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Ein Neuronenmodell ist ein mathematisches Modell einer Nervenzelle eines Neurons das die zeitliche Anderung des Membranpotentials oder einer anderen Kenngrosse der Zelle beschreibt Dazu werden meist Differentialgleichungen eingesetzt Biophysikalische Grundlage einer solchen Beschreibung ist die Tatsache dass sich die Spannung die eine Nervenzelle gegenuber ihrer Umgebung aufweist durch Strome von geladenen Teilchen durch so genannte Ionenkanale dynamisch verandert und dass diese physikalischen Vorgange durch die Theorie der Elektrizitatslehre beschrieben werden konnen Kanale die selbst eine Dynamik aufweisen also zum Beispiel spannungsabhangig sind konnen uber eigene Gleichungen beschrieben werden die das stochastische Offnen und Schliessen des Kanals abbilden Zusammen bilden die Gleichungen die das Verhalten der Nervenzelle beschreiben ein dynamisches System das sich insbesondere durch nichtlineare Gleichungen auszeichnet Diese Nichtlinearitaten konnen viele der komplexen Verhaltensweisen von Nervenzellen erklaren zum Beispiel den sprunghaften Anstieg des Membranpotentials bei einem Aktionspotential Inhaltsverzeichnis 1 Anwendung 2 Arten von Neuronenmodellen 2 1 Hodgkin Huxley Modelle 2 2 Erweiterungen der Hodgkin Huxley Modelle 2 3 Reduzierte Modelle spikender Neurone 2 4 Feuerratenmodelle 3 Siehe auch 4 Literatur 5 WeblinksAnwendung BearbeitenNeuronenmodelle kommen vor allem in der Computational Neuroscience zum Einsatz wo sie zur systematischen Untersuchung von Gehirnfunktionen verwendet werden Man versucht das Verhalten von echten Nervenzellen das in elektrophysiologischen Experimenten gemessen wurde im Modell nachzubilden und anhand der Gleichungen zu verstehen indem man sie mathematisch untersucht oder im Computer simuliert Auf diese Weise konnen auch Vorhersagen fur neue Experimente abgeleitet werden Diese konnen dann zur Uberprufung des Modells herangezogen werden Im besten Fall fuhrt ein solcher modellgeleiteter Ansatz zu neuen Experimenten und Erkenntnissen auf die man ohne die Modellierung nicht gekommen ware Neuronenmodelle werden auch als Bestandteil von Modellen neuronaler Netze eingesetzt Hier interessiert man sich fur das Zusammenspiel von Nervenzellen und kann so ahnliche Studien durchfuhren wie auf der Ebene der einzelnen Zellen Stark idealisierte Neuronenmodelle wie die McCulloch Pitts Zelle werden auch in kunstlichen neuronalen Netzen verwendet In solchen Netzen wird die stark parallelisierte durch Lernen getriebene Verarbeitungsstrategie des Gehirns nachgeahmt um komplexe technische Probleme wie die Vorhersage des Verhaltens einer Zeitreihe oder die Erkennung von Mustern in Bildern zu losen Arten von Neuronenmodellen BearbeitenJe nach Einsatzgebiet unterschieden sich die verschiedenen Neuronenmodelle stark in ihrer Abstraktion von den biophysikalischen Gegebenheiten Hodgkin Huxley Modelle Bearbeiten Modelle vom Hodgkin Huxley Typ modellieren explizit das dynamische Verhalten der Ionenkanale durch eigene Differentialgleichungen Die Parameter dieser Gleichungen werden direkt aus elektrophysiologischen Messungen abgeleitet In der Ursprungsversion von Hodgkin und Huxley verfugte das Modell uber einen Natrium und einen Kalium Kanal und wurde durch vier Differentialgleichungen beschrieben Modelle dieses Typs eignen sich aber auch besonders gut um die Eigenschaften von weiteren Ionenkanalen wie etwa Kalzium Kanale und ihre Auswirkungen auf die Dynamik der Nervenzelle zu untersuchen z B Adaptation an wiederholt prasentierte Reize Refraktarzeit Resonanzphanomene Erweiterungen der Hodgkin Huxley Modelle Bearbeiten Allerdings stellen selbst die Hodgkin Huxley Modelle bereits in verschiedener Hinsicht Idealisierungen dar Insbesondere konnen Ionenkanale in Wirklichkeit nur offen oder geschlossen sein und andern diese Zustande stochastisch Daher stellt die Modellierung der Kanale durch kontinuierliche Gating Variable die Werte zwischen Null Kanal vollstandig geschlossen und Eins Kanal vollstandig offen annehmen konnen nur eine Annaherung dar genauer eine mean field Annaherung Eine genauere Modellierung der Kanaldynamik kann mithilfe von Markow Ketten erfolgen die genau solche zufalligen Zustandsubergange abbilden Zum anderen beschreibt das Hodgkin Huxley Modell eine Nervenzelle als ein punktformiges Gebilde ohne geometrische Ausdehnung genauer als einen stochastischer Punktprozess Damit wird die komplexe Morphologie echter Nervenzellen insbesondere ihre oft weitverzweigten Dendritenbaume ignoriert Daher wurden sogenannte Kompartiment Modelle entwickelt die die einzelnen Bestandteile Kompartiments einer Nervenzelle wie Soma Axon und Dendriten im Prinzip wie eigenstandige Zellen behandeln Diese konnen dann ggf mit unterschiedlichen Parametern im Rahmen des Hodgkin Huxley Formalismus modelliert werden Die Verbindungen zwischen den Kompartiments also der Ionenfluss innerhalb der Zelle werden mithilfe der Kabeltheorie wie eine elektrische Schaltung mit Verzweigungen behandelt siehe auch Kirchhoffsche Regeln Netzwerkanalyse Elektrotechnik In solchen Modellen kann die experimentell bestimmte Morphologie echter Zellen eingebaut werden um ihre Auswirkungen auf die dynamischen Eigenschaften der Zelle zu studieren z B raumliche und zeitliche Integration von synaptischen Reizen dendritische Spikes Solche Modelle werden im Computer sehr haufig mit spezialisierten Programmen wie NEURON simuliert Reduzierte Modelle spikender Neurone Bearbeiten Auf der anderen Seite gab es auch Bestrebungen das komplexe Hodgkin Huxley Modell zu vereinfachen dabei aber seine wesentlichen dynamischen Eigenschaften zu erhalten Dazu wurden reduzierte Modelle eingefuhrt die die Zahl der Differentialgleichungen verringern oder ihre Struktur vereinfachen Beispiele sind das Hindmarsh Rose Modell mit drei Differentialgleichungen sowie das Morris Lecar Modell das FitzHugh Nagumo Modell und das Izhikevich Modell mit zwei Differentialgleichungen In den zweidimensionalen Modellen ist es insbesondere moglich die Dynamik des Systems mithilfe eines Phasenraumportraits graphisch darzustellen Damit lasst sich insbesondere der sprunghafte Anstieg des Membranpotentials bei einem Spike Aktionspotential mathematisch als Bifurkation erklaren und anschaulich machen Eine noch grossere Reduktion stellt das Integrate and Fire Neuron dar Hier wird nur noch ein passiver Leck Strom durch die Membran hindurch explizit modelliert die Generation des Aktionspotentials wird durch einen kunstlichen Schwellenwert Mechanismus ersetzt Wann immer das Membranpotential einen Schwellenwert uberschreitet wird das Potential automatisch auf einen bestimmten Wert oft das Ruhepotential zuruckgesetzt Damit kann das Modell nur noch Prozesse unterhalb des Schwellenwerts abbilden das Aufsummieren von synaptischen Inputstromen integrate und das Feuern eines Aktionspotentials beim Erreichen des Schwellenwerts fire Ein unschatzbarer Vorteil dieses Modells ist dass man seine Differentialgleichung explizit losen kann so dass das Integrate and Fire Modell trotz seiner starken Vereinfachung oft fur mathematische Analysen von Gehirnfunktionen verwendet wird Auch in Netzwerksimulationen wird es sehr oft eingesetzt da es durch seine Einfachheit auch bei grossen Netzen mit vielen Neuronen nur wenig Rechenzeit verbraucht Feuerratenmodelle Bearbeiten Ein Ansatz zur weiteren Vereinfachung von Neuronenmodellen ist es nicht mehr das Membranpotential selbst als dynamische Variable zu betrachten sondern die Feuerrate also die Frequenz mit der Aktionspotentiale erzeugt werden oder noch abstrakter die Aktivierung der Zelle die keinen direkten Bezug mehr zur Physiologie hat Das Neuron wird dann als nichtlineare Ubertragungsfunktion zwischen Inputrate und Outputrate beschrieben z B in Form einer Sigmoidfunktion Beispiele fur solche Modelle sind das Kontinuierliche Grundmodell und die McCulloch Pitts Zelle Feuerraten oder aktivierungsbasierte Modelle werden in Simulationen eingesetzt die den Fokus auf die Netzwerkstruktur und das Lernen von synaptischen Verbindungen legen vor allem im Gebiet der kunstlichen neuronalen Netze Siehe auch BearbeitenNeuroinformatikLiteratur BearbeitenEugene M Izhikevich Dynamical Systems in Neuroscience The Geometry of Excitability and Bursting MIT Press Cambridge Mass 2007 ISBN 0 262 09043 0 Larry F Abbott Peter Dayan Theoretical neuroscience computational and mathematical modeling of neural systems MIT Press Cambridge Mass 2001 ISBN 0 262 04199 5 William Bialek Fred Rieke David Warland Rob de Ruyter van Steveninck Spikes exploring the neural code MIT Press Cambridge Mass 1999 ISBN 0 262 68108 0 Weblinks BearbeitenCategory Models of Neurons In Scholarpedia englisch inkl Literaturangaben Review und Vergleich der verschiedenen Neuronenmodelle engl mit besonderer Betonung des Izhikevich Modells Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neuronenmodell amp oldid 228417284