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Dieser Artikel beschreibt eine Zwangsmassnahme Weitere Bedeutungen finden sich unter Todesmarsch Begriffsklarung Als Todesmarsch werden in der Konflikt und Gewaltforschung erzwungene Marsche von Personengruppen bezeichnet bei denen der Tod der Marschierenden billigend in Kauf genommen wird oder sogar das Ziel ist Dabei kann eine hohe Todesrate durch Gleichgultigkeit der Aufseher gegenuber Uberanstrengung und mangelnder Versorgung der Marschierenden mit Verpflegung Kleidung und Unterkunft oder auch durch gezielte Gewalt gegen die Teilnehmer verursacht werden Gedenkstein in Meyenburg Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Historisch belegte Todesmarsche 2 1 Indigenenstamme 1838 2 2 Armenier 1915 2 3 Libyer 1929 30 2 4 Insassen der Lager des NKWD 1941 2 5 Amerikanische und philippinische Soldaten 1942 2 6 Ungarische Juden 1944 2 7 KZ Haftlinge 1944 45 2 8 Deutsche aus den Ostgebieten 1945 2 9 Kroatische und slowenische Wehrmachtsverbundete 1945 2 10 Palastinakrieg 1948 3 Dokumentarfilme 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseDefinition Bearbeiten Todesmarsch bezeichnet den Prozess durch den ein Regime ublicherweise eine Regierung oder eine Besatzungsmacht beginnt Angehorige einer bestimmten Nationalitat Gruppe oder Subgruppe auf Basis ihrer Ethnizitat Religion Sprache oder Kultur mit der Absicht ihrer Vernichtung zu versammeln Der Begriff Todesmarsch bezeichnet die physische Aktion durch die die versammelten Personen dann aufgestellt und in den sicheren massenhaften Tod geschickt werden Death march signifies the process by which a regime usually a government or an occupying power begins to summon members of a particular nation group or subgroup on the basis of their ethnicity religion language or culture with a view to their elimination The term death march signifies the physical action by which the gathered persons are then lined up and marched to certain mass death Encyclopedia of Genocide and Crimes Against Humanity 1 Nach der Definition des Soziologen Wolfgang Sofsky sind Todesmarsche eine langsame Form der kollektiven Vernichtung und unterscheiden sich durch ihre zeitliche Ausdehnung von anderen Formen sozialer Verfolgung und Repression 2 Sie stellen eine Sonderform der Deportation dar bei der das Ziel nicht primar die Ankunft der Deportierten am Bestimmungsort sondern deren Ableben ist In der Reinform ist der Todesmarsch nach Sofsky sogar vollig ziellos 3 Die direkt gegen die Marschierenden gerichteten Gewalthandlungen werden auf Gewaltexzesse ausgelost durch die absolute Macht der Aufseher uber die Marschierenden zuruckgefuhrt 4 Todesmarsche werden in der Geschichts und Konfliktforschung allgemein als Kriegsverbrechen und Mittel ethnischer Sauberungen oder des Volkermordes eingeordnet 5 wobei die Kriterien zur Einordnung eines speziellen Ereignisses als Todesmarsch umstritten sein konnen und der Begriff nicht stets eindeutig gebraucht wird In Wolfgang Benz Enzyklopadie des Nationalsozialismus werden Todesmarsche definiert als ein Phanomen im Dritten Reich v a gegen Ende des Krieges als die Haftlinge etlicher KZ evakuiert d h in grosser Zahl gezwungen wurden unter unertraglichen Bedingungen und brutalen Misshandlungen uber weite Entfernungen zu marschieren wobei ein grosser Teil von ihnen von den Begleitmannschaften ermordet wurde 6 Diese Definition greift insofern zu kurz als die Todesmarsche aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern die wohl am besten dokumentierten Todesmarsche sind das Phanomen als solches jedoch nicht auf Marsche aus den Konzentrationslagern beschrankt ist Es gibt auch daruber hinaus Ereignisse die durchgangig in der neutralen historischen Literatur mit der Bezeichnung Todesmarsch charakterisiert werden so zum Beispiel der Todesmarsch von Bataan oder der Brunner Todesmarsch Fur Vertreibungen durch deutsche Truppen in Jugoslawien ist diese Bezeichnung in den Protokollen der Nurnberger Prozesse ebenfalls belegt 7 Auch Deportationen im Verlauf des Volkermordes an den Armeniern werden haufig als Todesmarsche bezeichnet 8 Historisch belegte Todesmarsche BearbeitenIndigenenstamme 1838 Bearbeiten Die US Regierung liess im Herbst und Winter 1838 1839 unter Prasident Martin Van Buren diverse Indigenenstamme unter anderem die Cherokee in Reservate umsiedeln wobei aufgrund mangelhafter Planung Verpflegung und Ausstattung ungefahr 4 000 der etwa 10 000 Indianer starben die Umsiedlungsaktion ist daher auch unter der Bezeichnung Pfad der Tranen Englisch Trail of Tears bekannt Da ein grosser Teil nicht bereit war sich freiwillig dem Indian Removal Act zu unterwerfen wurden sie vom Militar zusammengetrieben und in Trecks aus Tennessee Kentucky Missouri und Arkansas nach Westen in das Indianer Territorium in Oklahoma deportiert Armenier 1915 Bearbeiten Beim Volkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich wurden auch auf Todesmarschen 300 000 bis zu uber 1 5 Millionen Menschen getotet Nachdem im Juli 1915 die meisten Armenier zunachst in ihren Hauptsiedlungsgebieten konzentriert worden waren wurden sie entweder gleich dort ermordet oder auf Befehl Talats auf Todesmarsche uber unwegsames Gebirge Richtung Aleppo geschickt Dabei ging es nicht um eine Umsiedlung der Armenier sondern um die ganzliche Ausrottung derselben in der Turkei 9 Libyer 1929 30 Bearbeiten Wahrend des Zweiten Italienisch Libyschen Krieges verubte das faschistische Italien den Volkermord in der Cyrenaika der 1929 30 mit der Deportation von 100 000 arabischen Stammesangehorigen in die ersten faschistischen Konzentrationslager der Geschichte begann Einige dieser Menschen wurden auch mit Schiffen deportiert die meisten jedoch zu Fuss auf manchmal uber 20 Wochen dauernde Marsche uber hunderte von Kilometern geschickt Etwa 10 000 15 000 Menschen kamen dabei um Die libyschen Uberlebenden bezeichnen den Todesmarsch als al Rihlan Pfad der Tranen 10 Insassen der Lager des NKWD 1941 Bearbeiten Bei Beginn des Russland Feldzugs des nationalsozialistischen Deutschen Reiches auf diejenigen Gebiete Polens der baltischen Staaten und der Ukraine die der Sowjetunion im Hitler Stalin Pakt zuvor zugesprochen und vor ihr besetzt worden waren raumte der NKWD ubersturzt seine eingerichteten Lager Von Juli bis Dezember 1941 wurden mehr als 700 000 Haftlinge nach Osten verlegt Wegen der mangelnden Verfugbarkeit von Eisenbahnen die zur militarischen Verteidigung gebunden waren mussten diese Hunderte von Kilometern zu Fuss zurucklegen Stand nicht genugend Zeit zur Verfugung um die Verlegungen vorzubereiten wurden die Haftlinge auch kurzerhand erschossen 11 Amerikanische und philippinische Soldaten 1942 Bearbeiten Beim Todesmarsch von Bataan wurden 70 000 US amerikanische und philippinische Kriegsgefangene durch japanische Truppen zu einem 6 Tage dauernden und uber 100 km langen Marsch gezwungen Dabei starben 16 000 Gefangene durch Krankheiten wie Malaria und Ruhr sowie Dehydratation Hunger und Erschopfung Ungarische Juden 1944 Bearbeiten Nach der Machtubernahme der Pfeilkreuzler mit deutscher Unterstutzung im Oktober 1944 unter einer Regierung von Ferenc Szalasi gingen die Deportationen ungarischer Juden in Vernichtungslager und KZs weiter Mangels Transportmitteln die Deutschen waren an vielen Fronten auf dem Ruckzug im Westen standen die Alliierten bei Aachen an der Reichsgrenze trieben ungarische Gendarmen ungarische Juden in Fusstrecks Richtung osterreichische Grenze Zehntausende Menschen starben dabei Eine Sondereinsatzgruppe des RSHA von Adolf Eichmann bewachte die Todesmarsche 12 KZ Haftlinge 1944 45 Bearbeiten Denkmal fur Todesmarsche im April 1945 aus dem KZ Dachau aufgestellt in Furstenfeldbruck und 21 anderen Stationen der Marsche Plastik von Hubertus von Pilgrim Hauptartikel Todesmarsche von KZ Haftlingen Mit den spater so genannten Todesmarschen von KZ Haftlingen verfolgten die SS Wachmannschaften in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zwei Ziele Sie entzogen die Beweise ihrer Verbrechen in den Konzentrations und Vernichtungslagern den heranruckenden alliierten Truppen durch die Beseitigung der Opfer und versuchten zumindest zum Teil die Arbeitskraft der Haftlinge fur andere Lager zu erhalten Durch diese Endphaseverbrechen kamen von den 1944 registrierten 714 000 KZ Haftlingen wahrscheinlich mindestens ein Drittel 13 ums Leben Haufig wurden nicht marschfahige Haftlinge in grosser Zahl erschossen Lagerteile der KZ wurden von der SS vor dem Abmarsch in Brand gesetzt Manche Todesmarsche endeten mit einer Katastrophe wie der Versenkung der Cap Arcona oder in einem Massaker wie bei der Isenschnibber Feldscheune in Gardelegen oder in Palmnicken Bei dem Schuhlaufer Kommando im KZ Sachsenhausen handelte es sich um eine Strafkompanie die Laufe zum Zwecke von Materialprufungen abhielt bei denen Todesfalle taglich die Regel waren Deutsche aus den Ostgebieten 1945 Bearbeiten Nach dem Kriegsende 1945 begann die Vertreibung von uber 15 Millionen Deutschen aus dem Osten Ostpreussen Schlesien Pommern Neumark und Sudosten Sudetenland Donauschwaben Bessarabien In zahlreichen Todesmarschen wurden die Deutschen aus ihren Heimatorten und stadten verjagt Der bekannteste ist der Brunner Todesmarsch mit 27 000 Beteiligten und 5 200 Toten ferner etwa der Todesmarsch der Komotauer Sudetenland nach Sachsen Kroatische und slowenische Wehrmachtsverbundete 1945 Bearbeiten Zu den Massakern von Bleiburg kam es im Anschluss an ihre bedingungslose Kapitulation in Bleiburg Karnten als kroatische slowenische und weitere Truppen die auf der Seite der Wehrmacht gekampft hatten nach Ende des Zweiten Weltkriegs von britischen Armeestellen an die Tito Partisanen ausgeliefert wurden In der Folgezeit kam es auf dem Transport dieser entwaffneten Truppen in Lager in Slowenien und Nordkroatien zu den Massakern von Bleiburg Aus diesen Lagern wurden sie ebenso wie deutsche Kriegsgefangene in Marschen in Lager in der Vojvodina getrieben teils uber hunderte von Kilometern Bei diesen Todesmarschen kam es zu einer grossen Zahl von Opfern darunter waren Tausende von deutschen Kriegsgefangenen Viele der Marschierenden sollen an Entkraftung Krankheiten oder Folgen von Misshandlungen gestorben oder aus Willkur oder weil sie das Marschtempo nicht mehr mithalten konnten erschossen worden sein Palastinakrieg 1948 Bearbeiten Wahrend des arabisch israelischen Krieges im Jahre 1948 wurden rund 70 000 Palastinenser aus den Stadten Al Ramla und Lod gewaltsam durch die israelischen Streitkrafte vertrieben Schatzungsweise 350 Menschen starben wahrend dieses als Todesmarsch von Lydda bekannt gewordenen Verbrechens 14 Dokumentarfilme BearbeitenAls das Grauen vor die Haustur kam uber den Todesmarsch Dokumentarfilm von Max Kronawitter 2021 uber den Todesmarsch von KZ Haftlingen am Ende des 2 Weltkrieges vom KZ Dachau in Richtung Alpen Weblinks Bearbeiten Wiktionary Todesmarsch Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Encyclopedia of Genocide and Crimes Against Humanity Dinah Shelton Macmillan Reference 2005 ISBN 0028658485 S 226 Wolfgang Sofsky Gewaltzeit In Kolner Zeitschrift fur Soziologie und Sozialpsychologie Sonderheft 37 49 Jg 1997 S 102 121 Wolfgang Sofsky Zeiten des Schreckens Amok Terror Krieg Verlag S Fischer 2002 ISBN 3 10 072707 X S 103 ff Trutz von Trotha Soziologie der Gewalt Westdeutscher Verlag 1997 ISBN 3 531 13137 0 S 115 ff gemass Artikel II c der Konvention uber die Verhutung und Bestrafung des Volkermordes uber die vorsatzliche Auferlegung von Lebensbedingungen fur die Gruppe die geeignet sind ihre korperliche Zerstorung ganz oder teilweise herbeizufuhren Shmuel Krakowski Todesmarsche In Enzyklopadie des Nationalsozialismus Hg v Wolfgang Benz Hermann Graml und Hermann Weiss dtv Munchen 1997 S 759 Protokolle vom 18 Februar 1946 Nuremberg Trial Proceedings Vol 7 S 552 Tessa Hofmann Annihilation Impunity Denial The Case Study of the Armenian Genocide in the Ottoman Empire 1915 16 and Genocide Research in Comparison PDF 270 kB CGS Symposium Tokyo 27 Marz 2004 Wolfgang Gust Hrsg Der Volkermord an den Armeniern 1915 16 Dokumente aus dem Politischen Archiv des deutschen Auswartigen Amtes Springe zu Klampen Verlag 2005 S 219 oder auf armenocide de Ali Abdullatif Ahmida Genocide in Libya Shar a Hidden Colonial History London New York 2020 ISBN 9780367468897 S 77 Giulia Brogini Kunzi Italien und der Abessinienkrieg 1935 36 Kolonialkrieg oder Totaler Krieg Paderborn u a 2006 S 146 f u 149 f Aram Mattioli Experimentierfeld der Gewalt Der Abessinienkrieg und seine internationale Bedeutung 1935 1941 Zurich 2005 S 10 35 u 51 Hans Woller Geschichte Italiens im 20 Jahrhundert Munchen 2010 S 132 u 134 f Gulag Die sowjetische Hauptverwaltung der Lager 2 3 Wucherungen 1934 1945 Dokumentation auf arte tv abgerufen am 24 Marz 2021 www1 yadvashem org Margit Szollosi Janze Die Pfeilkreuzlerbewegung in Ungarn Seite 427 Eberhard Kolb Die letzte Kriegsphase S 1135 in Ulrich Herbert Karin Orth Christoph Dieckmann Die nationalsozialistischen Konzentrationslager Fischer TB Frankfurt ISBN 3 596 15516 9 Richard Holmes Hew Strachan Chris Bellamy amp Hugh Bicheno The Oxford companion to military history Illustrated Auflage Oxford University Press 2001 ISBN 0 19 866209 2 On 12 July the Arab inhabitants of the Lydda Ramie area amounting to some 70 000 were expelled in what became known as the Lydda Death March Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Todesmarsch amp oldid 235825274