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Die Konferenz von Zimmerwald fand wahrend des Ersten Weltkrieges vom 5 bis 8 September 1915 im schweizerischen Ort Zimmerwald in der Nahe von Bern im Hotel Beau Sejour statt Die Konferenz wurde vom Schweizer Sozialdemokraten Robert Grimm mit dem Ziel organisiert die Sozialistische Internationale neu zu organisieren Die 37 Teilnehmer aus zwolf Landern verabschiedeten als Resultat das Zimmerwalder Manifest An der Konferenz zeigten sich massive Differenzen zwischen der pazifistischen Mehrheit zu der Robert Grimm gehorte und einer radikalen Minderheit um Lenin sog Zimmerwalder Linke die den Weltkrieg in einen revolutionaren Weltburgerkrieg umwandeln wollte Damit begann die Spaltung der Arbeiterbewegung in revolutionare und reformistische Sozialisten bzw Kommunisten und Sozialdemokraten Postkarte aus Zimmerwald mit Werbung fur die Pension Beau Sejour Inhaltsverzeichnis 1 Organisation der Konferenz 2 Die Konferenz 3 Folgen fur die Sozialdemokratie in der Schweiz 4 Liste der Teilnehmer 5 Zimmerwalder Linke 6 Nachfolgekonferenzen 6 1 Konferenz von Kiental 1916 6 2 Konferenz von Stockholm 1917 7 Auflosung der Zimmerwalder Vereinigung 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseOrganisation der Konferenz BearbeitenZu Beginn des Ersten Weltkrieges schwenkten die meisten Angehorigen der Sozialistischen Parteien der am Krieg beteiligten Nationen auf die sogenannte Burgfriedenspolitik ein und unterstutzten die Kriegsanstrengungen ihrer Lander obwohl die Internationale Militarismus und Krieg zuvor mehrfach verurteilt hatte Nur einzelne Exponenten und Parteien blieben antimilitaristisch eingestellt u a die deutsche Gruppe Internationale um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die russischen Bolschewiki die niederlandischen Tribunisten um Herman Gorter und Anton Pannekoek die revolutionaren Syndikalisten in Frankreich sowie die Sozialdemokratische Partei des Konigreiches Polen und Litauens Auch in den sozialistischen Parteien der Schweiz und Italiens sowie bei den russischen Menschewiki und Sozialrevolutionaren gab es Kriegsgegner die jedoch in der Minderheit waren Die Initiative fur die Tagung ging von den Sozialistischen Parteien der neutralen Lander Italien und Schweiz aus Personliche Kontakte zwischen Angelica Balabanova und Robert Grimm spielten dabei eine Rolle Eine offizielle Konferenz von Vertretern beider Lander fand am 27 September 1914 in Lugano statt an der eine Resolution verabschiedet wurde die schon wesentliche Punkte des spater entstandenen Zimmerwalder Manifests enthielt 1 Ein Versuch der Parteileitung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz eine Konferenz mit Vertretern der Arbeiterschaft aus allen neutralen Landern zu organisieren scheiterte jedoch Frustriert von der Hinhaltetaktik der Parteileitungen die sich der Burgfriedenspolitik verpflichtet sahen entschloss sich Grimm im Fruhling 1915 an der offiziellen Parteileitung vorbei eine Konferenz der oppositionellen Krafte innerhalb der Arbeiterbewegung zu organisieren Ermutigt durch positive Signale aus Frankreich und Grossbritannien organisierten die italienischen und schweizerischen Sozialisten am 11 Juli 1915 in Bern eine Vorbereitungssitzung fur eine internationale Konferenz wobei sich nur die Gruppen treffen sollten die gegen den Burgfrieden eintraten und sich fur die Weiterfuhrung des Klassenkampfes einsetzen wollten An dieser Sitzung nahmen teil Pawel Borissowitsch Axelrod und Grigori Jewsejewitsch Sinowjew Vertreter der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands Menschewiki bzw Bolschewiki beide im Exil in der Schweiz Angelica Balabanova und Oddino Morgari als Vertreter der Sozialistischen Partei Italiens Jan Antonowitsch Bersin Russland Lettland Julian Borchardt Deutsches Reich Robert Grimm als Vertreter der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz Adolf Warski Vertreter der polnischen Sozialdemokraten organisiert in der Sozialdemokratischen Partei des Konigreiches Polen und Litauen Maksymilian Horwitz Vertreter der polnischen Sozialisten organisiert in der Sozialistischen Partei Polens Linke Daneben trafen sich eine Gruppe um Lenin noch separat zu einer Vorbesprechung Daran nahmen vor allem die in der Schweiz im Exil lebenden Vertreter der russischen Arbeiterschaft teil wie Sinowjew Bersin Radek und Trotzki aber auch Vertreter aus Skandinavien Deutschland und der Schweiz wie Hoglund Nerman Borchardt und Platten 2 Die Konferenz Bearbeiten nbsp Farblithographie des Hotels Beau SejourDie Delegierten der verschiedenen eingeladenen Gruppen trafen sich am 5 September 1915 im Volkshaus Bern Nur die britische Delegation konnte nicht anreisen da ihnen keine Passe ausgestellt wurden Die Gruppe verliess Bern unbemerkt von der bernischen Polizei auf vier Fuhrwerken und wurde ins Dorf Zimmerwald gefahren das sich etwa zehn Kilometer von Bern befindet wo sie im Hotel Beau Sejour unterkam Die Konferenz begann mit der Verlesung von Grussbotschaften der an der Teilnahme verhinderten Delegierten so etwa eines Briefes von Karl Liebknecht und der Diskussion der momentanen Lage Der erste Erfolg an der Konferenz war eine gemeinsame Deklaration der deutschen und franzosischen Delegation die den Krieg verurteilte und einen Frieden ohne Annexionen forderte Sie verpflichteten sich die Burgfriedenspolitik in den jeweiligen Landern zu bekampfen und den Klassenkampf anzufachen um ihre Regierungen zu zwingen den Krieg zu beenden Die Deklaration wurde von den deutschen Vertretern Georg Ledebour und Adolph Hoffmann sowie den franzosischen Vertretern Alphonse Merrheim und Albert Bourderon unterzeichnet Der aus heutiger Sicht prominenteste Teilnehmer an der Konferenz war Lenin Er lebte seit 1914 in Bern und hatte sich auf die Konferenz vorbereitet indem er sich schon im Juli mit Alexandra Michailowna Kollontai und mit Karl Radek austauschte und Entwurfe fur mogliche Resolutionen vorbereitete Lenin versammelte die Delegierten des linken Flugels noch im Volkshaus in Bern um sie entsprechend vorzubereiten und auf einen gemeinsamen Standpunkt einzuschworen Zu dieser Gruppe gehorten alle spateren Mitglieder der Zimmerwalder Linken Lenins Entwurfe unterlagen jedoch in einer Abstimmung zugunsten denjenigen von Radek An der Konferenz wurde dieser Entwurf dann jedoch mit 19 zu 12 Stimmen zuruckgewiesen und nicht an die Kommission weitergeleitet die das Abschlussdokument redigierte In der Redaktionskommission waren Grimm Ledebour Lenin Trotzki Merrheim Rakovsky und Modigliani vertreten Sie verzichteten schliesslich auf die Verfassung einer Resolution entwarfen aber ein Manifest Dabei standen sich drei Entwurfe gegenuber einer vom rechten Flugel der deutschen Sozialisten einer von Trotzki sowie einer vom linken Flugel um Lenin Der endgultige Text wurde von Grimm und Trotzki verfasst und lag Trotzkis Entwurf am nachsten Trotz grosser Vorbehalte von allen Seiten konnten schliesslich alle Delegierten uberzeugt werden sich einstimmig fur das Manifest auszusprechen Mehrere Delegationen bestanden jedoch darauf Zusatze zum Zimmerwalder Manifest zu verabschieden Das letzte Dokument das von allen Delegierten gemeinsam angenommen wurde war eine Resolution die allen Kriegsopfern und verfolgten Kriegsgegnern die Sympathie der Konferenz aussprach und speziell auf das Schicksal der Polen Belgier Armenier und Juden sowie der politisch verfolgten einging Namentlich erwahnt wurden auch Karl Liebknecht Klara Zetkin Rosa Luxemburg Pierre Monatte und der ermordete Jean Jaures Zuletzt wurde die Internationale Sozialistische Kommission ins Leben gerufen deren Sekretariat in Bern angesiedelt sein sollte Ihr Auftrag war es die verschiedenen Gruppen in Kontakt zu halten und die Resultate der Konferenz zu publizieren Dieser Kommission gehorten Grimm Morgari Naine und Balabanova an Sie bereiteten unter anderem auch die nachste Konferenz in Kiental 1916 vor Die Rolle Lenins an der Konferenz von Zimmerwald war nicht so bedeutend wie dies ausgehend von seiner spateren Fuhrungsrolle in Russland her vermutet werden konnte Er meldete sich nur einmal in einer grundsatzlichen Frage zu Wort und konnte auch keinen wesentlichen Einfluss nehmen Der von Lenin beeinflusste Resolutionsentwurf von Radek wurde spater von Grimm schubladisiert Auch waren seine Vorbehalte gegenuber dem Zimmerwalder Manifest nicht derart charakteristisch dass man bereits von einer Fuhrungsrolle innerhalb der spateren Zimmerwalder Linken sprechen kann 3 Folgen fur die Sozialdemokratie in der Schweiz BearbeitenAls Folge der Zimmerwalder Konferenz kam die Burgfriedenspolitik der sozialdemokratischen Parteifuhrung in der Schweiz immer mehr unter Druck von Seiten der Basis insbesondere weil sich die soziale Lage der Arbeiterschaft als Folge des Krieges immer mehr verschlechterte In der Schweiz entschloss sich der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz SPS vom 20 November 1915 deshalb mit grossem Mehr auf die Forderung der Zimmerwalder Bewegung einzutreten Als Folge davon scherte die SPS aus dem Burgfrieden aus und nahm spatestens 1917 wieder eine dem Klassenkampf verpflichtete oppositionelle Haltung zum politischen System der Schweiz ein was sich besonders in einer starken Betonung des Antimilitarismus zeigte Fur die schweizerische Sozialdemokratie bedeutete die Zimmerwalder Bewegung keine grundsatzliche Zasur sie loste aber eine grundsatzliche personelle Erneuerung aus indem eine neue Generation unter Fuhrung von Robert Grimm die Leitung der Partei ubernahm 4 Innerhalb der SPS bildete sich die sog Zimmerwalder Linke eine Gruppe von Parteioppositionellen die sich zwar dem Zimmerwalder Manifest verpflichtet sahen aber sich nicht der neuen Parteifuhrung unter Grimm unterordnen wollten Hier sind vor allem die Fuhrungsfiguren Fritz Platten Ernst Nobs und Willi Munzenberg anzusiedeln Der Einfluss Lenins auf diese Gruppe war gering obwohl er sich in einem programmatischen Artikel Die Aufgaben der linken Zimmerwalder in der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz 5 direkt an die Gruppe richtete 6 Liste der Teilnehmer Bearbeiten gemass Konferenzprotokoll Pavel Axelrod Russland Menschewiki Angelica Balabanova Italien Heinrich Berges Frankfurt M Deutschland Jan Antonowitsch Bersin Russland Lettland Julian Borchardt Deutsches Reich Albert Bourderon Frankreich Lew Dawidowitsch Bronstein Trotzki Russland Robert Grimm Schweiz Liebmann Hersch Allgemeiner Judischer Arbeiterbund Joseph Herzfeld Deutsches Reich Zeth Hoglund Schweden Adolph Hoffmann Deutsches Reich Wassil Kolarow Bulgarien Gustav Lachenmaier Schwabisch Gmund Deutschland Constantino Lazzari Italien Georg Ledebour Deutsches Reich Pawel Lewinson Russland Polnische Sozialisten Ernst Meyer Deutsches Reich Julius Martow Russland Menschewiki Alphonse Merrheim Frankreich Giuseppe Emanuele Modigliani Italien Carl Vital Moor Schweiz Oddino Morgari Italien Charles Naine Schweiz Mark Natanson Russland Sozialrevolutionare Ture Nerman Schweden Fritz Platten Schweiz Christian Rakovsky Rumanien Karl Radek Polnische Sozialdemokratie Minna Reichert Berlin Deutschland Henriette Roland Holst Niederlande Giacinto Menotti Serrati Italien Grigori Jewsejewitsch Sinowjew Russland Bolschewiki Bertha Thalheimer Deutsches Reich Wiktor Michailowitsch Tschernow Russland Sozialrevolutionare Wladimir Iljitsch Uljanow Lenin Russland Bolschewiki Ewald Vogtherr Deutsches Reich Adolf Warski Russland Polnische Sozialdemokratie Die britischen Delegierten Bruce Glasier und Frederick Jowett von der Labour Party und Edwin Fairchild von den britischen Sozialisten konnten nicht teilnehmen da ihnen keine Passe ausgestellt wurden Zimmerwalder Linke BearbeitenJan Antonowitsch Bersin Russland Lettland Julian Borchardt Deutsches Reich Zeth Hoglund Schweden Ture Nerman Schweden Fritz Platten Schweiz Karl Radek Polnische Sozialdemokratie Grigori Jewsejewitsch Sinowjew Russland Bolschewiki Wladimir Iljitsch Uljanow Lenin Russland Bolschewiki Nachfolgekonferenzen BearbeitenKonferenz von Kiental 1916 Bearbeiten Hauptartikel Kientaler Konferenz Vom 24 bis 30 April 1916 fand in Kiental einem Bergdorf im Berner Oberland eine weitere internationale Konferenz statt an der sich kriegskritische Vertreter der sozialistischen Parteien zusammenfanden Im Vergleich zu Zimmerwald hatte die revolutionare Richtung sogenannte Zimmerwalder Linke gegenuber der zentristischen an Einfluss gewonnen Der Wille zum revolutionaren Klassenkampf und die Verurteilung des Sozialpatriotismus haben in der Resolution der Konferenz Eingang gefunden Konferenz von Stockholm 1917 Bearbeiten Vom 5 bis 12 September 1917 fand die dritte Zimmerwalder Konferenz in Stockholm statt Unter den 30 Delegierten aus den USA Danemark England Norwegen Polen Rumanien Russland Schweden Schweiz und Deutschland Kate Duncker Hugo Haase Georg Ledebour und Arthur Stadthagen Die Konferenz verabschiedete ein Manifest zur Beendigung des Krieges Der bolschewistische Delegierte reiste gleich zu Anfang der Konferenz ab 7 Auf der Konferenz wurde der Beschluss Robert Grimm als Vorsitzenden der ISK abzusetzen bestatigt 8 Diese Konferenz ist nicht zu verwechseln mit der Stockholmer Friedenskonferenz der Zweiten Internationale vom Juni 1917 Auflosung der Zimmerwalder Vereinigung BearbeitenMit der Grundung der Kommunistischen Internationalen am 4 Marz 1919 in Moskau und der dort beschlossenen Selbstauflosung der Zimmerwalder Vereinigung ging alles was wirklich revolutionar war 9 in die Kommunistische Internationale uber Sozialistische und Kommunistische Internationale gingen von da an getrennte Wege Literatur BearbeitenAngelica Balabanova Die Zimmerwalder Bewegung 1914 1919 Hirschfeld Leipzig 1928 Hans Ulrich Jost Linksradikalismus in der deutschen Schweiz 1914 1918 Stampfli Bern 1973 Christian Koller Subversive Ornithologen Die Internationale Sozialistische Konferenz von Zimmerwald von 1915 In Rote Revue 83 2 2005 S 35 38 doi 10 5169 seals 341911 Horst Lademacher Die Zimmerwalder Bewegung 2 Bde Den Haag 1967 Arnold Reisberg Lenin und die Zimmerwalder Bewegung Berlin 1966 Bernard Degen Julia Richers Hrsg Zimmerwald und Kiental Weltgeschichte auf dem Dorfe Zurich 2015 ISBN 978 3 0340 1298 0 Weblinks BearbeitenWebsite mit Informationen zur Geschichte der Zimmerwalder Konferenz und uber die 2015 durchgefuhrten Gedenkfeiern Artikel uber die Konferenz auf Internationale Kommunistische Stromung Artikel uber Lenin in Bern auf Beruhmte Gaste in Bern Memento vom 28 Dezember 2011 im Internet Archive Volltext des Zimmerwalder Manifests auf marxists org Robert Steigerwald Zur Konferenz von Zimmerwald auf kominform at SRF Zimmerwalder Konferenz Ein Stuck sozialistische Weltgeschichte SRF4 News Ein Berner Bauerndorf schreibt Weltgeschichte unfreiwillig Podcasts vom 12 September 2015 Kriegskredite 1914 Der Sundenfall der SPD von Rainer Traub Spiegel Geschichte 24 September 2013Einzelnachweise Bearbeiten Die Resolution ist abgedruckt in Lademacher Die Zimmerwalder Bewegung Bd 1 S 22 Jost Linksradikalismus S 31 Jost Linksradikalismus S 31 Jost Linksradikalismus S 25f Artikel vom 26 Marz 1917 Lenin Werke Bd 23 S 380ff Zit n Jost Linksradikalismus S 34 Jost Linksradikalismus S 33f Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Chronik Teil 1 Von den Anfangen bis 1917 Dietz Verlag Berlin 1965 S 339 W I Lenin Briefe Band IV August 1914 Oktober 1917 Dietz Verlag Berlin 1967 S 561 Protokoll des 1 Kongresses der Kommunistischen Internationale Hamburg 1921 S 147 Normdaten Veranstaltung GND 128054631X lobid OGND AKS VIAF 1178167625751303660000 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zimmerwalder Konferenz amp oldid 239179895