Actinomycin D oder Dactinomycin (Handelsnamen Lyovac-Cosmegen, Cosmegen (EU); Hersteller: MSD) ist ein Zytostatikum zur Behandlung von Krebserkrankungen. Es gehört zur Gruppe der zytotoxischen Antibiotika (genannt auch Tumorantibiotika). Seine antineoplastische Wirkung wird durch die Bindung an DNA vermittelt, wo Actinomycin D die RNA-Synthese hemmt.
Strukturformel | ||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||
Freiname | Actinomycin D | |||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C62H86N12O16 | |||||||||||||
Kurzbeschreibung | roter, geruchloser Feststoff | |||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||
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Arzneistoffangaben | ||||||||||||||
ATC-Code | L01DA01 | |||||||||||||
Wirkstoffklasse | ||||||||||||||
Wirkmechanismus | ||||||||||||||
Eigenschaften | ||||||||||||||
Molare Masse | 1255,42 g·mol−1 | |||||||||||||
Aggregatzustand | fest | |||||||||||||
Schmelzpunkt | 241,5–243 °C (Zersetzung) | |||||||||||||
Löslichkeit | schwer in Wasser (40 g·l−1 bei 10 °C) | |||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||
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Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Pharmakologische Informationen | |||
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Verabreichungsart | intravenös (i.v.) | ||
Bioverfügbarkeit | keine orale Gabe möglich (giftig). | ||
Metabolismus | unwesentlich. | ||
Wechselwirkungen | Strahlentherapie | Wirkung Actinomycin D | |
Halothan, Enfluran, Isofluran | Wirkung Actinomycin D | ||
Andere Zytostatika | Wirkung Actinomycin D | ||
Ausscheidung | Urin & Stuhl: 30 % der Substanz binnen 1 Woche nach Gabe. | ||
Inkompatibilität | Benzylalkohol | Ausfällung. | |
Filgrastim (G-CSF) | Ausfällung. | ||
Riboflavin | Ausfällung. | ||
Klinische Informationen | |||
Indikation(en) | Kinder | Nephroblastom (Wilms-Tumor), Weichteilsarkome Ewing-Sarkom Rhabdomyosarkom | |
Erwachsene | Ewing-Sarkom Weichteilsarkome Hodenkarzinom Chorionkarzinom Kaposi-Sarkom | ||
Nebenwirkungen | Venookklusive Erkrankung Leber (VOD). Übelkeit. Erbrechen. Anorexie. Leukopenie (Neutropenie). Thrombopenie. Anämie. Mukositis (Schmerzen, Durchfall). Alopezie Hautreizung (besonders nach Bestrahlung) | ||
Kontraindikation(en) | Schwangerschaft. Stillzeit. Impfungen (Lebendimpfstoffe). Die gleichzeitige Anwendung von Actinomycin D und Strahlentherapie ist kontraindiziert. | ||
Zulassungsstatus | |||
Deutschland | USA | EU | |
Zulassungsdatum | 1. Dezember 1966 | 12. Oktober 1964 | --.--.---- |
Status | Apothekenpflichtig. Rezeptpflichtig. |
Herkunft und Herstellung Bearbeiten
Actinomycin D, aus der Gruppe der Actinomycine, ist ein Peptid-Antibiotikum aus Streptomyces parvulus. Es besteht aus zwei cyclischen Peptiden, die über eine oxidierte Phenoxazin-Einheit miteinander verbunden sind.
Wirkungsmechanismus Bearbeiten
Actinomycin D wirkt als Interkalator der DNA. In ein einfaches Vergleichsbild übertragen bedeutet dies, dass Actinomycin D den Reißverschluss DNA blockiert, so dass dieser nicht geöffnet werden kann. Ohne Öffnung ist ein normaler Gebrauch der DNA nicht möglich. Alle Zellen, welche DNA enthalten, werden durch die Wirkungen des Actinomycin D betroffen. Lediglich die Gehirnzellen und Zellen des Rückenmarks sind durch die Blut-Hirn-Schranke vor den Wirkungen des Actinomycin D geschützt. Dies bedeutet auch, dass Krebserkrankungen im Gehirn und im Rückenmark durch Actinomycin D nicht behandelt werden können.
In niedrigen Dosierungen hemmt Actinomycin D die DNA-abhängige RNA-Synthese durch Interkalation (Einhängen und Vernetzung) der Guanin-Nukleotide der DNA. Für die Anlagerung von Actinomycin D an die DNA spielt das asymmetrische Phenoxazon eine wichtige Rolle, weil dieser Bestandteil sich spezifisch an die mit Guanin- und Cytosin-Nukleotid reichen (GC-rich) Stellen der DNA bindet. Durch die Bindung an die DNA wird die DNA-abhängige RNA-Polymerase blockiert: Die Bildung von mRNA unterbleibt und die Proteinproduktion sinkt ab. Bei höherer Dosierung wird durch Actinomycin D auch die DNA-Replikation gehemmt. Hierbei wird die DNA-Polymerase in ihrer Aktivität blockiert. Verbindungen innerhalb eines einzelnen DNA-Strangs, zwischen zwei DNA-Strängen sowie zwischen DNA und Proteinen kommen vor.
Actinomycin D ist in seiner Wirkung nicht an eine bestimmte Phase des Zellzyklus gebunden. Allerdings gibt es experimentelle Hinweise an menschlichen Leukämiezellinien, dass Actinomycin D besonders in der S- und G2-Phase des Zellzyklus aktiv ist. Hieraus wurde gefolgert, dass die Topoisomerase II eine Rolle bei der Actinomycin D Wirkung besitzen dürfte.
Pharmakokinetik Bearbeiten
Actinomycin D wird nach intravenöser Gabe von Knochenmarkzellen und Tumorzellen aufgenommen. Auch in anderen inneren Organen und Geweben lässt sich Actinomycin D nachweisen. Die mediane Spitzenkonzentration von 25,1 ng/ml bei einer Dosierung von 0,7–1,5 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) tritt 15 Minuten nach Gabe auf. In roten Blutkörperchen findet sich wenig Actinomycin D. Actinomycin D überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke. Eine Wirksamkeit im Gehirn bzw. Zentralnervensystem ist somit sehr unwahrscheinlich. Die mediane Expositionsdauer beträgt 2,67 mg/l×min (Spanne 1,12–4,90 mg/l×min). Die maximale Konzentration (Cmax) und die Area Under Curve (AUC) hängen von der Dosis ab. Bei Patienten mit einem Körpergewicht von weniger als 40 kg ist die AUC höher, was gegebenenfalls mit einem höheren Toxizitätsrisiko korreliert. Die Plasmaproteinbindung von Actinomycin D beträgt ca. 5 %.
30 % einer Dosis werden innerhalb einer Woche über den Urin und Stuhl ausgeschieden, 15 % allein im Urin. Die terminale Plasmahalbwertzeit ist mit 36 Stunden ermittelt worden. Bei Funktionseinschränkungen der Leber kann die Plasmahalbwertzeit deutlich länger als 36 Stunden sein. Actinomycin D kann oral aufgrund seiner stark reizenden Eigenschaften nicht aufgenommen werden. Es steht daher auch nicht als Saft oder Tabletten zur Verfügung.
Wechselwirkungen (Interaktionen) Bearbeiten
Anwendungsgebiete Bearbeiten
Actinomycin D wird zur antineoplastischen Therapie von soliden Tumoren bzw. Krebserkrankungen verwendet.
Es findet derzeit keine Anwendung zur Behandlung von Leukämien und/oder Lymphomen. Darüber hinaus wird es auch nicht als Immunsuppressivum bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen verwendet. Allerdings gibt es Hinweise dafür, dass Actinomycin D bei CLL von Vorteil sein könnte.
Erwachsene Bearbeiten
Kinder und Jugendliche Bearbeiten
Die gegenwärtige (2006) Standardbehandlung in Europa entsprechend der Euro-E.W.I.N.G 99-Therapieoptimierungsstudie sieht eine Behandlung mit Actinomycin D in der postoperativen Chemotherapie vor (nach Entfernung des Tumors). Actinomycin D wird dabei immer im Rahmen der VAC- (Vincristin, Actinomycin D, Cyclophosphamid) und VAI-Blöcke (Vincristin, Actinomycin D, Ifosfamid) verabreicht. Wegen der Verstärkung der Nebenwirkungen der Strahlentherapie darf Actinomycin D nicht parallel zu einer Strahlentherapie verabreicht werden.
Nebenwirkungen Bearbeiten
Aufgrund seiner Giftigkeit sind die Bestimmungen zum Umgang mit Zytostatika besonders strikt einzuhalten. Der Kontakt mit Actinomycin D sollte wo immer möglich vermieden werden. Dies gilt auch für die Einatmung von Pulver bzw. für den Kontakt von Actinomycin D mit den Augen. Mit Actinomycin D kontaminierte Haut oder die Augen sind sofort für 15 Minuten mit Wasser oder Kochsalzlösung zu spülen.
Die mit der Leukopenie auftretende Lymphopenie erhöht das Risiko von schweren Virusinfektionen.
Besonders bei vorangegangener Bestrahlung der Leber (beispielsweise im Rahmen der Therapie eines rechtsseitigen Nephroblastoms) ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Lebenschadens deutlich erhöht. Im Falle des Nephroblastoms (rechtsseitig, Seite der Leber) gilt daher, dass bis zu zwei Monaten nach Bestrahlung keine Gabe von Actinomycin D erfolgen soll.
Historisches Bearbeiten
Die Erstbeschreibung von Actinomycin D erfolgte 1949. Die Beschreibung einer kontrollierten Synthese als Grundlage einer industriellen Produktion wurde 1959 publiziert. 1959 wurde die erste Untersuchung publiziert, welche sich mit dem Einsatz von Actinomycin D bei Tumorerkrankungen von Kindern befasste. Giulio D'Angio beschrieb erstmals die Wirkungsverstärkung von Röntgenstrahlung durch Actinomycin D. Im gleichen Jahr erfolgte auch die Beschreibung der teratogenen Effekte von Actinomycin D. Der erste Einsatz von Actinomycin D bei Lymphomen (Retikulosarkom) wurde ebenfalls 1959 veröffentlicht.
Actinomycin D wurde ursprünglich als Antibiotikum entwickelt. Aufgrund seiner ausgeprägten Giftigkeit kam ein Einsatz zur Behandlung bakterieller Infektionen nicht in Frage.
Siehe auch Bearbeiten
Weblinks Bearbeiten
- Actinomycin D Monograph der BC Cancer Agency Frei zugänglich. Stand: 1994
- (Memento vom 1. Dezember 2007 im Internet Archive)
Einzelnachweise Bearbeiten
- ↑ Eintrag zu Dactinomycin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 23. Januar 2020. (JavaScript erforderlich)
- ABDA-Datenbank (Stand 11. Juni 2008) der DIMDI
- Delepierre M. et al. Reassessment of structural characteristics of the d(CGCG)2:actinomycin D complex from complete 1H and 31P NMR. J Biomol Struct Dyn. 1989 Dec;7(3):557–589. PMID 2627299
- Wu M. H., Yung B. Y. Cell cycle phase-dependent cytotoxicity of actinomycin D in HeLa cells. Eur J Pharmacol. 1994 Apr 4;270(2-3):203–212. PMID 8039550
- Veal G. J. et al. of United Kingdom Children's Cancer Study Group, Pharmacology Working Group. Pharmacokinetics of dactinomycin in a pediatric patient population: a United Kingdom Children's Cancer Study Group Study. Clin Cancer Res. 2005 Aug 15;11(16):5893–5899. PMID 16115931
- O. Merkel, N. Wacht, E. Sifft, T. Melchardt, F. Hamacher, T. Kocher, U. Denk, J. P. Hofbauer, A. Egle, M. Scheideler, M. Schlederer, M. Steurer, L. Kenner, R. Greil: Actinomycin D induces p53-independent cell death and prolongs survival in high-risk chronic lymphocytic. In: Leukemia. 26. Jahrgang, Nr. 12, Dezember 2012, S. 2508–2516, doi:10.1038/leu.2012.147 (nature.com [abgerufen am 1. April 2014]).
- EURO-E.W.I.N.G.-99 Studie kinderkrebsinfo.de
- Dalgliesch C. E., Todd A. R. Actinomycin. Nature. 1949 Nov 12;164(4176):820. PMID 15395378
- Katz E., Goss W. A. Controlled biosynthesis of actinomycin with sarcosine. Biochem J. 1959 Nov;73:458–465. PMID 14404788
- Tan C. T. et al. The effect of actinomycin D on cancer in childhood. Pediatrics. 1959 Oct;24:544–561. PMID 13836792
- D'Angio G. J. et al. Potentiation of x-ray effects by actinomycin D. Radiology. 1959 Aug;73:175–177. PMID 13813586
- Tuchmann-Duplessis H, Mercier-Parot L. Apropos of the teratogenic action of actinomycin. C R Seances Soc Biol Fil. 1959;153:1697–1700. PMID 13839737
- Shiba S. Studies on the therapy of reticulosarcoma(-tosis) with actinomycin. Acta Unio Int Contra Cancrum. 1959;15(Suppl 1):264–266. PMID 14445951