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Proteinkristalle werden in der Proteinkristallographie untersucht sie bestehen aus gereinigtem Protein und grossen Anteilen von Kristallwasser 1 In einem Proteinkristall sind wie bei jedem Kristall aus organischen oder anorganischen Verbindungen identische Molekule oder Molekularkomplexe an den Gitterpunkten des Kristallgitters exakt gleich angeordnet 1 Die Basis des Kristalls besteht dann aus bis zu einigen tausend Atomen Die Strukturaufklarung von Proteinen liefert nicht nur wertvolle Informationen fur die Grundlagenforschung sondern unterstutzt auch zunehmend die Entwicklung von Medikamenten in der Pharmazeutischen Industrie Foto 1 Protein Kristalle gezuchtet im WeltraumFoto 2 Lysozym Einkristalle unter polarisiertem LichtFoto 3 Rontgen Streubild eines Proteinkristalls SARS 3Clpro Protease Foto 4 Bild von verwachsenen Proteinkristallen und ProteinaggregatenFoto 5 Bild eines Schmetterlingkristalls Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Eigenschaften 3 Herstellung 4 Analyse 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenWahrend man bei Kristallen von einfach gebauten chemischen Verbindungen mit der noch jungen Methode der Rontgenstrukturanalyse relativ rasch die Struktur aufklaren konnte Natriumchlorid 1913 Benzol 1928 traten grosse experimentelle Schwierigkeiten bei Proteinen auf da diese aus tausenden Atomen bestehen Die erste Schwierigkeit war die Isolierung Reinigung und Kristallisation von Proteinen Dies gelang James Batcheller Sumner erstmals bei dem Enzym Urease 1926 und bei den Proteinen Concanavalin A und B aus der Jackbohne Die Anwendung der Proteinkristallisation als allgemeine Methode konnte John Howard Northrop z B anhand des Pepsins 1929 zeigen Beide Forscher erhielten fur diese Entwicklungen im Jahre 1946 den Nobelpreis fur Chemie Erst Anfang der 1930er Jahre gelang es dem britischen Physiker Kristallographen und Wissenschaftshistoriker John Desmond Bernal und seiner Mitarbeiterin Dorothy Crowfoot Hodgkin die 1964 alleine den Nobelpreis fur Chemie erhielt von Proteinkristallen scharfe Beugungsbilder zu erhalten Um aus diesen Beugungsbildern die dreidimensionale Proteinstruktur zu ermitteln war jedoch ein grosser rechnerischer Aufwand erforderlich der erst mit der Entwicklung des Computers einfacher zu bewaltigen war Die erste Struktur eines Proteins Myoglobin wurde von John Cowdery Kendrew mit Hilfe der Rontgenkristallographie 1958 aufgeklart Nobelpreis fur Chemie 1962 gemeinsam mit Max Perutz der die Methode entscheidend entwickelt hatte 2 Durch das Aufkommen von Methoden zur gentechnischen Herstellung rekombinanter Proteine in den 1980er Jahren wurde die Gewinnung von Proteinen erleichtert Zuvor stellte die Reinigung und Charakterisierung eines einzelnen Proteins noch etwa den Umfang einer biochemischen Doktorarbeit dar Durch die gentechnischen Methoden konnten viele Proteine in deutlich erhohten Mengen hergestellt und gereinigt werden was den Aufwand zur Reinigung minderte Ein weiterer Meilenstein war die Strukturaufklarung des ersten Membranproteins Photosynthetisches Reaktionszentrum durch Johann Deisenhofer Robert Huber und Hartmut Michel die 1988 mit dem Nobelpreis fur Chemie geehrt wurden Mittlerweile sind Zehntausende von Proteinen und Proteinkomplexen auch grosse Partikel wie Ribosomen erstmals durch Ada Yonath und Viren kristallisiert und strukturell charakterisiert worden siehe Weblink RCSB PDB Eigenschaften BearbeitenProteinkristalle entstehen nur sehr selten im Zytoplasma Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen Kristallen kleiner Molekule und makromolekularen Kristallen ist der sehr grosse Losungsmittelanteil in letzterem Das Kristallwasser der Proteinkristalle nimmt etwa 30 80 des Kristallvolumens ein und liegt teilweise in quasi flussiger Form in den Hohlraumen zwischen den Proteinmolekulen vor Nur ein Bruchteil der Proteinoberflache ist an Kristallkontakten beteiligt der Rest ist vollstandig solvatisiert infolgedessen sind Proteinkristalle im Vergleich zu Ionen oder Molekulkristallen sehr weich und zerbrechlich Proteinkristalle reagieren im Gegensatz zu Ionen oder Molekulkristallen sehr empfindlich auf Wasserverlust Durch den hohen Wassergehalt ist es aber auch moglich niedermolekulare Liganden Co Faktoren und Substrate aus der umgebenden Mutterlauge in die Losungsmittelkanale in den Kristall diffundieren zu lassen 1 Die grossen Hohlraume zwischen den Proteinmolekulen lassen sich durch die Tatsache veranschaulichen dass z B ein farbloser Lysozym Kristall durch Zugabe von Methylenblau durchgehend blau gefarbt wird den Farbstoff aber nach Uberfuhrung in ein farbstofffreies Medium langsam wieder durch Diffusion freisetzt analog zu Zeolithen Diese Eigenart von Proteinkristallen nutzt man auch in der Aufklarung der Proteinstruktur durch Kristallstrukturanalyse mittels Rontgenbeugung indem man Schweratomderivate z B Uran Quecksilber u a durch Einlegen der Kristalle in entsprechende Schwermetallsalzlosungen herstellt Aufgrund der chiralen Natur der naturlich vorkommenden Proteine kristallisieren sie nur in den 65 chiralen 3 4 der 230 moglichen kristallographischen Raumgruppen die keine Spiegelebenen oder Inversionszentren aufweisen Herstellung BearbeitenUm ausreichend Protein zu erhalten werden heute Proteine haufig zuerst in E coli oder Hefe uberexprimiert da die Aufreinigung der Proteine wesentlich einfacher ist und man auch sehr leicht an grosse Mengen an Protein gelangen kann Zunehmend werden Proteine fur die Kristallisation in Insektenzellkulturen und menschlichen HEK Zellen exprimiert Durch die posttranslationalen Modifikationen der hoheren Eukaryoten wird die korrekte Faltung mancher Proteine erst ermoglicht was speziell fur die Produktion von Membranproteinen unerlasslich sein kann 5 Die Grundvoraussetzung zur Herstellung von Proteinkristallen sind ausreichende Mengen an hochreinem Protein Die Proteinmolekule konnen mittels Kombination von Fallungsmethoden Chromatographie oder praparativer Elektrophorese von anderen Proteinen getrennt werden Die Kristallisationsbedingungen findet man anschliessend indem man hochkonzentrierte Proteinlosungen ca 2 20 mg Protein ml mit verschiedenen Puffer Losungen die zumeist sehr hohe Konzentrationen an Salzen z B Ammoniumsulfat Alkoholen z B Ethanol und Methylpentandiol oder Polyethylenglykol PEG enthalten in kleinen Tropfen mit Volumina im Nano bis Mikroliterbereich vermischt und uber Tage bis Wochen und Monate bei konstanter Temperatur stehen lasst 1 Damit Keime entstehen muss sich das Protein Fallungsmittelgemisch im Nukleationsbereich befinden d h im Phasendiagramm im ubersattigten Bereich Folgende Methoden kommen in Betracht sich diesem Bereich allmahlich zu nahern Hanging oder Sitting drop Methode Ein Tropfen der Proteinlosung mit einer niedrigen Konzentration an Fallungsmitteln befindet sich oben oder seitlich in einem Gefass uber einer Losung die eine hohe Konzentration des Fallungsmittels aufweist Uber die Gasphase findet allmahlich eine Diffusion des Losungsmittels Wasser statt welche zu einer Ubersattigung im Tropfen fuhrt Diffusion uber die Phasengrenze Proteinlosung und Fallungsmittellosung werden in einer Kapillare uber eine gemeinsame Phasengrenze miteinander in Kontakt gebracht Das Fallungsmittel mit seiner viel kleineren Teilchengrosse diffundiert dabei durch die Grenzflache in die Proteinlosung Beim Batch Verfahren muss sich die Losung bereits im Nukleationsbereich befinden Die Probe und das Fallungsmittelgemisch werden unter einer isolierenden Olschicht miteinander zu einem Tropfen vermischt 6 Fur die Kristallstrukturaufklarung benotigt man Einkristalle entsprechende Kristalle sind auf den Fotos 1 und 2 abgebildet viel haufiger jedoch als diese entstehen ein amorpher Niederschlag Prazipitat oder auch Kristalle die nicht fur eine derartige Untersuchung geeignet sind Fotos 4 und 5 Sobald auch nur kleine Proteinkristalle wachsen ist das ein grosser Erfolg denn anschliessend konnen die Kristallisationsbedingungen optimiert werden Fur die Loslichkeit entscheidende Parameter sind der pH Wert salting in salting out Ionenstarke organische Losungsmittel Dielektrizitatskonstante und die Temperatur Dabei sollten die Kristallisationsparameter bei unterschiedlichen Temperaturen getestet werden etwa bei 20 C und 4 C Eine neue Messmethode mittels hochintensiver Rontgenlaser beispielsweise am European XFEL erlaubt die Verwendung kleinster Proteineinkristalle die in einem Wasserstrahl in den Strahlengang gespruht werden und einzelne Diffraktionsbilder ergeben 7 Allerdings gibt es auch einige Proteine die sich nicht kristallisieren lassen darunter bisher die meisten Membranproteine Diese benotigen neben den ublichen Proteinfallungsmitteln meist noch Detergentien bzw Tenside z B das b D Octylglucosid die einen wasserloslichen Molekulteil und einen hydrophoben Anteil besitzen Letzterer bindet die hydrophobe fettlosliche Transmembranregion die meist aus a Helices besteht Eine grossere Anzahl Tensidmolekule kann dann mit den hydrophilen Anteilen das Membranprotein in wassriger Losung halten ohne dass es zur Aggregation und ungeordneten Ausfallung kommt Somit sind die schon erwahnten Proteinreinigungsmethoden anwendbar bevor verschiedene Kristallisationsbedingungen getestet werden konnen Gelegentlich beobachtet man bei Kristallisationsansatzen auch die Bildung von recht eigenartigen Kristallen wie zum Beispiel eines Schmetterlingkristalls Foto 5 Analyse BearbeitenMithilfe der Rontgenbeugung konnen sowohl Protein Einkristalle siehe Laue Verfahren als auch kristalline Proteinpulver siehe Debye Scherrer Verfahren untersucht werden 1 8 Potentielle Protein Einkristalle werden vor der Untersuchung im Einkristalldiffraktometer meist in flussigem Stickstoff eingefroren und dann in einem Gasstrom bei ca 170 C montiert um die Schaden am Proteinkristall durch die Wechselwirkung mit der Rontgenstrahlung zu verringern Streuende Kristalle bedeuten noch nicht dass es sich um Proteinkristalle handelt da aus den Puffer Losungen auch haufig Salze auskristallisieren Diese kann man aber durch Untersuchung mittels eines Rontgendiffraktometers von Protein Kristallen unterscheiden denn beide erzeugen sehr typische unterschiedliche Streubilder Fur die Untersuchung mittels Rontgenbeugung sind je nach verwendeter Methode Einkristalle hoher Qualitat und Reinheit erforderlich deren Herstellung sehr aufwendig ist Daher finden heutzutage vermehrt High throughput screening bzw automatisierte Methoden in Forschung und Industrie Anwendung um eine grosse Anzahl von Proteinen zu reinigen und um Kristallisationsbedingungen zu testen Manche Messstationen Beamlines an Synchrotronanlagen die mit hochintensiver Rontgenstrahlung arbeiten sind inzwischen mit Robotern ausgerustet welche das Diffraktionsverhalten von Proteinkristallen analysieren geeignete Exemplare fur die Strukturaufklarung auswahlen und gegebenenfalls vollstandige Diffraktionsdatensatze messen Neuerdings erlauben Rontgenlaser wie der European XFEL hohe Pulsraten d h alle 220 Nanosekunden wird ein Rontgenblitz erzeugt der im Idealfall das Diffraktionsbild eines im Strahlengang befindlichen Mikrokristalls erzeugt 7 Die Methode beruht auf der kontinuierlichen Messung an vielen tausend Kristallen deren Diffraktion schliesslich einen vollstandigen Datensatz von Strukturfaktoren liefert Sobald die zugehorige Phaseninformation erhalten wird konnen wie bei den eher konventionellen Methoden der Rontgenstrukturanalyse Elektronendichten berechnet werden und ein dreidimensionales Modell des Proteins mit atomaren Koordinaten erstellt werden Literatur BearbeitenBernhard Rupp Biomolecular Crystallography Principles Practice and Application to Structural Biology Garland Science Taylor amp Francis Group New York 2010 ISBN 978 0 8153 4081 2Weblinks BearbeitenPDBe Protein DataBank in Europe Die Datenbank frei zuganglicher Atomkoordinaten von Biomolekulen in Europa PDBj Protein DataBank Japan Die Datenbank frei zuganglicher Atomkoordinaten von Biomolekulen in Japan RCSB PDB Research Collaboratory for Structural Bioinformatics Die Datenbank frei zuganglicher Atomkoordinaten von Biomolekulen in AmerikaEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e Wermuth C G Aldous David Raboisson Pierre Rognan Didier The practice of medicinal chemistry 4 Auflage London UK ISBN 978 0 12 417213 5 J C Kendrew G Bodo H M Dintzis R G Parrish H Wyckoff D C Phillips A three dimensional model of the myoglobin molecule obtained by x ray analysis In Nature 181 Jahrgang Nr 4610 Marz 1958 S 662 666 doi 10 1038 181662a0 PMID 13517261 Spacegroup Frequencies of PDB holdings Nicolas Brener Faiz Ben Amar Philippe Bidaud Designing Modular Lattice Systems with Chiral Space Groups PDF 4 0 MB 31 Oktober 2007 A Pandey K Shin R E Patterson X Q Liu J K Rainey Current strategies for protein production and purification enabling membrane protein structural biology In Biochemistry and cell biology Biochimie et biologie cellulaire Band 94 Nummer 6 Dezember 2016 S 507 527 doi 10 1139 bcb 2015 0143 PMID 27010607 PMC 5752365 freier Volltext Review L Schuldt J Muller Dieckmann M S Weiss Kristallisation biologischer Makromolekule PdN Chemie in der Schule Nr 2 60 Jahrg 2011 Aulis Verlag S 11 a b Desy News zum European XFEL bei www desy de abgerufen am 19 Juli 2020 Macromolecular Crystallography Teil 3 Charles W Carter Jr Academic Press 2003 ISBN 0 08 049709 8 S 264 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Proteinkristall amp oldid 222253617