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Der Schutz des Erbrechts war Teil des romischrechtlichen Zivilprozesses Er hatte seinen Ursprung im aktionenrechtlichen Verfahren etwa actiones sacramento in rem oder familiae eriscundae Daran schloss sich der Erbschaftsprozess im Formularverfahren hereditatis petitio der sich im kaiserrechtlichen Kognitionsverfahren weiterentwickelte Die Erbschaftsklage war stets ein streitiges Verfahren Der Streit zweier Pratendenten um die Erbschaft war zunachst blosse Prozesswette entwickelte sich dann aber zu einer sachlich strukturierten Schadensersatzklage Der Wandel vollzog sich nicht abrupt er knupfte an das jeweils vorangegangene Recht an Der Formularprozess nahm vielfaltigen Bezug auf die Legisaktionen und das kaiserrechtliche Kognitionsverfahren erwuchs viel eher aus dem Formularprozess als dass es eine eigenstandige Parallelerscheinung gewesen ware Dabei griffen die Kaiser nicht selbst oder unmittelbar in die Gerichtsordnung ein sie bemuhten sich vielmehr um juristischen Rat Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick 2 Legisaktionenverfahren 3 Formularverfahren 4 Kognitionsverfahren 5 Weitere Klagearten 6 Literatur 7 AnmerkungenUberblick BearbeitenDer Erbe sollte als Inhaber der Erbschaft vor unrechtmassigen Eingriffen oder der Entziehung der Erbschaft durch Dritte geschutzt werden weshalb er im Wege der Erbschaftsklage hereditatis petitio Herausgabe verlangen durfte Zu diesem beschriebenen Verfahrensschritt entnommen der Rechtslage im Prinzipat musste die Zivilrechtsordnung aber erst kommen Der prozessuale Schutz des Erben wurde im fruhen altzivilen Recht noch durch Legisaktionen legis actiones gewahrt Legisaktionen gab es in sehr beschrankter Zahl und mit klar definiertem Wortlaut von dem nicht abgewichen werden durfte Gesetzliche Grundlage waren die XII Tafeln Dahinter stand das ius civile Es war uber die gesamte Zeit der Republik nur romischen Burgern zuganglich Mit den Augusteischen Prozessrechtsreformen leges Iuliae iudiciorum publicorum et privatorum wurden die Legisaktionen im Jahr 17 v Chr weitestgehend abgeschafft und durch das flexiblere Formularverfahren ersetzt Die spater entstandenen gaianischen Institutionen etwa Mitte des 2 Jahrhunderts n Chr behandelten die Legisaktionen gleichwohl noch denn inhaltlich blieben sie prozessuales Leitbild fur die spateren Prozessmethoden Mit dem Formularprozess wurde eine neue Rechtsebene geschaffen Neben dem ius civile etablierte sich das ius honorarium bezeichnet auch als ius praetorium weil der Prator nunmehr Klagformeln vorgeben durfte die er in Edikten niederlegte und verkundete So schuf er auch das Formular fur die Erbschaftsklage die hereditatis petitio Der Prator gab sich damit prozessuales Ermessen an die Hand Aber auch das Formularverfahren bekam schnell Konkurrenz Die Kaiser entwickelten eine eigene Gesetzgebungskompetenz die ihre Hochphase in der Spatantike erreichte In diesem Zusammenhang spricht man von den Kognitionsverfahren Sie lagen anfanglich in kaiserrechtlicher Spezialzustandigkeit und wurden neben den Formularprozess gestellt Sie mussten angewandt werden dort wo das Formularverfahren aufgrund von kaiserrechtlichen Rechtsschopfungen keine Antworten wusste Letztlich wurde der Formularprozess im Erbrecht aber verdrangt denn Augustus erkannte nicht nur die Wirksamkeit formloser Nachtrage Kodizille zum Testament an er liess auch die Durchsetzung formloser Vermachtnisse Fideikommisse zu Es wird davon ausgegangen dass die Verfahren einander in der Geschichte grundsatzlich ablosten abgesehen von kurzen Zeiten in denen sie in unterschiedlichen Funktionsbereichen nebeneinander existieren Langer als von Gaius beschrieben wird der Ubergang vom neueren Legisaktionen zum Formularverfahren vonstattengegangen sein und in der ruckblickenden Erwartung tiefgreifender Umbruche beim Wechsel vom Formular zum Kognitionsverfahren wird nuchtern festzuhalten sein dass die Gesellschaft mit einem nur theoretischen Unterschied konfrontiert war als sich die im Formular instruierte Ermachtigung eines Privatrichters zu einem kraft Delegation belehrenden Beamtenrichter gewandelt hatte Legisaktionenverfahren Bearbeiten Hauptartikel Legisaktionenverfahren Die Entwicklung der Erbschaftsklage nahm wie beschrieben mit den Legisaktionenverfahren ihren Ausgang Die Eigentumsklage der legis actio sacramento in rem war dinglich rechtlich gepragt und war eine stark ritualisierte formale Prozesswette sacramentum Geld Strafsumme Verpflichtung mittels Eid 1 und wurde methodisch auf Erbschaftsklagen ubertragen Die streitige Erbschaftssache wurde zum Prozesssymbol weil sie zum hier bereits Verfahrensbeteiligten dem Prator zu schaffen war Die Prozessparteien wurden aufgefordert ihre Behauptungen aufzustellen Pratendentenstreit die Streitsache im Ritus zu beruhren dieselbe aufzugeben den Wetteinsatz zu setzen und Beweis zu fuhren der zum Obsiegen oder Unterliegen fuhrt In einem spateren Stadium erlangte das Sponsionsverfahren als modifiziertes Wettverfahren an Bedeutung Formularverfahren Bearbeiten Hauptartikel Formularprozess Im Formularverfahren konnte die hereditatis petitio als Erbschaftsklage erhoben werden Mit der hinterlegten Klageformel wurde die Eigentumsbehauptung selbst zum Verfahrensgegenstand Herausgabeformel Es ergab sich eine weitere Neuerung Das Formularverfahren war nun zweigeteilt Der Prator liess in einer Aufeinanderfolge zweier Verfahrensabschnitte zunachst den ermachtigten iudex Richter prozesseinleitend in iure die Erbenstellung prufen wobei dieser Ermessen daruber hatte ob er Herausgabe oder Behaltendurfen nahelegt Widrigenfalls bei Verweigerung durch die ubergabepflichtige Partei oder bei Unschlussigkeit des Prators gab dieser an den Entscheidungsrichter ab und es begann im zweiten Schritt das Verfahren apud iudicem An dessen Urteil konnte sich gegebenenfalls ein erneut in iure begonnenes Vollstreckungsverfahren anschliessen Beim Formularprozess wandelte sich die Prozesswette der Erbschaftsklage somit zu einer Herausgabeklage Im Gegensatz zum Legisaktionenverfahren fuhrt die Herausgabeforderung zur Aktivlegitimation des Klagers wohingegen der Beklagte mit Bestreiten oder Verweis auf die tatsachlich ausgeubte Sachherrschaft Besitzvermutung passivlegitimiert ist 2 Aktiv und Passivlegitimation waren somit von der Behauptung des Erbrechts abhangig In den Fallen einer pratorischen Besitzeinweisung in den Nachlass der bonorum possessio bei der der Erbschaftsbesitzer gerade nicht Erbe geworden ist wurde die faktische Besitzstellung zunachst durch Interdikt des Magistraten geschutzt Damit hatte der bonorum possessor einen Behaltensgrund gegenuber dem Erben oder einem Dritten Gleichzeitig war er etwas widerspruchlich durch das Aufeinandertreffen von Zivil und Honorarrecht passivlegitimiert in einem Eigentumsprozess des Erben Dieser Prozess klarte dann die vorrangige Erbberechtigung In der Kaiserzeit erteilten die kaiserzeitlichen Juristen auch dem bonorum possessor die hereditatis petitio 3 Die Formel der hereditatis petitio konnte lauteten Wenn es sich erweist dass die Erbschaft des Maevius aus quiritischem Recht dem Klager zusteht und diese Sache dem Klager nach dem Ermessen des Richters nicht zuruckgegeben worden ist verurteile du Richter den Beklagten zugunsten des Klagers auf so viel wie viel diese Sache wert ist Wenn es sich nicht erweist sprich ihn frei Alonso Babusiaux Romisches Privatrecht S 29 Kognitionsverfahren Bearbeiten Hauptartikel Kognitionsverfahren Die kaiserliche Gesetzgebung und Rechtsprechung entwickelte sich weiter Dazu trugen die klassischen Juristen bei die Vorgaben des Prinzeps juristisch formulierten Unter Hadrian wurde auf Initiative des Juristen Iuventius Celsius 129 n Chr ein bedeutsamer Senatsbeschluss gefasst Celsius stand dabei fur die heutige Namensgebung Pate senatusconsultum Iuventianum 4 Der gesetzesgleiche Beschluss sah vor dass der unrechtmassige bosglaubige Erbschaftsbesitzer etwaig erzielte Verkaufserlose aus der Erbschaft herauszugeben hatte Ihn traf damit eine Ersatzforderung die sogenannte Surrogation Die Haftung konnte sich sogar noch ausdehnen denn er haftete auch fur den Untergang der an einen Dritten mit dem Verkauf weitergereichten Sache und damit fur den zufalligen Untergang Auf der anderen Seite bestimmte das Konsult dass er den erzielten Erlos nicht zu verzinsen hatte Der unrechtmassige bosglaubige Erbschaftsbesitzer sah sich somit der Gefahr erheblicher Schadenersatzanspruche ausgesetzt Der unrechtmassige gutglaubige Erbschaftsbesitzer hingegen war privilegiert Er hatte nur das herausgeben um was er nach Verkauf noch bereichert war Abschmelzung durch Verbrauch Die Regelung die auf kaiserrechtliche Vorgaben zuruckging entstammte ursprunglich dem fiskalrechtlichen Prozesswesen Sie wurde analog ubertragen auf den Privatprozess Die analoge Betrachtung ging zwar auf die Juristen der Zeit zuruck wurde aber durch den Kaiser anerkannt Darin zeigt sich dass das Kaiserrecht Vorrang sowohl vor dem ius civile als auch vor dem ius praetorium beanspruchte Zwar lag im so praktizierten Kaiserrecht vornehmlich die Ausdruckskraft der Fortbildung von traditionellen Rechtsschichten gleichzeitig aber wurde ihm hochste Autoritat lex zuteil Die verbindliche Rechtsstrenge hatte Vorbildfunktion und diente der Rechtssicherheit Deshalb wurde es fur das Kognitionsverfahren cognitio extra ordinem auch anerkannt Weitere Klagearten BearbeitenNeben der Erbschaftsklage der hereditatis petitio gab es weitere Rechtsschutzmoglichkeiten im Erbschaftsprozesswesen In den Fallen der Ubergehung naher Angehoriger stand ab Ende der Republik die Anfechtungsklage der querela inofficiosi testamenti zur Verfugung Klage wegen Pflichtwidrigkeit des Testaments Die Quellenlage dazu ist sparlich 5 Das Verfahren wurde ausserhalb des Formularprozesses vor dem Zentumviralgericht gefuhrt und war eine Anfechtungsklage gegen das Testament 6 aus Grunden widerfahrener Lieblosigkeit inofficiosum 7 Die Vermachtnisklage beim obligatorischen Damnationslegat wurde mit der actio ex testamento gefuhrt Literatur BearbeitenUlrike Babusiaux Wege zur Rechtsgeschichte Romisches Erbrecht UTB Band Nr 4302 Bohlau Verlag Koln Weimar Wien 2015 ISBN 978 3 8252 4302 9 S 123 139 Karl Hackl Der Sakramentsprozess uber Herrschaftsrechte und die in iure cessio In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 106 1989 S 152 179 Max Kaser Zur legis actio sacramento in rem In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 104 1987 S 53 84 Max Kaser Die Passivlegitimation zur hereditatis petitio In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 72 1955 S 90 126 Max Kaser Pro herede vel pro possessore In Studi in onore di Arnaldo Biscardi Band II Istituto Editoriale Cisalpino La Goliardica Mailand 1982 ISBN 88 205 0331 X S 221 260 Max Kaser Zur Methode der romischen Rechtsfindung In Max Kaser Zur Methode der romischen Rechtsfindung Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1962 S 47 78 Nachdruck in Max Kaser Ausgewahlte Schriften Band I Jovene Neapel 1976 S 3 78 Dieter Norr Minima prosopographica zu Celsus filius In Karlheinz Muscheler Hrsg Romische Jurisprudenz Dogmatik Uberlieferung Rezeption Festschrift fur Detlef Liebs zum 75 Geburtstag Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge Band 63 Duncker amp Humblot Berlin 2011 ISBN 978 3 428 13163 1 S 489 504 Ulrich Manthe Geschichte des romischen Rechts 4 Auflage C H Beck Munchen 2011 Friedrich Carl von Savigny Uber das Interdict quorum bonorum In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 5 1825 S 1 25 und in Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 6 1828 S 229 272 Martina Muller Ehlen Hereditatis petitio Studien zur Leistung auf fremde Schuld und zur Bereicherungshaftung in der romischen Erbschaftsklage Forschungen zum romischen Recht Band 42 Bohlau Koln Weimar Wien 1998 ISBN 3 412 10496 5 Fritz Schulz Geschichte der romischen Rechtswissenschaft Bohlau Weimar 1961 Moriz Wlassak Kritische Studien zur Theorie der Rechtsquellen im Zeitalter der klassischen Juristen Leuschner Lubensky Graz 1884 dazu Alfred Pernice in Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 6 1885 S 287 299 Joseph Georg Wolf Zur legis actio sacramento in rem In Okko Behrends Malte Diesselhorst Wulf E Voss Hrsg Romisches Recht in der europaischen Tradition Symposion aus Anlass des 75 Geburtstages von Franz Wieacker Gremer Ebelsbach 1985 ISBN 3 88212 044 4 S 1 39 Anmerkungen Bearbeiten Gaius 4 16 Gaius 4 92 Digesten 5 3 9 Ulpianus 15 ad edictum Digesten 5 5 1 Ulpianus 15 ad edictum Digesten 5 3 20 6 6d Ulpianus 15 ad edictum Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht 2 Auflage Munchen 1971 S 591 ff 591 Max Kaser Das Romische Privatrecht Erster Abschnitt Das altromische das vorklassische und klassische Recht 2 Auflage Munchen 1971 S 591 ff 592 Heinrich Honsell Romisches Recht 7 erganzte Auflage Springer Berlin u a 2010 ISBN 978 3 642 05306 1 72 S 195 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erbrechtsschutz romisches Recht amp oldid 230289878