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Als griechische Sprachfrage griechisch glwssiko zhthma glossiko zitima n sg Kurzform to glwssiko to glossiko n sg auch neu griechische Sprachenfrage oder neu griechischer Sprachenstreit wird die Auseinandersetzung um die Frage bezeichnet ob die neugriechische Volkssprache Dimotiki oder die antikisierende Hochsprache Katharevousa offizielle Sprache der griechischen Nation sein solle Sie wurde im 19 und 20 Jahrhundert ausgetragen und 1976 zugunsten der Volkssprache entschieden die seitdem Amtssprache in Griechenland ist Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Dimotiki und Katharevousa 3 Der linguistische Hintergrund des Problems 4 Textbeispiele 4 1 Beispiel zur Veranschaulichung der Diglossie 4 2 Zwei Texte von griechischen Schriftstellern 5 Historische Entwicklung 5 1 Fruhe Entstehung der Diglossie 5 2 Die griechische Aufklarung 5 3 Korais und die ersten heftigen Auseinandersetzungen 5 4 Die neugriechische Staatsgrundung 5 5 Die Hochzeit der Hochsprache 5 6 Der sprachliche Burgerkrieg um 1900 5 7 Erste Erfolge der Liberalen 5 8 Die Sprachfrage nach dem Ersten Weltkrieg 5 9 Das Ende des Sprachstreits 6 Die Sprachfrage in der Literatur 6 1 Athener und Ionische Schule 6 2 Sprachsatiren 6 3 Der Sieg der Volkssprache in der Literatur 7 Resumee 8 Literatur 9 AnmerkungenUberblick BearbeitenDer Begriff der Sprachfrage wurde im 19 Jahrhundert in Analogie zur orientalischen Frage geschaffen 1 Wahrend diese das bestimmende aussenpolitische Thema Griechenlands im 19 und fruhen 20 Jahrhundert war bezeichnet die Sprachfrage die grosse innenpolitische Herausforderung des griechischen Staates uber viele Jahrzehnte hinweg Die grundsatzliche Divergenz zwischen zwei voneinander unabhangigen Varietaten in der griechischen Sprache existierte schon seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert Brisant wurde das auch als griechische Diglossie bekannte Phanomen jedoch erst mit der neugriechischen Aufklarung in den letzten Jahrzehnten des 18 Jahrhunderts als mit dem Erwachen des neugriechischen Nationalbewusstseins Identitatsfragen und die geistige Wegbereitung der Staatsgrundung einhergingen Der griechische Sprachstreit erstreckte sich uber einen Zeitraum von etwa 185 Jahren vom Ende des 18 Jahrhunderts bis 1976 und pragte die Literatur das Bildungswesen und das alltagliche offentliche Leben in Griechenland entscheidend Es handelt sich dabei nicht um eine rein akademische Debatte sondern um eine teils ideologisch motivierte und oftmals erbittert gefuhrte Auseinandersetzung deren Auswirkungen die meisten Griechen direkt betrafen und die an ihrem Kulminationspunkt Todesopfer forderte Dimotiki und Katharevousa BearbeitenDie Begriffe Dimotiki Volkssprache und Katharevousa Reinsprache sind in einzelnen Schriften Kodrikas 1818 beziehungsweise Theotokis 1797 schon zu Beginn der Sprachfrage nachzuweisen erfuhren jedoch erst gegen Ende des 19 Jahrhunderts weitere Verbreitung 2 davor war eher von archea arxaia der alten das heisst der am Altgriechischen orientierten und kathomilumeni ka8omiloymenh der gesprochenen Sprache die Rede Hinter den Termini Dimotiki und Katharevousa stehen nicht zwei klar definierte und standardisierte Komplementarsprachen sondern ein breites Spektrum von Sprachvarianten die sich mehr oder weniger stark an der gesprochenen Volkssprache oder dem Altgriechischen orientierten und je nachdem einer der beiden Parteien grob zugerechnet wurden In den ersten Dekaden des Sprachstreits bezeichnete der Begriff Katharevousa eine bestimmte von Adamantios Korais entwickelte Form der Hochsprache in spateren Phasen der Auseinandersetzung und noch heute wird er dagegen pauschal fur nahezu alle Sprachvarianten gebraucht die nicht auf der gesprochenen Sprache basierten sondern sich mehr oder weniger stark ans Altgriechische anlehnten Einzelne Personlichkeiten die zur Sprachfrage Stellung bezogen forderten sogar die Abschaffung der Katharevousa da diese ihnen nicht hochsprachlich genug sei und stattdessen die Wiederbelebung der reinen attischen Sprache 3 dies zeigt dass Hochsprache und Katharevousa nicht immer synonyme Bezeichnungen sind Aus wissenschaftlicher Sicht ist es daher fur die Zeit ab etwa 1835 zweckmassig den Terminus Hochsprache dem der Katharevousa vorzuziehen Der linguistische Hintergrund des Problems BearbeitenWahrend die Dimotiki die naturliche Muttersprache der Griechen war stellte die Katharevousa eine kunstliche Hochsprache dar die zwar neugriechisch ausgesprochen wurde sich jedoch grammatikalisch wie lexikalisch ans Altgriechische anlehnte und zahlreiche sprachliche Phanomene wieder einzufuhren suchte die die Volkssprache im Laufe der Zeit verloren hatte Dazu zahlen morphologische Phanomene Die Katharevousa enthielt in ihrer strengen Form unter anderem noch den altgriechischen Dativ zahlreiche Partizipien und mehrere zusatzliche Zeitstufen und Konjugationsschemata bei den Verben phonologische Phanomene Die Katharevousa enthielt da an das Altgriechische angelehnt wiewohl neugriechisch ausgesprochen einige nur schwer artikulierbare Buchstabenkombinationen die dem neugriechischen Lautsystem ursprunglich fremd waren so beispielsweise f8 f8 s8 s8 r8r r8r eyd ɛvd syntaktische Phanomene Wahrend die Volkssprache zumeist aus einfach konstruierten Satzen bestand wurde in der Katharevousa oft die altgriechische Syntax bemuht um moglichst gelehrt wirkende also lange und komplexe Satze zu bilden lexikalische Phanomene Die Vertreter der Hochsprache verwarfen zahlreiche volkstumliche griechische Worter sowie Fremdworter die das Neugriechische im Laufe der Jahrhunderte von anderen Sprachen hauptsachlich dem Lateinischen Venezianischen und Turkischen ubernommen hatte und ersetzten sie entweder durch altgriechische Worter zum Beispiel ἰx8ys ichthys oder ὀpsarion opsarion statt psari psari Fisch oder durch Neologismen siehe unten In der Gesamtheit bewirkten diese Unterschiede dass die Katharevousa fur den durchschnittlichen Griechen ohne hohere Bildung nicht oder nur teilweise verstandlich war Textbeispiele BearbeitenBeispiel zur Veranschaulichung der Diglossie Bearbeiten Fur jemanden der selbst keine Griechischkenntnisse besitzt und in dessen Muttersprache zum Beispiel Deutsch es kein mit der griechischen Diglossie vergleichbares Phanomen gibt 4 ist es schwer die Hintergrunde des griechischen Sprachstreits nachzuvollziehen Denn es handelt sich hierbei um die Koexistenz zweier im extremen Fall grundverschiedener Sprachformen die uber das in jeder Sprache existente stilistische Gefalle zwischen geschriebener und gesprochener Sprache weit hinausgeht Dennoch soll hier der Versuch unternommen werden einen kurzen stark hochsprachlichen Text und dessen Ubertragung ins volkstumliche Neugriechisch in zweierlei Form im Deutschen wiederzugeben Einmal in einer konstruierten extrem gelehrten Hochsprache als Pendant zur extremen Katharevousa und einmal in einfachem gesprochenem Deutsch als Pendant zur Dimotiki Es handelt sich dabei um den schriftlichen Neujahrsgluckwunsch eines Kindes an seine Eltern 5 Stark antikisierende griechische Hochsprache Potnioi gennhtores Epὶ tῇ prwtῃ toῦ ἐniaytoῦ ἀnaplews sygkinhsews ki eὐgnwmosynhs ἀn8 ὧn polla te mὲ ἠgaphsate polla te d eὐ ἐpoihsate ἐpeyxomai ὑmῖn ὑgeian eὐtyxian kaὶ pᾶn tὸ kata8ymion Errws8e ὁ ἐsaeὶ eὐgnwmwn yἱos Auf Griechisch gesprochen Sehr gehobenes und altertumliches Deutsch Hochverehrte Frau Mutter hochverehrter Herr Vater Anlasslich des ersten Tages in diesem neuen Jahre des Herrn und eingedenk Ihrer unerschopflichen Liebe mir gegenuber sowie Ihrer zahllosen guten Thaten wunsche ich itzo als schwachlichen Abglanz meiner Ruhrung und Dankbarkeit Ihnen Wohlfahrt Gluck und alles erquicklich Opportune So wallet ewiglich in Wohlergehen Ihr auf immer dankbarer Herr Sohn Neugriechische Volkssprache Dimotiki Agaphmenoi moy mama kai mpampa me thn eykairia ths prwtoxronias 8a h8ela na sas pw oti eimai poly eytyxismenos ki eygnwmwn poy m agapate toso poly kai me frontizete toso Sas eyxomai ygeia o ti to kalytero kai na eiste panta kala kai eytyxismenoi Me agaph o gios sas Auf Griechisch gesprochen Einfaches Deutsch Liebe Mutti lieber Vati zum neuen Jahr mochte ich euch sagen dass ich sehr froh und dankbar bin dass ihr mich so liebhabt und mir so viel Gutes tut Ich wunsche euch Gesundheit Gluck und alles was ihr euch wunscht In Liebe euer Sohn Zwei Texte von griechischen Schriftstellern Bearbeiten Kaὶ ὑmeῖs ὦ ἂristoi ἐ3 ὧn ὑmῖn ἐxarisato oὐxὶ dia tinos eὐtyxoῦs diory3ews ὁ Ἑrmῆs ὁ tyxaῖos kaὶ ἄlogos ἀllὰ diὰ tῆs ἐxefronos kaὶ ἐpimeloῦs kaὶ ἐpiponoy ἐmporikῆs pragmateias ὁ Ἑrmῆs ὁ metὰ timiothtos Eugenios Voulgaris Vertreter der Hochsprache 1716 1806 Ka8areboysa giὰ poiὸ logo lὲn tὴ glῶssa toys oἱ daskaloi Giatὶ ὅla tὰ kamnei ἄspra sὰn tὸ xioni pastrikὰ sὰn tὸ nerὸ Ioannis Psycharis radikaler Verfechter der Volkssprache 1888 in Meine Reise Historische Entwicklung BearbeitenFruhe Entstehung der Diglossie Bearbeiten Bereits im ersten Jahrhundert vor Christus zeichnete sich im griechischsprachigen Raum die Entstehung zweier unterschiedlicher Schreibstile ab 6 Wahrend auf der einen Seite die alexandrinische Koine die sich naturlich entwickelnde volkstumliche griechische Muttersprache war begannen manche Gelehrte die sogenannten Attizisten in ihren Schriften das attische Griechisch der klassischen Zeit nachzuahmen Dieses wurde mit den zahlreichen Errungenschaften des 5 Jahrhunderts v Chr in Philosophie Staatskunst und anderen Bereichen assoziiert und galt als edel wohingegen die einfache Sprache des Volkes die innerhalb weniger Jahrhunderte grosse phonetische morphologische und syntaktische Anderungen durchgemacht hatte und sich bereits deutlich vom Altgriechischen genauer vom attischen Dialekt des Altgriechischen unterschied in gelehrten Kreisen zunehmend als vulgar und nicht schriftwurdig empfunden wurde Dies fuhrte jedoch zunachst zu keinen Auseinandersetzungen da die offizielle Sprache des Staates 7 immer geregelt war und nicht angezweifelt wurde Obwohl sich also das Auseinanderdriften von Volks und Hochsprache zu einer dauerhaften Diglossie verhartete war dieser Zustand jahrhundertelang stillschweigend akzeptiert da es allenfalls ein Problem des literarischen Ausdrucks gab jedoch keine Beeintrachtigung des alltaglichen Lebens Wahrend die Volkssprache gesprochen und geschrieben wurde beschrankte sich die am attischen Ideal orientierte Hochsprache auf den schriftlichen Gebrauch der wenigen Gelehrten 8 Die griechische Aufklarung Bearbeiten nbsp R Velestinlis wichtiger Wegbereiter der Revolution von 1821 schrieb in der Volkssprache Im 17 Jahrhundert wurden erstmals vereinzelte Stimmen laut die die Koexistenz zweier unterschiedlicher griechischer Sprachvarietaten problematisierten und eine der beiden kritisierten 9 Ein tatsachlicher Diskurs setzte jedoch erst gegen Ende des 18 Jahrhunderts ein als Eugenios Voulgaris 1716 1806 Lambros Photiadis Stefanos Kommitas und Neofytos Dukas als Vertreter eines gelehrten Sprachstils und Voulgaris Schuler Iosipos Moisiodax 1725 1800 und Dimitrios Katartzis ca 1725 1807 als Befurworter einer einfacheren Sprache ihre Ansichten vertraten Auch Rigas Velestinlis 1757 1798 Athanasios Psalidas 1767 1829 sowie die Dichter Ioannis Vilaras 1771 1823 und Athanasios Christopoulos 1772 1847 votierten fur die Sprache des Volkes Die griechischen Aufklarer machten sich in jener Zeit 1765 1820 10 grundsatzliche Gedanken uber Abstammung und Identitat des neugriechischen Volkes und sahen sich mit der praktischen Frage konfrontiert in welcher Sprache die Aufklarung der Nation vonstattengehen konne oder musse Langerfristig liefen diese Gedanken auf die Uberlegung hinaus welche die einheitliche Sprache des noch zu grundenden neugriechischen Staates sein solle 11 Korais und die ersten heftigen Auseinandersetzungen Bearbeiten nbsp A Korais beschritt einen Mittelweg zwischen Volks und Hochsprache Wir schreiben fur unsere griechischen Landsleute von heute nicht fur unsere toten Vorfahren Adamantios Korais 12 Den entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung ubte Adamantios Korais 1748 1833 aus der prinzipiell auf Seiten der Volkssprache stand diese jedoch veredeln und von besonders vulgaren Elementen reinigen wollte Korais der in K Kumas N Vamvas Theoklitos Farmakidis und anderen eine Reihe von Mitstreitern hatte glaubte auf diesem Mittelweg mesh odos mesi odhos 1804 zwischen der rein volkstumlichen und der streng am altgriechischen Ideal orientierten Denkweise das Problem losen zu konnen und ging als Erfinder der Katharevousa wortlich die Reine Sprache in die griechische Sprachgeschichte ein Mit Panagiotis Kodrikas einem extremen Vertreter der Hochsprache 13 lieferte sich Korais einen erbitterten Pamphletstreit der einen ersten traurigen Hohepunkt in der griechischen Sprachfrage darstellte Wahrend Korais der Meinung war Dichter und Philologen sollten die geistigen Fuhrer und Erzieher der Nation werden wollte Kodrikas die Machtelite in dieser Rolle sehen Die Sprachfrage trug hier bereits deutliche aussersprachliche politische Zuge und in der Argumentation vieler Beteiligten zeigte sich ein Konnex von Sprachwissenschaft und Moral Der Verfall der griechischen Kultur habe zu einer Barbarisierung von Denken und Sprache gefuhrt wurde man nun die Sprache korrigieren habe das automatisch eine Veredlung der Sitten zur Folge Die neugriechische Staatsgrundung Bearbeiten Nach mehrjahrigem Unabhangigkeitskrieg erfolgte 1830 die neugriechische Staatsgrundung Hauptstadt war zunachst Nafplio ab 1834 Athen Als offizielle Sprache des Staates setzte sich die Katharevousa durch da man die wenig prestigetrachtige ungeschliffene Volkssprache fur nicht geeignet hielt den Anforderungen eines modernen Staates gerecht zu werden 14 zudem sollte durch das Etablieren einer gelehrten Hochsprache an den Glanz vergangener Zeiten angeknupft werden Allerdings blieb eine offizielle Normierung und Standardisierung der Katharevousa aus so dass auch archaistischere Varianten der Hochsprache weiterexistieren und sich allmahlich gegenuber der gemassigten Katharevousa eines Korais durchsetzen konnten nbsp Der Bayer Konig Otto von Griechenland hier beim Einzug in die Hauptstadt Nafplio befurwortete die Hochsprache 15 Somit wurde die sich zunehmend an die literarische Koine und das Attische anlehnende Hochsprache auf lange Zeit hin nicht nur als Amts sondern auch als Unterrichtssprache in Griechenland etabliert was zur Folge hatte dass sich Kinder in der Schule nicht mehr ungezwungen in ihrer Muttersprache aussern durften Auch den Erwachsenen ohne hohere Bildung wurde die Kommunikation mit staatlichen Institutionen wie Amtern oder Gerichten erschwert da alle schriftlichen Antrage und Dokumente in der Hochsprache abgefasst zu sein hatten und somit nur von bezahlten Schreibern aufgesetzt werden konnten Die Hochzeit der Hochsprache Bearbeiten Die hochsprachliche Bewegung verselbstandigte und radikalisierte sich zunehmend orientierte sich immer mehr an einem puristischen ruckwartsgewandten attizistischen Ideal und pragte neben einer wachsenden religiosen Intoleranz und den Auseinandersetzungen uber die Thesen Jakob Philipp Fallmerayers 16 das geistige und gesellschaftliche Leben der 1850er Jahre entscheidend Die Phanarioten zu Zeiten des Osmanischen Reichs und des jungen griechischen Staates eine Art griechische Intelligenzija um das Patriarchat in Konstantinopel waren eine Gruppe von konservativen adeligen Gelehrten die auf Seiten der antikisierenden Hochsprache standen und als Gegner der Volkssprache auftraten Panagiotis Soutsos der in einer zunehmend altertumlichen Hochsprache dichtete und zu einem der wichtigsten Vertreter der Athener Romantik wurde entstammte wie sein Bruder Alexandros ebenfalls der phanariotischen Tradition und ging 1853 soweit die Abschaffung der aus seiner Sicht zu wenig archaistischen Katharevousa zu fordern und die Wiederentstehung der reinen altgriechischen Sprache zu proklamieren 17 Einen vollig anderen Weg beschritten volkssprachliche Dichter wie Athanasios Christopoulos 1772 1847 und Dionysios Solomos 1798 1857 die auf den bis 1864 nicht ins griechische Konigreich integrierten ionischen Inseln lebten und schrieben und von der sprachlichen Archaisierung des Athener Geisteslebens nicht betroffen waren Doch konnten sie nichts daran andern dass das halbe Jahrhundert nach der Staatsgrundung das Zeitalter der Athener Romantik zur Hochzeit der Katharevousa wurde in der die Sprachfrage nur wenig diskutiert wurde Zahlreiche hochsprachliche Neologismen entstanden welche die entsprechenden volkstumlichen Worter ersetzen sollten wie etwa gewmhlon jeomilon wortlich Erdapfel statt patata patata Kartoffel oder ἀle3ibroxion alexivrochion wortlich Regenschirm statt omprela ombrela aus dem Italienischen ubernommenes Wort fur Regenschirm 18 Zahlreiche dieser Neologismen sind inzwischen wieder verschwunden viele andere sind heutzutage jedoch unangezweifelter Bestandteil der neugriechischen Sprache zum Beispiel taxydromeio tachydromio Post Die radikalsten Auspragungen des attizistischen Archaismus sind zeitlich in den 1850er Jahren und noch einmal um 1880 bei Konstantinos Kontos einzuordnen Erst im letzten Viertel des 19 Jahrhunderts konnte die Volkssprache einen leichten Prestigegewinn verzeichnen da durch die Arbeiten der Historiker Konstantinos Paparrigopoulos und Spyridon Zambelios die Frage nach der Kontinuitat der griechischen Geschichte mehr in den Vordergrund geruckt und dadurch eine grossere Wurdigung neugriechischer Traditionen und Mundarten erreicht wurde 19 Dimitrios Vernardakis der wie Kontos Professor fur klassische Philologie an der Universitat Athen war empfahl die Volkssprache von allen ihr aufgepfropften hochsprachlichen Wortern zu befreien allerdings schrieb er seine Empfehlung selbst in Hochsprache Mit der Beteiligung zweier beruhmter Sprachwissenschaftler Ioannis Psycharis 1854 1929 auf Seiten der Dimotiki und des Begrunders der neugriechischen Sprachwissenschaft Georgios N Chatzidakis 1848 1941 auf Seiten der gelehrten Sprache steuerte das griechische Sprachproblem allmahlich auf seinen Hohepunkt zu Der sprachliche Burgerkrieg um 1900 Bearbeiten Psycharis Manifest Meine Reise To ta3idi moy To taxidi mou 1888 gab mit seinen radikalen stark regularisierten Vorstellungen von der Volkssprache dem Demotizismus neuen Auftrieb belebte die Diskussion der Sprachfrage und lautete drei Jahrzehnte der erbitterten ja teilweise burgerkriegsahnlichen Auseinandersetzungen um die Sprache in Griechenland ein Der Streit hatte endgultig die Grenzen akademischer Streitschriften und gelehrter Studierstuben verlassen und nahm in der Offentlichkeit immer grossere Dimensionen an nbsp Konigin Olga von Griechenland unterstutzte die Ubersetzung der Evangelien in die Volkssprache Vertreter der Katharevousa beschimpften Demotizisten als malliaroi Langhaarige ἀgelaῖoi Herdentiere und xydaistai Vulgarsprachler wahrend die Anhanger der Volkssprache ihre Widersacher umgekehrt als glwssamyntores Sprachverteidiger skotadistes etwa in geistiger Finsternis Lebende ἀrxaioplhktoi Altertumler makaronistai Nachahmer eines ubertrieben antikisierenden Sprachstils oder synthrhtikoi Reaktionare Konservative bezeichneten 20 Auch beschuldigten die hochsprachlichen Puristen die Demotizisten des Bolschewismus und einer panslawistischen Gesinnung wahrend sie sich selbst fur die wahren Erben der griechischen Antike hielten 21 Trauriger Hohepunkt dieser Entwicklung waren die Ausschreitungen die als Reaktion auf die Ubersetzung der Evangelien 1901 sowie der Ubersetzung und Auffuhrung der Orestie 1903 in die neugriechische Volkssprache stattfanden und sogar Todesopfer sowie den Rucktritt der Regierung Theotokis zur Folge hatten 22 Wahrend die einen die Volkssprache als naturliche Nationalsprache in allen Bereichen etablieren wollten und sich als Vollzieher eines neugriechischen Emanzipations und Mundigkeitsprozesses sahen emporten sich die anderen uber die Blasphemie und Dekadenz die in ihren Augen die Ubersetzung des Gotteswortes oder altehrwurdiger Tragodien in die vulgare Sprache des Pobels darstellte Das Bildungssystem war nach wie vor in einem erschreckenden Zustand und vollig uneffektiv Die Kinder hatten grosste Schwierigkeiten sich in der ihnen nicht vertrauten Hochsprache auszudrucken und wurden somit in der Schule sprachlich nicht gefordert sondern gehemmt 23 Einzig die Madchenschule von Volos ragt aus der tristen Bildungslandschaft in Griechenland am Beginn des 20 Jahrhunderts heraus Der liberale Padagoge Alexandros Delmouzos etablierte dort die Dimotiki als Unterrichtssprache und konnte Erfolge wie beispielsweise deutlich gesteigerte Leistungen und Freude am Lernen seitens der Schulerinnen erzielen Konservativen und klerikalen Kreisen war eine solche liberale Vorgehensweise jedoch ein Dorn im Auge und sie protestierten so massiv gegen die modernen Sitten der Madchenschule von Volos dass die Schule geschlossen werden musste und Alexandros Delmouzos wegen Unsittlichkeit gerichtlich verurteilt wurde 24 Erste Erfolge der Liberalen Bearbeiten nbsp Eleftherios Venizelos fuhrte als Premierminister 1917 erstmals die Volkssprache in den Grundschulen ein Erst mit der Grundung der Gesellschaft fur Erziehung Ekpaideytikos Omilos 1910 konnten gemassigt liberale Kreise um Manolis Triantaphyllidis Alexandros Delmouzos und Dimitrios Glinos die sich ebenso stark von der Katharevousa wie von extremen Dimotiki Standpunkten wie dem Psycharismus 25 abgrenzten einen Teilerfolg erzielen Im Artikel 107 der griechischen Verfassung der am 11 Februar 1911 verabschiedet wurde hiess es Offizielle Sprache des Staates ist jene in der die Verfassung und die Texte der griechischen Gesetzgebung verfasst sind Jede Aktion die auf die Korrumpierung dieser Sprache abzielt ist verboten 26 Der damalige griechische Premierminister Eleftherios Venizelos erklarte sich selbst zwar zum Demotizisten und wies darauf hin dass die unklare Formulierung des Artikels eine Auslegung erlaube die auch die Dimotiki dulde man musse ja nur Gesetze in der Dimotiki schreiben dann ware dem Artikel Genuge getan und die Dimotiki de facto offizielle Staatssprache auch verankerte er die Volkssprache von 1917 bis 1920 erstmals gesetzlich als Unterrichtssprache der drei untersten Volksschulklassen Letztendlich blieben diese Aktionen jedoch ein Tropfen auf dem heissen Stein da bis 1975 Gesetze in Kraft waren die eine breitere Verwendung der Volkssprache entscheidend erschwerten 27 So blieb der Artikel 107 der auch als der grosse Kompromiss megalos symbibasmos in die neugriechische Geschichtsschreibung eingegangen ist fur die Anhanger der Volkssprache eine Enttauschung Immerhin verlor die Katharevousa zusehends ihre extremen attizistischen Merkmale und naherte sich der Volkssprache wieder etwas an 28 Die Sprachfrage nach dem Ersten Weltkrieg Bearbeiten 1917 hatte die Dimotiki erstmals Einzug ins griechische Bildungssystem gehalten als sie zur Unterrichtssprache der Volksschule erklart wurde in den folgenden Jahrzehnten wurde sie jedoch mehrmals zwischenzeitlich von der Katharevousa wieder zuruckgedrangt 29 Unverandert blieb die Situation dagegen bei hoheren Schulen und uberhaupt der ganzen staatlichen Verwaltung den Gerichten den Universitaten der Armee und der Kirche wo die Hochsprache nach wie vor die alleinige offizielle Sprache war Erst allmahlich gelang es der Dimotiki ausserhalb der Grundschulen im staatlichen Bereich an Einfluss zu gewinnen wofur der Sprachwissenschaftler Manolis Triantaphyllidis 1883 1959 entscheidende Arbeit leistete Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der staatlichen Emanzipation der Volkssprache war Triantafyllidis Grammatik des Neugriechischen Neoellhnikh grammatikh ths dhmotikhs 1941 das auf Jahrzehnte hin als Standardwerk neugriechischer Sprachwissenschaft galt in 14 Sprachen ubersetzt wurde 30 und heute noch aufgelegt wird 31 Das Ende des Sprachstreits Bearbeiten 1964 wurden von der Zentrumspartei in Griechenland erstmals Dimotiki und Katharevousa zu gleichberechtigten Schulsprachen erklart jedoch verblieben hohere Bildungswege de facto nach wie vor unter dem ungebrochenen Einfluss der Hochsprache Die Militardiktatur 1967 1974 erklarte 1967 die Katharevousa schliesslich noch einmal zur Amtssprache und drangte die Dimotiki wieder auf die ersten vier Schuljahre zuruck 32 Noch nach der Zeit der Militardiktatur 1975 enthielt die griechische Verfassung keinen Hinweis auf die offizielle Staatssprache 33 erst am 30 April 1976 endete die Epoche des staatlichen Sprachpurismus in Griechenland endgultig als die Regierung Karamanlis mit dem Bildungsminister Rallis die Dimotiki zur alleinigen Unterrichtssprache erhob Wenige Monate spater wurde noch ein Rundschreiben uber den Gebrauch der Dimotiki in allen offentlichen Verlautbarungen und Dokumenten nachgelegt und damit das Ende einer jahrhundertealten Diglossie eingelautet Der Gesetzestext zur Etablierung der Volkssprache wurde allerdings bezeichnenderweise noch in Katharevousa abgefasst 34 1982 wurde schliesslich die polytonische Rechtschreibung abgeschafft und das monotonische System das nur noch einen Akzent kennt als fur die Schulen verbindlich festgelegt 35 Heute ist die Volkssprache die Amtssprache Griechenlands sowie Zyperns und der Europaischen Union wobei jedoch zahlreiche lexikalische grammatikalische und phonetische Elemente der Katharevousa Eingang in die Alltagssprache gefunden und die Dimotiki auf eine nunmehr wenig problematische Art und Weise bereichert haben Der Sprachstreit spielt heutzutage in Griechenland keine Rolle mehr nur die griechisch orthodoxe Kirche verwendet in offiziellen Dokumenten und in der Liturgie nach wie vor die Hochsprache und erkennt volkssprachliche Ubersetzungen der Bibel nicht als offiziell an Besuchern des Monchsstaats Athos wird nach wie vor eine Aufenthaltserlaubnis ausgehandigt die in extremer Hochsprache abgefasst ist Daruber hinaus gab es um das Jahr 2000 herum vereinzelt noch Universitatsprofessoren die ihre Vorlesungen in Katharevousa hielten und hochsprachlich abgefasste Arbeiten der Studenten besonders lobten 36 Die Sprachfrage in der Literatur BearbeitenZahlreiche Literaten ausserten sich implizit oder explizit in ihren Schriften zur griechischen Sprachfrage waren sie doch von sprachlichen Statusfragen und rigider staatlicher Sprachpolitik betroffen und in ihrem Schaffen unmittelbar beeinflusst Die parallel zum Sprachstreit stattfindende literarische Entwicklung in Griechenland lasst sich naturlich nicht als von der Politik vollkommen abgekoppeltes System beschreiben doch verdienen es einige literaturgeschichtliche Aspekte gesondert dargestellt zu werden Athener und Ionische Schule Bearbeiten Nach der Staatsgrundung 1830 lassen sich uber mehrere Jahrzehnte zwei grosse unterschiedliche Linien in der griechischen Literaturlandschaft erkennen Einerseits die Athener Schule Athener Romantik um Panagiotis und Alexandros Soutsos die stark von den Phanarioten in Konstantinopel beeinflusst wurde in der neuen Hauptstadt Athen zentriert war und weitgehend das reinsprachliche und neoklassizistische Geprage des jungen Staates ab den 1840er Jahren auch in der Literatur vermittelte andererseits die Ionische Schule der heptanesischen Dichter um Dionysios Solomos und Aristotelis Valaoritis die ihren lokalen volkssprachlichen Dialekt als Schriftsprache pflegten und deren Heimatinseln zunachst noch nicht dem neugriechischen Staat angehorten 37 und daher nicht dem geistigen Sog der Hauptstadt Athen ausgesetzt waren Letztere wie zum Beispiel der Nationaldichter Solomos dessen Hymne an die Freiheit zur griechischen Nationalhymne erhoben wurde zahlen heute zu den wichtigsten neugriechischen Lyrikern wahrend die Vertreter der Athener Schule einen nicht annahernd so grossen literaturwissenschaftlichen Status geniessen Im 19 Jahrhundert behielt jedoch die Katharevousa als offizielle Literatursprache in Griechenland zunachst die Oberhand Die Dichterwettbewerbe von 1851 bis 1870 liessen nur die Katharevousa als einzige Sprache der Lyrik zu 38 Interessant ist der sprachliche Wandel den einige Schriftsteller der Athener Schule wie Panagiotis Soutsos oder Alexandros Rizos Rangavis vollzogen Sie begannen mit der Dimotiki und endeten in der strengen archaischen Form 39 Rangavis uberarbeitete beispielsweise 1837 seine eigene Erzahlung Frosyni Frwsynh indem er sie sprachlich archaisierte Sprachsatiren Bearbeiten nbsp Nahezu alle bedeutenden neugriechischen Lyriker des 20 Jahrhunderts wie Konstantinos Kavafis schrieben in der VolksspracheEinige Schriftsteller parodierten die Sprachfrage auch in ihren Werken indem sie etwa Figuren mit extrem antikisierender und vollig uberzeichneter Ausdrucksweise Vertretern des einfachsten Volkes gegenuberstellten Beruhmte Satiren mit Bezug zur Sprachfrage sind aus der Zeit der griechischen Aufklarung beispielsweise Der Traum To oneiro Autor nicht geklart Der gelehrte Reisende O logiotatos ta3idiwths von Ioannis Vilaras veroffentlicht 1827 oder die Komodie Korakistika Ta korakistika von Iakovos Rhizos Nerulos 1813 40 Doch auch viel spater als sich die Dimotiki schon allmahlich zu emanzipieren begann nahmen Literaten auf satirische Weise Bezug zum Sprachproblem So beispielsweise Georgios Vizyinos der in seinem Werk Diati h mhlia den egeine mhlea 41 1885 ironisch davon berichtet wie er als kleiner Schuljunge in Anwesenheit seines Lehrers nicht das normale Wort fur Apfelbaum mhlia milja verwenden durfte sondern zur entsprechenden Katharevousa Form mhlea milea gezwungen und bei Zuwiderhandlung geschlagen wurde Auch Pavlos Nirvanas ausserte sich in seiner Sprachlichen Autobiographie Glwssikh aytobiografia 1905 42 bei der wie bei Vizyinos das Verhaltnis des echt autobiographischen und des fiktiven Anteils unklar ist satirisch zum Sprachproblem indem er in Ich Erzahlung den Werdegang eines jungen Mannes beschreibt der immer mehr der Faszination der Hochsprache erliegt und zum extrem attikisierenden Gelehrten aufsteigt Auch wenn seine gelehrten Reden nur von wenigen verstanden werden so wird er doch ob seiner Ausdrucksfahigkeiten bewundert Erst die Begegnung mit einigen schonen Madchen aus dem Volk lassen ihn an seinem sprachlichen Weltbild zweifeln denn statt ῥῖnes rines ὄmmata ommata ὦta ota und xeῖres chires im Deutschen etwa Haupter Antlitze Gesichtserker 43 sieht er im Geiste plotzlich nur noch ihre zarten mytes mytes matia matja aytia aftja und xeria cherja ganz naturliche Nasen Augen Ohren und Hande und wendet sich in der Folge vom Wahn der Hochsprache ab Der Sieg der Volkssprache in der Literatur Bearbeiten Gegen Ende des 19 Jahrhunderts wandten sich immer mehr Schriftsteller der Volkssprache zu und besonders seit der Generation von 1880 war der Siegeszug der Volkssprache in der Literatur nicht mehr aufzuhalten Wahrend Prosawerke zunachst noch in Katharevousa aber mit Dialogen in Dimotiki geschrieben wurden so z B die Erzahlungen von Georgios Vizyinos und Alexandros Papadiamantis sagte sich die Lyrik ab den 1880er Jahren von der zwar technisch wissenschaftlich kreativen aber lyrisch schwachen verknocherten Katharevousa los 44 Vor allem Kostis Palamas oder auch Kostas Krystallis fallt eine fuhrende Rolle bei der Etablierung der Volkssprache in der Lyrik zu Ab etwa 1910 bis 1920 zog die Prosa nach Nahezu das gesamte literarische Schaffen im Griechenland des 20 Jahrhunderts erfolgte schliesslich in der Volkssprache freilich mit mehr oder weniger stark ausgepragten hochsprachlichen Einflussen und Veredelungen einzelne avantgardistische Schriftsteller griffen durchaus immer wieder auf die Katharevousa zuruck so etwa die Surrealisten Andreas Embirikos und Nikos Engonopoulos An der Dichtung von Kostas Karyotakis wurde von Kritikern der Generation der 30er Jahre bemangelt dass sie nicht in reiner Volkssprache geschrieben war sondern hochsprachliche Worter enthielt Resumee Bearbeiten nbsp Hochsprachliche Elemente auf dem Etikett einer Ouzoflasche 1 Adjektiv klassikon mit Endung n 2 Polytonische Schreibweise Oὖzo3 Wortschatz oikos 4 Partizip Aorist Passiv idry8eis 5 Dativ vor der Jahreszahl 1896 TWHochinteressant ist die Frage welche Sprachform letztendlich siegreich aus dem langen Streit hervorgegangen ist Wenngleich die Dimotiki seit nunmehr uber 30 Jahren gesetzlich als die einzige Sprache Griechenlands etabliert ist lasst sich diese Frage dennoch nicht eindeutig zu ihren Gunsten beantworten Denn nicht nur leben zahlreiche hochsprachliche Worter und Sprachstrukturen im heutigen Neugriechisch weiter die Wissenschaft tendiert heute auch dazu die alte Frage ob Altgriechisch und Neugriechisch ein und dieselbe oder zwei vollig verschiedene Sprachen seien dahingehend zu beantworten dass es sich eher um eine Sprache denn um zwei handelt In einem passenden Kontext liessen sich auch heute homerische Worter verwenden die es im Neugriechischen nicht gibt Mit dieser Auffassung die einen seit Homer kontinuierlichen griechischen Sprachpool postuliert ware den Vertretern der Hochsprache die im Gegensatz zu den Demotizisten die Existenz einer vom Altgriechischen vollig verschiedenen neugriechischen Sprache immer leugneten posthum indirekt Recht gegeben Als wichtiges Ergebnis bleibt uberdies festzuhalten dass der Sprachstreit nicht ausschliesslich negative Folgen hatte Man sollte sich aber kein falsches Bild von der Situation machen denn die Entwicklung des Griechischen im 20 Jh und insb in seiner zweiten Halfte ist ein ausgezeichneter Beweis dafur dass dieser Kampf um die Sprache Land und Gesellschaft im 19 20 Jh zwar Schaden zugefugt hat aber gleichzeitig das Herauskommen aus einem mehrere Jahrhunderte wahrenden Zwiespalt erzwang er beschleunigte einen Mundigkeitsprozess durch den die volkssprachliche Grundlage mit den hochsprachlichen Elementen schliesslich zusammenwuchs was zu einer Gemeinsprache fuhrte Neoellhnikh koinh Standard Modern Greek die vielleicht kraftvoller und ausdrucksstarker ist als je zuvor 45 Literatur BearbeitenFrancisco R Adrados Geschichte der griechischen Sprache Von den Anfangen bis heute Tubingen Basel 2002 Zum Thema des Sprachstreits vor allem die Seiten 286 290 Margaret Alexiou Diglossia in Greece In W Haas Hrsg Standard languages Spoken and Written Manchester 1982 S 156 192 Georgios Babiniotis Gewrgios Mpampiniwths Le3iko ths neas ellhnikhs glwssas 2 Ausgabe Athen 2002 mit einer enzyklopadischen Erlauterung zur Sprachfrage unter glwssiko zhthma auf S 428 Robert Browning Greek Diglossia Yesterday and Today International Journal of the Sociology of Languages 35 1982 S 49 68 Hans Eideneier Zur mittelalterlichen Vorgeschichte der neugriechischen Diglossie Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Hamburg 2000 C Ferguson Diglossia Word 15 ISSN 0043 7956 S 325 340 A Frangoudaki A Fragkoydakh H glwssa kai to e8nos 1880 1980 Ekato xronia gia thn ay8entikh ellhnikh glwssa Athen 2001 Gunnar Hering Die Auseinandersetzung uber die neugriechische Schriftsprache In Chr Hannick Hrsg Sprachen und Nationen im Balkanraum Koln Wien 1987 S 125 194 Christos Karvounis Griechisch Altgriechisch Mittelgriechisch Neugriechisch In M Okuka Hrsg Lexikon der Sprachen des europaischen Ostens Klagenfurt 2002 S 21 46 Ders Griechische Sprache Diglossie und Verbreitung ein kulturgeschichtlicher Abriss M Z Kopidakis M Z Kopidakhs Hrsg Istoria ths ellhnikhs glwssas Athen 1999 G Kordatos G Kordatos Istoria toy glwssikoy mas zhthmatos Athen 1973 Karl Krumbacher Das Problem der neugriechischen Schriftsprache Munchen 1903 Festrede in der offentlichen Sitzung der Koniglich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu Munchen 1902 A Megas A Megas Istoria toy glwssikoy zhthmatos Athen 1925 1927 Peter Mackridge Katharevousa c 1800 1974 An Obituary for an Official Language In M Sarafis M Eve Hrsg Background to Contemporary Greece London 1990 S 25 51 Ders Byzantium and the Greek Language Question in the nineteenth century In David Ricks Paul Magdaliano Hrsg Byzantium and the Modern Greek Identity Aldershot et al 1998 S 49 62 Johannes Niehoff Panagiotidis Koine und Diglossie Wiesbaden 1994 Mediterranean Language and Culture Monograph Series v 10 E Petrounias The Greek language and diglossia In S Vryonis Hrsg Byzantina and Metabyzantina Malibu 1976 S 195 200 Linos Politis Geschichte der neugriechischen Literatur Koln 1984 S 20 24 Ioannis Psycharis Giannhs PSyxarhs To ta3idi moy Athen 1888 E Sella Maze Diglwssia kai koinwnia H koinwnioglwssologikh pleyra ths diglwssias h ellhnikh pragmatikothta Athen 2001 Michalis Setatos Mixalhs Setatos Fainomenologia ths ka8areyoysas EEFSP8 12 1973 S 71 95 Arnold J Toynbee The Greek Language s Vicissitudes in the Modern Age In ders The Greeks and their Heritages Oxford 1981 S 245 267 Manolis Triantaphyllidis M Triantafyllidhs Neoellhnikh Grammatikh Istorikh Eisagwgh Apanta Band 3 2 Auflage Thessaloniki 1981 E Tsiaouris Modern Greek A Study of Diglossia Doctor Thesis University of Exeter 1989 A G Tsopanakis A G Tsopanakhs O dromos pros thn Dhmotikh Meletes kai ar8ra Thessaloniki 1982 Anmerkungen Bearbeiten vgl Babiniotis 2002 S 428 vgl Karvounis 2002 S 15 Siehe das Kapitel Die Hochzeit der Hochsprache Deutsche Muttersprachler der Schweiz haben es hier vermutlich einfacher da die Koexistenz von Hochdeutsch und Schweizerdeutsch in der Schweiz auch eine Form von Diglossie darstellt Das Katharevousa Original stammt als uberzeichnete entlarvende Extremform der Katharevousa in einem vollig unpassenden Kontext von Pavlos Nirvanas Glwssikh Aytobiografia 1905 S 15 die anderen drei Versionen wurden vom Verfasser des Artikels angefertigt So zahlreiche Autoren Bei Karvounis 2002 wird das Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts genannt Seit Alexander dem Grossen das attische Altgriechisch im Byzantinischen Reich zunachst Latein seit Kaiser Herakleios wieder die griechische Hochsprache vgl Karvounis 2002 S 8 Zur Entstehung des Attizismus und der umstrittenen Frage ab wann man von einer echten Diglossie sprechen konne vgl Christos Karvounis Griechische Sprache Diglossie und Verbreitung ein kulturgeschichtlicher Abriss und ders 2002 S 4 11 So Babiniotis 2002 S 428 Politis 1984 S 21 fuhrt schon Nikolaos Sophianos zu Beginn des 16 Jahrhunderts als ersten Gelehrten auf der sich des Sprachproblems bewusst wurde Diese Epoche wird gemeinhin als griechische Aufklarung bezeichnet siehe Karvounis 2002 S 15 vgl zur griechischen Aufklarung vor allem Politis 1984 S 77 87 Adamantios Korais Ellhnikh Biblio8hkh Paris 1833 S 49 f Kodrikas forderte beispielsweise anstelle des volkssprachlichen Wortes psari psari Fisch das rein altgriechische ἰx8ys ichthys wahrend Korais noch die spatantike Form ὀpsarion opsarion vorgeschlagen hatte vgl Adrados 2002 S 287 vgl Karvounis 2002 S 13 Politis 1984 S 141 schreibt Die Katharevousa die Schopfung der Gelehrten wird ganz allmahlich zur offiziellen Staatssprache was suggeriert dass eine punktuelle und offizielle Entscheidung zugunsten der Katharevousa nicht stattfand sondern dass diese sich in den ersten Jahren des Staates von selbst durchsetzte M Alexiou 1982 S 186 schreibt dagegen Korais Katharevousa was eventually established as the official language of the Greek State in 1834 vgl Karvounis 2002 S 15 vgl Anmerkungen in weiterer Fussnote vgl Karvounis 2002 S 16 und Alexiou 1982 S 187 vgl Adrados 2002 S 288 vgl Karvounis 2002 S 16 vgl Babiniotis 2002 S 427f und Karvounis 2002 S 16 vgl Adrados 2002 S 288 Die Frage nach einer eventuellen slawischen Teil Identitat der neugriechischen Nation war spatestens seit Jakob Philipp Fallmerayer 1790 1861 ein vieldiskutiertes Thema dieser hatte gemutmasst die antiken Griechen seien bis zum Mittelalter ausgestorben und von slawischen Volkern ersetzt worden Demnach seien die heutigen Griechen lediglich hellenisierte Slawen und Albaner Da die Vertreter der Katharevousa in der Volkssprache die voller turkischer slawischer und italienischer Fremd und Lehnworter war eine Bedrohung oder Vulgarisierung ihrer jahrtausendealten griechischen Identitat sahen setzten sie teilweise die Demotizisten vollig zu Unrecht mit Panslawisten gleich vgl Karvounis 2002 S 17 L Politis 1984 S 21 schrieb noch um 1980 Wenn die Katharevousa auch nicht an all unserem Ungluck schuld ist wie die ersten Demotizisten in ihrem Ubereifer behaupteten so ist sie doch verantwortlich fur die unheilvolle Tatsache dass ein Absolvent des griechischen Gymnasiums auch heute Ende der 1970er Jahre noch nicht in der Lage ist richtig zu schreiben und sich klar und deutlich in seiner Sprache auszudrucken vgl Anna Frankoudaki Anna Frankoydaki O ekpaideytikos dhmotikismos kai o glwssikos symbibasmos toy 1911 Ioannina 1977 S 39 Griech psyxarismos benannt nach den radikalen Forderungen von Ioannis Psycharis Zitiert aus Frankoudaki 1977 S 41 vgl Alexis Dimaras Ale3hs Dhmaras Ekpaideysh 1881 1913 In Istoria toy ellhnikoy e8noys Band 14 Neoteros ellhnismos apo to 1881 ws to 1913 Athen 1977 S 411 vgl Adrados 2002 S 288 Nach Karvounis 2002 wurde die Katharevousa 1921 1923 1926 1933 1935 1936 und 1942 1944 wieder als Unterrichtssprache auch in der Volksschule eingefuhrt vgl S 18 Babiniotis 2002 S 428 schreibt jedoch die Volkssprache habe seit 1917 nie mehr ihre Vorrangstellung in der Volksschule verloren Laut Adrados 2002 S 289 ist die Dimotiki nur in der Regierungszeit von C Tsaldaris 1935 1936 auch in der Volksschule zwischenzeitlich abgeschafft worden siehe Aristoteles Universitat Thessaloniki Memento vom 25 August 2004 im Internet Archive Neoellhnikh Grammatikh ths dhmotikhs Anatypwsh ths ekdoshs toy OESB 1941 me dior8wseis Thessaloniki 2002 ISBN 960 231 027 8 vgl Adrados 2002 S 289 Politis 1984 S 23 schreibt dagegen die Dimotiki wurde auf die ersten drei Volksschuljahre zuruckgedrangt vgl Karvounis 2002 S 18 vgl etwa Babiniotis 2002 S 428 Allerdings verwenden manche Verlage und Einzelpersonen aus sprachhistorischen oder asthetischen Grunden nach wie vor das polytonische System Die Frage nach der richtigen Akzentsetzung ist und war immer von weit geringerer Brisanz als die nach der Sprache selbst dementsprechend freizugig und flexibel wird die Akzentsetzung heute gehandhabt siehe Neugriechische Orthographie So etwa die Byzantinisten Athanasios Kominis und Stavros Kourousis von der Universitat Athen im Jahre 1997 Korfu beispielsweise stand nie unter osmanischer Herrschaft und ging erst 1864 vom Vereinigten Konigreich auf Griechenland uber vgl Karvounis 2002 S 16 Politis 1984 S 145 vgl Politis 1984 S 87f Georgios Vizyinos Gewrgios Bizyhnos Diati h mhlia den egeine mhlea In Ta dihghmata Athen 1991 Pavlos Nirvanas Paylos Nirbanas Glwssikh aytobiografia Athen 1905 Im Deutschen kann die Koexistenz von hochsprachlichen wie volkssprachlichen Ausdrucken fur so alltagliche Dinge wie die Korperteile in vielen Fallen leider nicht angemessen wiedergegeben werden Ein Beispiel das die hier thematisierte Diglossie Situation im Deutschen wenigstens annahernd abbildet ware der Ausdruck Haupt fur Kopf Antlitz fur Gesicht oder Gesichtserker fur Nase wortlich bedeuten die genannten altgriechischen Ausdrucke jedoch Nasen Augen Ohren und Hande Die Katharevousa war in manchen grammatikalischen Bereichen dem Altgriechischen sehr ahnlich und verfugte beispielsweise uber mehr Kasus und deutlich mehr Partizipien als die neugriechische Volkssprache Der grossere Formenreichtum und die komplexere Syntax teilweise der lateinischen oder der deutschen Sprache nicht unahnlich erlaubten die technisch akkurate Benennung komplizierter Sachverhalte wohingegen jedoch lyrische Ausdruckskraft und gefuhlsmassiger Reichtum fehlten da die Katharevousa eben nicht der Volksseele entsprang sondern kunstlich konstruiert und somit gewissermassen leblos war Karvounis 2002 S 15 nbsp Dieser Artikel wurde am 26 Januar 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Griechische Sprachfrage amp oldid 227374226