www.wikidata.de-de.nina.az
Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar Bitte hilf uns dabei die Situation in anderen Staaten zu schildern Der Polizeigewahrsam PG bedeutet in Deutschland den polizeilichen Personengewahrsam zum Zwecke der Gefahrenabwehr Er gehort zu den polizeilichen Standardmassnahmen Rechtsgrundlage sind die Polizeigesetze der Bundeslander und des Bundes Der rein praventive Polizeigewahrsam ist anders als die Verhaftung keine Massnahme der Strafverfolgung und setzt keinen Haftbefehl voraus Es findet auch kein Ermittlungsverfahren statt Gewahrsamszelle der PolizeiInhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Grundrechts Eingriff 3 Abgrenzung 4 Rechtsgrundlagen 5 Adressat 6 Voraussetzungen 6 1 Sicherungsgewahrsam 6 1 1 Unmittelbarkeit 6 1 2 Gefahrprognose 6 1 3 Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit oder Straftat 6 1 4 Verhaltnismassigkeit insbesondere Unerlasslichkeit 6 2 Schutzgewahrsam 6 2 1 Selbstgefahrdung 6 2 2 Schutz privater Rechte 6 3 Minderjahrige 6 4 Aus dem Strafvollzug Entwichene 6 5 Verbringungsgewahrsam 7 Verfahren bei Freiheitsentziehung 7 1 Dauer polizeilich angeordneten Gewahrsams 7 2 Richtervorbehalt 7 3 Rechtsschutz 8 Kosten 9 Gefangenenbefreiung 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDurch Friedrich Wilhelm IV wurde im Gesetz zum Schutze der personlichen Freiheit vom 24 September 1848 der Begriff Schutzhaft eingefuhrt So wurden zum Beispiel in der Kaiserzeit obdachlos gewordene Personen und Landstreicher ohne richterliche Anordnung oft in Polizeigewahrsam genommen Auch die Schutzhaft wahrend des sog Dritten Reichs unterlag keiner richterlichen Kontrolle Grundrechts Eingriff BearbeitenDer polizeiliche Gewahrsam bedeutet einen Eingriff in die Freiheit der Person Art 2 Abs 2 Satz 2 GG Art 5 EMRK 1 2 Hierbei wird die Person in einer dem polizeilichen Zweck entsprechenden Weise verwahrt und bis auf Weiteres daran gehindert sich nach ihrem freien Willen fortzubewegen 3 Art 2 Abs 2 Satz 2 GG bezeichnet die Freiheit der Person als unverletzlich Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung kennzeichnet das Freiheitsrecht als ein besonders hohes Rechtsgut in das nur aus wichtigen Grunden eingegriffen werden darf Geschutztes Rechtsgut ist die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsachliche korperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen also vor Verhaftung Festnahme und ahnlichen Massnahmen des unmittelbaren Zwangs 4 Nach Art 104 Abs 1 Satz 1 GG darf die in Art 2 Abs 2 Satz 2 GG gewahrleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines formlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschrankt werden Abgrenzung BearbeitenEine Freiheitsbeschrankung liegt vor wenn jemand durch die offentliche Gewalt gegen seinen Willen daran gehindert wird einen Ort aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten der ihm an sich tatsachlich und rechtlich zuganglich ist Die Freiheitsentziehung ist wenn die tatsachlich und rechtlich an sich gegebene korperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird Zudem setzt sie eine besondere Eingriffsintensitat und eine nicht nur kurzfristige Dauer der Massnahme voraus 5 Von einer kurzfristigen Massnahme ist in der Regel auszugehen wenn sie absehbar die Dauer von ungefahr einer halben Stunde unterschreitet 6 Freiheitsbeschrankungen sind einfaches Festhalten oder die Aufforderung an einem bestimmten Ort zu bleiben Der Gewahrsam beginnt mit der Freiheitsentziehung So ist auch das Festhalten im Streifenwagen ebenso Gewahrsam wie der zwangsweise Aufenthalt auf der Polizeiwache oder die Einkesselung unter freiem Himmel Rechtsgrundlagen BearbeitenDie einzelnen gesetzlichen Regelungen sind in Anlehnung an das Vorbild des 13 des Musterentwurfes eines einheitlichen Polizeigesetzes ME PolG entstanden Neben dem Bundespolizei und dem Bundeskriminalamtgesetz enthalten auch alle Landespolizeigesetze Vorschriften zum Gewahrsam 7 Materiell ist zwischen dem sog Sicherungsgewahrsam und dem Schutzgewahrsam zu unterscheiden Der Sicherungsgewahrsam dient der Gefahrenabwehr insbesondere wenn dies unerlasslich ist um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit zu verhindern vgl 39 Abs 1 Nr 3 BPolG 20p Abs 1 Nr 2 BKAG Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus Der Schutzgewahrsam ist zulassig zum Schutz einer Person gegen eine Gefahr fur Leib oder Leben insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschliessenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet vgl 39 Abs 1 Nr 1 BPolG Der Vorgang wird als Ingewahrsamnahme bezeichnet und begrundet ein mit hoheitlicher Gewalt hergestelltes Rechtsverhaltnis kraft dessen eine Person die Freiheit in der Weise entzogen ist dass sie von der Polizei gehindert wird sich fortzubegeben 8 Im Fall der Freiheitsentziehung wird die Person in eine Gewahrsamszelle verbracht Fur eine vorbeugende Gewahrsamnahme zwecks Durchfuhrung einer reibungslosen und storungsfreien Durchsuchungsmassnahme gibt es auch bei einer befurchteten Storung keine Eingriffsermachtigung 9 Die gesetzlichen Rechtsgrundlagen werden erganzt durch Verwaltungsvorschriften Gewahrsamsordnungen der Landesinnenminister die nahere Bestimmungen uber die Durchfuhrung des Polizeigewahrsams enthalten 10 11 12 Adressat BearbeitenAdressat ist die zustandsverantwortliche Person Storer Da praventiv polizeiliches Einschreiten kein Verschulden voraussetzt reicht eine rechtswidrige Tat aus ohne dass es auf moglicherweise zugunsten des Betroffenen eingreifende Entschuldigungsgrunde ankame 13 Ein Gewahrsam ist auch gegenuber strafunmundigen Kindern moglich die das 14 Lebensjahr noch nicht vollendet haben Die Bearbeitung von Jugendsachen ist in einer besonderen Polizeidienstvorschrift PDV geregelt 14 Voraussetzungen BearbeitenSicherungsgewahrsam Bearbeiten Der Sicherungsgewahrsam wird auch als Sicherheitsgewahrsam Praventivgewahrsam Unterbindungsgewahrsam Verhutungsgewahrsam oder Vorbeugegewahrsam bezeichnet Unmittelbarkeit Bearbeiten Der Gefahrenmassstab der Unmittelbarkeit unterscheidet sich nicht von einer gegenwartigen Gefahr 15 16 Die gegenwartige Gefahr ist als eine Sachlage definiert bei der das die offentliche Sicherheit oder Ordnung schadigende Ereignis bereits eingetreten ist Storung oder unmittelbar oder in allernachster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht 17 Das bedeutet dass ein Schaden fur Rechtsguter in unmittelbarer Zukunft in allernachster Zeit zu erwarten ist wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird 18 Gefahrprognose Bearbeiten Es muss eine akute Bedrohung der offentlichen Sicherheit vorliegen Angesichts der Intensitat des Eingriffs mussen im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen die nach einer Ansicht in der Literatur zu der Gewissheit fuhren dass der Schaden sofort oder in allernachster Zeit eintritt Der blosse Eindruck reiche nicht aus 19 Nach dem Bundesgerichtshof ist keine Gewissheit erforderlich es reiche die tatsachengestutzte Uberzeugung von der hohen Wahrscheinlichkeit einer kunftigen Tatbegehung 20 Einige Polizeigesetze wie fur Bayern Art 17 Abs 1 Nr 2 lit a bis c PAG enthalten daruber hinaus sogenannte gefahrenindizierende Tatbestandsmerkmale die der Polizei und den zustandigen Gerichten konkrete Anhaltspunkte fur eine Prognoseentscheidung uber das unmittelbare Bevorstehen von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zur Verfugung stellen Bei Vorliegen dieser Prognosekriterien kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung von einem unmittelbaren Bevorstehen der Straftat ausgegangen werden 21 Das kann der Fall sein wenn die Person die Begehung der Tat angekundigt oder dazu aufgefordert hat oder Transparente oder sonstige Gegenstande mit einer solchen Aufforderung mit sich fuhrt Art 17 Abs 1 Nr 2a PAG wenn bei der Person Waffen Werkzeuge oder sonstige Gegenstande aufgefunden werden die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind oder erfahrungsgemass bei derartigen Taten verwendet werden Art 17 Abs 1 Nr 2b PAG oder wenn die Person bereits in der Vergangenheit mehrfach aus vergleichbarem Anlass bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit oder Straftaten als Storer betroffen worden ist und nach den Umstanden eine Wiederholung dieser Verhaltensweise zu erwarten ist Art 17 Abs 1 Nr 2c PAG Sonstige Gegenstande die ersichtlich zur Tatbegehung bestimmt sind konnen neben aktiven Aggressionsmitteln auch Gegenstande sein die wie etwa Masken oder Kapuzen bei einer Versammlung zu einer verbotenen Vermummung dienen Ein bloss einmaliger fruherer Rechtsverstoss reicht zur Begrundung einer Wiederholungsgefahr nicht aus 22 Zusatzlich ist erforderlich dass die vorhandenen Anhaltspunkte im konkreten Einzelfall befurchten lassen der Betroffene werde im Fall seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen Bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals der unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit ist den Polizeibehorden kein Beurteilungsspielraum eingeraumt Die im Gefahrenabwehrrecht gebotene ex ante Betrachtung im Zeitpunkt der Massnahme unterliegt voller gerichtlicher Nachprufung 23 Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit oder Straftat Bearbeiten Polizeigewahrsam ist zur Verhinderung von Straftaten allgemein zulassig nicht nur von Straftaten von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit Diese Einschrankung bezieht sich nur auf Ordnungswidrigkeiten 24 Die Bedeutung einer Ordnungswidrigkeit ist erheblich fur die Allgemeinheit wenn ein Schaden fur ein besonders bedeutsames Rechtsgut Leben Gesundheit Freiheit unersetzliche Vermogenswerte oder fur andere Rechtsguter in erheblichem Umfang oder fur den Bestand des Staates und dessen Einrichtungen zu befurchten sind oder wenn die betreffende Vorschrift ein sonstiges bedeutsames Interesse der Allgemeinheit schutzt 25 Eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit kann z B ruhestorender Larm nach 117 OWiG sein allerdings hierbei muss der Larm zumindest geeignet sein eine Gesundheitsbeschadigung hervorzurufen was im Fall der anhaltenden Storung der Nachtruhe durchaus der Fall sein kann 26 In der polizeilichen Praxis wird der Sicherungsgewahrsam vor allem bei Hausfriedensbruch Stalking oder hauslicher Gewalt eingesetzt vgl 35 Abs 1 Nr 4 34a PolG NRW 27 Verhaltnismassigkeit insbesondere Unerlasslichkeit Bearbeiten Bei der Einschrankung des Rechts auf Freiheit der Person durch den Gewahrsam ist der Verhaltnismassigkeitsgrundsatz zu beachten 28 Als besondere Auspragung des Verhaltnismassigkeitsgrundsatzes muss der Gewahrsam unerlasslich sein um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung fur die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern Da das Instrument des Gewahrsams wahrend der Zeit des Nationalsozialismus massiv missbraucht wurde sollte durch die Tatbestandsmerkmale unerlasslich und unmittelbar bevorstehend rechtlich unmoglich gemacht werden dass die Vorschrift zu einer Ermachtigung zum sog Vorbeugegewahrsam fruher Schutzhaft ausgeweitet wird 29 Eine Massnahme ist nur dann unerlasslich wenn die Gefahrenabwehr nur auf diese Weise moglich und nicht durch eine andere Massnahme beispielsweise einen Platzverweis ersetzbar ist 30 31 Die Freiheitsentziehung muss das ausserste und letzte Mittel zu Verhinderung von Schaden darstellen 32 Der Gewahrsam muss auch angemessen sein Das Freiheitsbedurfnis des Betroffenen und das Bedurfnis der Offentlichkeit zum Schutze hochwertiger Rechtsguter sind im Einzelfall gegeneinander abzuwagen 28 Auch die Wahrscheinlichkeit der Rechtsguterverletzung ist in die Gesamtabwagung mit einzubeziehen 33 Diese Abwagung ist insbesondere innerhalb des gesetzlich zulassigen Rahmens hinsichtlich der Dauer des Gewahrsams vorzunehmen 34 Schutzgewahrsam Bearbeiten Selbstgefahrdung Bearbeiten Wird eine Person in Gewahrsam genommen um eine Gefahr fur ihr Leib und Leben abzuwenden dann spricht man von Schutzgewahrsam Diese Form des Gewahrsams ist zulassig wenn die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschliessenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet Eine allgemeine Gefahr reicht nicht aus Vielmehr muss es sich um eine konkrete Gefahrenlage handeln Hierbei ist die Polizei beispielsweise im Falle einer versuchten Selbsttotung die als Unglucksfall i S d 323c StGB anzusehen ist 35 nicht nur zum Einschreiten befugt sondern sogar verpflichtet vgl 28 Abs 1 Nr 2c PolG 36 37 Bevor eine hilflose Person in Gewahrsam genommen wird ist zu prufen ob sie gegebenenfalls unter Einschaltung des Rettungsdienstes unmittelbar einem Angehorigen oder einer anderen geeigneten Stelle wie einem Krankenhaus einem Heim oder einer Psychiatrischen Klinik ubergeben werden kann 38 39 40 Soll eine hilflose Person in Polizeigewahrsam eingeliefert werden ist zuvor die Gewahrsamsfahigkeit durch einen Arzt feststellen zu lassen 41 Schutz privater Rechte Bearbeiten Einzelne Polizeigesetze lassen einen Gewahrsam auch zum Schutz privater Rechte zu so 30 Abs 1 Nr 4 ASOG 30 Abs 1 Nr 4 HSOG 42 oder 35 Abs 1 Nr 5 PolG NRW Danach kann die Polizei beispielsweise einen Schuldner in Gewahrsam nehmen und dem Arrestgericht vorfuhren wenn der Glaubiger einen personlichen Arrest beantragt hat eine Verhaftung des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher aber nicht rechtzeitig erfolgen konnte vgl 916 ff 933 802g Abs 2 ZPO 43 44 Minderjahrige Bearbeiten Die Polizei kann Minderjahrige die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben oder sich an Orten aufhalten an denen ihnen eine sittliche Gefahr oder Verwahrlosung droht in Gewahrsam nehmen um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzufuhren Art 17 Abs 2 PAG 32 Abs 2 HSOG 30 Abs 2 ASOG Minderjahrige sind beispielsweise gefahrdet wenn sie sich an Orten aufhalten an denen Personen der Prostitution nachgehen illegales Glucksspiel stattfindet oder Betaubungsmittel illegal angeboten werden 45 Eine Gefahrdung liegt in der Regel auch dann vor wenn Kinder bei ihnen nicht bekannten Personen Mitfahrgelegenheit suchen oder bei diesen als Mitfahrer angetroffen werden Trampen Zustandige Behorde zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des Jugendschutzgesetzes ist die Polizei immer dann wenn Sofortmassnahmen zu treffen sind weil die originar zustandige Jugendschutzbehorde nicht regelnd eingreifen kann nicht erreichbar ist oder sich deren Mitarbeiter nicht im Dienst befinden etwa zur Nachtzeit In derartigen Fallen ist eine polizeiliche Eilzustandigkeit gegeben Bis zur Uberstellung an das Jugendamt ist eine kind bzw jugendgerechte Unterbringung zu gewahrleisten Kinder sind nicht in Gewahrsamsraumen unterzubringen Sie sind wenn sie nicht dem Jugendamt uberstellt werden in anderen geeigneten Raumen unter polizeiliche Aufsicht zu stellen 46 Ist bei der Inobhutnahme durch das Jugendamt die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich so ist die Polizei hinzuzuziehen 42 Abs 6 SGB VIII Aus dem Strafvollzug Entwichene Bearbeiten Aufgrund der Polizeigesetze konnen Personen ohne Fahndungsersuchen gem 87 StVollzG in Gewahrsam genommen und in die Anstalt zuruckgebracht werden die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Massregeln der Besserung und Sicherung entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis ausserhalb der Justizvollzugsanstalt aufhalten etwa nicht aus dem Freigang oder dem Hafturlaub zuruckkehren 47 Verbringungsgewahrsam Bearbeiten Einen Sonderfall des Polizeigewahrsams bildet der Verbringungsgewahrsam Dieser liegt vor wenn ein Storer von der Polizei an einen anderen Ort gebracht und dort zuruckgelassen wird 48 Ob der Verbringungsgewahrsam uberhaupt zulassig ist ist umstritten 49 Verfahren bei Freiheitsentziehung BearbeitenDauer polizeilich angeordneten Gewahrsams Bearbeiten Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit also ohne gerichtliche Entscheidung niemanden langer als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten Art 104 Abs 2 Satz 3 GG Wird eine Person am Mittwoch um 00 05 Uhr in Gewahrsam genommen muss sie bis Donnerstag 24 Uhr wieder freigelassen werden Dasselbe gilt wenn die Person am Mittwoch um 23 59 Uhr in Gewahrsam genommen wurde Eine Uberschreitung dieser Frist fuhrt zur Rechtswidrigkeit des Gewahrsams Richtervorbehalt Bearbeiten Die in Gewahrsam genommene Person ist unverzuglich jedenfalls aber spatestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzufuhren Richtervorbehalt Art 104 Abs 2 GG Aus Grunden des effektiven Rechtsschutzes muss die Erreichbarkeit des zustandigen Richters gewahrleistet und eine angemessene Wahrnehmung seiner richterlichen Aufgaben moglich sein Die Erreichbarkeit zur Tageszeit ist stets zu gewahrleisten 50 51 Ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit ist dann erforderlich wenn hierfur ein praktischer Bedarf besteht der uber den Ausnahmefall hinausgeht beispielsweise bei einer angekundigten Massendemonstration 52 Die Freiheitsentziehung erfordert nach Art 104 Abs 2 Satz 1 GG grundsatzlich eine vorherige richterliche Anordnung Ausnahmsweise kann diese unverzuglich nachgeholt werden wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulassige Zweck nicht erreichbar ware sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen musste 53 Das Gebot einer unverzuglichen Entscheidung gilt dabei fur Polizei und Gericht 54 55 Unterlasst der zustandige Polizeibeamte es unverzuglich die richterliche Entscheidung herbeizufuhren fuhrt dies zur Rechtswidrigkeit des darauf beruhenden polizeilich begrundeten Gewahrsams Ein richterlich begrundeter nachfolgender Gewahrsam kann allerdings dennoch rechtmassig sein 56 Ein polizeiliches Unterlassen die Entscheidung des Richters unverzuglich herbeizufuhren kann grundsatzlich den Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Unterlassen begrunden wobei die hypothetische Entscheidung eines rechtzeitig eingeschalteten Richters allerdings fur die Kausalitat des Unterlassens relevant ist 57 Der Richter muss von Amts wegen die Tatsachen feststellen die eine Freiheitsentziehung rechtfertigen sollen 26 FamFG Als Mittel eigener richterlicher Sachaufklarung stehen bei eilbedurftigen Entscheidungen insbesondere die Akten sichergestellte Sachen die Aussagen der beteiligten Beamten und die personliche Anhorung des Betroffenen zur Verfugung 58 Bedarf der Gewahrsam wegen seiner Dauer einer richterlichen Anordnung spricht man von Langzeitgewahrsam 59 60 Die hochstzulassige Dauer richtet sich nach dem im Einzelfall einschlagigen Gesetz Sie darf beispielsweise nach 42 Abs 1 Satz 3 Bundespolizeigesetz nicht mehr als 4 Tage betragen nach 427 Abs 1 Satz 2 FamFG die Dauer von sechs Wochen nicht uberschreiten oder nach Art 20 Abs 2 PAG bis zu einem Monat betragen und kann insgesamt auf langstens zwei Monate verlangert werden Sind die bei der Polizei fur den Langzeitgewahrsam verfugbaren Raumlichkeiten nur unzureichend ausgestattet kann eine Justizvollzugsanstalt insoweit Amtshilfe leisten und den Gefangenen aufnehmen Fur die Entscheidung ist das Amtsgericht zustandig in dessen Bezirk die Person festgehalten wird Das Verfahren richtete sich bis 31 August 2009 nach dem Gesetz uber das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen 61 Mit Wirkung zum 1 September 2009 wurden Freiheitsentziehungssachen die die auf Grund von Bundesrecht angeordnete Freiheitsentziehung betreffen im Buch 7 des Gesetzes uber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 415 ff FamFG neu geregelt 62 63 Die Polizeigesetze der Lander verweisen fur das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen nahezu durchweg auf das FamFG Rechtsschutz Bearbeiten Der Betroffene hat neben dem Anspruch auf rechtliches Gehor das Recht zur Sache zu schweigen sich durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl vertreten zu lassen sowie Angehorige zu verstandigen 64 Da es sich beim praventiven Polizeigewahrsam nicht um eine Strafverfolgungsmassnahme handelt und damit die Strafprozessordnung nicht anwendbar ist liegt kein Fall einer notwendigen Verteidigung gem 140 Abs 1 Nr 4 StPO vor so dass dem Betroffenen kein Pflichtverteidiger gem 141 StPO bestellt wird 419 FamFG sieht lediglich die Bestellung eines Verfahrenspflegers vor 65 Beispielsweise in Bayern wird allerdings nach Art 97 Abs 4 Polizeiaufgabengesetz fur die richterliche Entscheidung von Amts wegen ein anwaltlicher Vertreter bestellt sofern die in Gewahrsam befindliche Person noch keinen solchen hat Der richterliche Beschluss den Gewahrsam anzuordnen bzw abzulehnen kann von dem Betroffenen bzw der Polizei mit der Beschwerde angefochten werden 59 64 FamFG Freiheitsentziehungen ohne richterliche Anordnung sind Dauerverwaltungsakte die sich mit der Freilassung erledigen Ein etwaiger Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung 80 Abs 2 Nr 2 VwGO Sie konnen im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmassigkeit uberpruft werden 40 Abs 1 VwGO Qualifiziert man die Ingewahrsamsnahme als Realakt ist die Feststellungsklage gem 43 VwGO statthaft 66 Die abdrangende Sonderzuweisung zu den ordentlichen Gerichten fur Justizverwaltungsakte 23 EGGVG gilt fur praventive polizeiliche Massnahmen nicht Beispielsweise in Niedersachsen ist allerdings fur die Prufung der Rechtmassigkeit nach Beendigung des Gewahrsams der Rechtsweg zum Amtsgericht eroffnet 19 Abs 2 NPOG 67 Kosten BearbeitenDie Verwaltungskosten fur einen rechtmassigen Polizeigewahrsam und eine damit verbundene Beforderung konnen dem Veranlasser aufgegeben werden 68 15 Gegen den Kostenbescheid steht der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit offen 69 Gefangenenbefreiung BearbeitenSobald die betroffene Person als Gefangener gilt ist das Befreien als Vergehen der Gefangenenbefreiung nach 120 StGB strafbar Typischerweise wird die Tat in Tateinheit mit Korperverletzung nach 223 StGB und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach 113 StGB begangen Weblinks BearbeitenTronje Dohmer Hessisches Gesetz uber die offentliche Sicherheit und Ordnung HSOG offentliche Sicherheit amp Ordnung Leitsatzkommentar Stand 4 Oktober 2012 32 Gewahrsam 35 Dauer der Freiheitsentziehung Alfred Rodorf 35 PolG NRW Gewahrsam Juni 2017Einzelnachweise Bearbeiten Art 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit dejure org abgerufen am 13 Juni 2018 Europaischer Gerichtshof fur Menschenrechte Urteil vom 7 Marz 2013 Rechtssache O Deutschland Individualbeschwerde Nr 15598 08 OVG Munster Urteil vom 7 Juni 1978 IV A 330 77 NJW 1980 138 BVerfG Beschluss vom 15 Mai 2002 2 BvR 2292 00 Rdnr 22 ff BVerfG Urteil vom 24 Juli 2018 2 BvR 309 15 2 BvR 502 16 Rn 67 BVerfG Urteil vom 24 Juli 2018 2 BvR 309 15 2 BvR 502 16 Rn 68 Vergleich ausgewahlter praventivpolizeilicher Standardmassnahmen im Recht des Bundes und der Lander Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages 16 Februar 2017 Tabellarische Ubersicht zum Bundes und Landesrecht S 5 7 VG Koln Urteil vom 20 November 2014 20 K 1799 13 Rdnr 49 Landgericht Frankfurt am Main Beschluss vom 26 Februar 2008 Az 5 26 Qs Polizeigewahrsamsordnung fur das Land Nordrhein Westfalen Runderlass des Innenministeriums 43 57 01 08 vom 20 Marz 2009 Polizeigewahrsamsordnung fur das Land Brandenburg Polizeigewahrsamsordnung vom 5 April 1995 ABl 95 Nr 32 S 402 Gewahrsamsordnung fur die Polizei des Landes Rheinland Pfalz vom 2 Februar 2013 MinBl 2013 104 OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 20 Juni 2007 20 W 391 06 Rdnr 13 Polizeidienstvorschrift PDV 382 Bearbeitung von Jugendsachen Website der DVJJ abgerufen am 8 Juni 2018 a b Thorsten Kingreen Heranziehung zu den Kosten einer polizeilichen Ingewahrsamnahme Jura 2015 S 316 Heyen Allgemeines Polizei und Ordnungsrecht in Manssen Staats und Verwaltungsrecht fur Mecklenburg Vorpommern S 255 BVerfGE 115 320 363 zu 31 PolG NW 1990 OLG Rostock Beschluss vom 30 August 2007 3 W 107 07 Rdnr 25 Rachor in Lisken Denninger Handbuch des Polizeirechts 4 Aufl F Rn 570 vgl auch Marschner Volckart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4 Aufl E Rn 50 BGH Beschluss vom 12 Februar 2020 StB 36 18 Rdnr 21 OLG Munchen Beschluss vom 2 Oktober 2008 34 Wx 10 08 Rdnr 19 OLG Munchen Beschluss vom 2 Oktober 2008 34 Wx 10 08 Rdnr 20 ff BVerfG Beschluss vom 20 April 2017 2 BvR 1754 14 Rdnr 46 BayObLG Urteil vom 28 Mai 1998 3 Z BR 66 98 NVwZ 1999 106 Bayerische Verwaltungsvorschrift zu Art 17 Gewahrsam 17 3 1 OVG Sachsen Anhalt Beschluss vom 27 Juni 2007 2 L 158 06 35 Polizeigesetz des Landes Nordrhein Westfalen PolG NRW a b BVerfG Beschluss der 2 Kammer des Zweiten Senats vom 18 April 2016 Az 2 BvR 1833 12 Rn 25 OLG Frankfurt Beschluss vom 18 Juni 2007 20 W 221 06 Rdnr 9 BGH Beschluss vom 30 April 2020 StB 37 18 Rdnr 26 f LG Frankfurt am Main Beschluss vom 26 Februar 2008 5 26 Qs 6 08 Rdnr 21 BGH Beschluss vom 12 Februar 2020 StB 36 18 Rdnr 25 BGH Beschluss vom 30 April 2020 StB 37 18 Rdnr 29 BGH Beschluss vom 12 Februar 2020 StB 36 18 Rdnr 29 BGHSt 6 147 Verwaltungsgericht Karlsruhe NJW 1988 1536 mit Anm Herzberg JZ 1988 182 tlw strittig vgl 28 Polizeigesetz PolG Baden Wurttemberg in der Fassung vom 13 Januar 1992 Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein Westfalen VVPolG NRW Runderlass des Innenministeriums v 19 12 03 44 1 2001 35 11 Hartmut Seltmann Die Behandlung psychisch kranker Menschen im Polizeigewahrsam mit Anmerkungen eines Mitglieds des deutschen Nationalen Praventionsmechanismus ohne Jahr abgerufen am 8 Juni 2018 Dieter Seitzinger Behordliche Zusammenarbeit bei der Unterbringung psychisch kranker Personen Das Psychisch Kranken Hilfe Gesetz Baden Wurttemberg PsychKHG und die Rolle der Polizei 20 September 2017 Steffen Heide Dankwart Stiller ManfredKleiber Problematik der Gewahrsamstauglichkeit Deutsches Arzteblatt 2003 100 12 A 791 B 667 C 627 Hessisches Gesetz uber die offentliche Sicherheit und Ordnung HSOG Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein Westfalen VVPolG NRW Runderlass des Innenministeriums vom 19 Dezember 2003 44 1 2001 35 12 Quandt Erbin Klatten zwingt Erpresser in Beugehaft Der Spiegel 19 Januar 2014 Polizeidienstvorschrift PDV 382 Bearbeitung von Jugendsachen Website der DVJJ 2 2 Gefahrdung Minderjahriger S 7 ff Polizeidienstvorschrift PDV 382 Bearbeitung von Jugendsachen Website der DVJJ 2 3 Massnahmen bei Gefahrdung Minderjahriger 2 3 1 Freiheitsbeschrankung Freiheitsentziehung bei Kindern 6 1 2 vgl beispielsweise 22 Abs 3 SachsPolG Muckel Stefan Falle zum Besonderen Verwaltungsrecht 7 Aufl Munchen 2019 S 38 Muckel Stefan Falle zum Besonderen Verwaltungsrecht 7 Aufl Munchen 2019 S 38 41 OLG Frankfurt Beschluss vom 20 Juni 2007 20 W 391 06 Rdnr 23 BVerfG Beschluss vom 13 Dezember 2005 2 BvR 447 05 Rdnr 36 BVerfG Beschluss vom 13 Dezember 2005 2 BvR 447 05 Rdnr 47 BVerfG Beschluss vom 3 Dezember 2005 2 BvR 447 05 Rdnr 37 BVerfG Beschluss vom 13 Dezember 2005 2 BvR 447 05 Rdnr 38 VGH Baden Wurttemberg Urteil vom 27 September 2004 1 S 2206 03 BGH Beschluss vom 12 Februar 2020 StB 36 18 Rdnr 32 ff BGH Urteil vom 4 September 2014 4 StR 473 13 BVerfG Beschluss vom 30 Oktober 1990 2 BvR 562 88 Rdnr 34 Ulrike Donat Karen Ullmann Polizeiliche Freiheitsentziehungen Berlin Januar 2007 S 19 Extremismus Hannover 19 Jahriger nach angedrohter Gewalttat in Langzeitgewahrsam Suddeutsche Zeitung 24 Mai 2018 abgerufen am 26 August 2020 Gesetz uber das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen FrhEntzG vom 29 Juni 1956 BGBl I S 599 Art 112 FGG Reformgesetz FGG RG Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FGG Reformgesetz FGG RG BT Drs 16 6308 vom 7 September 2007 S 290 ff Polizeigewahrsam Welche Rechte haben Polizisten und Verhaftete Deutsche Anwaltauskunft abgerufen am 2 Juni 2018 Florian Naumann Ohne Anwalt in den Muhlen der Justiz Hat das Innenministerium beim Polizeigesetz gelogen Merkur de 12 Oktober 2018 zum bayerischen Polizeiaufgabengesetz Diane Jahr Rechtscharakter polizeilicher Massnahmen ZJS 2016 S 181 184 188 19 Richterliche Entscheidung In Niedersachsisches Polizei und Ordnungsbehordengesetz NPOG in der Fassung vom 19 Januar 2005 Fassung vom 20 Mai 2019 gultig ab 24 Mai 2019 Abgerufen am 4 Dezember 2022 Niedersachsisches Oberverwaltungsgericht Urteil vom 24 Februar 2014 11 LC 228 12 rechtslupe de abgerufen am 5 Juni 2018 BVerfG Beschluss vom 29 Juli 2010 1 BvR 1634 04Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Polizeigewahrsam amp oldid 229315194