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Zytostatika oder Cytostatika Singular Zytostatikum von altgriechisch kytos kytos Gefass Zelle und stasis stasis Zustand 1 sind naturliche oder synthetische Substanzen die das Zellwachstum beziehungsweise die Zellteilung hemmen Da sie umso starker wirken je schneller das Zellwachstum vor sich geht und somit insbesondere schnell wachsende und sich vermehrende Tumorzellen schadigen werden sie vor allem zur Behandlung von Krebs Chemotherapie eingesetzt teilweise aber auch bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen Neben den klassischen Zytostatika werden heute in der Behandlung von Tumorerkrankungen auch weitere Substanzen wie zum Beispiel Hormone therapeutische monoklonale Antikorper Zytokine und sogenannte small molecules wie zum Beispiel Signaltransduktions Inhibitoren Proteaseinhibitoren etc eingesetzt Diese Substanzen werden meist nicht als Zytostatika bezeichnet da sie nicht direkt die Zellteilung beziehungsweise das Zellwachstum hemmen Monoklonale Antikorper und Zytokine sind beispielsweise Krebsimmuntherapeutika Die Wirksamkeit von Zytostatika Chemosensitivitat kann durch Chemosensitivitatstests ex vivo vor Beginn einer Chemotherapie bewertet werden Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Wirkmechanismus 3 Nebenwirkungen 3 1 Umweltrelevanz von Zytostatika 4 Spezielle Zytostatikagruppen 4 1 Alkylantien 4 2 Platinanaloga 4 3 Interkalantien 4 4 Antibiotika 4 5 Mitosehemmer 4 6 Taxane 4 7 Topoisomerasehemmer 4 8 Antimetaboliten 4 9 Andere Zytostatika 5 Einzelnachweise 6 Literatur 6 1 Allgemeine Literatur 6 2 Alkylantien 6 3 Metallkomplexe 6 4 Taxane 6 5 Ethik 7 WeblinksGeschichte BearbeitenWahrend des Ersten Weltkriegs stellten Arzte fest dass der Kampfstoff Schwefel Lost Senfgas antiproliferative wachstumshemmende Wirkung hat Nach dem Krieg wurde der weniger giftige Stickstoff Lost Mechlorethamin entwickelt und um 1942 als erstes Zytostatikum in der Medizin eingesetzt Bis heute ist Stickstoff Lost in den USA zugelassen und seine Derivate sind in zahlreichen modernen Behandlungsschemata enthalten Die Bezeichnung der zur Krebstherapie eingesetzten Stoffe vor allem alkylierende Substanzen Antimetaboliten und bestimmte Hormone als Cytostatika erfolgte nach Ludwig Heilmeyer 1947 in Analogie zu den das Wachstum von Bakterien hemmenden Bakterostatica 2 Die zytostatische Wirkung der Platinkomplexe wurde 1965 zufallig bei einem Versuch mit Zellkulturen und einer Platinelektrode entdeckt Andere Substanzen wie Mitotan und die Vinca Alkaloide wurden in der Pharmaindustrie in ganz anderen Bereichen entwickelt fielen jedoch beim Tierversuch durch ihr wachstumshemmendes Potenzial auf Wirkmechanismus BearbeitenZytostatika storen die Stoffwechselvorgange die im Zusammenhang mit Zellwachstum oder Zellteilung stehen Daher schadigen sie vor allem schnell wachsende Zellen wie Epithelzellen unter anderem Haarwurzelzellen Schleimhautepithel von Mund und Magen Darm Trakt Da Tumorzellen eine erhohte Zellteilungsrate und eine eingeschrankte Reparaturkapazitat haben sind sie etwas empfindlicher gegenuber Zytostatika als gesunde Zellen Dieser Unterschied ermoglicht erst die Therapie mit diesen haufig hochtoxischen Substanzen Nebenwirkungen BearbeitenDa die Giftwirkung auch gesunde Zellen beeintrachtigt kommt es zu vielerlei negativen Begleiterscheinungen Insbesondere die Schleimhaut des Magen Darm Traktes und das blutbildende Knochenmark sind empfindlich Fast alle Zytostatika verursachen in unterschiedlichem Ausmass vorubergehenden Haarausfall Ubelkeit und Erbrechen sowie eine Verminderung der weissen und oder roten Blutkorperchen im Blut Myelosuppression Daruber hinaus haben die einzelnen Wirkstoffgruppen noch weitere unterschiedliche Nebenwirkungen z B auf das zentrale Nervensystem 3 oder auf den Geschmackssinn Einige Zytostatika sind selbst karzinogen krebserregend und mutagen keimbahnschadigend Obwohl heutzutage komplexe Begleitbehandlungen zu den Zytostatika eingesetzt werden muss noch immer ein Teil der Therapien dosisreduziert unterbrochen oder gar abgebrochen werden Die WHO Einteilung der Nebenwirkungen in Schweregrade richtet sich nach den Massnahmen die im Einzelfall getroffen wurden Grad 0 keine Nebenwirkungen Grad 1 geringe Nebenwirkungen Grad 2 Allgemeinbefinden verschlechtert Chemotherapeutika mussen vermindert werden Grad 3 Unterbrechung der Chemotherapie notwendig Grad 4 stationare Krankenhausbehandlung erforderlich Grad 5 Tod durch ChemotherapieDer als Nebenwirkung haufig auftretende Symptomkomplex der subjektiven Ermudung einiger mit Zytostatika behandelter Patienten ausgelost durch oben genannte Veranderungen des Blutbildes wird als Fatigue bezeichnet Umweltrelevanz von Zytostatika Bearbeiten Der Verbrauch an Zytostatika steigt und verbesserte und individuell angepasste Therapien mit optimierter Begleitmedikation und geringeren Nebenwirkungen verbessern die Vertraglichkeit und ermoglichen langere Therapiezeitraume Die Menschen werden immer alter wodurch die Wahrscheinlichkeit von Krebserkrankungen und behandlungen steigt Damit erhoht sich die Umweltrelevanz durch nicht abgebaute zytostatisch aktive Wirkstoffe sowie Stoffwechsel und Umwandlungsprodukte Bereits in den achtziger Jahren wurde erstmals Methotrexat im Abwasser einer onkologischen Klinik nachgewiesen 4 Laborexperimente zeigten dass unterschiedliche Zytostatika nicht biologisch abbaubar sind Cyclophosphamid Ifosfamid Cisplatin und Mitomycin erwiesen sich als resistent Bei Forschungsprojekten und Untersuchungsprogrammen der Bundeslander stellten Wissenschaftler mehr als 150 unterschiedliche Arzneimittelruckstande in Umweltproben fest Uber die aerobe und anaerobe Abbaubarkeit von Zytostatika in Klaranlagen und die Wirkung auf aquatische Organismen u a in Bezug auf Stoffwechselprozesse Erbgutschadigung und Fortpflanzungsgefahrdung ist insgesamt noch zu wenig bekannt Spezielle Zytostatikagruppen BearbeitenAlkylantien Bearbeiten Alkylantien Alkylanzien sind die altesten Zytostatika Sie konnen Alkylgruppen auf die DNA ubertragen Da die Alkylantien mit zwei oder mehr funktionellen Gruppen versehen sind konnen sie zwei DNA Strange vernetzen und dadurch verhindern dass diese wahrend der Zellteilung korrekt verdoppelt werden Die Wirkung beruht also auf einer Hemmung der DNA Replikation Alkylantien sind mutagen und karzinogen Ihre Hauptnebenwirkungen sind Ubelkeit Anamie und Immunschwachung Sie werden bei Lymphomen Leukamie Brust und Lungenkrebs sowie bei Sarkomen noch oft eingesetzt Besondere Bedeutung haben sie gegen bosartige Hirntumore Stickstoff Lost Derivate Cyclophosphamid Ifosfamid Trofosfamid Melphalan Chlorambucil Estramustin BendamustinAlkylsulfonate Busulfan TreosulfanNitrosoharnstoffe Carmustin Lomustin Nimustin StreptozocinProcarbazin und Dacarbazin Temozolomid ThiotepaPlatinanaloga Bearbeiten Der Komplex cis Pt NH3 2Cl2 Cisplatin und seine Verwandten gehoren zu den wirksamsten Chemotherapeutika uberhaupt Sie verursachen ebenfalls Quervernetzungen der DNA durch kovalente Bindung des Platinatoms an zwei Nukleinbasen Platine verursachen Ubelkeit Anamie Gehor Nerven und Nierenschaden Ihr Haupteinsatzgebiet sind Hoden Gebarmutter und Eierstockkrebs sowie Tumoren der Halsregion Ein neueres Platin Analogon Oxaliplatin wird derzeit bei Darmkrebs eingesetzt Cisplatin Carboplatin Oxaliplatin SatraplatinInterkalantien Bearbeiten nbsp Interkalierendes DoxorubicinInterkalantien binden nichtkovalent an die DNA und verhindern die Anbindung der Polymerasen welche zur Replikation und Transkription der Erbsubstanz dienen Das heisst Zellteilung und Zellfunktion werden gestort Die Substanzen werden wegen der geringen Rate an resistenten Tumoren sehr oft und bei fast allen soliden Tumoren eingesetzt sie eignen sich auch als Mono Therapie bei Patienten die starkwirksame Kombinationen nicht vertragen Ubelkeit und Anamie sowie verschiedene Organschaden sind ihre haufigsten Nebenwirkungen Anthracycline Doxorubicin Adriamycin Daunorubicin Epirubicin IdarubicinMitoxantron AmsacrinAntibiotika Bearbeiten Die Vertreter dieser Substanzgruppe mit antibakterieller und gleichzeitig zytostatischer Wirkung wurden aus Pilzen isoliert Die Wirkmechanismen sind unterschiedlich meist DNA Vernetzung durch Interkalation oder Alkylierung Es sind vorwiegend Peptide daher konnen bei der Anwendung allergische Reaktionen auftreten Weitere Nebenwirkungen sind Lungen oder Leberschaden In Protokollen gegen Hodenkrebs Blasenkrebs und maligne Lymphome sind oft Antibiotika vertreten Bleomycin Actinomycin D Dactinomycin Mitomycin CMitosehemmer Bearbeiten Hauptartikel Mitosehemmer Diese Stoffe binden an das Tubulin ein Eiweissmakromolekul welches zur Zellteilung siehe Mitose notwendig ist Der Einsatz ist bei Lymphomen und Leukamien seltener bei soliden Tumoren ublich Ihre unangenehmste Nebenwirkung ist eine Schadigung des Nervensystems Alkaloide der Rosafarbenen Catharanthe Catharanthus roseus fruhere Bezeichnung Vinca rosea Vinorelbin Vincristin Oncovin Vinblastin Vindesin VinfluninTaxane Bearbeiten Eine relativ neue Substanzgruppe obwohl sie bereits in den 1960er Jahren am National Cancer Institute in den USA durch ein systematisches Screening von 35 000 Pflanzengattungen entdeckt wurde und zwar in der Pazifischen Eibe Taxus brevifolia Erst seit sie synthetisch hergestellt werden konnen 1994 finden Taxane zunehmende Verbreitung bei Brust Prostata und Lungenkrebs und beim Hautkrebs oft als Monotherapie Die Wirkung beruht auf der Bildung von anormalen Molekulen im Zellskelett was die geordnete Zellteilung verhindert Paclitaxel Docetaxel CabazitaxelTopoisomerasehemmer Bearbeiten Die Topoisomerasen I und II sind Enzyme welche gezielte reversible Unterbrechungen im DNA Strang herstellen Die Hemmung bewirkt irregulare nichtbehebbare DNA Schaden wie Bruche und spontane Vernetzungen Diese neue Substanzklasse ist vielversprechend bei soliden Tumoren Lymphomen Hirntumoren und kindlichen Tumoren Ihre Neigung zur Knochenmarksdepression Anamie ist allerdings gefurchtet Topoisomerase I Inhibitoren Camptothecin Topotecan IrinotecanTopoisomerase II Inhibitoren Epipodophyllotoxine Etoposid VP16 Teniposid VM26Antimetaboliten Bearbeiten Antimetaboliten werden als falsche Bausteine in die DNA oder RNA eingebaut oder verhindern den Einbau der korrekten Bausteine und storen so die Zellteilung und den Stoffwechsel Ihre Nebenwirkungen sind Ubelkeit und Anamie sowie Nierenschaden Darm und Brustkrebs und viele andere solide Tumoren sowie Leukamie sind die Einsatzgebiete fur Antimetaboliten Man vermutet dass die Empfindlichkeit der Zellen gegenuber Strahlung gesteigert wird 5 Fluoruracil ist aus diesem Grund die wichtigste Substanz in der Radiochemotherapie FolsaureantagonistenMethotrexat PemetrexedPyrimidinanaloga Azacitidin Decitabin 5 Fluoruracil Capecitabin Doxifluridin Cytarabin GemcitabinPurinanaloga 6 Thioguanin Pentostatin Azathioprin Mercaptopurin Fludarabin CladribinAndere Zytostatika Bearbeiten L Asparaginase ein im Serum von Meerschweinchen entdecktes Enzym welches die Aminosaure L Asparagin abbaut Manche Leukamiezellen konnen diese Aminosaure nicht herstellen Die Toxizitat gegenuber normalen Zellen ist sehr gering Tyrosinkinase Inhibitoren wie Imatinib Dasatinib Nilotinib Diese hemmen die Aktivitat eines Proteins das bei vielen Patienten mit Leukamie insbesondere der uberwiegenden Zahl der Patienten mit Chronischer myeloischer Leukamie vorkommt und die abnorme Teilungsrate dieser Zellen verantwortet Auch Tyrosinkinase Inhibitoren wirken sehr spezifisch gegen die malignen Zellen Hydroxycarbamid Hydroxyharnstoff hemmt das Enzym Ribonukleotid Reduktase und dadurch die DNA Synthese Typische Anwendungsgebiete sind insbesondere myeloische Leukamien vor allem bei Anzeichen einer Leukostase und andere myeloproliferative Erkrankungen wie essentielle Thrombozythamie und Polycythaemia vera rubra Die Hauptnebenwirkung ist eine Knochenmarksdepression Mitotan ein Verwandter des Insektizids DDT mit spezifischer Wirksamkeit gegen den Stoffwechsel von Zellen auch Tumorzellen in der Nebenniere Amatoxine hemmen die Transkription durch Blockade der RNA Polymerase Damit kann keine genetische Information mehr aus dem Zellkern in das Zellplasma gelangen und die Proteinbiosynthese ist blockiert Durch die mannigfaltigen Funktionen der Proteine sind viele Stellen des Organismus betroffen Altretamin hemmt die DNA und RNA Synthese im Zellkern Aromatasehemmer wie Anastrozol Exemestan oder Letrozol hemmen die Ostrogenbildung und sind somit Therapieoptionen bei Tumoren wie dem Mammakarzinom Einzelnachweise Bearbeiten kytos und stasis in Wilhelm Gemoll Griechisch deutsches Schul und Handworterbuch 10 vollig neu bearbeitete Auflage Oldenbourg Munchen Dusseldorf Stuttgart 2006 ISBN 978 3 637 00234 0 Paul Obrecht Klinische Cancerologie In Ludwig Heilmeyer Hrsg Lehrbuch der Inneren Medizin Springer Verlag Berlin Gottingen Heidelberg 1955 2 Auflage ebenda 1961 S 352 375 hier S 371 Noll Hussong M Wie Zytostatika das Gehirn schadigen InfoOnkologie 2009 12 3 55 7 Abfallmanager Medizin Umweltrelevanz von CMR Arzneimitteln Zytostatika im Abwasser 28 April 2017 Literatur BearbeitenAllgemeine Literatur Bearbeiten Klaus Aktories Ulrich Forstermann Franz Hofmann Klaus Starke Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie 10 Auflage Elsevier Urban amp Fischer Munchen Jena 2009 ISBN 978 3 437 42522 6 W J Zeller H zur Hausen Hrsg Onkologie Ecomed Landsberg 1995 LoseblattausgabeAlkylantien Bearbeiten Ulrich Meyer Die Geschichte der Alkylanzien Pharmazie in unserer Zeit 35 2 S 104 109 2006 ISSN 0048 3664Metallkomplexe Bearbeiten Wieland Voigt Andrea Dietrich Hans Joachim Schmoll Cisplatin und seine Analoga Pharmazie in unserer Zeit 35 2 S 134 143 2006 ISSN 0048 3664 Markus Galanski Bernhard K Keppler Tumorhemmende Metallverbindungen Pharmazie in unserer Zeit 35 2 S 118 122 2006 ISSN 0048 3664Taxane Bearbeiten Eckhard Leistner Die Biologie der Taxane Pharmazie in unserer Zeit 34 2 S 98 103 2005 ISSN 0048 3664 Volker Bartsch Wirkmechanismus der Taxane Pharmazie in unserer Zeit 34 2 S 104 108 2005 ISSN 0048 3664Ethik Bearbeiten Marlies Frast Zu Staub oder Asche PDF Ist eine gesetzliche Kremationspflicht von Verstorbenen nach vorausgegangener Zytostatika Therapie aus ethischer Sicht vertretbar Universitat Zurich 2005 archiviert vom Original am 1 Februar 2014 abgerufen am 27 Juli 2014 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Zytostatikum Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zytostatikum amp oldid 234101366