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Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren im englischen Original The Expression of the Emotions in Man and Animals ist der Titel eines Werkes von Charles Darwin dessen Erstausgabe am 26 November 1872 erschien Dreizehn Jahre nach der Veroffentlichung seines Hauptwerkes Die Entstehung der Arten und unmittelbar nach der Herausgabe von Die Abstammung des Menschen 1871 wandte er in dieser Schrift die Abstammungslehre auf die Biologie des Verhaltens an Schrecken Stich nach einer Fotografie von Guillaume Duchenne Enttauschung Demut In Ausdruck so kurzte Darwin den Titel haufig ab 1 untersuchte er unter anderem ob die Art und Weise wie die Aktivitat der Gesichtsmuskeln des Menschen die Mimik seine Emotionen sichtbar macht durch Lernen erworben oder unabhangig vom Kulturkreis des Einzelnen gleichformig und daher vermutlich angeboren sei Auch wies er auf zahlreiche Parallelen beim Ausdrucksverhalten von Mensch und Tier hin und deutete diese Ubereinstimmungen als Stutze fur seine Theorie einer Abstammung des Menschen und der Tiere von gemeinsamen Vorfahren Seine Argumentation war von Beginn an umstritten und sein Buch geriet fur Jahrzehnte sogar nahezu in Vergessenheit Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Inhalt 3 Wirkung 4 Siehe auch 5 Literatur 5 1 Erstausgaben 5 2 Kritische Ausgaben 5 3 Jungere Forschungsarbeiten 6 Weblinks 7 BelegeEntstehungsgeschichte BearbeitenCharles Darwin begann mit der Niederschrift von Ausdruck zwei Tage nachdem er die Druckfahnen von Die Abstammung des Menschen letztmals korrekturgelesen hatte und er schloss seine Arbeit an diesem Werk bereits vier Monate spater ab 2 Erste Voruberlegungen zu den biologischen Grundlagen des Ausdrucksverhaltens hat Darwin eigenem Bekunden zufolge jedoch bereits seit Anfang 1840 nach der Geburt seines ersten Kindes notiert Ich achtete auf diesen Punkt bei meinem erstgebornen Kinde welches nicht durch den Verkehr mit anderen Kindern gelernt haben konnte und kam zu der Uberzeugung dass es ein Lacheln verstand und Freude empfand ein solches zu sehen es auch durch ein gleiches beantwortete in einem viel zu fruhen Alter als dass es irgend etwas durch Erfahrung gelernt haben konnte 3 Vier Monate nach Erscheinen waren bereits 9000 Exemplare von Ausdruck verkauft danach aber stockte der Absatz 4 deshalb wurde eine von Darwin vorbereitete und von ihm gewunschte zweite uberarbeitete Auflage zu seinen Lebzeiten nicht mehr realisiert Diese zweite Ausgabe erschien erst 1889 sie blieb aber nahezu unbeachtet die zahlreichen Nachdrucke in englischer Sprache und die Ubersetzungen basierten durchweg auf der ersten Auflage 5 Der Herausgeber der zweiten Auflage sein Sohn Francis Darwin fugte in den Text der ersten Auflage zahlreiche Erganzungen als Fussnoten ein deren Material Charles Darwin zumeist von begeisterten Lesern zugeschickt bekommen hatte und mit denen er seine Argumentation weiter stutzen wollte ferner diverse Uberarbeitungen des Textes die Darwin u a als Reaktion auf kritische Besprechungen seines Werks ebenfalls bereits in seinem Handexemplar von Ausdruck notiert hatte Ausserdem fugte Francis Darwin auf eigene Faust weitere Erganzungen ein und liess andere vom Vater gewunschte Anderungen aus Die im Jahr 1998 auf Englisch und zwei Jahre spater auf Deutsch erschienene Kritische Edition von Paul Ekman entstand nach Durchsicht des erhaltenen Handexemplars von Charles Darwin sowie auf Grundlage der zweiten Auflage Diese dritte Fassung kann als vollstandig gelten weil sie auch Veranderungen enthalt die Charles Darwin wunschte die aber sein Sohn nicht in die zweite Auflage aufnahm 6 Bereits im Jahr der englischen Erstveroffentlichung erschien eine deutsche Ubersetzung des Zoologen Julius Victor Carus deren Text auch der deutschen Fassung der Kritischen Edition zugrunde gelegt wurde Inhalt Bearbeiten nbsp Illustrationen zu Leiden und Weinen nbsp Die Bilder links zeigen verschiedene Grade von Lacheln Die Bilder rechts zeigen denselben Mann in der Mitte mit echter Freude unten mit einem bemuhten Ausdruck Vor Darwin interessierten sich wie Paul Ekman festhalt 7 vor allem Physiognomiker fur den Gesichtsausdruck des Menschen die der Ansicht waren aus der statischen Erscheinung des Gesichts der Masse und Form der Gesichtszuge und ihrem Verhaltnis zueinander lasse sich der Charakter oder die Personlichkeit erkennen Die zentrale Fragestellung des Buches ist demgegenuber ob die Bewegungen der Gesichtsmuskeln wenn wir verlegen traurig zornig oder uberrascht sind durch Lernen erworben oder angeboren sind Darwin vertritt die Ansicht dass solche ausserlich sichtbaren Gefuhlsregungen weltweit verbreitet und daher angeboren sind dass auch andere Lebewesen zumindest einige dieser Emotionen besitzen und bestimmte Ausdrucksweisen von Tieren denen des Menschen ahneln Er stutzt seine Argumentation u a auf Beobachtungen von Gewahrsleuten die auf seine Bitten hin in damals abgelegenen Regionen das Ausdrucksverhalten von so genannten Eingeborenen beschrieben Beim Menschen lassen sich einige Formen des Ausdrucks so das Strauben des Haares unter dem Einflusse des aussersten Schreckens oder das Entblossen der Zahne unter dem der rasenden Wut kaum verstehen ausgenommen unter der Annahme dass der Mensch fruher einmal in einem viel niedrigeren und tierahnlichen Zustande existiert hat Die Gemeinsamkeit gewisser Ausdrucksweisen bei verschiedenen aber verwandten Spezies wird etwas verstandlicher wenn wir an deren Abstammung von einem gemeinsamen Vorlaufer glauben 8 Nach den zahlreichen anatomischen palaontologischen und geologischen Belegen die Darwin in seinen fruheren Werken als Stutze der Evolutionstheorie angefuhrt hat beleuchtet er in Ausdruck das Verhalten des Menschen sowie das von Katzen Hunden Pferden Menschenaffen und vielen anderen Tieren Deren Ausdrucksbewegungen beschreibt Darwin jedoch nicht bloss er sucht vielmehr auch Antworten auf die Frage warum eine bestimmte Bewegung oder physiologische Reaktion und nicht eine andere parallel zu einer bestimmten Gefuhlsregung auftritt Beispielsweise analysiert er in Kapitel 13 eingehend warum die Menschen vor Verlegenheit erroten und nicht blass werden Zu den Emotionen die Darwin erortert gehoren u a Leiden und Weinen Niedergeschlagenheit und Verzweiflung Freude Liebe und Andacht Uberlegenheit und Entschlossenheit Hass und Zorn Verachtung Hilflosigkeit und Stolz Scham und Schuchternheit Dem Beginn seiner Analysen stellt Darwin drei Prinzipien voran anhand derer er die Frage nach dem Warum einer Ausdrucksbewegung zu beantworten versucht Das erste Prinzip bezeichnet er als zweckmassige Gewohnheit Bestimmte Ausdrucksformen hatten sich bei den Vorfahren der heute lebenden Individuen als nutzlich erwiesen und seien daher beibehalten worden Darwin fuhrt dies auf physikalische Veranderungen in den Nervenzellen oder Nerven zuruck denn im andern Falle ware es unmoglich zu verstehen warum die Neigung zu gewissen erworbenen Bewegungen vererbt wird 9 Das zweite Prinzip des Gegensatzes stellt heraus dass einige Elemente des Ausdrucksverhaltens im Verlauf der Stammesgeschichte beibehalten wurden weil sie anders aussehen als die entgegengesetzte Emotion Als Beispiel fuhrt Darwin an dass der Mensch in bestimmten Situationen die Arme hangen lasse und mit der Schulter zucke wenn er sich unsicher fuhle weil diese Bewegungen das Gegenteil derjenigen seien die ein aggressiv gestimmter Mensch mache Zum dritten fuhrt Darwin schliesslich das Prinzip der direkten Wirkung des erregten Nervensystems auf den Korper unabhangig vom Willen und zum Teil von der Gewohnheit ein 10 ein Prinzip dem Darwin spater selbst Undeutlichkeit 11 bescheinigte Dieses dritte Prinzip nimmt Fragestellungen vorweg die Sigmund Freud in seiner Theorie des Unbewussten aufgriff und die von der Hormonforschung und den Neurowissenschaften auch hundert Jahre nach Darwin noch nicht beantwortet werden konnten Wirkung BearbeitenBei seiner Veroffentlichung im Jahr 1872 war Ausdruck ein Bestseller Bereits die englische Erstausgabe hatte 7000 Exemplare und binnen weniger Jahre erschienen Ubersetzungen ins Deutsche Hollandische Franzosische Italienische und Russische Aber schon kurz nach der Wende zum 20 Jahrhundert geriet das Buch nahezu in Vergessenheit Zu Darwins Zeit wusste jeder gebildete Mensch Bescheid uber seine Arbeit und seine revolutionare Theorie Heute weiss der Laie ebenso wie der Fachmann wer Darwin ist aber sein Buch uber das Ausdrucksverhalten kennt man nicht Viele Biologen wissen nicht einmal dass Darwin solch ein Buch geschrieben hat in der Psychologie der Soziologie und der Anthropologie findet man in dem Jahrhundert nach Veroffentlichung von Ausdruck wenige Hinweise darauf 12 Der Herausgeber der Kritischen Edition Paul Ekman fuhrt mehrere Grunde an warum Ausdruck von den nachfolgenden Wissenschaftlern nicht mehr rezipiert wurde Zum einen widersprachen die empirischen Belege dass die Gemutsbewegungen auch des Menschen eine Folge der Evolution und daher Bestandteil seines biologischen Erbes sind einer der aufkommenden im englischsprachigen Raum rasch dominierenden Lehre uber die Ursachen von Verhalten John B Watson und der von ihm begrundete Behaviorismus fuhrten beispielsweise jegliches Lernen auf Reiz Reaktions Verknupfungen zuruck Erfahrung so verkundete er sei das einzige worauf sich eine recht verstandene Psychologie zu konzentrieren habe Dass Watsons Ansicht solche Popularitat gewann mag Ausdruck der Tatsache sein dass sie mit dem demokratischen Zeitgeist in Einklang stand mit der Hoffnung dass sich soziale Gleichheit erreichen liess wenn die Menschen allesamt in Milieus leben konnten die ihnen gunstig waren 13 Zugleich dominierte auch in der Anthropologie die besonders pointiert von Margaret Mead vertretene Theorie dass die Kultur das soziale Leben vollstandig bestimme Eine Reihe von Ethnologen behauptete es gebe keine angeborenen Komponenten beim Ausdrucksverhalten keine kulturubergreifenden Konstanten bei irgendeinem Aspekt der menschlichen Mimik 14 Erst spatere Forscher wie Irenaus Eibl Eibesfeldt der Begrunder der Humanethologie bestatigten anhand systematisch erhobener Belege Darwins Argumentation gleichwohl wird von einzelnen Forschern auch weiterhin bestritten dass die Emotionen Freude Erstaunen Angst Ekel Zorn und Trauern kulturubergreifende Konstanten sind 15 nbsp Aggressivitat Kritisiert wurde Darwin von vielen Wissenschaftlern ferner weil er zahlreiche Verhaltensweisen der Tiere und des Menschen als wesensgleich beschrieb den Tieren also auch Gefuhle zuschrieb Er beschrieb ja nicht bloss distanziert das Ausdrucksverhalten sondern ausdrucklich uber ihre Gemutsbewegungen denn Darwin war uberzeugt davon und versuchte auch seine Leser davon zu uberzeugen dass Emotionen und ihr Ausdruck keine ausschliessliche Eigentumlichkeit des Menschen sind 16 Mit Blick auf die Situation zu Beginn des 21 Jahrhunderts fahrt Ekman fort Unter denen die tierisches Verhalten studieren herrscht derzeit Uneinigkeit in der Frage ob man Ausdrucksformen als Zeichen von Gemutsbewegungen in Verbindung mit inneren physiologischen Prozessen betrachten kann Ein weiterer Kritikpunkt richtete sich gegen Darwins Vorgehensweise seine Argumentation durch zahllose Beispiele zu beglaubigen aber keine systematisch erhobenen Daten vorzulegen tatsachlich erwiesen sich etliche seiner Beispiele spater als fehlerhaft interpretiert Paul Ekman zufolge anderte sich erst Ende der 1960er Jahre das intellektuelle Klima so dass Darwins Buch wieder als wichtiges historisches Dokument wahrgenommen wurde Beigetragen hatte hierzu der Aufschwung der Ethologie dessen fuhrenden Vertretern Karl von Frisch Nikolaas Tinbergen und Konrad Lorenz 1973 der Nobelpreis fur Physiologie oder Medizin fur ihre Entdeckungen betreffend den Aufbau und die Auslosung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern 17 zugesprochen wurde Unabhangig von der Ethologie entfaltete sich zudem einerseits die Verhaltensgenetik andererseits die Kognitionspsychologie und die Ausdruckspsychologie Jungste Glieder dieser Diversifizierung von heute zumeist interdisziplinaren Forschungsansatzen sind im Bereich der Biowissenschaften die Hirnforschung und die Computational Neuroscience im Bereich der Psychologie die Evolutionare Psychologie die Neuropsychologie und die Biopsychologie Paul Ekman fasste die Bedeutung von Darwins Buch fur die Gegenwart wie folgt zusammen In Ausdruck finden sich viele Beobachtungen und Erklarungen die auch nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand zutreffend sind andere sind wie wir heute wissen vollig irrig und ein paar gibt es uber die sich die Wissenschaft bis heute streitet 18 Siehe auch BearbeitenCharles Darwin Die Bildung der Ackererde durch die Tatigkeit der Wurmer DrohstarrenLiteratur BearbeitenErstausgaben Bearbeiten The Expression of the Emotions in Man and Animals John Murray London 1872 digitalisierte Fassung Der Ausdruck der Gemuthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren Aus dem Englischen ubersetzt von J Victor Carus E Schweizerbart sche Verlagshandlung E Koch Stuttgart 1872 digitalisierte Fassung der Ausgabe von 1877Kritische Ausgaben Bearbeiten The Expression of the Emotions in Man and Animals Definitive Edition Herausgegeben von Paul Ekman Oxford University Press USA 1998 ISBN 0195112717 Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren Kritische Edition Einleitung Nachwort und Kommentar von Paul Ekman Ubersetzt von Julius Victor Carus und Ulrich Enderwitz Eichborn Frankfurt am Main 2000 Reihe Die Andere Bibliothek ISBN 3 8218 4188 5 Jungere Forschungsarbeiten Bearbeiten Carlos Crivelli et al The fear gasping face as a threat display in a Melanesian society In PNAS Band 113 Nr 44 2016 S 12403 12407 doi 10 1073 pnas 1611622113 Hintergrundinformationen englisch Weblinks Bearbeiten nbsp Commons The Expression of the Emotions in Man and Animals Album mit Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Der Ausdruck der Gemuthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren Erstausgabe 1877 Quellen und VolltexteBelege Bearbeiten Paul Ekman Vorwort zur Kritischen Edition In Charles Darwin Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren Kritische Edition Einleitung Nachwort und Kommentar von Paul Ekman Ubersetzt von Julius Victor Carus und Ulrich Enderwitz 1 Auflage Eichborn Verlag Frankfurt am Main 2000 S IX ISBN 3 8218 4188 5 nachfolgend zitiert als Darwin Kritische Edition Darwin Kritische Edition S XXII f Darwin Kritische Edition S 397 Paul Ekman vermutet S IX dies habe daran gelegen dass jeder in England der ein Exemplar wollte es in diesen Anfangsmonaten kaufte Darwin Kritische Edition S IX Darwin Kritische Edition S X Darwin Kritische Edition S XXIII Darwin Kritische Edition S 20 Darwin Kritische Edition S 37 Paul Ekman merkt hierzu in einem Kommentar an Darwins These dass solche Veranderungen im Gehirn schliesslich vererbt werden setzt die Theorie von der Vererbung erworbener Eigenschaften voraus von der wir mittlerweile wissen dass sie unzutreffend ist S 38 Darwin Kritische Edition S 75 Darwin Kritische Edition S 95 so Paul Ekman In Darwin Kritische Edition S XXIV f Paul Ekman In Darwin Kritische Edition S XXXI Paul Ekman In Darwin Kritische Edition S XXXII Rachael E Jack et al Facial expressions of emotion are not culturally universal In PNAS Online Vorabveroffentlichung vom 16 April 2012 doi 10 1073 pnas 1200155109 Ekman In Darwin Kritische Edition S XXV im Original for their discoveries concerning organization and elicitation of individual and social behaviour patterns Darwin Kritische Edition S XI Ekman hat in der Kritischen Edition Darwins Text vielfach kommentiert und wo notig unter Verweis auf jungere Forschungsergebnisse korrigiert nbsp Dieser Artikel wurde am 21 Dezember 2008 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Werk GND 4200940 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Ausdruck der Gemutsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren amp oldid 237035122