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Erwin Baur 16 April 1875 in Ichenheim 2 Dezember 1933 in Berlin war ein deutscher Arzt Botaniker Genetiker Rassenhygieniker und Zuchtungsforscher Er gilt als bedeutender Vertreter des Neodarwinismus und der experimentellen Populationsgenetik Umstritten ist seine Rolle in der eugenischen Bewegung in Deutschland und seine Beteiligung am ersten deutschen Lehrbuch fur Rassenhygiene 1 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Forschung 3 Ehrungen 4 Schriften 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenErwin Baur wuchs im landlichen Ichenheim bei Lahr in Baden als Sohn eines Apothekers auf Da die Apotheke gleichzeitig mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbunden war konnte der junge Baur schon fruh die damaligen Probleme der Landwirtschaft kennenlernen Baur studierte zunachst Medizin und Naturwissenschaften an den Universitaten Heidelberg Freiburg Strassburg und Kiel und wurde 1900 nach Verteidigung seiner Dissertationsschrift Uber complicierende Bauchfelltuberkulose bei Lebercirrhose in Kiel zum Dr med promoviert Danach wirkte er in Kiel als Assistent der Bakteriologie 1901 1902 leistete er Militardienst als Arzt bei der Marine wurde 1902 Assistenzarzt in einer psychiatrischen Klinik in Kiel um dann 1903 in der gleichen Funktion in der Landesirrenanstalt heute Zentrum fur Psychiatrie in Emmendingen zu arbeiten Im Oktober 1903 wechselte er seinen Neigungen entsprechend das Fach und wurde 1 Assistent am Botanischen Institut der Universitat Berlin 1903 wurde er an der Universitat Freiburg im Fach Botanik zum Dr phil promoviert Das Thema seiner Dissertation war Untersuchungen uber die Entwicklungsgeschichte einiger Flechtenapothecien 1904 habilitierte sich Baur in Berlin fur das Fach Botanik mit einer Arbeit zum Thema Myxobakterienstudien in der er sich mit der bakteriellen Physiologie beschaftigt 1905 wurde er Mitglied der neu gegrundeten Gesellschaft fur Rassenhygiene 2 Als Privatdozent hielt Baur ab 1907 erste genetische Vorlesungen an der Universitat Berlin 1911 wurde er auf den ersten deutschen Lehrstuhl fur Genetik an die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin berufen 1914 wurde er Leiter des ersten Instituts fur Vererbungswissenschaft in Berlin das erste Institut in Deutschland in dem genetische Erkenntnisse systematisch fur landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden nbsp Apfelsorte des Instituts fur Pflanzenbau Muncheberg benannt Erwin Baur 1917 wurde Baur Vorsitzender der Berliner Gesellschaft fur Rassenhygiene 2 Im selben Jahr stellte Baur gemeinsam mit Ferdinand von Lochow bei der Kaiser Wilhelm Gesellschaft den Antrag auf ein Institut fur Pflanzenzuchtung dem diese 1927 auch zustimmte und das am 29 September 1928 als Kaiser Wilhelm Institut fur Zuchtungsforschung mit Sitz in Muncheberg eroffnet und von Baur geleitet wurde Mit der Einrichtung des Instituts wollte Baur erreichen dass neben der privatwirtschaftlichen Zuchtung auch der Staat ertragreiche Pflanzensorten schafft um dadurch unter anderem die Einfuhren zu verringern Das heutige Max Planck Institut fur Pflanzenzuchtungsforschung in Koln arbeitet in direkter Nachfolge des von Baur seinerzeit gegrundeten Instituts 1921 publizierte er zusammen mit Eugen Fischer und Fritz Lenz das Lehrbuch Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene das damals als Standardwerk der Rassenhygiene galt 2 Baur war Mitherausgeber der Zeitschriften Archiv fur Rassen und Gesellschaftsbiologie und Volk und Rasse 2 1933 begrusste er die Machtergreifung der Nationalsozialisten und versicherte dass von niemand sonst die Sterilisationsgesetze der Reichsregierung mehr gebilligt werden als von mir aber damit ist wie ich immer betonen muss nur erst ein Anfang gemacht 3 Ab 1928 war der Pflanzenzuchter und Vererbungswissenschaftler Max Ufer 1900 1983 4 bei Baur als Leiter der Abteilung fur Futterpflanzen tatig wo er bitterstofffreie Steinkleepflanzen entwickelte musste aber im Oktober 1933 das KWI verlassen da er sich nicht von seiner judischen Ehefrau Margot Ufer geborene Holzheim scheiden lassen wollte 5 Ebenfalls 1933 vertrat Baur in Die Bedeutung der naturlichen Zuchtwahl bei Tieren und Pflanzen anhand des Beispiels eines Kaninchenbestandes einer fiktiven Insel auf der aufgrund der Auslese durch Greifvogel nach und nach ein optimal angepasstes Kaninchenvolk entstehe die Ansicht bei Menschen entfalle aufgrund humanitarer Gesichtspunkte diese von ihm fur notwendig erachtete naturliche Zuchtwahl und Auslese daher musse der Staat die Funktion der Greifvogel ubernehmen 6 Baur starb noch im selben Jahr Forschung BearbeitenBaur konnte in seinen fruhen Arbeiten nachweisen dass Viren die Ursache fur die infektiose Chlorose von Pflanzen sind und kann damit als einer der Begrunder der pflanzlichen Virologie gelten Sein wohl wichtigster Beitrag zur Genetik war der Nachweis dass Gene nicht nur in Chromosomen innerhalb des Zellkerns vorkommen sondern auch Plastiden z B Chloroplasten Trager genetischer Information sind und damit den Phanotyp von Pflanzen mitbestimmen Seine genetischen Versuche mit Lowenmaulchen Antirrhinum sind nicht nur in die Lehrbucher der Genetik sondern auch in Schulbucher eingegangen An diesem Objekt studierte er Farbvererbung multiple Allelie Interaktion der Gene sowie kunstliche Mutationen Noch bis heute nachwirkend sind seine Zuchtungserfolge an Getreide oder die erstmalige Zuchtung bitterstofffreier Futterlupinen In einer Zeit als Reblaus sowie Echter und Falscher Mehltau gravierende Probleme im europaischen Weinbau darstellten erkannte Baur dass diese mit einer konsequenten Anwendung genetischer Erkenntnisse etwa durch die Kreuzung pilzresistenter amerikanischer Wildreben mit der europaischen Kulturrebe zu losen seien Bereits 1922 fuhrte Baur erste Kreuzungen zwischen verschiedenen Beerenobstarten durch So konnte er aus der mehltauresistenten Wildjohannisbeere Ribes succirubrum und mehltauanfalligen Stachelbeersorten die von ihm so genannte Jochelbeere Johannisbeere x Stachelbeere heute haufiger nicht ganz korrekt als Jostabeere bezeichnet erzeugen Im Jahre 1921 grundete Baur zusammen mit Carl Correns und Richard Goldschmidt die Deutsche Gesellschaft fur Vererbungswissenschaft und forderte zudem mit Carl Correns Eugen Fischer Richard Goldschmidt und Ernst Rudin die 1927 erfolgte Grundung des Kaiser Wilhelm Institutes fur Anthropologie menschliche Erblehre und Eugenik in dem nach Baurs Tod unter den Nationalsozialisten die sogenannte Rassenforschung einen Schwerpunkt bildete Ehrungen BearbeitenErwin Baur Medaille DDR fur hervorragende Leistungen in der pflanzlichen Zuchtungsforschung Erwin Baur Realschule Neuried Ichenheim Grabstatte und ein unter Denkmalschutz stehender Gedenkstein fur den Botaniker Erwin Baur auf dem Gelande des Brigittenhofs in Muncheberg In verschiedenen Orten wurden Strassen nach Baur benannt beispielsweise in Quedlinburg Ditfurt Muncheberg und in seinem Geburtsort Ichenheim Mitglied der Leopoldina seit 1926Schriften BearbeitenEinfuhrung in die experimentelle Vererbungslehre Borntraeger Berlin 1911 Archive mit Eugen Fischer und Fritz Lenz Erwin Baur Eugen Fischer Fritz Lenz Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene Band 1 Menschliche Erblichkeitslehre 1 Aufl Munchen Lehmann 1921 Erwin Baur Eugen Fischer Fritz Lenz Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene Band 1 Menschliche Erblichkeitslehre 2 Aufl Munchen Lehmann 1923 4 Aufl 1936 erstes deutsches Lehrbuch fur Rassenhygiene und Standardwerk der Zeit als sogenannter Baur Fischer Lenz In spateren Auflagen bis 1936 Menschliche Erblehre und Rassenhygiene Band II Menschliche Auslese und Rassenhygiene von Fritz Lenz 1 Auflage Munchen Lehmann 1921 Untersuchungen uber das Wesen die Entstehung und Vererbung von Rassenunterschieden bei Antirrhinum maius Berlin 1924 mit Max Hartmann als Hrsg Handbuch der Vererbungswissenschaft Borntraeger Berlin 1929 ff Band 1 32 Die Bedeutung der naturlichen Zuchtwahl bei Tieren und Pflanzen Berlin 1936 Erstausg 1933 Untergang der Kulturvolker im Lichte der Biologie Lehmanns Munchen 1934 Neuaufl Die wissenschaftlichen Grundlagen der Pflanzenzuchtung Borntraeger Berlin 1921 Archive Vererbungs und Bastardisierungsversuche mit Antirrhinum In Zeitschrift fur Induktive Abstammungs und Vererbungslehre 3 S 34 98 1910 Digitalisat Erwin Baur war Herausgeber ab 1908 der weltweit ersten Genetik Zeitschrift Zeitschrift fur induktive Abstammungs und Vererbungslehre seit 1967 unter dem Titel Molecular and general genetics seit 2001 unter dem Titel Molecular and general genomics ISSN 1617 4623 ab 1912 der Zeitschrift fur Pflanzenzuchtung und ab 1929 der Zeitschrift Der Zuchter seit 1968 unter dem Titel Theoretical and Applied Genetics ISSN 0040 5752 Literatur BearbeitenElisabeth Schiemann Erwin Baur In Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft Bd 52 1934 2 Generalversammlungs Heft ISSN 0011 9970 S 51 114 m Bild u Schriftenverzeichnis Otto E Heuser Baur Erwin In Neue Deutsche Biographie NDB Band 1 Duncker amp Humblot Berlin 1953 ISBN 3 428 00182 6 S 669 f Digitalisat Hans Stubbe Gedachtnisrede auf Erwin Baur gehalten am 25 Todestag 2 Dezember 1958 In Der Zuchter Bd 29 1959 ISSN 0514 0641 S 1 6 m Bild Wilhelm Rudorf Hrsg Dreissig Jahre Zuchtungsforschung Zum Gedenken an Erwin Baur Fischer Verlag Stuttgart 1959 Emil Ell Vor 50 Jahren starb Zuchtungsforscher Erwin Baur Der Altvater 41 90 91 1983 Hans Peter Kroner Richard Toellner Karin Weisemann Erwin Baur Naturwissenschaft und Politik Max Planck Gesellschaft Munchen 1994 Gutachten zur Frage einer moglichen geistigen Urheberschaft Baurs von die Verbrechen des Nationalsozialismus Hans Peter Kroner Erwin Baur In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 156 Peter Fassler Baur Erwin Pflanzenzuchter Genetiker 16 4 1875 Ichenheim Baden rk 2 12 1933 Berlin Badische Biographien N F 4 16 19 1996 Heiner Fangerau Das Standardwerk zur menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Erwin Baur Eugen Fischer und Fritz Lenz im Spiegel der zeitgenossischen Rezensionsliteratur 1921 1941 Diss Univ Bochum 2000 PDF Rudolf Hagemann Erwin Baur 1875 1933 Pionier der Genetik und Zuchtungsforschung Kovar Eichenau 2000 ISBN 3 925845 86 0 darin wird auch ausfuhrlich auf umstrittene Stellung Baurs zum Thema Eugenik wahrend der 1920er Jahre eingegangen Rolf Knippers Erwin Baur Eine wissenschaftliche Biographie In Biospektrum Jg 7 Nr 1 2001 ISSN 0947 0867 S 43 45 Rezension des Buchs von Hagemann PDF Heiner Fangerau und Irmgard Muller Das Standardwerk der Rassenhygiene von Erwin Baur Eugen Fischer und Fritz Lenz im Urteil der Psychiatrie und Neurologie 1921 1940 In Der Nervenarzt 73 1039 1046 2002 Heiner Fangerau Der Baur Fischer Lenz in der Buchkritik 1921 1940 Eine quantifizierende Untersuchung zur zeitgenossischen Rezeption rassenhygienischer Theorien Reviews of the Baur Fischer Lenz Medizinhistorisches Journal 38 57 81 2003 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Erwin Baur im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Das Standardwerk zur menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene von Erwin Baur Eugen Fischer und Fritz Lenz im Spiegel der zeitgenossischen Rezensionsliteratur 1921 1941 Inaugural Dissertation von Heiner Fangerau PDF Datei 949 kB Digitalisat der Einfuhrung in die Vererbungslehre 1930 Biolib von Kurt Stuber Kurzbiografie und digitale Quellen im Volltext englisch im Virtual Laboratory des Max Planck Instituts fur Wissenschaftsgeschichte Biografie Erwin Baur Erwin Baur Vorlesung IV Leibnizinstitut fur Agrarlandschaftsforschung ZALF e V Institutsgrunder Erwin Baur 1875 1933 Vorstadien des Institutes Memento vom 31 Januar 2006 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Hans Peter Kroner 2005 a b c d Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Fischer Taschenbuch Verlag Zweite aktualisierte Auflage Frankfurt am Main 2005 S 32 33 Vollstandiges Zitat bei Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Fischer Taschenbuch 2005 S 33 GEPRIS historisch Ernst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 5 und 382 386 Gotz Aly Warum die Deutschen Warum die Juden Gleichheit Neid und Rassenhass 1800 1933 Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt M 2012 S 271Normdaten Person GND 119276194 lobid OGND AKS LCCN n83039338 NDL 00541212 VIAF 29525535 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Baur ErwinKURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt Botaniker Genetiker Rassenhygieniker und ZuchtungsforscherGEBURTSDATUM 16 April 1875GEBURTSORT IchenheimSTERBEDATUM 2 Dezember 1933STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erwin Baur amp oldid 237786149