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Der Brunner Todesmarsch tschechisch Brnensky pochod smrti war Teil der kollektiven Vertreibung der deutschsprachigen Bevolkerung aus Mahren Er begann am 31 Mai 1945 dem Fronleichnamstag in Brunn Brno und fuhrte uber Pohorelice deutsch Pohrlitz uber die Grenze ins sowjetisch besetzte Niederosterreich Brunner Innenstadt gegen Kriegsende April 1945 Inhaltsverzeichnis 1 Verlauf 2 Opfer 3 Tater und Folgen 4 Aufarbeitung und Gedenken 4 1 Orte des Gedenkens 4 2 Erinnerung 5 Geschichtliche Hintergrunde 6 Literatur 6 1 Sekundarliteratur 6 2 Quellen 6 3 Belletristik 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVerlauf Bearbeiten nbsp Klostergarten 2008 Die Vertreibung der deutschsprachigen Einwohner aus Brunn gilt als sogenannte wilde Vertreibung Am 31 Mai 1945 wurden diese Einwohner beim Augustinerkloster St Thomas in Alt Brunn zusammengetrieben Am darauf folgenden Tag wurden die Menschen zusammen mit den deutsch und zweisprachigen Bewohnern der umliegenden Dorfer rund 55 Kilometer in Richtung osterreichische Grenze getrieben Der Zug bestand hauptsachlich aus Frauen Kindern Kleinkindern und Sauglingen sowie alten Mannern Die meisten jungeren Manner befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft oder waren in Lagern in der Stadt oder der naheren Umgebung z B in der Brunner Festung Spielberg interniert Viele waren den Strapazen des Marsches in grosster Hitze und ohne organisierte Wasser und Nahrungsmittelversorgung nicht gewachsen und brachen am Strassenrand zusammen Nachdem der Ubertritt an der osterreichischen Grenze zunachst verweigert wurde sperrte man die bis dahin Uberlebenden in Pohorelice in Lagerhallen fur Getreide Dort starben weitere Menschen weil in diesem Lager Hunger und Seuchen ausbrachen Ein weiterer Marsch fand vom Linienamt in der Wiener Strasse am 6 Juni 1945 statt Nahrung sollte fur drei Tage mitgenommen werden Unter Androhung des Erschiessens mussten Schmuck und Geld abgegeben werden Alle 20 Schritte stand ein Tscheche oder Russe Unter Schlagen mit Gewehrkolben und Knuten und Beschimpfungen marschierte man um 23 Uhr uber Modritz nach Raigern Dort machte man auf einem grossen Sportplatz Rast Nach drei Stunden ging es im stromenden Regen sechs Stunden weiter nach Pohrlitz Dort schlief man auf Sagespanen in Baracken Taglich starben etwa funfzig Menschen an Ruhr und Typhus Manche blieben vor Schwache langer als drei Tage im Lager Die Vertriebenen waren nun sich selbst uberlassen Erst nach langerem Zogern wurde im Juni 1945 die Grenze zum damals sowjetisch besetzten Niederosterreich geoffnet Auch nach dem Erreichen des osterreichischen Staatsgebietes setzte sich das Sterben der kranken und unterernahrten Opfer fort Ungefahr 1000 von ihnen fanden auf osterreichischen Friedhofen ihre letzte Ruhestatte Opfer Bearbeiten nbsp Gedenktafel am Massengrab auf dem Friedhof in DrasenhofenDie Zahl der Teilnehmer des Marsches kann heute durch tschechische Akten relativ zuverlassig mit rund 27 000 angegeben werden Das entspricht fast genau der Halfte der damaligen deutschen Bevolkerung Brunns von rund 53 000 Bei der Anzahl der Opfer des Brunner Todesmarsches gehen die Schatzungen weit auseinander Auf Seite der Vertriebenen wurde die Spanne 4 000 bis 8 000 genannt von tschechischer Seite nur wenige Hundert Neuere Studien der 1990er Jahre fuhren zu einer Zahl von rund 5 200 Toten 1 Mit Sicherheit belegt sind etwas uber 2 000 Todesfalle davon 890 in einem Massengrab bei Pohorelice und weitere etwas uber 1 000 die auf mehreren Friedhofen auf osterreichischer Seite im unmittelbaren Grenzgebiet und entlang der Strasse nach Wien in Einzelgrabern bestattet wurden Da die gesamte Historiographie davon ausgeht dass auf der tschechischen Seite der Grenze weit mehr Opfer zu beklagen waren als im Schlusskapitel des Todesmarsches zwischen der Grenze und Wien kann die Zahl 5 200 als gut gesichert gelten Es liegen anders als im Falle des Massakers von Aussig an der Elbe tschechisch Usti nad Labem auch Vermisstenmeldungen in entsprechender Zahl vor Die Opfer kamen wahrend des Marsches oder unmittelbar danach um Die meisten Opfer starben an Entkraftung Hunger Durst und Typhus einige wurden wahrscheinlich durch tschechische Begleitmannschaften erschossen Tater und Folgen BearbeitenDer Brunner Todesmarsch wurde vorwiegend von den tschechischen Arbeitern der Brunner Waffenwerke tschechisch Ceskoslovenska zbrojovka geplant und durchgefuhrt Als Hauptorganisator dieses Verbrechens gilt der tschechische Stabskapitan Bedrich Pokorny Er wechselte wenig spater ins tschechische Innenministerium und gilt auch als Organisator des Massakers von Aussig vom 31 Juli 1945 Aufgrund des Amnestie Gesetzes Nr 115 vom 8 Mai 1946 blieben die begangenen Straftaten ungesuhnt demnach ist es im eigentlichen Sinne kein Amnestie sondern ein Straffreiheits Gesetz Beim Versuch einer Nachkriegsordnung nahmen die Siegermachte des Zweiten Weltkrieges am 2 August 1945 im Potsdamer Protokoll Artikel XIII 2 zu den wilden und kollektiv verlaufenden Vertreibungen der deutschsprachigen Bevolkerung konkret nicht Stellung Explizit forderten sie jedoch einen geordneten und humanen Transfer der deutschen Bevolkerungsteile die in der Tschechoslowakei zuruckgeblieben sind Aufarbeitung und Gedenken BearbeitenOrte des Gedenkens Bearbeiten nbsp Gedenkstein im Augustinerkloster in Brunn Ort der Zusammentreibung Errichtet zum 70 Jahrestag 2015 Bei Pohorelice auf halbem Weg zwischen Brunn und der Grenze zu Niederosterreich befinden sich mehrere Massengraber der Opfer des Todesmarsches Eines davon mit 890 Grabern ist mit einem schlichten Gedenkstein als Grab erkennbar die Flache uber den Grabern wird jedoch weiterhin landwirtschaftlich genutzt Im Garten des Augustinerklosters St Thomas in Alt Brunn erinnert seit 1995 ein Gedenkstein an die Opfer des Brunner Todesmarsches In zahlreichen Ortsfriedhofen an der Strecke des Todesmarsches in Osterreich erinnern Graber und Gedenksteine an die Ereignisse so etwa in Drasenhofen Steinebrunn Herrnbaumgarten Poysdorf Wetzelsdorf Mistelbach Wolkersdorf Bad Pyrawarth Willersdorf Stammersdorf Purkersdorf und Erdberg An der Aussenfassade des neuen Altvaterturms auf dem Wetzstein im sudlichen Thuringer Wald wurde 2004 eine Gedenktafel fur die Opfer angebracht In Schwabisch Gmund Patenstadt von Brunn findet regelmassig ein Gedenkmarsch statt 3 Erinnerung Bearbeiten Am 20 Mai 2015 bat der Stadtrat von Brunn um Entschuldigung fur die gewalttatige Vertreibung fur den Racheakt der eine Vergeltung fur Nazi Verbrechen sein sollte und der vor allem gegen Frauen Kinder und alte Menschen gerichtet war Er erklarte die damaligen Ereignisse aufrichtig zu bedauern und ausserte den Wunsch dass samtliches fruheres Unrecht vergeben werden kann 4 Am 30 Mai 2015 wurde zum 70 Jahrestag ein Gedenkmarsch in umgekehrter Richtung von Pohrlitz nach Brunn begangen Der Oberburgermeister der Stadt Brunn Pavel Vokral lud auch Vertreter von Vertriebenenverbanden in Deutschland und Osterreich ein die Vertreibung der Brunner Deutschen zum Anlass fur ein gemeinsames Gedenken zu nehmen In dem anschliessenden Festakt verwendete er in einer offentlichen Deklaration zum ersten Mal auch auf tschechisch den Begriff Vertreibung tschech vyhnani Diese Erklarung wurde an alle Anwesenden des Gedenkaktes darunter der osterreichische und deutsche Botschafter in der Tschechischen Republik in gedruckter Form verteilt 4 5 6 Geschichtliche Hintergrunde BearbeitenWahrend der sechsjahrigen Besetzung der Resttschechei wurden im neugeschaffenen Protektorat Bohmen und Mahren nach unterschiedlichen Schatzungen zwischen 8 000 und 40 000 Tschechen ohne Berucksichtigung der judischen Opfer von der Besatzungsmacht ermordet Zahlreiche Tschechen mussten in Gefangnissen und Lagern schwere Misshandlungen erdulden Als am 5 Mai 1945 drei Tage vor Kriegsende der tschechische Maiaufstand ausbrach sahen die Aufstandischen zu denen sich die Protektoratspolizei bewaffnete Untergrundorganisationen und zahlreiche tschechische Jugendliche gesellten die Gelegenheit fur gekommen an den Deutschen Vergeltung zu uben Somit gelten bis heute in der tschechischen offentlichen Meinung die an der deutschsprachigen Bevolkerung verubten Massaker und Graueltaten als spontane Racheaktionen Literatur BearbeitenSekundarliteratur Bearbeiten Tomas Stanek Verfolgung 1945 Die Stellung der Deutschen in Bohmen Mahren und Schlesien ausserhalb der Lager und Gefangnisse 2002 Tomas Stanek Odsun Nemcu z Ceskoslovenska 1945 1947 Abschiebung der Deutschen aus der Tschechoslowakei 1945 1947 Praha Acedemia Prag 1991 Roland Hoffmann Alois Harasko Odsun Die Vertreibung der Sudetendeutschen Dokumentation zu Ursachen Planung und Realisierung einer ethnischen Sauberung in der Mitte Europas 1848 49 1945 46 Munchen 2000 ISBN 3 933161 01 0 Hans Hertl Der Brunner Todesmarsch 1945 Heimatverband der Brunner in Deutschland 1999 ISBN 978 3 00 002566 2 Detlef Brandes Der Weg zur Vertreibung 1938 1945 Plane und Entscheidungen zum Transfer der Deutschen aus der Tschechoslowakei und aus Polen 2 Auflage Verlag Oldenbourg Munchen 2005 ISBN 3 486 56731 4 Gemeinsame deutsch tschechische Historikerkommission Hrsg Konfliktgemeinschaft Katastrophe Entspannung Skizze einer Darstellung der deutsch tschechischen Geschichte seit dem 19 Jahrhundert Oldenbourg Munchen 1996 ISBN 3 486 56287 8 tschechisch und deutsch Quellen Bearbeiten Hanns Hertl Der Brunner Todesmarsch 1945 Die Vertreibung und Misshandlung der Deutschen aus Brunn Eine Dokumentation BHB Verlag Schwabisch Gmund 1998 ISBN 3 00 002566 9 Wilhelm Turnwald Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen Aufstieg Verlag Munchen 1951 zu Brunn S 63 66 69 72 77 173 249 307 312 321 331 345 366 und 507 Bundesministerium fur Vertriebene Fluchtlinge und Kriegsgeschadigte Hrsg Die Vertreibung der deutschen Bevolkerung aus der Tschechoslowakei Theodor Schieder Hrsg Die Vertreibung der Deutschen aus Ost Mitteleuropa Band 4 Zwei Teilbande dtv Munchen 1957 und mehrere weitere Ausgaben 7 Cornelia Znoy Die Vertreibung der Sudetendeutschen nach Osterreich 1945 46 unter besonderer Berucksichtigung der Bundeslander Wien und Niederosterreich Diplomarbeit zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie Wien 1995 zum Brunner Todesmarsch S 81 Belletristik Bearbeiten Ota Filip Die stillen Toten unterm Klee Langen Muller Munchen 1992 ISBN 3 7844 2417 1 Katerina Tuckova Gerta Das deutsche Madchen Klak Verlag 2018 ISBN 978 3943767971 Susanne Benda Dein Schweigen Vater Verlag Urachhaus 2022 ISBN 978 3 8251 5331 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Brunner Todesmarsch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Heimatverband der Brunner Sonderausgabe des Brunner Heimatboten zum Todesmarsch PDF 726 kB Sendung im FS ARD und ZDF Fotos von den Massengrabern http bruna graeberfahrt npage at Brunn bedauert Vertreibung der Sudetendeutschen In Suddeutsche Zeitung 20 Mai 2015 abgerufen am 18 August 2019 Bericht der ARD zum siebzigsten Jahrestag Memento vom 1 Juni 2015 im Internet Archive vom 30 Mai 2015Einzelnachweise Bearbeiten Meret Baumann Eine Versohnungsgeste aus Brno In Neue Zurcher Zeitung 26 Juni 2015 abgerufen am 18 August 2019 ebenso internationale Ausgabe S 6 Versohnungs statt Todesmarsch Mit einer Erklarung des Bedauerns zur Vertreibung der Sudetendeutschen setzt die Stadt Brno ein fur Tschechien wichtiges Zeichen Charles L Mee Die Potsdamer Konferenz 1945 Die Teilung der Beute Wilhelm Heyne Verlag Munchen 1979 ISBN 3 453 48060 0 Es ist eine innere Versohnung mit dem Unrecht In Landesecho der Deutschen 1 Februar 2021 abgerufen am 12 November 2021 a b Deklarace smireni a spolecne budoucnosti Erklarung der Stadt Brunn zum 70 Jahrestag der Vertreibung der Brunner Deutschen In freunde bruenns com Mai 2015 abgerufen am 18 August 2019 Erklarung vom 19 Mai 2015 zum Brunner Todesmarsch vom Mai 1945 in Wikizdroje der tschechischen Version von Wikisource Brno lituje pochodu smrti Nemcu po druhe svetove valce Brunn bedauert den Todesmarsch der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg In Zeitschrift Tyden vom 19 Mai 2015 abgerufen am 18 August 2019 Zum Charakter der Publikation den Bearbeitern und zum Online Zugang siehe Lemma des Ministeriums Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Brunner Todesmarsch amp oldid 238993075