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Als Goldblattkreuze auch Folienkreuze werden aus sehr dunnem Goldblech gefertigte Kreuze bezeichnet die vom 6 bis zum fruhen 8 Jahrhundert als fruhchristliche Grabbeigabe bei den Alamannen Bajuwaren und Langobarden in Gebrauch waren Es wird vermutet dass sie nicht nur das christliche Bekenntnis des Verstorbenen und seiner Angehorigen demonstrieren sollten sondern auch als Apotropaia dienten ihnen also eine Unheil abwehrende Funktion zugeschrieben wurde Goldblattkreuze aus verschiedenen langobardischen Graberfeldern in ItalienLangobardische Goldblattkreuze im archaologischen Museum von Bergamo Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung und Verwendung 2 Verbreitung und Deutung 3 Fundorte nordlich der Alpen 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseBeschreibung und Verwendung BearbeitenDie der Forschung bekannten Goldblattkreuze messen zwischen 2 1 und 14 2 cm wobei die ubliche Grosse zwischen 5 und 10 cm liegt Ein einzelnes Exemplar aus dem oberbayrischen Walda mass sogar 17 x 17 cm Sie wurden mit einer groben Schere aus hauchdunnem Goldblech ausgeschnitten Die Reinheit des verwendeten Goldes ist allerdings oft niedriger als es in anderen Schmuckstucken des Fruhmittelalters ublich war In einigen Fallen kamen auch andere Materialien als Gold zum Einsatz Silber vergoldetes Silber Bronze Kupfer Die Form der Objekte kann leicht variieren meist entspricht sie einem griechischen Kreuz seltener einem lateinischen Kreuz Teilweise vor allem in Italien wurden die Stucke aus einem einzigen Goldblech gefertigt teilweise wurden sie aber auch aus zwei oder mehreren ubereinander gelegten Streifen zusammengesetzt In vielen Fallen verbreitern sich die Arme nach aussen hin nordlich der Alpen in etwa der Halfte der Falle sudlich davon sogar bei der deutlichen Mehrzahl Haufig sind die Goldblattkreuze mit eingepragten Figuren oder Mustern verziert die oft wohl bereits vor Ausschneiden der Kreuzform aufgebracht wurden 1 Im langobardischen Siedlungsraum erfolgte eine wie auch immer geartete weitere Verzierung bei 60 der Objekte im alamannischen und bajuwarischen Gebiet bei 43 2 Der dafur betriebene Aufwand war jedoch ublicherweise relativ gering haufig wurden bronzene Model fur andere kunsthandwerkliche Erzeugnisse zweckentfremdet oder Munzen als Stempel benutzt ansonsten die Dekorationen mit dem Punziereisen aufgebracht oder vollig frei gestaltet Ein eindeutig christliches Schmuckelement der Goldblattkreuze sind kleinere Kreuzzeichen im Zentrum oder auf den Armen die bartigen Mannerkopfe fur die Kaisermunzen als Stempel dienten werden als Christus Darstellungen interpretiert Daruber hinaus kamen aber auch geometrische Formen und sogar eigentlich heidnische Motive im nordalpinen Raum Darstellungen im germanischen Tierstil zur Abbildung Goldblattkreuze haben an den Enden der vier Arme und gelegentlich auch an den Kanten oder im Mittelteil kleine Locher durch die sie offenbar auf Textilien aufgenaht wurden Die Kreuze werden haufig auf der Stirn und Mundregion der Verstorbenen aufgefunden was zu der Vermutung fuhrt dass sie auf eine Art Schleier genaht waren der uber dem Gesicht des Toten gelegt wurde Angesichts der relativ beliebigen und haufig unsauberen Verzierung so sind die Dekorationsmotive haufig seitlich abgeschnitten oder uberschneiden sich unregelmassig scheinen sie meistens im Todesfall kurzfristig ohne nennenswerten kunstlerischen Anspruch hergestellt und dem Verstorbenen beigegeben worden zu sein Gelegentlich sind die kleinen Locher zur Befestigung des Goldblattkreuzes ausgerissen und daraufhin durch neue Locher direkt daneben ersetzt worden Daran ist erkennbar dass die Grabtucher mit dem Kreuzsymbol nicht erst bei der Grablege auf den Toten gelegt worden sondern diesen mindestens bereits beim Trauerzug bedeckten wobei sie verrutschen und die Goldkreuze abreissen konnten 3 Abnutzungsspuren die auf eine langere Nutzung zu Lebzeiten hindeuten wurden weisen die Objekte allerdings nicht auf 1 In der Archaologie werden Goldblattkreuze als sogenannte Tabu Beigaben bezeichnet da sie oft trotz ihres Materialwertes auch durch Grabrauber nicht mitgenommen wurden sondern wohl wegen ihrer sakralen Bedeutung beim Leichnam verblieben 4 Goldblattkreuze wurden im Regelfall als Einzelstuck in das Grab beigegeben nur in wenigen Fallen sind mehrere Exemplare in einem Grab feststellbar So liess sich bei zwei Grablegen in der alamannischen Siedlung Lauchheim Mittelhofen Grab 25 und Grab 27 nachweisen dass auf ein uber den Korper gelegtes Tuch gleich funf schlichte Kreuze aus Goldblech genaht und wie die Punkte auf der Funf Augen Seite eines Wurfels angeordnet wurden Demnach durften sich zwei Stuck seitlich des Kopfes eines auf der Brust und die letzten beiden auf beiden Seiten des Bauches befunden haben Verbreitung und Deutung BearbeitenDie Sitte der Beigabe von Goldblattkreuzen kam in der zweiten Halfte des 6 Jahrhunderts ungefahr zeitgleich bei den Alamannen und Langobarden auf wobei alle bekannten Exemplare deren Fundkontext bekannt ist in Grabern aufgefunden wurden Nordlich der Alpen wurden bisher an die 100 Goldblattkreuze gefunden deren Verbreitung sich auf inneralamannisches und seltener auch auf bajuwarisches Gebiet konzentriert Aus dem Gebiet der Langobarden sind dagegen uber 300 Kreuze bekannt 5 Aus diesem Grund galt in der alteren Forschung Italien als Ursprung dieses Grabbrauchs das dortige spatantike romanische Christentum als massgeblicher Einfluss fur seine Entstehung Er sei dann von den Langobarden nach ihrer Einwanderung auf die Apenninhalbinsel aufgegriffen worden und habe sich aufgrund von deren kulturellen Einflussen auf die Alamannen und Bajuwaren auch nordlich der Alpen ausgebreitet 6 Eine systematische Auswertung der Funde von Goldblattkreuzen durch Martina Terp Schunter hat allerdings ergeben dass die Sitte der Goldblattkreuze bei den drei Volksgruppen parallel entwickelt worden ist Sie nimmt daher an dass ihr Ursprung im mittleren Donaubecken liegt wo die Langobarden vor ihrem Zug nach Italien gesiedelt hatten und wo mit den ebenfalls aus Metallblech bestehenden kreuzformigen Sargverzierungen der Awaren auch eine mogliche Inspirationsquelle vorhanden war 7 Vereinzelte Funde von Goldblattkreuzen wurden in England Syrien Agypten und auf Sardinien gemacht In den Siedlungsgebieten der Franken und Westgoten dagegen ist bis auf zwei Funde im Kolner Raum kein einziges Exemplar bekannt geworden obwohl ihre Bestattungsbrauche denen der Alamannen Langobarden und Bajuwaren in vielen Punkten ahnelten 5 Die fruhere Forschung brachte die Goldblattkreuze nordlich der Alpen mit einer abgegrenzten Gruppe der Oberschicht in Verbindung die von den arianischen Langobarden aus christianisiert worden sei den Goldblattkreuz Christen Ihr wurde eine zweite Adelsschicht der gleichen Region gegenubergestellt die kulturell und religios vor allem durch die katholischen Franken und ihre iroschottischen Missionare beeinflusst gewesen sei und keine Goldblattkreuze verwendet dafur ihre Toten in Kirchenraumen bestattet haben soll Es habe sich also um zwei miteinander konkurrierende Missionsbewegungen gehandelt die mit ihren verschiedenen Grabbrauchen im alamannisch bajuwarischen Raum aufeinandergetroffen seien und von denen sich nach einer Phase der Koexistenz die frankische durchgesetzt habe 8 Aktuelle systematische Untersuchungen sind jedoch zu dem Ergebnis gekommen dass die Kirchenbestattung und die Beigabe eines Goldblattkreuzes sich im fruhmittelalterlichen Suddeutschland und der Nordschweiz keineswegs gegenseitig ausschlossen dass es sich also um zwei parallel existierende Formen der Frommigkeit handelte Daher wurde die neue Forschungshypothese aufgestellt dass Goldblattkreuze vor allem aber eben nicht nur dort zum Einsatz kamen wo im fruhen Mittelalter noch keine Kirche im naheren Umfeld existierte und damit die Moglichkeit fehlt den eigenen christlichen Glauben durch eine Bestattung in oder bei einem sakralen Bauwerk zu unterstreichen 9 Mit dem Entstehen einer flachendeckenden kirchlichen Organisation und der Errichtung zahlreicher Pfarrkirchen und Kloster seien im 8 Jahrhundert diese Unterschiede weggefallen sodass auch die Nutzung von Goldblattkreuzen durch neue Formen des Totengedenkens wie regelmassige Furbitten und Klosterstiftungen ersetzt wurde 10 Fundorte nordlich der Alpen Bearbeiten Auswahl Andelfingen Aulendorf Biengen Graberfeld an der Krozinger Strasse Grab 14 mit 14 2 cm das grosste bekannte Goldblattkreuz Buggingen Derendingen Tubingen Graber 4 1936 5 1936 Donzdorf Grab 48 Dotternhausen Dunningen Grab 16 Lautlingen Grab 1 1910 Eislingen Fils Kreis Goppingen Grab 4 1957 Esslingen Sirnau Grab 96 Freiberg Geisingen Grab 1 1986 Gammertingen Graber 9 1904 21 1904 Giengen an der Brenz Grab 26 Guttingen Grab 90 Hintschingen Grab 14 Hufingen Graber 212 279 Kirchheim unter Teck Graber 85 1970 149 1970 155 1970 Kotz Grosskotz fruhmittelalterliches Graberfeld an der Fruhlingsstrasse Klepsau Krautheim Grab 13 Lauchheim Friedhof Lauchheim Wasserfurche Graber 0 38 450 und 458 und Siedlung Lauchheim Mittelhofen Graber 25 und 27 insgesamt 14 gefundene Goldblattkreuze Meckenheim Grab 39 Nagold Einzelfund aus St Remigius Neresheim Grab 93 Nordendorf Reitergrab Oberiflingen Schopfloch Pfahlheim Graber 4 1883 9 1883 Fund 1893 Pliezhausen Grab 3 1929 Einzelfund Rommerskirchen Grab 136 nordlichstes und moglicherweise jungstes bekanntes Exemplar Sontheim an der Brenz Grab 83 Stuttgart Unterturkheim Ulm Ermingen Weingarten Kr Ravensburg Grab 615 Walda Grab 6 grosstes bekanntes Exemplar Wurmlingen Landkreis Tuttlingen Grabung Dorn 1906 08Literatur BearbeitenHorst Wolfgang Bohme Goldblattkreuze In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 12 Walter de Gruyter Berlin New York 1998 ISBN 3 11 016227 X S 312 318 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Schriften des Alamannenmuseums Ellwangen Band 3 Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 Wolfgang Hubener Hrsg Die Goldblattkreuze des fruhen Mittelalters Veroffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg Band 37 ZDB ID 741612 x Konkordia Buhl Baden 1975 Wolfgang Muller Die Christianisierung der Alemannen In Wolfgang Hubener Die Alemannen in der Fruhzeit Veroffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg Band 34 ZDB ID 741612 x Konkordia Buhl Baden 1974 S 169 183 hier S 174 177 Wolfgang Muller Matthias Knaut Heiden und Christen Archaologische Funde zum fruhen Christentum in Sudwestdeutschland Kleine Schriften zur Vor und Fruhgeschichte Sudwestdeutschlands Band 2 ZDB ID 2548380 8 Gesellschaft fur Vor und Fruhgeschichte in Wurttemberg und Hohenzollern e V Stuttgart 1987 Michael Odenweller Goldmunze und Goldblattkreuz Die Obolus Beigabe in fruhmittelalterlichen Bestattungen als Zeugnis der Christianisierung In Fruhmittelalterliche Studien Band 48 2014 S 121 154 online Ellen Riemer Im Zeichen des Kreuzes Goldblattkreuze und andere Funde mit christlichem Symbolcharakter In Karlheinz Fuchs Martin Kempa Rainer Redies Die Alamannen 4 Auflage Lizenzausgabe Theiss Verlag Stuttgart 2001 ISBN 3 8062 1535 9 S 447 454 Ausstellungskatalog Stuttgart u a Archaologischen Landesmuseum Baden Wurttemberg u a 1997 1998 Martina Terp Schunter In signo crucis Eine vergleichende Studie zu den alamannischen und langobardischen Goldblattkreuzen Tubinger Forschungen zur historischen Archaologie Band 8 2 Bande Verlag Dr Faustus Buchenbach 2017 ISBN 978 3 946387 07 7 Kurt W Zeller Bestattungsformen und Beigabensitte In Hermann Dannheimer Heinz Dopesch Hrsg Die Bajuwaren Von Severin bis Tassilo 488 788 Prahistorische Staatssammlung Munchen u a 1988 S 229 248 Ausstellungskatalog gemeinsame Landesausstellung des Freistaates Bayern und des Landes Salzburg Rosenheim Bayern Mattsee Salzburg 19 Mai bis 6 November 1988 Weblinks BearbeitenBeitrag Die Alamannen und das Christentum auf Archaologie OnlineEinzelnachweise Bearbeiten a b Horst Wolfgang Bohme Goldblattkreuze In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 12 Walter de Gruyter Berlin New York 1998 ISBN 3 11 016227 X S 312 318 hier S 313 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 20 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 30 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 38 43 a b Kartierung der bekannten Goldblattkreuze Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 12 f Horst Wolfgang Bohme Goldblattkreuze In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 12 Walter de Gruyter Berlin New York 1998 ISBN 3 11 016227 X S 312 318 hier S 314 316 Zur siedlungsgeschichtlichen Einordnung siehe beispielsweise auch Rudolf Moosbrugger Leu Die Schweiz zur Merowingerzeit Die archaologische Hinterlassenschaft der Romanen Burgunder und Alamannen Handbuch der Schweiz zur Romer und Merowingerzeit Band B Francke Verlag Bern 1971 S 30 f und S 76 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 19 Horst Wolfgang Bohme Goldblattkreuze In Reallexikon der Germanischen Altertumskunde RGA 2 Auflage Band 12 Walter de Gruyter Berlin New York 1998 ISBN 3 11 016227 X S 312 318 hier S 317 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 44 46 Andreas Gut Martina Terp Schunter Barbara Theune Grosskopf Goldblattkreuze Glaubenszeichen der Alamannen Alamannenmuseum Ellwangen Ellwangen 2017 ISBN 978 3 00 058380 3 S 53 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Goldblattkreuz amp oldid 225999026