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Computational Neuroscience von engl computation Berechnung Informationsverarbeitung und Neuroscience Neurowissenschaften Hirnforschung meist synonym zu Theoretische Neurowissenschaft ist eine interdisziplinare Wissenschaftsrichtung die sich mit den informationsverarbeitenden Eigenschaften des Nervensystems beschaftigt 1 Der Begriff der Informationsverarbeitung umfasst verschiedene Stufen der Wahrnehmung kognitiven Funktionen wie Lernen Gedachtnis Entscheidungsfindung als auch die Steuerung des motorischen Systems zur Ausfuhrung von Handlungen Inhaltsverzeichnis 1 Methodik 2 Verwandte Disziplinen 3 Forschungsthemen 4 Geschichte 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseMethodik BearbeitenDas wichtigste methodische Werkzeug der Computational Neuroscience ist die mathematische Modellierung von Bestandteilen des Nervensystems wie Nervenzellen Synapsen und neuronalen Netzwerken mit den Methoden und Erkenntnissen der Biophysik und der Theorie der dynamischen und komplexen Systeme Diese Modelle werden aufgrund ihrer Komplexitat oft im Computer simuliert Ausserdem stellt die Computational Neuroscience auch Analysemethoden experimenteller neuronaler Daten zur Verfugung Bei all diesen Ansatzen ist eine enge Zusammenarbeit von experimentell arbeitenden Wissenschaftlern aus den Disziplinen Biologie Medizin Psychologie und Physik sowie Theoretikern aus der Mathematik Physik und Informatik erforderlich Die experimentellen Daten bieten sowohl die Grundlage fur die Modelle z B elektrophysiologische Eigenschaften von Nervenzellen und Synapsen Netzwerkstrukturen in realen Nervennetzen als auch die Moglichkeit zum Testen ihrer Vorhersagen etwa uber bestimmte dynamische oder informationsverarbeitende Eigenschaften Die Modelle wiederum bieten die Moglichkeit die oftmals vielfaltigen und z B widerspruchlich erscheinenden Ergebnisse der Experimente systematisch zu ordnen und durch mathematische Analyse und Simulation komplexe Zusammenhange zu erkennen die ohne diese Methode nur schwer oder gar nicht zu erfassen sind Gegenstand der Modellierung sind Strukturen auf allen Grossen und Komplexitatsskalen angefangen von biophysikalischen Simulationen der molekularen Dynamik bestimmter Ionenkanale und Neurotransmitter uber Modelle einzelner Nervenzellen bis hin zu komplexen Netzwerkmodellen die Interaktionen zwischen Hirnregionen nachbilden Abhangig von der Fragestellung konnen diese Modelle sehr unterschiedliche Abstraktionsgrade aufweisen d h entweder eng an experimentelle Daten angelegt werden oder eher die generellen Prinzipien und Strukturen abbilden und formalisieren die aus den Experimenten gewonnen wurden Verwandte Disziplinen BearbeitenComputational Neuroscience kann bis zu einem gewissen Grad gegenuber konnektionistischen Theorien der Psychologie reinen Lerntheorien wie Maschinellem Lernen und kunstlichen neuronalen Netzwerken sowie dem Gebiet der Neuroinformatik abgegrenzt werden obgleich diese Gebiete zum Teil parallele Entwicklungsgeschichten haben und teilweise auch ahnliche Ziele verfolgen Modellierungsansatze der Computational Neuroscience haben den Anspruch bestimmte Aspekte der neuronalen Strukturen biologisch realistisch abzubilden und direkte Vorhersagen uber entsprechende Experimente zu machen Konnektionistische Modelle verfolgen ein ahnliches Vorhersageziel auf der Ebene psychophysikalischer Experimente haben aber nur einen eingeschrankten Anspruch auf biologischen Realismus der sich auf die Struktur der Verknupfungen und die Fahigkeit zum Lernen beschrankt Ahnliches gilt fur die Lerntheorien die aber oft zusatzlich auch fur rein technische Zwecke verwendet werden etwa fur die Vorhersage einer komplexen Zeitreihe oder zur Mustererkennung in Bildern In diesen anwendungsorientierten Bereichen spielt die Analogie zum Gehirn nur eine untergeordnete Rolle ein Verstandnis menschlicher Informationsverarbeitung wird nicht angestrebt Die Neuroinformatik schliesslich nimmt ihrem Namen folgend eine informationstheoretische Sichtweise auf die Neurowissenschaften ein Das beinhaltet unter anderem die Entwicklung von Datenbanken Datenstrukturen und Standards zur effizienten Speicherung Archivierung und zum Austausch experimenteller Daten sowie die Entwicklung von Software sowohl zur Modellierung neuronaler Systeme z B Neuron Genesis NEST und zur Erfassung und Analyse experimenteller Daten 2 Abstraktere Ansatze wie kunstliche neuronale Netzwerke und maschinelles Lernen werden bisweilen ebenfalls der Neuroinformatik zugerechnet 2 Forschungsthemen Bearbeiten nbsp Elektrischer Schaltplan fur das Hodgkin Huxley ModellEin fruhes Neuronenmodell 1952 das teilweise modifiziert oft die Grundlage heutiger Software ist ist das Hodgkin Huxley Modell Ausgehend von einer Beschreibung der durch Ionenkanale entscheidend beeinflussten elektrischen Eigenschaften der Zellmembran von Neuronen in Form eines Ersatzschaltbildes modelliert es die Entstehung von Aktionspotentialen Die in den vielfaltigen Modellen eingesetzten mathematischen Methoden stammen uberwiegend aus der Theorie dynamischer Systeme Dem teilweise sprunghaften Verhalten von Neuronen z B im Bereich des Schwellenpotentials wird durch Bifurkationen Rechnung getragen 3 Beispiele fur die Anwendung solcher Modelle sind die Beschreibung von Zellen in den Basalganglien mit dem Ziel neue Therapieansatze fur die Parkinson Krankheit zu entwickeln 4 bei denen auch die Modellierung einzelner Zellen wie z B mit der Software Neuron moglich wichtig ist und Versuche komplexe kognitive Prozesse wie im Stroop Test mit dem Programm Emergent zu beschreiben wobei zusatzliche Effekte wie die Hebbsche Lernregel eine Rolle spielen aber einzelne Zellen aufgrund der berucksichtigten Anzahl deutlich starker vereinfacht werden 5 Geschichte BearbeitenDer Begriff Computational Neuroscience wurde 1985 von Eric L Schwartz eingefuhrt Schwartz hatte in diesem Jahr auf Anfrage der Systems Development Foundation eine Konferenz in Carmel Kalifornien organisiert Diese hatte zum Ziel einen Uberblick uber eine Wissenschaftsrichtung zu geben die bis dahin mit einer Reihe verschiedener Begriffen wie neuronale Modellierung Gehirntheorie oder neuronale Netzwerke assoziiert war Die Beitrage zu dieser Konferenz wurden 1990 in einem Buch mit dem Namen Computational Neuroscience veroffentlicht Die fruhe Geschichte dieses Gebiets ist eng verknupft mit den Namen von Wissenschaftlern wie Louis Lapicque 1866 1952 Alan Lloyd Hodgkin und Andrew Fielding Huxley Wilfrid Rall David H Hubel und Torsten N Wiesel und David Marr Lapicque fuhrte 1907 das Integrate and Fire Neuronenmodell ein das wegen seiner Einfachheit bis heute eines der beliebtesten Modelle der Computational Neuroscience darstellt Knapp 50 Jahre spater studierten Hodgkin und Huxley das experimentell besonders gut zugangliche Riesenaxon des Tintenfischs und leiteten aus ihren Untersuchungen das erste biophysikalische Modell des Aktionspotentials ab Hodgkin Huxley Modell das sie 1952 veroffentlichten Rall erweiterte dieses Modell um die Kabeltheorie die die Grundlage fur Neuronenmodelle legte die aus raumlich ausgedehnten Teilen der Zelle Soma Axon Dentriten zusammengesetzt sind Heute werden solche Modelle zur morphologisch exakten Simulation z B mithilfe von Neuron benutzt Hubel und Wiesel forschten an den Zellen des primaren visuellen Cortex dem ersten Areal der Grosshirnrinde die visuelle Informationen aus der Netzhaut aufnimmt Sie entdeckten unter anderem dass die Zellen des primaren visuellen Cortex nicht nur die raumliche Struktur des Bildes auf der Netzhaut widerspiegeln sondern auch die raumliche Orientierung der wahrgenommenen Objekte auslesen konnen Sowohl Hodgkin und Huxley als auch Hubel und Wiesel erhielten fur ihre Arbeiten den Nobelpreis fur Physiologie oder Medizin 1963 und 1981 Marrs Arbeiten konzentrierten sich auf die Interaktionen zwischen Neuronen verschiedener Areale wie z B dem Hippocampus und der Grosshirnrinde Er legte eine Theorie des Sehens vor die sich an den Prinzipien der elektronischen Datenverarbeitung im Computer orientiert Er gilt als einer der Begrunder der Neuroinformatik Siehe auch BearbeitenErregungsleitung 100 Schritt Regel Computersimulation Bernstein Netzwerk NeuronenmodellLiteratur BearbeitenLarry F Abbott Peter Dayan Theoretical neuroscience computational and mathematical modeling of neural systems MIT Press Cambridge Mass 2001 ISBN 0 262 04199 5 William Bialek Fred Rieke David Warland Rob de Ruyter van Steveninck Spikes exploring the neural code MIT Press Cambridge Mass 1999 ISBN 0 262 68108 0 Alla Borisyuk G Bard Ermentrout Avner Friedman David Terman Tutorials in Mathematical Biosciences 1 Mathematical Neuroscience v 1 Springer Berlin Berlin 2005 ISBN 978 3 540 23858 4 Weblinks BearbeitenEncyclopedia of Computational Neuroscience Scholarpedia engl Forschungsverbund Bernstein Netzwerk zu Computational Neuroscience Review PDF 944 kB Sejnowski TJ Koch C Churchland PS Computational neuroscience In Science 241 Jahrgang Nr 4871 September 1988 S 1299 306 doi 10 1126 science 3045969 PMID 3045969 Einzelnachweise Bearbeiten Terrence J Sejnowski Christof Koch Patricia S Churchland Computational Neuroscience In Science Band 241 Nr 4871 9 September 1988 ISSN 0036 8075 S 1299 1306 doi 10 1126 science 3045969 science org abgerufen am 4 September 2023 a b Losiana Nayak Abhijit Dasgupta Ritankar Das Kuntal Ghosh Rajat K De Computational neuroscience and neuroinformatics Recent progress and resources In Journal of Biosciences Band 43 Nr 5 Dezember 2018 ISSN 0973 7138 S 1037 1054 PMID 30541962 nih gov abgerufen am 4 September 2023 Alla Borisyuk G Bard Ermentrout Avner Friedman David Terman Tutorials in Mathematical Biosciences 1 Mathematical Neuroscience v 1 Lecture Notes in Mathematics Springer Berlin Berlin 2005 ISBN 978 3 540 23858 4 J E Rubin D Terman High Frequency Stimulation of the Subthalamic Nucleus Eliminates Pathological Thalamic Rhythmicity in a Computational Model In Journal of Computational Neuroscience 16 2004 211 235 Herd S A Banich M T amp O Reilly R C 2006 Neural Mechanisms of Cognitive Control An integrative Model of Stroop Task Performance and fMRI data Journal of Cognitive Neuroscience 18 22 32 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Computational Neuroscience amp oldid 237035025