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Fritz Gunther von Tschirschky und Boegendorff 4 Juli 1900 auf Kobelau Landkreis Frankenstein Provinz Schlesien 9 Oktober 1980 in Munchen war ein deutscher Diplomat und Politiker Bekannt wurde er als Vertreter des konservativen Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime und als Mitarbeiter der Protokollabteilung im Auswartigen Amt unter Konrad Adenauer Fritz Gunther von Tschirschky in der Vizekanzlei 1934 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 1 1 Fruhe Jahre 1900 1933 1 2 Widerstand in der Vizekanzlei und in Wien 1933 1935 1 3 Exil 1935 1952 1 4 Tatigkeit in der Bundesrepublik Deutschland 1952 1980 2 Schriften 3 Einzelnachweise 4 Literatur 5 WeblinksLeben und Wirken BearbeitenFruhe Jahre 1900 1933 Bearbeiten nbsp Gut Kobelau 1914Fritz Gunther von Tschirschky und Boegendorff entstammte dem schlesischen Adelsgeschlecht Tschirschky wurde am 4 Juli 1900 gemeinsam mit zwei Schwestern Dolly und Dory in Kobelau bei Frankenstein als Sohn des Rittergutsbesitzers Gunther von Tschirschky 1860 1914 und seiner Frau Johanna Amalie von Tschierschky und Boegendorff 1866 1944 einer geborenen Grafin von Limburg Stirum geboren Fruher geboren worden waren drei altere Bruder Bernhard Hans Adam und Ottfried sowie die Schwester Sybilla Der Alteste von ihnen war Marineoffizier Bernhard von Tschirschky Spater folgte noch ein weiterer Bruder Mortimer von Tschirschky Weitere Verwandte waren u a sein Onkel Heinrich von Tschirschky der von 1907 bis 1916 als Botschafter des Deutschen Reiches in Wien amtierte Freda Freifrau von Rechenberg die als DNVP Abgeordnete dem preussischen Landtag angehorte und der niederlandische Gesandte Botschafter in Berlin Johan Paul van Limburg Stirum Zur Familie gehorte auch der 1844 geborene Abgeordnete Mortimer von Tschirschky Tschirschky schlug nach der Schule zunachst die Offizierslaufbahn ein Nach dem Tode seines Vaters und seiner alteren Bruder brach er diese jedoch ab um die Verwaltung der Tschirschky schen Familienguter in Schlesien zu ubernehmen Ab 1918 nahm Tschirschky am Ersten Weltkrieg teil An der Front wurde er da bereits zwei seiner alteren Bruder gefallen waren entgegen seinem eigenen Wunsch nicht verwendet Nach dem Krieg gehorte er von Dezember 1918 bis zu seinem Ausscheiden aus der Reichswehr im April 1920 dem Freikorps Maercker an mit dem er sich an Kampfen gegen sozialistische Revolutionare in Berlin und Braunschweig beteiligte und im Februar Marz 1919 zu der Schutztruppe gehorte die zur Gewahrleistung des Sicherheit fur die in Weimar tagenden Nationalversammlung herangezogen worden waren 1921 heiratete er die Gutsbesitzertochter Maria Elisabeth von Lobbecke Aus der Ehe gingen zwei Sohne und zwei Tochter hervor Ausserdem brachte Tschirschkys Ehefrau das Rittergut Koltschen bei Reichenbach mit in die Ehe das zum Stammsitz der Familie wurde Auf dem circa 270 Hektar grossen Gut lebten funfundzwanzig Landarbeiterfamilien die auf dem Familiengut arbeiteten Zusatzlich zu seiner Tatigkeit als Gutsherr ubernahm Tschirschky einige Ehrenamter im Umkreis So wurde er als Vertreter der Arbeitgeber ins Arbeitsgericht des Landkreises Reichenbach gewahlt wo er als Schlichter bei Arbeitsstreitigkeiten auftrat Wahrend der Zeit der Weimarer Republik unterhielt Tschirschky enge Kontakte zum Kronprinzen Wilhelm und zur Kronprinzessin Cecilie Ausserdem leitete er die schlesische Herrengesellschaft und von 1930 bis 1932 die schlesische Abteilung des Nachrichtendienstes des Stahlhelm Kampfbundes ohne diesem selbst anzugehoren Obwohl er der Weimarer Republik kritisch gegenuberstand und eine Ruckkehr zur Monarchie wunschte lehnte er den Nationalsozialismus bereits zu dieser Zeit entschieden ab Die Zusammensetzung des Namen ist ja schon der Versuch eines Betrugs Damit will man offenbar allen nur erdenklichen politischen Einstellungen und ganz unvereinbaren Gruppen Sand in die Augen streuen Das ist ja Bauernfangerei 1 Seiner eigenen Aussage zufolge wahlte er bis 1928 die DNVP und nachdem Alfred Hugenberg 1928 die Fuhrung der DNVP ubernommen hatte als Protestwahler die Wirtschaftspartei mit der ihn allerdings kaum etwas verband Widerstand in der Vizekanzlei und in Wien 1933 1935 Bearbeiten nbsp Tschirschky rechts gratuliert Reichsprasident von Hindenburg zum 86 Geburtstag 1933 Von links nach rechts Franz von Papen Hindenburg Tschirschkys Kinder Tschirschky seine Frau nbsp Fritz Gunther von Tschirschky rechts im Juli 1934 nach seiner Ernennung zum Attache an der deutschen Gesandtschaft in Wien Ausserdem im Bild Franz von Papen Martha von Papen und Maria von Tschirschky Ab 1933 war Tschirschky als Adjutant und Kulturreferent von Hitlers Vizekanzler Franz von Papen in der Vizekanzlei in Berlin tatig Dort bildete er den Mittelpunkt einer oppositionellen Gruppe junger Mitarbeiter Papens spater als Edgar Jung Kreis bezeichnet die dem Nationalsozialismus ablehnend gegenuberstanden und die Kanzlei als Ausgangsposition des Widerstands gegen den NS Staat nutzten In seinen Memoiren gab Tschirschky spater an seine Kollegen und er hatten bereits 1933 erkannt wohin Hitler Deutschland fuhren wurde und aus dieser Erkenntnis heraus so gehandelt wie wir glaubten handeln zu mussen 2 Die Stelle in der Vizekanzlei erhielt Tschirschky auf Vermittlung Nikolaus von Ballestrems eines NS skeptischen Industriellen der eng mit Papen befreundet war Ferdinand von Cramer schilderte das Kalkul das Ballestrem und die hinter ihm stehenden Konservativen dazu veranlasste Tschirschky in der Umgebung Papens zu platzieren Als Papen als Vizekanzler unter Hitlers Einfluss geriet bemuhten sich die gemassigte konservative Kreise aus denen Papen politisch stammte einen Mann als unmittelbaren Vertrauten und Mitarbeiter Papens zu finden der auf dessen schwankenden und Hitler ergebenen Charakter einzuwirken vermochte und der ihn in der klaren Beurteilung der zu befurchtenden politischen Entwicklung beeinflussen konnte 3 Zu der Gruppe um Tschirschky zahlten unter anderen der Schriftsteller Edgar Jung der als Theoretiker und der Verwaltungsrat Herbert von Bose der als Organisator der Gruppe galt Die Gruppe entwickelte ehrgeizige Plane die in letzter Konsequenz darauf hinausliefen die nationalsozialistische Umgestaltung des Deutschen Reiches aufzufangen und in konservative Kanale zu lenken So sahen die Plane der Tschirschky Gruppe wahrend der Staatskrise im Fruhling 1934 vor der nationalsozialistischen ersten Revolution eine konservative zweite Revolution nachzuschalten vgl Konservative Revolution Im Zuge dieser zweiten korrigierenden Umgestaltung des deutschen Staatswesens sollte Reichsprasident Paul von Hindenburg uberzeugt werden den Ausnahmezustand zu erklaren sodann die SA von der Reichswehr entwaffnet und ein Direktorium als neue Exekutive installiert werden Diesem Direktorium sollten nach Tschirschkys Planen die Generale Werner von Fritsch und Gerd von Rundstedt sowie die Politiker Hermann Goring Hitler Heinrich Bruning Carl Friedrich Goerdeler und Papen angehoren Nach der kurzzeitigen Herrschaft dieses Gremiums auf diktatorialer Grundlage sollte die Ruckkehr zu einer Monarchie auf parlamentarischer Basis vollzogen werden Diese Plane zerschlugen sich mit den Ereignissen der Nacht der langen Messer in deren Zuge Jung und von Bose ermordet wurden Tschirschky selbst wurde von der Gestapo verhaftet und in das Gestapo Hauptquartier in der Prinz Albrecht Strasse verschleppt wo er die Ermordung Gregor Strassers miterlebte und letztmals mit Jung zusammentraf Danach wurde er fur einige Tage in das Konzentrationslager Lichtenburg bei Dessau eingewiesen aus dem er auf Intervention von Papens und seines Onkels Johan Paul van Limburg Stirum des niederlandischen Botschafter in Berlin freikam Nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager begleitete Tschirschky von Papen der im Juli zum deutschen Botschafter in Osterreich ernannt worden war im August nach Wien Dort kam es Anfang 1935 zum Bruch zwischen Papen und Tschirschky nachdem sich letzterer uberzeugt dass seine Ermordung geplant sei wie 1938 seinem Freund Wilhelm Freiherr von Ketteler tatsachlich widerfahren geweigert hatte sich einer Vorladung zum Verhor durch die Gestapo in Berlin zu stellen Exil 1935 1952 Bearbeiten Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst an der Wiener Botschaft des Reiches wurde Tschirschky vorubergehend unter den Schutz der osterreichischen Regierung gestellt Danach emigrierte er uber Paris nach London wo er ab 1937 als Kaufmann tatig war 1939 lebte Tschirschky einige Wochen lang als Nachbar des spateren Kriegspremierministers Winston Churchill in dem exklusiven Apartmenthaus Morphet Mansion gegenuber der Westminster Kathedrale Die Nacht des britischen Kriegseintritts am 3 September 1939 erlebte er zusammen mit Churchill im Luftschutzkeller des Gebaudes Wahrend des Krieges liess Tschirschky sich obwohl er als anerkannter Gegner des Nationalsozialismus nicht den Internierungsvorschriften unterlag von 1940 bis 1944 auf eigenen Wunsch internieren da er furchtete seine in Deutschland zuruckgebliebene Familie wurde Probleme mit den Nationalsozialisten bekommen wenn diese feststellen wurden dass er in England frei herumlaufe Seine Internierung verbrachte er zunachst im Sammellager Campton Park und in einem provisorischen Lager in Mittelengland danach in einem Lager bei Peel einem kleinen Hafenort auf der Isle of Man Nach dem Krieg holte Tschirschky seine Familie nach London und arbeitete als Geschaftsmann Im Londoner Buro des Verlegers John Holroyd Reece war er mit dem Wiederaufbau des Tauchnitz Verlags und mit Finanzberatungen befasst Zu den Klienten des Buros gehorten unter anderen der britische Verleger und Politiker Harold Macmillan und der Vorsitzende des Zionistischen Weltkongresses Chaim Weizmann Erst 1952 kehrte er endgultig nach Deutschland zuruck nachdem er 1947 wahrend der Nurnberger Prozesse dort bereits als Zeuge im Strafverfahren gegen von Papen vernommen worden war Tatigkeit in der Bundesrepublik Deutschland 1952 1980 Bearbeiten Ab 1952 gehorte Tschirschky als Legationsrat I Klasse der Protokollabteilung des Auswartigen Amtes an 1955 war er der erste bundesdeutsche Diplomat der in offizieller Mission nach Moskau reiste 4 Dort war er unter anderem fur die Vorbereitungen des Besuchs von Konrad Adenauer in der sowjetischen Hauptstadt verantwortlich der in diesem Jahr nach Moskau reiste um uber die Freilassung der letzten in sowjetischer Gewalt verbliebenen deutschen Kriegsgefangenen zu verhandeln Tschirschky organisierte den abhorsicheren Zug in dem die deutsche Delegation ihre Nachrichten und Funkzentrale einrichtete wie auch die Unterbringung des 120 Mann Stabes des Bundeskanzlers in der sowjetischen Hauptstadt Ausserdem war er fur das Zeremoniell die Einhaltung der protokollarischen Form wahrend des Besuches verantwortlich In den spateren 1950er Jahren war er unter anderem an der deutschen Botschaft in London sowie als deutscher Konsul im nordfranzosischen Lille tatig 1961 erwarb Tschirschky ein Grundstuck in Reith bei Kitzbuhel in Tirol auf dem er ein 1964 fertiggestelltes Haus baute in dem er und seine Frau die letzten Jahre ihres Lebens verbrachten 1972 verfasste Tschirschky einen Memoirenband der unter dem Titel Erinnerungen eines Hochverraters veroffentlicht wurde Tschirschky gehorte als Protestant seit den 1920er Jahren dem Johanniterorden an Am 20 Juli 1933 bekam er zudem den katholischen Silvesterorden verliehen Die Ehrung erfolgte wahrend eines Besuchs im Vatikan anlasslich der Verhandlungen uber den Abschluss des Reichskonkordats und wurde durch den damaligen Kardinalstaatssekretar Pacelli spater Papst Pius XII vorgenommen Schriften BearbeitenErinnerungen eines Hochverraters Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1972 ISBN 3 421 01602 X Einzelnachweise Bearbeiten Fritz Gunther von Tschirschky Erinnerungen eines Hochverraters S 49 An gleicher Stelle erganzt er Schon der Name dieser neuen Partei verriet mir ein Tauschungsmanover Fritz Gunther von Tschirschky Erinnerungen eines Hochverraters 1973 S 241 Fritz Gunther von Tschirschky Erinnerungen eines Hochverraters 1973 S 326 Fritz Gunther von Tschirschky In Der Spiegel Nr 41 1955 online Literatur BearbeitenFritz Gunther von Tschirschky und Boegendorff in Internationales Biographisches Archiv 45 1955 vom 31 Oktober 1955 im Munzinger Archiv Artikelanfang frei abrufbar Rainer Roth Fritz Gunther von Tschirschky in Ders Der Amtssitz der Opposition Politik und Staatsumbauplane im Buro des Stellvertreters des Reichskanzlers in den Jahren 1933 1934 Bohlau Koln 2016 ISBN 3412505552 Tschirschky und Boegendorff Fritz Gunther von in Werner Roder Herbert A Strauss Hrsg Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 Band 1 Politik Wirtschaft Offentliches Leben Munchen Saur 1980 S 769Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Fritz Gunther von Tschirschky im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Literaturliste im Online Katalog der Staatsbibliothek zu BerlinNormdaten Person GND 124995454 lobid OGND AKS VIAF 40326503 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tschirschky Fritz Gunther vonALTERNATIVNAMEN Tschirschky und Boegendorff Fritz Gunther von vollstandiger Name KURZBESCHREIBUNG deutscher Diplomat und PolitikerGEBURTSDATUM 4 Juli 1900GEBURTSORT Kobelau Landkreis Frankenstein Provinz SchlesienSTERBEDATUM 9 Oktober 1980STERBEORT Munchen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Fritz Gunther von Tschirschky amp oldid 236630506