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Das Kognitionsverfahren cognitio extra ordinem abgekurzt c e o auch cognitio extraordinaria oder extraordinaria cognitio 1 war das in der romischen Kaiserzeit entwickelte zivilprozessuale Gerichtsverfahren 2 Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklungsgeschichte 2 Gerichtsverfahren 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEntwicklungsgeschichte BearbeitenNachdem die um die Zeit der Zwolftafelgesetze in der fruhen romischen Republik und insbesondere wahrend des fruhen Prinzipats wirksamen Prozessformen des Legisaktionen und Formularprozesses im 3 Jahrhundert n Chr abgelost worden waren wurde mit ihnen auch der zweigeteilte Prozess vor zunachst dem Magistrat in iure zur Festlegung der Spruchformeln und im Anschluss vor dem Richter apud iudicem zur Beweiserhebung und Urteilsbildung verlassen 3 Stattdessen wurde das Prozessverfahren vereinheitlicht und dem Gerichtsmagistrat ubertragen Diese wurden offentlich bestellt um die anstehende Rechtssache zu verhandeln und zu entscheiden Der Wandel von der republikanischen Verfassung zum Beamtenstaat des Prinzipats brachte damit tiefergreifende Eingriffe in die Gerichtsbarkeit mit sich Das Kognitionsverfahren konnte sich durchsetzen weil bereits in Zeiten der Republik einige Streitsachen im Verwaltungsbereich im Wege der namensgebenden cognitio extraordinaria vereinheitlicht von nur einem Richter entschieden wurden was sich bewahrt hatte Da die Zahl der Streitsachen durch neu geschaffene Anspruche beispielsweise Unterhaltsanspruche deutlich stieg und in einigen romischen Provinzen schon der Formularprozess gar nicht eingefuhrt worden war weil Entscheidungen dort vom beamteten Richter der Militarverwaltung getroffen worden waren wurde 342 n Chr der zivilprozessuale Formularprozess letztlich formlich abgeschafft 4 Hinzu kam dass der Instanzenzug Einzug in die Gerichtsbarkeit hielt mithin ein Berufungs beziehungsweise Beschwerderichter vornehmlich jedoch der Princeps beanstandete Urteile uberprufen konnte sodass nach heutigem Verstandnis die Prozesslogik aufgewertet werden konnte 5 Auch die zunachst gefeierte Rechtsschopfungsmacht des Formularprozesses gegenuber dem archaischen Legisaktionenverfahren konnte den Prozesstyp nicht retten zumal bereits vor der finalen Redaktion des Edictum perpetuum unter Kaiser Hadrian der Formelbestand weitgehend abgeschlossen war und keine uberschiessende Flexibilitat zeitigte Gerichtsverfahren BearbeitenGeladen wurde zum Kognitionsprozess nicht mehr privat durch die Parteien selbst sondern von Amts wegen Rechtsfolge beim Ausbleiben der Prozessparteien contumacia war das neu eingefuhrte Versaumnisurteil Die einst verfahrensgeteilte aktionenrechtliche Denkweise machte einem einheitlichen Verfahren Platz bei welchem actiones und exceptiones als materiell rechtliche Anspruche und Einreden wiederkehrten 5 Ursprunglich war die cognitio im Zivilprozess in den Provinzen beheimatet Dort war es oft problematisch genugend romische Staatsburger als Geschworene zu finden Daher ubernahm der Prator deren im Kernreich selbstverstandlich an sie ubertragenen Aufgaben Bereits seit der Ablosung des Legisaktionenverfahrens durch den Formularprozess bezeichnete man die Prozesserhebung des Prators als cognitio causae Sie ging der Gewahrung einer Klagformel voran Als Cognitio wurde auch in anderen Fallen die Verhandlungsfuhrung durch den Gerichtsherren selbst bezeichnet der an Stelle der von ihm eingesetzten Geschworenen einen Fall zur Entscheidung zu bringen hatte Unter Kaiser Augustus erweiterte sich die cognititio zur cognitio extra ordinem bei der der Magistrat keinen iudex privatus Privatperson als Richter einsetzte sondern er selbst oder ein kaiserlicher Amtstrager entschied Die fur dieses Verfahren gefundenen Grundsatze pragten nach Abschaffung des Formularprozesses den spatromischen Prozess Auch im Strafprozess verdrangte allmahlich eine neuere cognitio die alteren quaestiones Das Urteil nahm bereits das moderne Rechtsverstandnis vorweg indem es schriftlich abgefasst und begrundet werden musste Vor allem Entscheidungen uber die Herausgabe beweglicher Sachen Mobilien wichen von dem Grundsatz Jede Verurteilung lautet auf Geld omnis condemnatio pecunaria est ab was einen Wandel im Vollstreckungsrecht nach sich zog Nunmehr fand eine Zwangsvollstreckung in den herauszugegebenden Gegenstand statt Urteile waren im Instanzenzug vollstandig uberprufbar appellatio wobei keine neuen Tatsachen vorgetragen werden durften 5 Das romisch kanonische Verfahren mittelalterlicher Gerichte beruht auf der cognitio extra ordinem Literatur BearbeitenJan Dirk Harke Romisches Recht Von der klassischen Zeit bis zu den modernen Kodifikationen Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57405 4 Grundrisse des Rechts 1 Rnr 22 Jan Dirk Harke Die longi temporis praescriptio in der diokletianischen Reskriptenpraxis In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 139 Heft 1 2022 S 214 252 Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Wien 1981 9 Aufl 2001 Bohlau Studien Bucher ISBN 3 205 07171 9 S 386 388 Max Kaser Karl Hackl Bearb Das romische Zivilprozessrecht 2 vollst uberarb und erw Aufl neu bearb von Karl Hackl 2 Auflage Beck Munchen 1996 ISBN 3 406 40490 1 S 712 Max Kaser Rolf Knutel Bearb Romisches Privatrecht ein Studienbuch Fortgef von Rolf Knutel 19 Auflage Beck Munchen 2008 ISBN 978 3 406 57623 2 S 464 Moriz Wlassak Cognitio 1 In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band IV 1 Stuttgart 1900 Sp 206 218 Sebastian Schmidt Hofner Hans Ulrich Wiemer Die Politik der Form Das Edictum Theoderici das Pratorische Edikt und die Semantiken koniglicher Rechtsetzung im postimperialen Westen Band 52 2022 hrsg von Christof Schuler Rudolf Haensch und Simone Killen Berlin Boston De Gruyter 2023 S 335 412 Constantin Willems Francesco Arcaria Cognoscere iudicare promere et exercere iustitiam In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Romanistische Abteilung Band 138 Heft 1 2021 S 669 674 Weblinks 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