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Die Stadtbefestigung Hameln war ein System von Verteidigungsanlagen der Stadt Hameln das sie etwa vom 13 Jahrhundert bis Anfang des 19 Jahrhunderts vor Angriffen schutzte Dazu gehorten die mittelalterliche Stadtmauer mit Mauerturmen und Stadttoren sowie als ausserer Schutzring die im 14 Jahrhundert entstandene Hamelner Landwehr Im 17 Jahrhundert zu einer Bastionarsbefestigung nach niederlandischem Vorbild ausgebaut wurde Hameln zur Landesfestung des Kurfurstentums Hannover Gemeinsam mit der in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts entstandenen Klutfestung erreichte die Festung Hameln ihre hochste Ausbaustufe und galt als das Gibraltar des Nordens 1 Auf Napoleons Weisung hin wurden die Befestigungsanlagen im Jahr 1808 so grundlich geschleift dass sich heute kaum noch steinerne Reste finden Das bastionarsmassig befestigte Hameln und die Klutfestung links 1777 nahezu Endausbau Inhaltsverzeichnis 1 Mittelalterliche Stadtbefestigung 2 Ubergang zur Festung 3 Landesfestung 4 Kommandanten 5 Gefangene 6 Belagerungen und Ubernahmen 7 Schleifung 8 Bodenreste 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseMittelalterliche Stadtbefestigung Bearbeiten nbsp Rekonstruierte Stadtmauer zwischen Haspelmathturm links und Pulverturm rechts Wahrscheinlich im 13 Jahrhundert entstand um Hameln eine etwa 9 Meter hohe Stadtmauer der um 1250 ein Graben vorgelagert wurde Einziger Uberrest der Mauer ist heute eine Aussenwand am Hugenottenhaus im sudlichen Bereich der Altstadt An den Ausgangen zu Fernwegen bestanden funf Stadttore Es handelte sich um das 1272 erstmals erwahnte Ostertor das 1282 erwahnte Muhlentor das Wettor von 1327 das Thietor 1340 und das Bruckertor von 1355 Entlang der Mauer entstanden 22 Mauerturme die jeweils etwa 100 bis 120 Meter voneinander entfernt waren Der erste Turm wurde 1333 erwahnt Heute sind nur noch der um 1450 errichtete Haspelmathturm und der Pulverturm vorhanden Zwischen beiden Turmen ist in den 1990er Jahren ein Abschnitt der Stadtmauer nicht originalgetreu aufgebaut worden nbsp Stadtbefestigung Hameln im mittelalterlichen Zustand 1622 nbsp Letzter erhaltener Stadtmauerrest am Hugenottenhaus mit Absatz des Wehrgangs oben am GiebelUbergang zur Festung BearbeitenDie Anpassung der Stadtbefestigung an die neuesten wehrtechnischen Bedingungen setzte in Hameln wahrscheinlich Mitte des 15 Jahrhunderts ein als vor der Stadtmauer ein Wall aufgeschuttet wurde Verantwortlich dafur waren das Aufkommen von Feuerwaffen im 14 Jahrhundert und die Weiterentwicklung der Artillerie im 15 Jahrhundert deren Durchschlagskraft Stadtmauern nicht mehr gewachsen waren Um 1530 baute Herzog Erich I die Stadtumwallung weiter aus Ausserdem erhielt die Stadtmauer an der Weser zwei Rondelle die als Plattformen zur Aufstellung von Geschutzen dienten Auch entstanden im verbreiterten Stadtgraben an drei Stadttoren Ravelins als spitzwinkelige Erdwerke mit Wachhausern und Kanonen Im 17 Jahrhundert dehnten sich die Befestigungsanlagen in Hameln weiter ins Vorfeld aus Man schuttete den Graben direkt an der Stadtmauer zu und legte vor dem Wall einen 60 bis 90 Meter breiten Graben an Landesfestung Bearbeiten nbsp Vogelschauplan der Festung Hameln 1741 nbsp Plan der Festung Hameln 1777 nachtraglich koloriert Nachdem Hameln nach Ende des Dreissigjahrigen Krieges seine Selbstandigkeit verloren hatte wurde es bedingt durch seine strategisch gunstige Lage an einem Weserubergang und am Hellweg unter landesherrschaftlicher Leitung zur neuzeitlichen Landesfestung ausgebaut Die Starke der Befestigung beruhte dann nicht mehr nur auf der Stadtmauer sondern auf polygonalen Erdwallen und einem breiten Wassergraben bis weit ins Vorfeld der Stadt Der bastionarsmassige Umbau nach niederlandischem Vorbild begann 1664 unter Herzog Georg Wilhelm Dabei wurden die beiden vorhandenen Rondelle zu Bastionen umgestaltet Insgesamt gab es die folgenden acht Bastionen die spitzwinklig in den bis zu 90 Meter breiten Wassergraben hineinragten und mit Fursten sowie Prinzennamen der Welfen benannt worden sind Bastion Nr 1 Johann Friedrich Bastion Nr 2 Georg Wilhelm Bastion Nr 3 Ernst August Bastion Nr 4 George Ludwig Bastion Nr 5 August Bastion Nr 6 Maximilian Bastion Nr 7 Carl Bastion Nr 8 ChristianVor drei Stadttoren sicherten mit Wachthausern und Kanonen ausgestattete Ravelins den Zugang zur Stadt uber Zugbrucken Dem Wassergraben folgte der als Glacis gestaltete niedrigere Aussenwall dem die Hamel vorgelagert war Das schmale Gewasser auch Festungshamel genannt umzog ganz Hameln entlang des Aussenwalls und mundete an zwei Stellen in die Weser Heute zeigt der Verlauf der Hamel mit ihren spitzwinkligen Ecken die Standorte der fruheren Befestigungen an Mit den durch Bastionen gesicherten zwei Stauwehren an der Weser liessen sich der breite Wassergraben um Hameln und die Hamel auf etwa zwei Meter Wassertiefe aufstauen Auf der als Werder ausgepragten Weserinsel uber die auch die Brucke uber die Weser verlief befand sich eine Schanze Die Brucke war auf dem anderen Weserufer durch einen Ravelin als befestigter Bruckenkopf gesichert nbsp Die Hamel am spitzwinkligen Glacis des fruheren Ravelin Eduard August nbsp Torbekronung des Aussentores am Bruckenkopf Ravelin mit den Initialen G R fur Konig Georg III Rex aufgestellt im Museum HamelnEine erste Ausbaustufe mit neugeschaffenen Bastionen Erdwallen Kurtinen Lunetten und Ravelins war 1670 vollendet Danach entstanden in der Stadt zwei Kasernenbauten fur die Soldaten der Festung und beschusssichere Kasematten Neben mehreren kleineren Bauten nahmen die drei grossten Kasematten jeweils bis zu 150 Mann auf und waren bis zu 100 Meter lang Fur den Belagerungsfall gab es eine kasemattierte Backerei die taglich 1000 Brote backen konnte Drei der mittelalterlichen Stadtmauerturme wurden anfangs zur Lagerung von Pulver benutzt wovon sich der Name des noch heute bestehenden Pulverturms ableitet Auf Wunsch von Stadt und Stift vom Jahr 1733 wurde das Pulver in den Festungsanlagen ausserhalb der Stadt gelagert Bei Einrichtung der Landesfestung Ende des 17 Jahrhunderts wurden die Soldaten der Garnison die die Starke eines Bataillons hatte zunachst in Burgerquartieren untergebracht Da die Einquartierungen eine Last fur die Burger waren und es auch zu Streitigkeiten kam begann bald der Bau von Kasernen Dies waren drei zweistockige Fachwerkgebaude aus Holz die Baracken genannt wurden Dadurch war die Bevolkerung im Jahr 1701 weitgehend von der Unterbringung befreit auch wenn 1761 noch 184 Burger ein Quartier gaben Weitere militarische Einrichtungen in der Stadt waren eine Pulvermuhle als Zeughauser angemietete Privathauser ein Laboratorium fur Feuerwerker die Kriegskanzlei die Hauptwache die Kommandantur die Garnisonkirche und der Garnisonfriedhof Hameln 1758 entstand eine durch eine Redoute geschutzte Uberschwemmungsschleuse die bei einer Belagerung das Wasser der Hamel anstauen und die Niederungen um die Stadt unter Wasser setzen sollte Wahrend des Siebenjahrigen Kriegs erfolgten zur Verteidigung in drei Fallen kunstliche Uberschwemmungen Bei der Belagerung von Hameln im Jahr 1806 war wegen der herrschenden Trockenheit eine Uberschwemmung erfolglos da die Kavallerie sie durchqueren konnte Kommandanten BearbeitenDer im 17 Jahrhundert entstandenen Landesfestung Hameln standen folgende Kommandanten vor die ab dem Jahr 1700 zu Gouverneure ernannt wurden um 1664 Generalmajor von Offener 1621 1693 bis 1697 Andreas Baron von Dumont 1620 1697 1697 1703 Generalmajor de Saint Pol des Estangs 1703 1714 Oberstleutnant Philipp von Schwaan 1714 1719 Generalmajor Balthasar von Klinckowstrom 1719 1728 Generalmajor Georg Heinrich Freiherr von Breidenbach 1728 1742 General der Infanterie Georg Ernest von Melvill 1742 1748 General der Infanterie von Wendt 1748 1749 Carl Christian von Sommerfeldt 1749 1761 General der Kavallerie Ernst August Philipp von dem Bussche 1763 1764 General von Hardenberg 1764 1767 Generalleutnant Brunck 1767 1780 Generalleutnant Georg August von Wangenheim 1780 1781 Generalmajor von Stockhausen 1781 1796 Generalmajor Georg Wilhelm von dem Bussche 1796 1803 Generalleutnant von Trew 1803 1805 General Gabriel Barbou des Courieres 1806 Marz November Generalmajor Johann Friedrich Wilhelm von SchoelerGefangene BearbeitenChristian Krumbholtz 1662 1725 Hauptpastor in Hamburg wegen Aufwiegelung zu lebenslanger Festungshaft verurteilt von 1711 bis zu seinem Tod 1725 in der Festung HamelnBelagerungen und Ubernahmen BearbeitenDatum Verteidiger Angreifer Einzelheiten14 Juli 1625 600 Mann Burgerwehr Danen Dreissigjahriger Krieg29 Juli 2 August 1625 600 Mann Burgerwehr Ligisten unter Johann T Serclaes von Tilly Kapitulation Dreissigjahriger Krieg12 Marz 3 Juli 1633 2000 Ligisten Schweden Luneburger Hessen Kapitulation Dreissigjahriger Krieg26 27 Juli 1757 8000 Hannoveraner Franzosen Kapitulation nach der Schlacht bei Hastenbeck Siebenjahriger Krieg21 Marz 1758 Franzosen Hannoveraner Ubergabe da Stadt am 17 Marz von Franzosen geraumt Siebenjahriger Krieg1801 Hannoveraner Armee beurlaubt Stadt nicht verteidigtDezember 1805 4000 Franzosen Englander und Russen Blockade von Hameln30 Marz 1806 Franzosen Preussen Stadt geraumt nach Staatsvertrag7 21 November 1806 10 000 Preussen 6000 Franzosen Kapitulation KoalitionskriegeSchleifung Bearbeiten nbsp Gedenkstein fur 9 franzosische Todesopfer durch eine Explosion am 7 Februar 1808 wahrend der SchleifungIm Vierten Koalitionskrieg zogen im November 1806 franzosische Truppen vor der Festung Hameln auf in der sich zu diesem Zeitpunkt preussische Truppen in einer Starke von rund 9000 Soldaten gesammelt hatten Unter dem Eindruck der Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstedt kapitulierten die preussischen Truppen in Hameln am 20 November 1806 unter General Le Coq nahezu kampflos trotz der zahlenmassig unterlegenen Franzosen des Generals Savary mit etwa 6000 Mann 2 Hinzu kam ein Aufruhr unter den preussischen Soldaten die betrunken plundernd und schiessend durch die Strassen der Stadt zogen als sie erfuhren dass die Offiziere freies Geleit erhalten und sie dagegen laut den Kapitulationsbedingungen in die Gefangenschaft nach Frankreich gefuhrt werden sollten Augenzeuge der Vorfalle war der Gelehrte Adelbert von Chamisso der Offizier in der Festung gewesen war und als Gefangener auf Ehrenwort entlassen wurde Die Kapitulation wurde in der Wehrberger Warte einer ehemaligen Warte der Hamelner Landwehr unterzeichnet 3 Das Abkommen unterzeichneten der franzosische General Savary und der 76 jahrige preussische Offizier von Schoeler 3 der dafur zu lebenslanger Festungshaft verurteilt wurde 4 1808 wurde die Festung Hameln einschliesslich der Befestigungsanlagen auf dem Klut aufgrund eines Dekrets durch Napoleon geschleift Dabei wurde das obertagige Steinmaterial durch rund 1000 Arbeiter andere Quellen sprechen von bis zu 4000 Arbeitern unter Einsatz von 26 000 Pferden und uber 6000 Wagen vollstandig abgetragen Fur die erkrankten Arbeiter wurde ein Krankenhaus eingerichtet Trotzdem war mit 50 verstorbenen Arbeitern die Sterblichkeit erheblich Bei der Entscharfung einer Mine in einer Kasematte explodierte im Februar 1808 die Sprengladung und totete neun franzosische Soldaten Die Schleifung dauerte ein halbes Jahr an und kostete fast 2 Millionen Franc 1812 schenkte Konig Jerome namens des Konigreichs Westphalen der Stadt Hameln das einst enteignete und nun frei gewordene Festungsgelande zur Nachnutzung Darum entstand bis zum Vergleich 1850 ein langwieriger Rechtsstreit mit dem hannoverschen Kriegsministerium das die Schenkung wahrend der franzosischen Besatzungszeit nicht anerkannte Anschliessend verausserte die Stadt die Grundstucke an Privatleute oder errichtete auf ihnen Strassen Bodenreste Bearbeiten nbsp Ludersteich als letzter Rest des breiten FestungsgrabensIm Zuge von Bau und Strassenbaumassnahmen sowie Ausgrabungen in der Innenstadt von Hameln stiess man des Ofteren auf Reste von Festungsbauten 1943 wurde ein Souterrain der Festung mit einem ein Meter machtigen Tonnengewolbe bei Grabungen entdeckt 1973 wurde bei Strassenarbeiten eine unterirdische Poterne der Festung freigelegt Bei der Anlage eines unterirdischen Tresorraums fur ein Bankinstitut im Gebaude der fruheren Garnisonkirche stiess man 1988 auf eine mit Ziegelsteinen gemauerte Grabkammer mit Knochenresten 2001 wurde ein vier Meter hoher und zwei Meter breiter tonnengewolbter Gang festgestellt der seinen Anfang in einem Keller des Redenhofes hatte Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gewolbe aus einer meterdicken Bruchsteinschicht als Luftschutzkeller genutzt Verschiedentlich fanden sich bei Hausbauten im Boden Mauerreste der Festungsanlage Der einzige Rest des breiten Festungsgrabens ist ein Teich der nach dem fruheren Grundstucksbesitzer den Namen Ludersteich tragt Der Kaufmann Carl Ludwig Luder war 1856 einer der ersten Burger der auf dem frei gewordenen Festungsgelande ein Grundstuck erwarb Literatur BearbeitenErich Karwiese Die Festung Hameln 1618 1806 Hameln Leipzig 1911 Ernst Andreas Friedrich Die Festung Hameln S 171 172 in Wenn Steine reden konnten Band II Landbuch Verlag Hannover 1992 ISBN 3 7842 0479 1 Gerhard Pieper Die Festung Hameln Geschichte Bauwerke und Institutionen Hameln 2006 ISBN 3 8271 9303 6 Viktor Meissner Gibraltar des Nordens Die Festung Hameln Stadtarchiv Hameln Begleitheft zur Ausstellung 2006 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Stadtbefestigung Hameln Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Stadtfestung Hameln bei hameln geschichte de Hameln fruher das Gibraltar der Nordens Stadtbefestigung Hameln bei burgen deEinzelnachweise Bearbeiten Stadtgeschichte Hameln Memento vom 18 Februar 2012 im Internet Archive Grosser Generalstab Hrsg 1806 Das Preussische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse Ernst Siegfried Mittler und Sohn Berlin 1906 a b Wehrbergen Memento vom 22 Mai 2006 im Internet Archive bei Stadt Hameln Hameln fruher das Gibraltar der Nordens Memento vom 22 Mai 2009 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stadtbefestigung Hameln amp oldid 233814828