www.wikidata.de-de.nina.az
50 8575 0 71222222222222Boxgrove Quarry Boxgrove Quarry auch Amey s Eartham Pit genannt ist ein altpalaolithischer Fundplatz am Ortsrand von Boxgrove in West Sussex Sudengland Die Hauptfundschicht entstammt dem spaten Cromer Komplex und besitzt ein geologisches Alter von mindestens 500 000 Jahren Die Fundstellen in den Kiesgruben Boxgrove Quarry 1 Lage 50 870344 0 697768 und Boxgrove Quarry 2 Lage 50 869435 0 68867 1 wurden in den Jahren 1983 bis 1996 durch ein Team des Institute of Archaeology des University College London unter Leitung von Mark Roberts zum uberwiegenden Teil ausgegraben Der Fundplatz liegt an einem erodierten Kreidekliff Nahe dem etwa 75 km ostlich gelegenen Ort Seaford uberragen die geologisch gleichartigen Kreideablagerungen Seven Sisters Formation bis heute das Meer Inhaltsverzeichnis 1 Stratigraphie Geologie 2 Palaontologie 3 Fauna 4 Verwendete Datierungsmethoden 5 Archaologische Funde 6 Skelettfunde 7 Literatur 8 EinzelnachweiseStratigraphie Geologie BearbeitenDa es sich bei der Fundstelle um eine offene Kiesgrube handelt die stellenweise bereits einige Meter in die Tiefe getrieben war konnten stratigraphische Profile von mehreren Metern horizontal wie vertikal angelegt werden die eine gute Rekonstruktion der regionalen Landschaftsentwicklung ermoglichen Die Ablagerungen der unteren Schichten direkt dem anstehenden Kreidefels auflagernd und an der Basis von grosseren Kreidebrocken durchsetzt werden als Slindon Sands bezeichnet Ihre feinkornige Struktur ist auf die erodierende Wirkung von Wasserbewegungen der Meeresbrandung zuruckzufuhren die einst direkt bis an das Kliff heranreichte Durch tektonische Hebungen der Kustenregion um 5 7 m wich die Kustenlinie nach Suden zuruck und im Vorfeld des Kliffs bildete sich eine Lagune die in der Folgezeit weiter austrocknete eine Graslandschaft ausbildete und durch erneute Uberschwemmung in eine Sumpflandschaft uberging Die in der Lagune abgelagerten Schluffe werden als Slindon Silts Silt Schluff bezeichnet und enthalten charakteristische organische Bestandteile beider Landschaftsphasen nach der Verlandung Slindon Sands und Slindon Silts zusammen bilden die Slindon Formation die sich wahrend eines Interglazials ablagerten An den Sedimenten der uberlagernden Schichten Lower Eartham Gravel Member lasst sich der Ubergang zu einem ausgepragten Glazial ablesen Roberts und Parfitt nennen die Anglian Glaciation entspricht der Elster Kaltzeit in Mitteleuropa als wahrscheinlichste Klimaphase fur das als Upper Eartham Gravel Member bezeichnete Schichtpaket 2 Lower und Upper Eartham Gravel Member bilden die Eartham Formation Diese Schichten sind von groberem Kiesschotter gepragt der sich aus dem durch die glazialen Verhaltnisse beschleunigt erodiertem Kalkkliff zusammensetzt Palaontologie BearbeitenIm Zuge der geologischen Untersuchungen wurden auch palaontologische Beobachtungen angestellt wobei die in den Gesteinen und Sedimenten eingebetteten Fossilien und Mikrofossilien naher untersucht und bestimmt worden sind Es konnten Foraminiferen und Ostrakoden beobachtet werden deren steigende und wieder sinkende Biodiversitat also die Vielzahl der gleichzeitig vorkommenden Arten klimaabhangig ist und mit dem angenommenen Interglazial korrespondieren Dass das Meer einst bis an das Kliff heranreichte konnte auch durch Spuren der Ichthyofauna in den Slindon Sands nachgewiesen werden aber auch verschiedene Mollusken geben davon Zeugnis Fauna BearbeitenBei den Grabungen konnten in den einzelnen Schichten zahlreiche Knochenreste verschiedenster Tiere geborgen werden Dies ermoglicht die Rekonstruktion der Fauna insgesamt aber vor allem die Rekonstruktion von Faunengemeinschaften wahrend der Entstehung einzelner Schichten Daruber hinaus sind fur viele Tierarten bevorzugte klimatische Verhaltnisse bekannt was wiederum Ruckschlusse auf die vorherrschenden Temperaturen Niederschlagsmengen und Ahnliches zu unterschiedlichen Zeiten erlaubt Neben den avifaunischen Resten einer Ente mehrere Knochen eines Flugels und dem einzelnen Knochenfragment eines Riesenalks Pinguinus impensis bilden die Saugetiere Mammalia die grosste Gruppe unter den Faunenresten Der Wolf Canis lupus von dem ein vollstandiger Schadel zahlreiche Mandibeln Unterkiefer und andere Skelettteile gefunden wurden ist der am haufigsten vorkommende grosse Carnivore gefolgt vom Hohlen baren Ursus deningeri Bei den kleinen Carnivoren ist der Nerz Mustela lutreola der haufigste Vertreter Der Dachs Meles sp konnte nur mit einem einzelnen Exemplar nachgewiesen werden Fur die grossen Cerviden wurde der Rothirsch Cervus elaphus am haufigsten beobachtet gefolgt vom Reh Capreolus capreolus wahrend der Bison Bison cf schoetensacki mit einigen wenigen Resten die Boviden reprasentiert 3 Unter den Unpaarhufern sind vor allem zwei Nashornarten hervorzuheben Stephanorhinus hundsheimensis und Stephanorhinus megarhinus 4 Weiterhin sind der Maulwurf Talpa minor und der Biber Castor fiber neben anderen ebenfalls vertreten 5 Verwendete Datierungsmethoden BearbeitenFur die Altersbestimmung der Fundstelle wurden verschiedene Datierungsmethoden angewendet 6 Uran Thorium Datierung Vier Knochen aus Boxgrove wurden mit der Uran Thorium Datierung analysiert Aus den Ergebnissen konnte allerdings nur abgeleitet werden dass die Knochen alter als 350 000 Jahre sein mussen Lumineszenz Datierungen Untersucht wurden Sedimentproben Lehm Die per Thermolumineszenzdatierung untersuchten Proben ergaben ein Mindestalter von 175 300 319 900 Jahre 7 mit einem extrem hohen Fehlerbereich von bis zu 93 800 Jahren Ahnliches konnte bei der OSL Datierung Optisch stimulierte Lumineszenz beobachtet werden So erbrachte eine Probe ein Alter von 356 000 178 000 Jahren eine zweite Probe ein Alter von 630 000 125 000 Jahren und eine dritte Probe 560 000 330 000 Jahre ESR Elektronenspinresonanz Zwei Zahne vom Rhinozeros und Hirsch wurden mit dem Elektronenspinresonanz Verfahren untersucht Der Grossteil der Ergebnisse liegt zwischen 190 000 und 244 00 Jahren mit Fehlerbereichen von 151 000 bis 89 000 Jahren Das wahrscheinlichste Zeitfenster der Untersuchungsdaten wird mit 205 000 281 000 Jahren 8 angegeben Die Ergebnisse schliessen aber ein mogliches Durchschnittsalter von 303 000 339 000 Jahren nicht aus Aminosauredatierung Die Aminosauredatierung wurde auf Mollusken und Foraminiferen angewendet Die Mehrzahl der Ergebnisse weist auf die Sauerstoff Isotopenstufe 11 362 000 423 000 Jahre einzelne bis Stufe 13 478 000 524 000 Jahre Palaomagnetismus Die Palaomagnetischen Untersuchungen der Sedimente liessen lediglich den Schluss zu dass deren Polarisation fur eine Sedimentation wahrend der Brunhes Phase spricht und die Ablagerungen demzufolge junger als 780 000 Jahre sind Untersuchung von kalkhaltigem Nanoplankton Das in Sedimentproben enthaltene kalkhaltige Nanoplankton wurde zwischen den Sauerstoff Isotopenstufen 12 und 8 abgelagert hauptsachlich wahrend Stufe 11 Biostratigraphie Die Biostratigraphie deutet auf die Sauerstoff Isotopenstufe 13 Zusammenfassung Die Ergebnisse der Uran Thorium Datierung und des Palaomagnetismus ergeben einen Datierungsrahmen zwischen 350 000 und 780 000 Jahren vor heute Die anderen Untersuchungsmethoden erbrachten unterschiedliche Ergebnisse aber im Wesentlichen schwanken sie zwischen den Sauerstoff Isotopenstufen 13 und 11 Roberts und Parfitt tendieren zu der Einordnung in die OIS 13 vor die Anglian Glaciation Archaologische Funde Bearbeiten nbsp Faustkeil aus BoxgroveZahlreiche Steinwerkzeuge in erster Linie mehr als 400 Faustkeile des Acheuleen 9 aber auch einige wenige Kratzer und Schaber und vor allem die Abschlagreste der Bearbeitung gehoren zu den anthropogenen Fundobjekten Der verwendete Feuerstein ist in grosser Menge in dem Kalkkliff direkt vor Ort entstanden und enthalten An einigen Knochen konnten Schnitt und Hackspuren vom Zerlegen und an einigen Werkzeugen makroskopische Spuren die auf eine Nutzung zum Zerlegen der Beute hindeuten beobachtet werden Ein halbkreisformiges Loch im Schulterblatt Scapula eines Pferdes konnte der Eintrittskanal einer Lanze oder eines Speeres sein Ob die Funde aber tatsachlich die Jagd auf diese Tiere nachweisen ist zweifelhaft denn eindeutige Jagdwaffen wurden nicht gefunden Die verschiedenen fruhen Homo Arten haben sich nachweislich uberwiegend von Aas ernahrt Wann genau der Ubergang zur aktiven Jagd stattgefunden hat ist nach wie vor nicht zweifelsfrei geklart Der alteste Beleg fur prahistorische Jagdwaffen sind die Schoninger Speere deren Alter auf etwa 300 000 Jahre BP geschatzt wird Skelettfunde BearbeitenIm Dezember 1993 wurden Fragmente eines Schienbeins gefunden Archiv Bezeichnung Boxgrove 1 die altesten Menschenreste auf den britischen Inseln Anthropologische Untersuchungen ergaben dass sie zu einem Mann von etwa 1 80 Metern Grosse und 80 Kilogramm Gewicht gehorten der etwa im Alter von 35 bis 40 Jahren verstorben ist Da die Zuweisung von Fossilien zu einer Art in erster Linie uber Schadelmerkmale vorgenommen wird ist die Zuweisung allein durch eine Tibia recht schwierig Roberts und Parfitt haben deshalb verschiedene Tibia Fragmente anderer Fundorte vermessen und verglichen Da der Fund in Boxgrove aber der einzige nicht vom Schadel stammende Knochenfund eines Individuums der Hominini im nordlichen Europa ist mussten sie auf geographisch weiter entfernte Exemplare zuruckgreifen Die Untersuchungsergebnisse erlauben nur die Aussage dass Homo erectus Homo heidelbergensis der Neandertaler und der anatomisch moderne Mensch in Frage kommen konnten Aufgrund der Datierung der Fundstelle uber die Werkzeugformen Faustkeil Biostratigraphie und die klimaspezifische Biodiversitat und in erhohtem Masse uber die Geologie in einen Zeitbereich von etwa 500 000 BP ist die Zuweisung der Tibia zum anatomisch modernen Menschen auszuschliessen Infrage kommt am wahrscheinlichsten Homo heidelbergensis 10 Beide Knochenenden zeigen auch Nagespuren was bedeutet dass die Boxgrove Menschen Beute oder deren Leichen Aas fur andere Tiere waren 1996 wurden zwei Schneidezahne eines anderen Individuums gefunden Man konnte daran Paradontalerkrankungen erkennen daneben aber auch hier Schnittspuren Interpretiert wurden diese aber nicht als Beweis fur Kannibalismus sondern eher fur die Nutzung der Steinwerkzeuge in der Nahe des Mundes und entsprechende Unfalle 2022 wurde berichtet dass die Zahne und das Schienbein zahlreiche gemeinsame Merkmale mit den ahnlich alten Fossilien aus der Fundstatte Sima de los Huesos Spanien aufweisen und deshalb die Fossilien beider Ortlichkeiten der gleichen Art zuzuordnen seien 11 Literatur BearbeitenMarzia Breda S E Collinge Simon A Parfitt Adrian M Lister Metric analysis of ungulate mammals in the early Middle Pleistocene of Britain in relation to taxonomy and biostratigraphy I Rhinocerotidae and Bovidae In Quaternary International Band 228 2010 S 136 156 Michael W Pitts Mark Roberts Fairweather Eden life in Britain half a million years ago as revealed by the excavations at Boxgrove Century London 1997 Mark Roberts Simon Parfitt Boxgrove a Middle Pleistocene hominid site at Eartham Quarry Boxgrove West Sussex Archaeological report Band 17 English Heritage London 1999 Mark B Roberts Simon A Parfitt Matt I Pope Francis Wenban Smith Boxgrove West Sussex Rescue excavation of a Lower Palaeolithic landsurface Boxgrove Project B 1989 1991 In Proceedings of the Prehistoric Society Band 63 1997 S 303 358 Einzelnachweise Bearbeiten Roberts Parfitt 1999 S 3 Roberts Parfitt 1999 S 155 Breda et al 2010 S 153 154 Breda et al 2010 S 140 144 Roberts et al 1997 S 346 350 Roberts Parfitt 1999 S 291 307 Roberts Parfitt 1999 S 303 Roberts Parfitt 1999 S 303 Chris Stringer The Origin of Our Species Penguin Allen Lane 2011 S 67 ISBN 978 1846141409 Eintrag Boxgrove 1 in Bernard Wood Hrsg Wiley Blackwell Encyclopedia of Human Evolution 2 Bande Wiley Blackwell Chichester u a 2011 ISBN 978 1 4051 5510 6 Annabelle L Lockey et al Comparing the Boxgrove and Atapuerca Sima de los Huesos human fossils Do they represent distinct paleodemes In Journal of Human Evolution Band 172 2022 103253 doi 10 1016 j jhevol 2022 103253 50 858333333333 0 71388888888889 Koordinaten 50 51 N 0 43 W Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Boxgrove Quarry amp oldid 234917504