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Die Biopsychologie oder Biologische Psychologie englisch teilweise biopsychology sonst behavioral neuroscience ist ein Teilgebiet der Psychologie Sie beschaftigt sich mit Zusammenhangen zwischen biologischen Mechanismen im Korper neuronalen hormonellen biochemischen Prozessen und dem Verhalten von Menschen und Tieren 1 Biopsychologische Forschung untersucht zum einen wie biologische Strukturen und Vorgange beispielsweise des Gehirns des kardiovaskularen endokrinen und immunologischen Systems sich auf Verhalten Emotionen Traume und Denken auswirken Zum anderen wie psychische Zustande und Vorgange biologische Strukturen und Funktionen beeinflussen Thematisch uberschneidet sich die Biopsychologie mit der Psychobiologie die aus dem Blickwinkel der Biologie das Zusammenspiel von Gehirn und Verhalten erforscht Der Ausdruck Psychobiologie wurde erstmals vom US amerikanischen Psychologen Knight Dunlap in seinem Buch An Outline of Psychobiology 1914 in seinem modernen Sinne verwendet Dunlap war zudem Grunder und Chefredakteur der Fachzeitschrift Psychobiology In der Ankundigung dieser Zeitschrift schreibt Dunlap dass die Zeitschrift Forschungsergebnisse veroffentlichen wird die die Verbindung von mentalen und physiologischen Funktionen betreffen 2 Inhaltsverzeichnis 1 Abgrenzung von Teilbereichen 1 1 Physiologische Psychologie 1 2 Psychopharmakologie 1 3 Neuropsychologie 1 4 Psychophysiologie 1 5 Kognitive Neurowissenschaft 1 6 Vergleichende Psychologie 2 Historische Entwicklung 3 Methoden 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseAbgrenzung von Teilbereichen BearbeitenDie Biopsychologie lasst sich in sechs Teilbereiche einteilen Diese haben unterschiedliche Schwerpunkte und damit verbunden auch verschiedene Herangehensweisen Allerdings lassen sich die Teilbereiche nicht vollkommen voneinander abgrenzen da es oftmals zu Uberschneidungen kommt 3 Physiologische Psychologie Bearbeiten Physiologische Psychologie ist der Titel des 1874 erschienen Werks von Wilhelm Wundt 1832 1920 mit dem er Psychologie weltweit erstmalig nach methodischen Grundlagen der Naturwissenschaft zu betreiben versuchte und damit Experimentalpsychologie begrundete Nach den Methoden der Physiologischen Psychologie steht die Untersuchung der neuronalen Mechanismen des Verhaltens im Vordergrund und damit insbesondere das Zentralnervensystem Die Physiologische Psychologie ist stark grundlagenwissenschaftlich orientiert Bei ihr steht der Anwendungsaspekt eher im Hintergrund denn sie untersucht Phanomene insbesondere im Hinblick auf die Weiterentwicklung bereits bestehender Modelle oder um neue Theorien zu bilden So wurde der Beitrag des Hippocampus an Gedachtnisleistungen untersucht indem dieser bei Ratten chirurgisch entfernt und die Leistung der Ratten in verschiedenen Gedachtnisaufgaben untersucht wurde Ein populares Experiment fuhrte der spanische Neurologe Jose Manuel Rodriguez Delgado in den 1960er Jahren mit einem Stier durch Er konnte gezielt den Nucleus caudatus per Funk elektrisch reizen sodass dieser immer wenn er zum Angriff ansetzte innehielt und stattdessen anfing sich im Kreis zu drehen 4 Manchmal wird die Physiologische Psychologie aber auch als direktes Synonym zur Biopsychologie benutzt Die Biologische Psychologie und die Physiologische Psychologie haben sich nahezu parallel zu den ubrigen Neurowissenschaften entwickelt und werden auch teilweise als Teilgebiete der Neurowissenschaften betrachtet Wahrend die Biologische Psychologie die Zusammenhange zwischen den biologischen Prozessen in allen Organen des Korpers und dem Verhalten erforscht beschaftigt sich die Physiologische Psychologie interdisziplinar ausschliesslich mit den Beziehungen zwischen Gehirn und Verhalten 5 Psychopharmakologie Bearbeiten Hauptartikel Psychopharmakologie Untersucht die Wirkung von Pharmaka und Drogen auf Gehirn und Verhalten Dabei beruft man sich oft auch auf Methoden der Psychophysiologie sowie neuropsychologischer Testverfahren Zum Beispiel wie durch Gabe von Pharmaka die die Verfugbarkeit des Neurotransmitters Acetylcholin erhohen das Gedachtnis von Alzheimer Patienten verbessert werden kann Neuropsychologie Bearbeiten Hauptartikel Neuropsychologie Untersucht psychische Effekte von Hirnschadigungen an menschlichen Patienten Da hier aus ethischen Grunden keine Experimente durchgefuhrt werden konnen untersucht man spezielle Einzelfalle Beispiele sind Henry Gustav Molaison auch bekannt als H M der an einer speziellen Erinnerungsschadigung litt oder Phineas Gage dem bei einem Unfall eine Eisenstange durch seinen Schadel flog und dabei Lasionen im prafrontalen Kortex erlitt Durch die Betrachtung von Verhaltensauffalligkeiten solcher Einzelfalle die im Allgemeinen lokalisierbar sind kann dann auf die Bedeutung des geschadigten Hirnareals geschlossen werden Die Neuropsychologie ist stark anwendungsbezogen und versucht die Situation der Patienten stets zu verbessern dafur werden viele Grundlagen der biopsychologischen Grundlagenforschung mit einbezogen Schon 1934 fanden englische Naturwissenschaftler heraus dass blinde Affen dahingehend trainiert werden konnten dass sie auf bestimmte Bilder mit Furcht reagierten Erst in neuerer Zeit gelang es einen Menschen mit einem seltenen Krankheitsbild sodass festgestellt wurde Trotz zerstorter Sehrinde ist ein unbewusstes Sehen moglich obwohl die Person angab nichts sehen zu konnen konnte sie Gegenstanden beim Herumlaufen in einem Raum ausweichen siehe Rindenblindheit und Blindsehen Psychophysiologie Bearbeiten Hauptartikel Psychophysiologie Untersucht die Beziehung zwischen physiologischer Aktivitat und psychischen Prozessen am Menschen Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei oft auf Stress Emotionen biologischen Rhythmen Belastung am Arbeitsplatz und der Analyse kognitiver Prozesse Die Psychophysiologie schliesst auch Beobachtungen hirnelektrischer Vorgange die Aktivitat des Herzkreislaufsystems der Muskulatur und der Haut in ihre Beobachtungen mit ein Zunehmend kommen auch immer weitere bildgebende Verfahren zum Einsatz Die Psychophysiologie entstammt ursprunglich aus der medizinischen Diagnostik Heute hat sie sich zur Aufgabe gemacht Indikatoren zu liefern die geeignet sind um psychische Ablaufe auf nicht verbalem Weg zu untersuchen Man fand heraus dass sogar bei Patienten die nach einer Gehirnschadigung angaben keine Gesichter mehr wahrnehmen zu konnen vertraute Gesichter ubliche Veranderungen in der Aktivitat des autonomen Nervensystems hervorriefen Kognitive Neurowissenschaft Bearbeiten Hauptartikel Kognitive Neurowissenschaft Untersucht die neuronalen Mechanismen der menschlichen Kognition hauptsachlich unter Verwendung funktionaler bildgebender Verfahren Mit Hilfe dieser Verfahren konnen Veranderungen der Aktivitat in verschiedenen Teilen des Gehirns sichtbar gemacht werden wahrend Probanden z B Gedachtnisaufgaben losen Vergleichende Psychologie Bearbeiten Untersucht die Evolution Genetik und Adaptivitat des Verhaltens verschiedener Spezies Das konnen nahe Verwandte des Menschen Primaten oder andere Arten sein So konnte z B gezeigt werden dass Vogelarten die Samenvorrate verstecken relativ grosse Hippocampi haben was anzeigt dass der Hippocampus fur das Ortsgedachtnis wichtig ist Historische Entwicklung BearbeitenDie Biologische Psychologie begann als Forschungsdisziplin im deutschen Sprachraum wurde aber in den Jahren 1933 1945 dort fast vollig zerstort und konnte sich nur ungenugend erholen 6 Seit einigen Jahren ist das Ansehen der Biopsychologie jedoch wieder gestiegen da man deren Wichtigkeit erkannt hat zum Beispiel bei der Eindammung von Suchtkrankheiten Das Gesundheitswesen tragt sicherlich auch einen Teil dazu bei dass sich die Biopsychologie in den letzten Jahren ausgeweitet hat da es dort ein Umdenken gab Davor war die Diagnostik in der Medizin grosstenteils technisch apparativ gepragt und wurde von einer primar pharmakologischen Therapie begleitet Dies hatte zur Folge dass die Kosten im Gesundheitswesen immer weiter gestiegen sind Aber auch immer mehr Arzte und Patienten wunschten sich ein ganzheitliches Konzept fur Korper und Psyche bzw Seele Bereits bei der Grundung der Psychologie als Wissenschaft spielten die physiologische und biologische Psychologie eine zentrale bisweilen pragende Rolle Mit dem Lehrbuch Grundzuge der Physiologischen Psychologie von Wilhelm Wundt begann im Jahre 1874 die wissenschaftliche Psychologie Wahrend in der anglo amerikanischen Psychologie etwa 20 Prozent der wissenschaftlichen Arbeiten aus dem Bereich der Neurowissenschaften von biologischen Psychologen publiziert werden sieht dies in den deutschsprachigen Landern trotz einzelner hervorragender Forschungsgruppen anders aus Wahrend in den USA tausende Psychologen sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten mit physiologischen bzw biologisch psychologischen Fragestellungen beschaftigen lasst sich die Zahl der Wissenschaftler die sich in der Bundesrepublik Deutschland mit der biologischen Psychologie wissenschaftlich auseinandersetzen auf ca 100 bis 150 aktive Forscher beziffern Methoden BearbeitenFruher beruhten die meisten Erkenntnisse der Biopsychologie auf Beobachtungen da es noch kein Werkzeug gab um das menschliche lebende Gehirn zu erforschen Jedoch ist man schon damals zu wichtigen Erkenntnissen gekommen so zum Beispiel dass die linke Gehirnhalfte fur die rechte Korperhalfte zustandig ist und umgekehrt In diesem Falle wurde beispielsweise beobachtet dass wenn das Gehirn auf der einen Seite verletzt wurde die andere Korperhalfte Lahmungserscheinungen oder Taubheitsgefuhle aufwies Heute sind Wissenschaftler in der Lage einzelne Botschaften von Neuronen zu entschlusseln und zu analysieren indem sie das Gehirn chemisch elektrisch oder magnetisch stimulieren und beobachten was geschieht In der biologischen Psychologie bedient man sich dafur an einer Fulle von Methoden Einerseits werden Menschen behandelt insgesamt stutzt sich die Biopsychologie jedoch stark auf Tierversuche diese sind ein nicht wegzudenkender Kernbestandteil des Fachgebietes Da die deutsche Psychologie Tierversuchen eher ablehnend gegenubersteht ist das mit ein Grund warum das Fach in Deutschland auf wenige Institute beschrankt bleibt Auch die immer grosser werdende Verfugbarkeit an nicht invasiven Untersuchungsmethoden also Untersuchungsmethoden mit denen man nicht in den Korper eindringt fuhrt dazu dass es immer weniger Tierversuche gibt Dies sind vorrangig Methoden fur funktionelle und bildgebende Untersuchungen Zur Untersuchung des Aufbaus und der Funktionen des Nervensystems gibt es verschiedene mikroskopische Methoden angefangen bei der Lichtmikroskopie die jedoch nur Auflosungen bis maximal 0 25 mm ermoglicht Die Elektronenmikroskopie kann im Gegensatz zur Lichtmikroskopie bereits eine viel hohere Auflosung gewahrleisten namlich bis zu einer Vergrosserung von 0 3 nm Damit lassen sich bereits synaptische Systeme Membranstrukturen und Ionenkanale sichtbar machen Eine andere Moglichkeit ist die Fluoreszenzmikroskopie Dabei werden dem zu betrachtenden Gewebe bestimmte Chemikalien zugefuhrt die sich dann je nach Struktur an einzelne Molekule der Nervenzelle binden Diese Chemikalien strahlen ein Licht aus das unter der Anstrahlung von ultraviolettem Licht sichtbar wird sodass die entsprechenden Gewebe leuchten und sich so einzelne Gewebestrukturen sehr klar unterscheiden lassen Eine weitere Moglichkeit ist die Zwei Photonen Mikroskopie Sie macht es moglich einzelne biochemische Ablaufe in einer Zelle sichtbar zu machen zum Beispiel Rezeptoren auf lebenden Zellen darzustellen Auch gibt es zahlreiche Farbemethoden die das Mikroskopieren erleichtern Sie werden verwendet um die verschiedenen Elemente des Nervensystems voneinander abzugrenzen Dabei wird sich zu Nutze gemacht dass die unterschiedlichen Farbstoffe verschiedene Affinitaten zu bestimmten Teile der Zelle besitzen Mit der Golgi Farbung beispielsweise lasst sich eine Zelle durch das Anfarben mit ausgewahlten Silbersalzen in ihrer Gesamtheit und den einzelnen Teilen sichtbar machen Denn dies hat zum Vorteil dass sich die Nervenzelle deutlich von ihrer Umgebung abhebt Allerdings konnen mit dieser Methode nur wenige Nervenzellen gefarbt werden Eine andere Farbemoglichkeit ist die Nissl Farbung Diese ist sehr vorteilhaft wenn man den Durchmesser des Zellkorpers bestimmen will oder die Menge der Nervenzellen zahlen mochte da diese Farbung meistens nur den Zellkorper farbt Auch zur Sichtbarmachung von Dynamiken neurochemischer Prozesse in der Nervenzelle gibt es heute Moglichkeiten namlich mit der Autoradiographie Aus Sicht der Kognitiven Neurowissenschaft finden aber auch alle moglichen bildgebenden Verfahren Verwendung insbesondere Magnetoenzephalographie MEG Elektroenzephalografie EEG und Funktionelle Magnetresonanztomographie fMRT Diese erlauben nichtinvasive Einblicke in kortikale und subkortikale Hirnbereiche und deren Arbeitsweise Damit ist die Biopsychologie eng an die Entwicklung neuer Forschungsmethoden und technologien gebunden wie z B der Trierer Stresstest Siehe auch BearbeitenBiosemiotik Hirnforschung Neurophysiologie Psychoneuroimmunologie Psychoneuroendokrinologie SinnesphysiologieLiteratur BearbeitenNiels Birbaumer Robert F Schmidt Biologische Psychologie 7 vollstandig uberarbeitete und erganzte Auflage Springer Medizin Heidelberg 2010 ISBN 978 3 540 95937 3 Neil R Carlson Physiologische Psychologie 8 aktualisierte Auflage Pearson Studium Munchen u a 2004 ISBN 3 8273 7087 6 Carsten Konneker Hrsg Wer erklart den Menschen Hirnforscher Psychologen und Philosophen im Dialog Fischer Taschenbucher Gehirn amp Geist 17331 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2006 ISBN 3 596 17331 0 Sammelband mit mehreren Beitragen u a von Christof Koch Andreas K Engel und Gerhard Roth zur biologischen Bewusstseinsforschung John P J Pinel Biopsychologie 2 neu bearbeitete deutsche Auflage Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg u a 2001 ISBN 3 8274 1082 7 Monika Pritzel Matthias Brand Hans J Markowitsch Gehirn und Verhalten Ein Grundkurs der physiologischen Psychologie Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2003 ISBN 3 8274 0248 4 Mark R Rosenzweig S Marc Breedlove Neil V Watson Biological Psychology An Introduction to Behavioral and Cognitive and Neuroscience 4 Auflage Sinauer Sunderland MA 2005 ISBN 0 87893 754 4 Rainer Schandry Biologische Psychologie 4 Auflage Beltz Weinheim 2016 ISBN 978 3 621 28182 9 Myers David Psychologie Springer Lehrbuch 3 Auflage Springer Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 40781 9 Weblinks BearbeitenBiopsychologie Memento vom 5 Mai 2016 im Internet Archive PDF 1 2 MB umfangreiches Skript der Uni Wurzburg Biopsychologie Memento vom 26 September 2011 im Internet Archive PDF 976 kB umfangreiches Skript der Uni Koln Kostenlose Lernmaterialien zum Lehrbuch der Biologischen Psychologie von Birbaumer und Schmidt Glossar Prufungsfragen Psycho Quiz Lernkarten Memento vom 13 Marz 2016 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Biopsychologie In Clemens Kirschbaum Biopsychologie von A bis Z Springer Heidelberg 2008 ISBN 978 3 540 39606 2 S 37 Donald A Dewsbury Psychobiology In American Psychologist Band 46 Nr 3 1991 ISSN 1935 990X S 198 205 doi 10 1037 0003 066X 46 3 198 apa org abgerufen am 2 Oktober 2019 bearing on the interconnection of mental and physiological functions John P J Pinel Paul Pauli Biopsychologie 6 aktualis Auflage Pearson Studium 2007 ISBN 978 3 8273 7217 8 Rainer M Bosel Das Gehirn Ein Lehrbuch der funktionellen Anatomie fur die Psychologie 1 Auflage Kohlhammer 2006 ISBN 3 17 019183 7 S 124 Niels Birbaumer Robert F Schmidt Biologische Psychologie 7 vollstandig uberarbeitete und erganzte Auflage Springer Berlin Heidelberg 2010 die 1 Auflage erschien ebenda 1999 ISBN 978 3 540 95937 3 S 2 Niels Birbaumer Robert F Schmidt Biologische Psychologie 7 vollst uberarb u erganzte Auflage Springer Berlin Heidelberg 2010 ISBN 978 3 540 95937 3 S 5 Normdaten Sachbegriff GND 4076126 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Biopsychologie amp oldid 237484190