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Dieser Artikel erlautert den Instinkt im Sinne der Verhaltensbiologie Fur den gleichnamigen Film siehe Instinkt Film fur die EP der deutschen Sangerin Celine siehe Instinkt EP Instinkt deutsch auch Naturtrieb 1 2 bezeichnet im Allgemeinen eine angeborene innere Grundlage den Antrieb eines vom Beobachter wahrnehmbaren Verhaltens von Tieren Im engeren Sinne ist Instinkt ein historischer Fachbegriff der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung Ethologie der ein Verhalten bezeichnet das durch Schlusselreize uber einen angeborenen Auslosemechanismus AAM hervorgerufen werden kann und das sich in einer geordneten Abfolge von stets gleichformigen Instinktbewegungen bedeutungsgleich in erbkoordiniertem Verhalten oder Erbkoordinationen aussert 3 Die Untersuchung der Instinkte und die Erarbeitung einer Instinkttheorie sah die seit den 1930er Jahren aus der Tierpsychologie hervorgegangene klassische vergleichende Verhaltensforschung als eines ihrer wesentlichen Forschungsziele an wahrend die Befurworter des Behaviorismus die Suche nach inneren Ursachen fur Verhaltensweisen grundsatzlich ablehnten Einige Autoren verweisen auf das Phanomen einer spontan ohne ausseren Einfluss ansteigenden Handlungsbereitschaft als wesentliches Element eines Instinkts was eine Nahe zur Triebtheorie diverser psychologischer Schulen zur Folge hat Die Bezeichnung Instinkt wurde jedoch sowohl in der Verhaltensforschung als auch in der Psychologie nie eindeutig definiert sondern von unterschiedlichen Autoren jeweils unterschiedlich verwendet Bereits 1985 hiess es daher im Herder Lexikon der Biologie Instinkt sei ein stets umstrittener Begriff gewesen in der wiss enschaftlichen Terminologie sollte das Wort I nstinkt vermieden werden 3 Inhaltsverzeichnis 1 Wortherkunft 2 Definitionen von Instinkt 2 1 Hermann Samuel Reimarus 2 2 Ernst Heinrich Weber 2 3 Charles Darwin 2 4 Douglas Alexander Spalding 2 5 William James 2 6 George Romanes 2 7 Heinrich Ernst Ziegler 2 8 William McDougall 2 9 Konrad Lorenz 2 10 Nikolaas Tinbergen 3 Anwendung des Instinktbegriffs auf den Menschen 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseWortherkunft BearbeitenDie Bezeichnung Instinkt geht zuruck auf das lateinische Wort instinctus das so viel bedeutet wie Anreiz Antrieb Eingebung Es wurde im 18 Jahrhundert aus dem Begriff instinctae naturae wortlich Naturtrieb abgeleitet Heute wird die Bezeichnung zudem umgangssprachlich oft im ubertragenen Sinne fur ein sicheres Gefuhl fur etwas verwendet und bezeichnet Verhaltensweisen des Menschen die ohne reflektierte Kontrolle ablaufen Das Adjektiv instinktiv bedeutet vom Instinkt geleitet trieb gefuhlsmassig Es wurde im 19 Jahrhundert dem franzosischen Wort instinctif nachgebildet Definitionen von Instinkt BearbeitenSeit dem Mittelalter wurden die Bezeichnungen Instinkt Trieb Impuls und andere mehr zwar benutzt jedoch nicht genauer definiert Instinkte wurden zunachst als gottliche Gabe betrachtet deren genaue Analyse dem menschlichen Geist versagt bleibe wobei auch Gedankengange von Philosophen des antiken Griechenlands aufgegriffen wurden Erst im 19 Jahrhundert nach Fortschritten auf den Gebieten der Anatomie und der Neurologie wurde ein pragmatischerer Zugang zum Phanomen des angeborenen Verhaltens moglich So schrieb William James 1887 uber die Tiere Gottes Wohltatigkeit stattet sie vor allem mit einem Nervensystem aus wenn man diesem seine Aufmerksamkeit schenkt dann erscheinen die Instinkte plotzlich weder als wunderbarer noch als weniger wunderbar als alle anderen Tatsachen des Lebens 4 Hermann Samuel Reimarus Bearbeiten Hermann Samuel Reimarus hatte den Tieren im Jahr 1760 in seiner Schrift Allgemeine Betrachtungen uber die Triebe der Thiere hauptsachlich uber ihre Kunsttriebe Zum Erkenntniss des Zusammenhanges der Welt des Schopfers und unser selbst anstelle von Instinkten noch jedoch gleich bedeutend folgende Triebe zugeschrieben mechanische Triebe der Thiere die vom Bau ihres Korpers abhangig seien Vorstellungstriebe gepragt durch Gewohnheiten Zu und Abneigungen willkurliche Triebe die der Selbsterhaltung dienten und schliesslich Kunsttriebe die zur Erhaltung jedes Thieres und seiner Art dienten 5 Ernst Heinrich Weber Bearbeiten Gelegentlich wurde die Bezeichnung Instinkt auch auf geistige nicht bewusste Vorgange des Menschen angewandt so beispielsweise 1846 von dem Physiologen und Anatom Ernst Heinrich Weber Wenn man den Begriff des Instinktes allgemeiner fassen will als es gewohnlich geschieht wenn man die unbekannte Ursache von einer jeden angeborenen zweckmassigen Tatigkeit zu der sich die Seele nicht selbst bestimmt Instinkt nennen will mag sich nun diese Tatigkeit auf die Bildung von Vorstellungen oder auf die Hervorbringung von Bewegungen beziehen so kann man jene Seelenanlage auch als einen intellektuellen Instinkt bezeichnen 6 Charles Darwin Bearbeiten Charles Darwin verstand unter Instinktverhalten zum einen Verhaltensweisen die vollkommen ohne Erfahrung schon beim erstmaligen Ausfuhren beherrscht werden zum anderen aber auch solche die durch Erfahrung erworben wurden In seinem Werk Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren beschreibt Darwin 1872 beispielsweise dass Tiere durch das Aufrichten ihrer Haare ihren Feinden gegenuber grosser und furchtbarer aussehen dabei eine drohende Stellung einnehmen und dass ferner derartige Stellungen und Laute nach einer Zeit durch Gewohnheit instinktiv wurden 7 8 Douglas Alexander Spalding Bearbeiten Douglas Alexander Spalding der bereits 1873 das 60 Jahre spater von Konrad Lorenz popularisierte Phanomen der Pragung untersucht hatte beschrieb den Instinkt 1872 als Inherited Association geerbte Assoziation die das Produkt der angehauften Erfahrungen fruherer Generationen sei the product of the accumulated erxperiences of past generations 9 William James Bearbeiten Der US amerikanische Psychologe und Philosoph William James verfasste 1872 eine auch heute noch hilfreiche Formulierung der zufolge der Instinkt die Fahigkeit sei sich so zu verhalten dass gewisse Ziele erreicht werden ohne die Voraussicht dieser Ziele und ohne vorherige Erziehung oder Erfahrung 10 George Romanes Bearbeiten Der britische Evolutionsbiologe George Romanes grenzte 1885 in seinem Buch Die geistige Entwicklung im Tierreich den Instinkt von den Reflexen ab wobei der auf den Unterschied von Empfindung und Wahrnehmung abhob Instinkt ist Reflexthatigkeit in die ein Bewusstseinselement hineingetragen ist Der Ausdruck gemeint ist Instinkt ist deshalb ein die Gattung betreffender insofern er alle geistigen Fahigkeiten umfasst welche bei einer der individuellen Erfahrung vorausgehenden bewussten und anpassenden Handlungen beteiligt waren ohne notwendige Kenntnis der Beziehungen zwischen den angewandten Mitteln und dem erreichten Zwecke aber ahnlich ausgefuhrt unter ahnlichen und haufig wiederkehrenden Umstanden bei allen Individuen ein und derselben Art Aus dieser Definition des Instinkts folgt dass ein Reiz welcher eine Reflexthatigkeit hervorruft uber eine Empfindung nicht hinausgeht dagegen verursacht ein Reiz der eine instinktive Thatigkeit zur Folge hat eine Wahrnehmung 11 George Romanes unterschied Empfindung und Wahrnehmung dahingehend dass die Empfindungen durch das Bewusstsein klassifiziert und so zur Wahrnehmung veredelt werden Wahrnehmung sei Empfindung plus dem geistigen Inkredienz der Interpretation 12 Heinrich Ernst Ziegler Bearbeiten Der deutsche Zoologe Heinrich Ernst Ziegler 1858 1925 unterstutzte 1904 die Reflexkettentheorie und schrieb dass Reflexe und die Instinkte auf ererbten kleronomen Bahnen des Nervensystems beruhen und dass sich die Instinkte aus Reflexen durch grossere Komplikationen gebildet haben 13 William McDougall Bearbeiten William McDougall definierte Instinkt 1908 als eine ererbte oder angeborene psychophysische Disposition und wies ihm drei Teilprozesse zu 14 einen kognitiven Teilprozess Der Instinkt bestimme wie Objekte einer bestimmten Klasse mittels der Sinne wahrgenommen werden und welche Aufmerksamkeit ihnen geschenkt wird einen affektiven Teilprozess Der Instinkt bestimme im Falle der Wahrnehmung eines solchen Objekts welche emotionale Erregung einer ganz bestimmten Qualitat erlebt wird einen motivationalen Teilprozess Der Instinkt bestimme in welcher ganz bestimmten Weise in Bezug auf das Objekt gehandelt oder zumindest der Impuls zu einer solchen Handlung erlebt wird Jedem Instinkt ordnete McDougall zudem noch eine entsprechende Emotion zu z B Fluchtinstinkt Furcht Bis in die 1930er Jahre hielten die Vitalisten die Instinkte einer naturwissenschaftlichen Forschung weder zuganglich noch bedurftig wir betrachten den Instinkt aber wir erklaren ihn nicht schreib Johan Bierens de Haan noch 1940 15 Konrad Lorenz Bearbeiten Konrad Lorenz schrieb 1950 Als einen Instinkt oder Trieb bezeichnen wir ein im Ganzen spontan aktives System von Verhaltensweisen das funktionell genugend einheitlich ist um einen Namen zu verdienen 16 Die Instinkte wurden also auf physiologische Prozesse letztlich hypothetisch auf Verschaltungen von Nervenzellen im Gehirn zuruckgefuhrt und sie wurden daher grundsatzlich einer naturwissenschaftlichen experimentellen Untersuchung zuganglich gemacht Nikolaas Tinbergen Bearbeiten Nikolaas Tinbergen definierte 1951 17 Instinkt als einen hierarchisch organisierten Mechanismus im Nervensystem der auf bestimmte innere und aussere vorwarnende auslosende und richtende Impulse anspricht und sie mit koordinierten lebens und arterhaltenden Bewegungen beantwortet also ein komplexes System aus Schlusselreizen hierdurch verursachten inneren Zustandsanderungen vgl Angeborener Auslosemechanismus und nachfolgenden Instinktbewegungen Anwendung des Instinktbegriffs auf den Menschen BearbeitenDer US amerikanische Soziologe und Sozialpsychologe Luther Lee Bernard stellte 1926 einen Katalog der in der Literatur gefundenen Instinkte zusammen und fand 5684 verschiedene Instinkte 18 Der kanadische Sozialpsychologe Otto Klineberg nannte 1954 drei Kriterien die erfullt sein mussen um auch beim Menschen von Instinkt reden zu konnen 19 Phylogenetische Kontinuitat Das Verhalten muss bei unterschiedlichen Arten zu beobachten sein vor allem bei Menschenaffen Biochemische und physiologische Grundlagen Das Verhalten muss im Organismus des Menschen eine Pradisposition aufweisen also dort verankert sein Universalitat des Verhaltens Das Verhalten muss in allen Gesellschaften bzw Kulturen vorzufinden sein In der Fachliteratur wird die Bezeichnung Instinkt heute allenfalls vorsichtig in Bezug auf den Menschen benutzt und zum Beispiel durch angeborenes Verhalten ersetzt Das hat vor allem drei Grunde 20 Zum einen haben neuere Ergebnisse der Sozialisationsforschung und der Verhaltensbiologie die Naturhaftigkeit von Verhaltensweisen teilweise widerlegt Zum anderen werden Verhaltensweisen nur mit der Bezeichnung Trieb oder Instinkt belegt ohne dass dies das Verhalten erklart die zu findende Erklarung wird vielmehr bloss vom beobachtbaren Verhalten auf das Instinkt Konzept verschoben Beispiel Jemand fluchtet nach einem Unfall man gehorcht dem Fluchtinstinkt oder man hilft man gehorcht dem Helferinstinkt Wissenschaftstheoretisch spricht man hier von einer Problemdopplung Es ist nicht mehr nur das Verhalten zu erklaren sondern auch die als Instinkt bezeichnete hypothetische Ursache des Verhaltens Zusatzlich ist das hypothetische Phanomen Instinkt als Erklarungsgrosse kaum zu widerlegen Die Unmoglichkeit einer Falsifikation bedeutet jedoch dass der Informationsgehalt der Erklarung minimal ist Der deutsche Philosoph und Soziologe Arnold Gehlen 1904 1976 hatte bereits 1940 eine erbliche Instinktreduktion beim Menschen postuliert den er allgemein als Mangelwesen sah 21 Im Metzler Lexikon Philosophie schreibt Jorg Schmidt Bei Instinkten spielen die kognitiven Fahigkeiten eine untergeordnete Rolle jedoch ist gegen die Meinung der philosophischen Anthropologie kein Gegensatz zu den Vernunftstrukturen vorhanden 22 Siehe auch BearbeitenProximate und ultimate Ursachen von VerhaltenWeblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Instinkt Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wikiquote Instinkt Zitate Der Instinkt Ein nachgelassaner Essay von Charles Darwin In Georges Romanes Die geistige Entwicklung im Tierreich Darwinistische Schriften Zweite Folge Band V Anhang Ernst Gunthers Verlag Leipzig 1887 Volltext bei archive org Einzelnachweise Bearbeiten Duden Naturtrieb abgerufen am 9 August 2016 Eduard Teller Wegweiser durch die drei Reiche der Natur fur Lehrende und Lernende Otto Spamer Leipzig 1875 S 384 f Alle Thiere haben einen Instinkt Naturtrieb d h einen angeborenen Trieb das zu thun was zu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung nothig ist a b Lexikon der Biologie Band 4 Herder Verlag Freiburg im Breisgau 1985 S 373 ISBN 3 451 19644 1 God s beneficence endows them first of all with a nervous system and turning our attention to this makes instinct immediately appear neither more nor less wonderful than all the other facts of life William James What is an Instinct Scribner s Magazine Band 1 1887 S 356 Volltext englisch Zitiert aus Ilse Jahn Hrsg Geschichte der Biologie 3 Auflage Spektrum Akademischer Verlag 2000 S 252 Ernst Heinrich Weber Der Tastsinn und das Gemeingefuhl In R Wagner Handworterbuch der Physiologie Band 3 3 Vieweg Braunschweig 1846 S 481 ff hier S 487 Digitalisate Google Books Echo Charles Darwin Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren Eichborn Frankfurt am Main 2000 Kritische Edition S 117 im Original such attitudes and utterances after a time becoming through habit instinctive Charles Darwin The expression of the emotions in man and animals 1st edition John Murray London 1872 S 103 f online Paul Lange Die Lehre vom Instinkte bei Lotze und Darwin 1896 Digitalisat Douglas Alexander Spalding On instinct In Nature Band 6 Nr 154 1872 S 485 486 doi 10 1038 006485a0 Zitiert aus Lexikon der Biologie Band 4 Freiburg 1985 S 373 George Romanes Die geistige Entwicklung im Tierreich Darwinistische Schriften Zweite Folge Band V Ernst Gunthers Verlag Leipzig 1887 S 169 Volltext bei archive org George Romanes Die geistige Entwicklung im Tierreich S 132 Heinrich Ernst Ziegler Der Begriff des Instinktes einst und jetzt Eine Studie uber die Geschichte und Grundlagen der Tierpsychologie Jena 1904 hier zitiert aus Ilse Jahn Hrsg Geschichte der Biologie 3 Auflage Spektrum Akademischer Verlag 2000 S 587 William McDougall An Introduction to Social Psychology 14 Auflage Batoche Books Kitchener Ontario 2001 S 33 Volltext PDF Zitiert aus Konrad Lorenz Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen der Ethologie Springer Verlag Wien und New York 1978 ISBN 978 3 7091 3098 8 S 2 Konrad Lorenz Vergleichende Verhaltensforschung Grundlagen der Ethologie S 175 Nikolaas Tinbergen The Study of Instinct Oxford University Press New York 1951 L L Bernard Instinct A study in social psychology Henry Holt New York 1926 Otto Klineberg Social Psychology New York 1954 S 69 Helmut E Luck Einfuhrung in die Psychologie sozialer Prozesse Kurseinheit 1 4 Fernuniversitat Hagen 2000 Kurs 03251 Arnold Gehlen Der Mensch Seine Natur und seine Stellung in der Welt 16 Auflage Wiebelsheim 2014 S 26 ISBN 978 3 89104 781 1 Erstauflage 1940 Instinkt Abgerufen am 24 April 2023 Normdaten Sachbegriff GND 4161880 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Instinkt amp oldid 235482223