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Strukturformeln einiger BitterstoffeChinin Ein Wirkstoff gegen MalariaHumulon Kommt in Hopfen und Bier vorCucurbitacin E Gift in Gurkenpflanzen und KurbissenKoffein Stimulans in Kaffee und TeeAls Bitterstoffe werden alle chemischen Verbindungen bezeichnet die durch Aktivierung von T2R G Protein gekoppelter Rezeptor einen bitteren Geschmack aufweisen Sie konnen sowohl aus der Natur kommen als auch synthetisch hergestellt werden Bitterstoffe sind keine chemisch einheitliche Gruppe sondern zeichnen sich nur dadurch aus dass sie bitter schmecken Bitterstoffe steigern reflektorisch die Magen und Gallensaftsekretion und wirken daher appetitanregend und verdauungsfordernd Viele sind allerdings giftig sodass sie aus vielen Pflanzen herausgezuchtet wurden um diese uberhaupt geniessbar zu machen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Vorkommen und Bedeutung 2 Chemische Zusammensetzung 3 Physiologische Wirkung 4 Nutzung in der Medizin 4 1 Pflanzenheilkunde 5 Weitere Anwendungen 6 Standardisierung 7 Literatur 8 EinzelnachweiseVorkommen und Bedeutung Bearbeiten nbsp Bitterorange Pomeranze verdankt ihren Namen den BitterstoffenBitterstoffe kommen naturlicherweise in fast allen Pflanzen vor Fur einige Pflanzen wie Bittermandeln oder Bitterorangen sind sie sogar namensgebend Oft wirken sie fur die Pflanze als Schutz gegen Frassfeinde fur die sie wegen ihres Geschmacks ungeniessbar ist In vielen kultivierten Gemusesorten wurde der Gehalt durch Zuchtung reduziert um sie geniessbar zu machen 1 wohingegen in Wildpflanzen 2 oder alteren Sorten 3 oft noch hohe Gehalte an Bitterstoffen vorhanden sind Im Gegenzug ist der bittere Geschmack ein naturlicher Schutz vor Giftstoffen da diese oftmals bitter schmecken 3 4 Daruber hinaus gibt es auch synthetische Bitterstoffe Beispiele dafur sind Denatoniumbenzoat der bislang bitterste bekannte Stoff uberhaupt und Phenylthiocarbamid 3 Chemische Zusammensetzung BearbeitenBitterstoffe besitzen keine einheitliche chemische Zusammensetzung so konnen die Vertreter verschiedener Stoffgruppen bitter schmecken Viele Bitterstoffe kommen unter anderem unter den Alkaloiden Glycosiden und Isoprenoiden vor Auch verschiedene Stereoisomere eines Stoffes konnen unterschiedlich schmecken so ist die L Form der Aminosaure Tryptophan ein Bitterstoff wahrend die D Form ein Sussstoff ist 5 Physiologische Wirkung BearbeitenBitterstoffe regen uber Bitterstoffrezeptoren auf den Geschmacksknospen per Reflex die Bildung von Speichel und Magensaftsekretion an was zu einer Appetiterhohung fuhrt Ausserdem wird im Magen das Hormon Gastrin ausgestossen das Magen und Darmbewegung sowie die Produktion von Gallen und Pankreasflussigkeit anregt und damit die Verdauung erleichtert und Verdauungsbeschwerden vorbeugt Durch zu hohe Aufnahme konnen allerdings auch entgegengesetzte Wirkungen auftreten 6 Seit wenigen Jahren ist bekannt dass sich Bitterstoffrezeptoren auch im kompletten Verdauungstrakt und in weiteren Organen wie in der Haut und im Gehirn befinden wodurch weitere physiologische Einflusse moglich sind 5 Beispielsweise induzieren die Bitterstoffrezeptoren in der Haut den Aufbau der Hautbarriere 5 Nutzung in der Medizin BearbeitenIn der klassischen Medizin werden Bitterstoffe zur Appetitanregung z B bei Achylie oder Anorexie 7 und bei Mundtrockenheit 8 empfohlen Bei Hildegard von Bingen werden Bitterstoffe als Appetithemmer bezeichnet 9 Substanzen die von ihrem Geschmack unabhangige starke pharmakologische Wirkungen haben werden in der Regel nicht medizinisch als Bitterstoffe eingesetzt Einige Bitterstoffe wie Koffein Theobromin und andere psychoaktive Substanzen haben die Eigenschaft die Blut Hirn Schranke passieren zu konnen Ein medizinisch bedeutender Bitterstoff ist das aus Chinarinde gewonnene Alkaloid Chinin das zur Behandlung von Malaria eingesetzt wird Bitterstoffe sollten aufgrund der physiologischen Auswirkungen nicht bei Hyperaziditat des Magens Magengeschwuren Ulcus duodeni oder Gallensteinen zugefuhrt werden 10 Pflanzenheilkunde Bearbeiten Schon in den Rezepten von antiken mittelalterlichen und fruhneuzeitlichen Autoren wie Hippokrates Hildegard von Bingen oder Leonhart Fuchs werden heimische Bitterkrauter gegen verschiedene innere Leiden empfohlen 5 Heute basiert ein Drittel aller pflanzlichen Heilmittel auf bitteren Zutaten Bitterstoffdrogen Amara sind Heilpflanzen bei denen die Wirkung der Bitterstoffe im Vordergrund steht Diese werden in vier Klassen eingeteilt 10 Bei reinen Bitterstoffdrogen Amara pura steht die Bitterwirkung allein im Vordergrund 10 Beispiele dafur sind Enziane Artischocke Tausendguldenkraut und Lowenzahn Aromatische Bitterstoffe Amara aromatica enthalten neben Bittermitteln auch atherische Ole 10 Beispiele sind Hopfen Bitterorange Wermut und Engelwurz Daneben gibt es Bitterstoffdrogen die auch Scharfstoffe enthalten Amara acria wie zum Beispiel Ingwer oder Galgant und solche die Schleimstoffe enthalten Amara mucilacinosa wie etwa Islandisch Moos 10 Allgemein werden sie bei verschiedenen somaotoformen Storungen wie Stress Mudigkeit oder Erschopfung eingesetzt und ihnen wird eine antidepressive Wirkung sowie eine allgemeine kraftigende Wirkung nachgesagt 11 5 Deshalb sind sie haufig als Tinktur oder Teezubereitung in frei verkauflichen Tonika Kraftigungsmitteln oder Geriatrika enthalten 12 Eine mogliche wissenschaftliche Erklarung fur die allgemeinen positiven Effekte sind die Bitterstoffrezeptoren im Darmbereich Diese konnten zu Ruckwirkungen auf das ZNS und das Vegetative Nervensystem fuhren 11 Bilder einiger Bitterstoffdrogen nbsp Gelber Enzian nbsp Lowenzahn nbsp Ganseblumchen nbsp Wermut nbsp Fieberklee nbsp HopfenWeitere Anwendungen BearbeitenDer kunstliche Bitterstoff Denatoniumbenzoat wird fur die Vergallung von Alkohol und zahlreiche weiteren Flussigkeiten die beim Verschlucken insbesondere fur Kinder gefahrlich sind genutzt Beispiele dafur sind Methanol Losungsmittel Reinigungsmittel oder Shampoos Ausserdem wird es in Lacken verwendet die das Fingernagelkauen verhindern sollen 13 Von manchen Nahrungserganzungsmitteln werden Bitterstoffe genutzt welche das Abnehmen erleichtern sollen indem sie den Heisshunger auf Susses reduzieren sollen Standardisierung BearbeitenDie Bitterkeit ist eine nicht objektiv messbare Eigenschaft der genannten Stoffe Zur Abstufung und quantitativen Beschreibung dient ihr Bitterwert der pharmazeutisch als der reziproke Wert derjenigen Konzentration die gerade noch als bitter wahrgenommen wird definiert ist Der Bitterwert wird mit einer Geschmacksprufung im Vergleich zu einer Verdunnungsreihe von Chininhydrochlorid ermittelt Die bitterstenaturliche Substanz der Welt ist Amarogentin ein Bitterstoff der aus der Enzianwurzel gewonnen wird Amarogentin ist auch in einer Verdunnung von eins zu 58 Millionen noch deutlich wahrnehmbar 14 Literatur BearbeitenRudolf Hansel Otto Sticher Hrsg Pharmakognosie Phytopharmazie 9 Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg 2010 ISBN 978 3 642 00962 4 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Hans Funke Die Welt der Heilpflanzen Band 1 Wirkstoffe Pflaum Munchen 1980 ISBN 3 7905 0311 8 Mannfried Pahlow Heilpflanzen Edel Hamburg 2002 ISBN 3 8118 1747 7 Gertrud Olbrich Uber die Verwendung von bitterstoffhaltigen Heilpflanzen als Fiebermittel in der Medizin der Krauterbucher des 15 17 Jahrhunderts und in der Volksmedizin Leipzig 1948 DNB 481736859 Dissertation Universitat Leipzig Medizinische Fakultat 8 Juli 1948 66 Seiten Einzelnachweise Bearbeiten a b Udo Maid Kohnert Bitterstoffe In Lexikon der Ernahrung in drei Banden 1 A bis Fettk Spektrum akademischer Verlag Heidelberg 2001 ISBN 3 8274 0444 4 S 179 Reinhard Matissek Unvertraglichkeitsreaktionen Allergien gegen Lebensmittel In Reinhard Matissek amp Werner Baltes Hrsg Lebensmittelchemie 8 Auflage Springer Spektrum Berlin 2016 ISBN 978 3 662 47111 1 Kap 20 S 579 a b c Petra Schling Der Geschmack Von Genen Molekulen und der faszinierenden Biologie eines der grundlegendsten Sinne Springer Spektrum Wiesbaden 2019 ISBN 978 3 658 25213 7 S 15 19 doi 10 1007 978 3 658 25214 4 Werner A Muller Stephan Frings amp Frank Mohrlen Tier und Humanphysiologie Eine Einfuhrung 6 Auflage Springer Spektrum Wiesbaden 2019 ISBN 978 3 662 58461 3 20 Chemische Sinne S 473 493 doi 10 1007 978 3 662 58462 0 a b c d e Ute Wolfle amp Christoph M Schempp Bitterstoffe von der traditionellen Verwendung bis zum Einsatz an der Haut In ZPT Zeitschrift fur Phytotherapie Band 39 2018 S 210 215 doi 10 1055 a 0654 1711 O Sticher Pharmakognosie Phytopharmazie Hrsg R Hansel amp O Sticher 9 Auflage Springer Medizin Verlag Heidelberg 2010 ISBN 978 3 642 00962 4 S 761 Karin Kraft Christopher Hobbs Pocket Guide to Herbal Medicine Thieme 2011 ISBN 978 1 60406 013 3 S 165 168 google com Karin Kraft Christopher Hobbs Pocket Guide to Herbal Medicine Thieme 2011 ISBN 978 1 60406 013 3 S 164 google com Bitterkrauter Tropfen echte auf www hildegardvonbingen info abgerufen am 25 Dezember 2020 a b c d e Ursel Buhring amp Michaela Girsch Praxis Heilpflanzenkunde Haug Verlag Stuttgart 2016 ISBN 978 3 13 220591 8 S 340 343 a b Reinhard Saller Jorg Melzer Bernhard Uehleke amp Matthias Rostock Phytotherapeutische Bittermittel In Schweizer Zeitschrift fur ganzheitliche Medizin Band 21 Nr 4 2009 S 200 205 doi 10 1159 000287223 Rainer Brenke Naturheilverfahren Leitfaden fur die arztliche Aus Fort und Weiterbildung Schattauer Verlag 2008 ISBN 978 3 7945 2615 4 S 239 google com Eintrag zu Denatonium Salze In Rompp Online Georg Thieme Verlag abgerufen am 22 November 2019 Geschmackssensoren fur die bitterste naturliche Substanz der Welt identifiziert Deutsches Institut fur Ernahrungsforschung Pressemitteilung abgerufen am 15 Oktober 2009 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bitterstoff amp oldid 224828831