbesondere in Fragen der Bewilligung von Geldern war die Einstimmigkeit notig Bei fehlender Einigung kam der niedrigste Steuervorschlag zur Anwendung In allen anderen Fragen war letztlich kein einstimmiges Votum notig Daher konnte es zu zwei unterschiedlichen Voten der Stande kommen In diesem Fall beanspruchte der Landesherr die Entscheidung fur sich Dieses Recht wurde ihm zwar von den Standen bestritten aber da es die einzige Moglichkeit war zu einem Ergebnis zu kommen wurde es akzeptiert 25 In der Praxis spielte dies aber kaum eine Rolle 26 Um ihre Wunsche und Ziele dazu gehorten nicht zuletzt auch die Verhinderung von Neuerungen die den eigenen Einfluss schmalern konnten durchzusetzen wurde die Steuerbewilligung immer weiter hinausgezogert Dadurch gerieten die kurfurstlichen Verhandlungsfuhrer unter Druck In der Praxis zeigte es sich daher dass je bereitwilliger die Kommissare den Positionen der Stande folgten die Stande sich bereit zeigten den Finanzforderungen zu entsprechen 27 Die Antrage der Stande wurden der kurfurstlichen Landtagskommission ubergeben Bei der Weitergabe an den Landesherren wurde dem Text der Stande meist ein Gutachten der Kommission beigefugt Dieses war zugleich der Entwurf einer Antwort an die Stande Wenn dies der Fall war entsprach die kurfurstliche Entscheidung diesem Entwurf Insofern hatte der erste Kommissar eine Schlusselstellung inne Eingebrachte Antrage wurden nur selten unmittelbar nach dem Einbringen entschieden Dem ging vielmehr ein langwieriger Prufprozess durch die zustandigen Behorden zunachst in Westfalen und danach durch die Rate der kurfurstlichen Regierung in Bonn voraus Erweiterung der landstandischen Rechte BearbeitenUber die ursprunglichen Rechte der Erblandesvereinigung hinaus gelang es den Standen das Indiginatsrecht zu erweitern Anfangs lautete die Bestimmung dass die Mitglieder des Hofrates aus den Herrschaftsgebieten Kurkolns stammen mussten Die westfalischen Stande setzten 1662 gegenuber Kurfurst Max Heinrich durch dass im Herzogtum Westfalen alle Amter nur Landeingesessen und Anhangern der katholischen Religion offenstehen sollten Fur Ausnahmen bedurfte es eines Beschlusses der Stande Daruber hinaus gelang es den Standen die Landessteuern selbst lediglich unter Mitwirkung des Landesherren erheben zu durfen 28 Der Landtag setzte auch die Einrichtung standiger Ausschusse durch Zwischen dem jahrlich stattfindenden ordentlichen Landtagen existierte ein Ausschuss der Stande die so genannte Quartalskonvention die jeweils am 7 Januar 7 April 7 Juli und 7 Oktober tagte Zu Beginn des 19 Jahrhunderts wurde dies gestrafft indem halbjahrliche Semesterkonventionen eingefuhrt wurden Aufgabe der Versammlungen war vor allem die Rechnungskontrolle Die Quartalsstande bestanden aus jeweils vier Vertretern der Ritterschaft und der Stadtekurie Neben der Kontrolle der ordentlichen Steuererhebung hatte der Ausschuss auch das Recht die Durchfuhrung der Landtagsentscheidungen zu uberprufen und den Landesherrn im Versaumnisfall durch erneute Antrage auf den Willen der Landesvertretung aufmerksam zu machen Allerdings war die Uberprufung der Steuerzahlungen durch die Quartalsversammlungen wenig effektiv 29 Aufhebung der Landstandeversammlung Bearbeiten nbsp Ludwig X von Hessen DarmstadtAm Ende des alten Reiches nahmen die Landstande vor dem Hintergrund der allgemeineuropaischen Verfassungsdiskussion fur sich in Anspruch eine Reprasentation des gesamten Volkes zu sein 30 Zu einer Weiterentwicklung zu einem modernen Parlament kam es allerdings nicht mehr Die Landstande blieben auch nach dem Ubergang des Herzogtums Westfalen an Hessen Darmstadt im Jahr 1803 zunachst bestehen Der neue Landesherr rief sie am 17 August 1803 noch einmal zu einer letzten ordentlichen Sitzung zusammen garantierte ihnen aber nicht mehr die bisherigen Privilegien Mit der Durchsetzung des absolutistischen Herrschaftssystems in diesem Staat wurden auch die Landstande in Westfalen und dem gesamten Land Hessen Darmstadt aufgelost Am 14 Februar 1805 reichten die Stande daher Beschwerde beim Reichshofrat gegen die zur Untergrabung der Landesverfassung gemachten Vorschritte ein Mit dem Ende des Heiligen Romischen Reiches im Jahr 1806 verlor diese Beschwerde ihre Funktion 31 Am 1 Oktober 1806 wurden sie durch Ludwig X aus unumschrankter Machtvollkommenheit aufgehoben und aufgelost Begrundet wurde dies durch die hohen Kosten und damit dass die landstandische Verfassung nicht mehr zeitgemass sei Erst 1820 traten die Landstande des Grossherzogtums Hessen wieder zusammen Zu diesem Zeitpunkt gehorte Westfalen aber schon nicht mehr zu Hessen Darmstadt Das Herzogtum Westfalen gehorte seit 1816 zu Preussen Johann Friedrich Joseph Sommer und andere Vertreter des regionalen Burgertums pladierten vergeblich fur eine Erneuerung der landstandischen Verfassung Seine Schrift Von deutscher Verfassung im germanischen Preussen und im Herzogthum Westfalen 32 ist Ausdruck dieser Hoffnung Sie ist zugleich eine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der landstandischen Verfassung des Herzogtums hat dabei ihre positiven Seiten betont ihre Schwachen aber vernachlassigt Die lebendige Erinnerung an das Mitspracherecht auf den Landtagen hat nach dem Ende der Verfassungsdiskussionen in Preussen nach den Karlsbader Beschlusse mit dazu gefuhrt dass sich im Burgertum liberale und demokratische Gedanken verbreiten konnten Mit dem Provinziallandtag der Provinz Westfalen wurde 1826 wieder eine standische Vertretung der Provinz geschaffen die jedoch von der Organisation und den Kompetenzen nicht an die Traditionen der Landstande des Herzogtums Westfalen anknupfte Einzelnachweise Bearbeiten vergl Horst Conrad Der Kolnische Krieg und die Landstande im Herzogtum Westfalen In Sudwestfalenarchiv 14 2014 S 51 93 Conrad S 29 Meister S 12 Meister S 12f Meister S 15 Meister S 16 Meister S 17 vergl zum Adel des Herzogtums ausfuhrlich Andreas Muller Zwischen Kontinuitat und Wandel Der Adel im kurkolnischen Herzogtum Westfalen In Harm Klueting Hrsg Das Herzogtum Westfalen Bd 1 Das kolnische Herzogtum Westfalen von den Anfangen der kolnischen Herrschaft im sudlichen Westfalen bis zur Sakularisation 1803 Munster 2009 ISBN 978 3 402 12827 5 S 419 442 Elisabeth Schumacher Das kolnische Westfalen im Zeitalter der Aufklarung Olpe 1967 S 41 Anm 48 Conrad S 30 Meister S 13 Tobias Schenk Reichsgeschichte als Landesgeschichte Eine Einfuhrung in die Akten des kaiserlichen Reichshofrats In Westfalen 90 2012 S 131 Muller Adel im Herzogtum Westfalen S 429f Meister S 13f Meister S 14f Meister S 16f Conrad S 34 Meister S 21f Meister S 17 Conrad S 33 Meister S 18 Rathje Behordenorganisation S 70 Rathje Behordenorganisation S 71 Meister S 19f Meister S 21 Conrad S 33 Meister S 19 Conrad S 33 Meister S Meister S 22f Meister S 24 Conrad S 34 Friedrich Keinemann Vom Krummstab zur Republik Westfalischer Adel unter preussischer Herrschaft 1802 1945 1997 ISBN 3 8196 0541 X S 65 Von deutscher Verfassung im germanischen Preussen und im Herzogthum Westfalen mit Urkunden Munster 1819 Literatur BearbeitenAltere Darstellungen Bearbeiten Friedrich Wilhelm Werner von Schorlemer Heringhausen Zur Verfassung besonders fur den landsassigen Adel des Herzogthums Westfalen Lippstadt 1818 Digitalisat Johann Friedrich Joseph Sommer Von deutscher Verfassung im germanischen Preussen und im Herzogthum Westfalen mit Urkunden Munster 1819 Forschungsliteratur Bearbeiten Horst Conrad Der Adel im Herzogtum Westfalen In Ingrid Reissland Hrsg Vom kurkolnischen Krummstab uber den hessischen Lowen zum preussischen Adler Die Sakularisation und ihre Folgen im Herzogtum Westfalen 1803 2003 Arnsberg 2003 ISBN 3 930264 46 3 S 27 41 C Liedhegener Die Landstande im Herzogtum Westfalen gegen Ende des 18 Jahrhunderts In Sauerlandruf 1 1964 S 11ff Aloys Meister Das Herzogtum Westfalen in der letzten Zeit der kurkolnischen Herrschaft Munster 1908 S 12ff Johannes Rathje Die Behordenorganisation im ehemals kurkolnischen Herzogtum Westfalen Diss Kiel 1905 Elisabeth Schumacher Das kolnische Westfalen im Zeitalter der Aufklarung Olpe 1967 Kathrin Ueberholz Vom kurkolnischen Krummstab zum hessischen Lowen Verwaltungsstrukturen im Herzogtum Westfalen unter kurkolnischer und hessischer Herrschaft In Werden Wachsen Wirken Vom Wandel der Zeit Kreisverwaltungen im Hochsauerlandkreis von 1817 bis 2007 Arnsberg 2007 S 24 44 Vera Wiesenthal Die Landstande im Herzogtum Westfalen und der letzte Landtag von 1803 In Sudwestfalen Archiv 6 Jahrgang 2006 S 193 216 Andreas Muller Die Ritterschaft im Herzogtum Westfalen 1651 1803 Aufschworung innere Struktur und Prosopographie Munster 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Landtag Herzogtum Westfalen amp oldid 232209201