www.wikidata.de-de.nina.az
Preussen contra Reich ist die Kurzbezeichnung fur einen Rechtsstreit der 1932 vor dem Staatsgerichtshof fur das Deutsche Reich in Reaktion auf den Preussenschlag ausgetragen wurde Die Verfassungsmassigkeit der Einsetzung des Reichskanzlers Franz von Papen als Kommissar fur Preussen sollte auf Antrag der fur abgesetzt erklarten preussischen Landesregierung und anderer Antragssteller uberpruft werden Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte und Kontext 2 Reaktion 2 1 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung 2 2 Das Hauptsacheverfahren 2 2 1 Die Beteiligten 2 2 2 Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs 2 3 Die mundliche Verhandlung 2 4 Reaktion der Offentlichkeit 3 Literatur 4 EinzelnachweiseVorgeschichte und Kontext BearbeitenDurch eine auf Artikel 48 Absatze 1 und 2 der Weimarer Verfassung gestutzte Not Verordnung des Reichsprasidenten betreffend die Wiederherstellung der offentliche Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preussen vom 20 Juli 1932 RGBl I S 377 setzte Reichsprasident Paul von Hindenburg den Reichskanzler Franz von Papen zum Reichskommissar fur das Land Preussen ein und brachte das Land so unter Reichskontrolle sogenannter Preussenschlag Der Prozess und die Auseinandersetzung um ihn muss auch im Kontext der Debatte um die Reichsreform und die Forderungen des Bundes zur Erneuerung des Reiches und des Dualismus von Preussen und Reich gesehen werden Reaktion BearbeitenAntrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung Bearbeiten Das Land Preussen vertreten durch das Preussische Staatsministerium sowie die Fraktion des Zentrums und die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Preussischen Landtag stellten daraufhin vor dem Staatsgerichtshof einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfugung gegen das Deutsche Reich StGH 15 32 1 Die Antragsteller bestritten die Verfassungsmassigkeit der Verordnung da die in der Verordnung vorausgesetzte Nichtregierbarkeit Preussens nicht gegeben sei Sie beantragten daher dem eingesetzten Reichskommissar im Wege der einstweiligen Verfugung die Dienstausubung zu untersagen In der am 23 und 25 Juli stattfindenden mundlichen Verhandlung anderte das Preussische Staatsministerium seinen Antrag ab Es begehrte nun die Anordnung dass die Reichskommissare sich nicht als preussischer Ministerprasident preussischer Staatsminister oder Mitglied der preussischen Landesregierung bezeichnen durften Nur den preussischen Staatsministern stehe die Eigenschaft als Staatsminister zu Die Reichskommissare durften nicht ohne Vollmacht der Staatsminister Preussen im Reichstag vertreten Sie hatten nicht die Befugnis den Mitgliedern der preussischen Staatsregierung das Recht zur Vertretung Preussens im Reichsrat und zur Instruktion der Reichsratsbevollmachtigten zu entziehen Sie hatten nicht das Recht Beamtenernennungen oder absetzungen mit dauernder Wirkung vorzunehmen Die beiden Landtagsfraktionen blieben bei ihrem ursprunglichen Antrag In seiner Begrundung der Ablehnung fuhrte der Staatsgerichtshof aus dass er der endgultigen Entscheidung nicht vorgreifen konne denn fur eine Unwirksamkeitserklarung der dringlich erscheinenden Notverordnung des Reichsprasidenten mussten Grunde vorgebracht werden die dem Gerichtshof zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorliegen konnten Eine einstweilige Verfugung sei nur dann zu erlassen wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notig erscheine etwaige Nachteile der Notverordnung fur Preussen seien aber zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht nachzuweisen Die spater eingebrachten Einzelforderungen nach Einschrankungen der Befugnisse der kommissarischen Regierung mussten als Wunsch nach einer Aufteilung der Staatsgewalt zwischen dem Reichskommissar und den von ihm eingesetzten Kommissaren einerseits und den klagenden preussischen Staatsministern anderseits aufgefasst werden Diese ware geeignet eine Verwirrung im Staatsleben herbeizufuhren Das Hauptsacheverfahren Bearbeiten Der Staatsgerichtshof verband verschiedene Antrage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Einsetzung eines Reichskommissars fur das Land Preussen StGH 15 16 17 u 19 32 fur das Hauptsacheverfahren zu einer Streitsache Die Beteiligten Bearbeiten Zur ersten Gruppe der Antragsteller gehorten das Land Preussen vertreten durch das Preussische Staatsministerium sowie die Zentrumsfraktion und die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im preussischen Landtag Antragsgegner war das Deutsche Reich Zur zweiten Gruppe gehorten der preussische Ministerprasident Otto Braun sowie die preussischen Minister des Innern Carl Severing fur Wohlfahrt Heinrich Hirtsiefer fur Landwirtschaft Domanen und Forsten Heinrich Steiger fur Handel und Gewerbe Walther Schreiber der Justiz Hermann Schmidt fur Wissenschaft Kunst und Volksbildung Adolf Grimme und der Finanzen Otto Klepper Antragsgegner waren hier das Deutsche Reich und der Reichskanzler als Reichskommissar fur Preussen Der dritte Antrag war der des Landes Bayern der vierte der des Landes Baden beide ebenfalls gegen das Deutsche Reich Die Prozessvertretung der Reichsregierung erfolgte durch Georg Gottheiner Carl Schmitt Erwin Jacobi und Carl Bilfinger Die SPD Fraktion des preussischen Landtags wurde durch Hermann Heller vertreten Vertreter der Preussischen Landesregierung waren der Ministerialdirektor im Staatsministerium Arnold Brecht Gerhard Anschutz und als Gutachter Friedrich Giese fur die preussische Zentrumspartei Hans Peters fur Bayern Hans Nawiasky und Theodor Maunz Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs Bearbeiten Nach der mundlichen Verhandlung vom 10 14 und 17 Oktober 1932 fallte der Staatsgerichtshof am 25 Oktober seine Entscheidung RGZ 138 Anhang S 1 bis 43 2 Eine Prufung bezuglich des Vorliegens der Voraussetzungen einer erheblichen Storung oder Gefahrdung der offentlichen Sicherheit und Ordnung nahm der Staatsgerichtshof dabei allerdings nur insofern vor als festgestellt wurde dass die Regierung in sich handlungsfahig und gegenuber der KPD durchsetzungsfahig geblieben sei Der Artikel 1 des Notverordnungsparagraphen treffe also nicht zu Wenn ein Land die ihm nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten nicht erfullt kann der Reichsprasident es dazu mit Hilfe der bewaffneten Macht anhalten Der Sachverhalt des Artikels 2 liege aber vor Die Sicherheit und Ordnung innerhalb des Landes sei gefahrdet Damit erklarte das Gericht die Anwendung der Notverordnung insgesamt fur verfassungsgemass soweit sie den Reichskanzler zum Reichskommissar fur Preussen bestellte und diesen ermachtigte preussischen Landesministern vorubergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu ubernehmen oder anderen Reichskommissaren zu ubertragen Das Gericht kommt andererseits zu dem Schluss dass die Regierung weiterbesteht ihre Absetzung unrechtmassig erfolgte und dass die Vertretung Preussens im Reichsrat oder sonst gegenuber Reich oder Preussischem Landtag von der kommissarischen Verwaltung ausgeschlossen ist Die Verordnung des Reichsprasidenten vom 20 Juli 1932 zur Wiederherstellung der offentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preussen ist mit der Reichsverfassung vereinbar soweit sie den Reichskanzler zum Reichskommissar fur das Land Preussen bestellt und ihn ermachtigt preussischen Ministern vorubergehend Amtsbefugnisse zu entziehen und diese Befugnisse selbst zu ubernehmen oder anderen Personen als Kommissaren des Reiches zu ubertragen Diese Ermachtigung durfte sich aber nicht darauf erstrecken dem preussischen Staatsministerium und seinen Mitgliedern die Vertretung des Landes Preussen im Reichstag im Reichsrat oder gegenuber anderen Landern zu entziehen Soweit den Antragen hiernach nicht entsprochen wird werden sie zuruckgewiesen Die im Urteil indirekt geforderte Zusammenarbeit von Regierung und Kommission war von vornherein nicht moglich die Reichsregierung setzte sich uber die Bestimmungen des Urteils hinweg die Ruckgabe der Regierungsgewalt an die rechtmassige Regierung nach der befristeten Arbeit der Kommission war nicht beabsichtigt 3 Das Urteil gab beiden Seiten teilweise Recht und bewahrte den Dualismus von Preussen und Reich Da aber die Absetzung der Regierung als unrechtmassig betrachtet wurde hatte eigentlich die Wiedereinsetzung der Regierung gefordert werden mussen Das Gericht kapitulierte am Ende vor den geschaffenen Fakten Das Urteil tolerierte im Grunde genommen einen Verfassungsbruch weil das Gericht sich scheute dem Reichsprasidenten einen Verfassungsbruch anzulasten 3 Michael Stolleis bewertete das Urteil in seinem Buch Geschichte des offentlichen Rechts in Deutschland als einen Markstein der den Untergang der Republik beschreibenden Verfassungsgeschichte Das haben schon die Kommentatoren jener Zeit gespurt und erst recht hat man es aus der Distanz so gesehen 4 Die mundliche Verhandlung Bearbeiten In der sturmischen und in der Offentlichkeit stark beachteten mundlichen Verhandlung wies Arnold Brecht darauf hin dass die burgerkriegsahnlichen Zustande in Preussen die zur Notverordnung fuhrten erst durch die Aufhebung des Uniformverbots und der SA am 14 Juni entflammt seien Die angebliche innere Unfreiheit der Regierung Preussens habe nicht bestanden eher die der Reichsregierung in ihrer Verbindung mit den Nationalsozialisten Brecht versuchte nachzuweisen dass die Reichsregierung in Ubereinstimmung mit den Nationalsozialisten mit ihren vorausgehenden Massnahmen zielgerichtet auf die Amtsenthebung der preussischen Regierung hingearbeitet habe Dabei habe sie den Nationalsozialisten den Wind aus den Segeln nehmen wollen Georg Gottheiner sprach als Hauptvertreter der Reichsregierung Er wies die Argumentation Brechts zuruck Es habe keine Absprachen mit den Nationalsozialisten gegeben Der Erregungsstoff der Nationalsozialisten habe sich gerade durch die einseitige Behandlung durch die preussische Regierung angestaut Preussen habe den Nationalsozialismus bekampft und den Kommunismus begunstigt Die Aufhebung des SA Verbots habe als Ventil dienen sollen Reaktion der Offentlichkeit Bearbeiten Nach der Darstellung von Dirk Blasius wurde das Urteil von fast allen Seiten als erfreuliche Niederlage oder ungeschickter Fehlschlag der Reichsregierung wahrgenommen nur die regierungsfreundliche Presse forderte einen weiteren konsequenten Schritt hin zum autoritaren Staat Die politischen Passagen des Urteils wurden von den meisten Zeitungen verbreitet und bereiteten der spateren Auffassung der Bevolkerung den Boden in einer Zeit der Unsicherheit und Unordnung musse mit Hilfe des Notstandsrechts durchgegriffen werden 5 Literatur BearbeitenJurgen Bay Der Preussenkonflikt 1932 33 Ein Kapitel aus der Verfassungsgeschichte der Weimarer Republik Erlangen 1965 zugleich Erlangen Nurnberg Univ Diss 1965 Henning Grund Preussenschlag und Staatsgerichtshof im Jahre 1932 Studien und Materialien zur Verfassungsgerichtsbarkeit Band 5 Nomos Verlagsgesellschaft Baden Baden 1976 ISBN 3 7890 0209 7 zugleich Gottingen Univ Diss 1976 Gabriel Seiberth Anwalt des Reiches Carl Schmitt und der Prozess Preussen contra Reich vor dem Staatsgerichtshof Zeitgeschichtliche Forschungen Band 12 Duncker amp Humblot Berlin 2001 ISBN 3 428 10444 7 zugleich Berlin Freie Univ Diss 2000 Heinrich Triepel Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs im Verfassungsstreite zwischen Preussen und dem Reiche Ein Schlusswort In Deutsche Juristen Zeitung DJZ 1932 S 1501 1508 Einzelnachweise Bearbeiten Entscheidung des Staatsgerichtshofs PDF RGZ 137 S 65 71 Abgerufen am 24 Marz 2016 Entscheidung des Staatsgerichtshofs PDF RGZ 138 Abgerufen am 24 Marz 2016 a b Wolfgang Neugebauer Hrsg Handbuch der preussischen Geschichte Band III Vom Kaiserreich zum 20 Jahrhundert und Grosse Themen der Geschichte Preussens Walter de Gruyter Berlin New York 2001 ISBN 978 3 11 014092 7 S 170 Michael Stolleis Geschichte des offentlichen Rechts in Deutschland C H Beck Munchen 1999 S 121 f Dirk Blasius Weimars Ende Burgerkrieg und Politik 1930 1933 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2005 ISBN 978 3 525 36279 2 online abgerufen am 17 August 2020 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Preussen contra Reich amp oldid 221270582