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Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar Bitte hilf uns dabei die Situation in anderen Staaten zu schildern Eingriff in ein Grundrecht ist jedes staatliche Handeln das dem Einzelnen ein Verhalten das in den Schutzbereich eines Grundrechts fallt ganz oder teilweise unmoglich macht 1 2 Das Bundesverfassungsgericht versteht darunter einen rechtsformigen Vorgang der unmittelbar und gezielt final durch ein vom Staat verfugtes erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge oder Verbot also imperativ zu einer Verkurzung grundrechtlicher Freiheiten fuhrt 3 4 und spricht innerhalb der deutschen Grundrechtsdogmatik insoweit von einem Eingriff in den eroffneten Schutzbereich eines Grundrechts Rechtsformig ist ein Vorgang wenn er in Form eines Gesetzes Verwaltungsakts oder einer Gerichtsentscheidung erfolgt Nach erweitertem Begriffsverstandnis fallen hierunter auch faktische Eingriffe wie Realakte darunter sowie unbeabsichtigte Nebenfolgen eines auf andere Ziele gerichteten staatlichen Handelns 5 Inhaltsverzeichnis 1 Terminologie 1 1 Klassischer Eingriffsbegriff 1 2 Moderner erweiterter Eingriffsbegriff 1 3 Kritik 2 Grundrechtsverzicht 3 Anforderungen an die Qualitat des staatlichen Handelns 4 Rechtfertigung des Eingriffs 5 Anmerkungen 6 Literatur Auswahl 7 EinzelnachweiseTerminologie BearbeitenKlassischer Eingriffsbegriff Bearbeiten Unter dem klassischen Eingriffsbegriff wird ein rechtsformiger Vorgang verstanden der unmittelbar und gezielt final durch ein vom Staat verfugtes erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge oder Verbot also imperativ zu einer Verkurzung grundrechtlicher Freiheiten fuhrt 6 7 Man spricht insoweit auch von einem engen Eingriffsverstandnis Bloss mittelbar faktische Einwirkungen werden vom Bundesverfassungsgericht allerdings im Osho Beschluss unter dem Begriff der Grundrechtsbeeintrachtigungen erfasst und auch auf ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung gepruft 8 Moderner erweiterter Eingriffsbegriff Bearbeiten Unter dem Grundgesetz wird der klassische Eingriffsbegriff heute allgemein als zu eng empfunden Deshalb ist das Bundesverfassungsgericht dazu ubergegangen fur einen Eingriff jedes staatliche Handeln genugen zu lassen das dem Einzelnen ein Verhalten das in den Schutzbereich eines Grundrechts fallt erheblich erschwert oder unmoglich macht 9 Demnach sind grundsatzlich auch eingriffsgleiche Einwirkungen von entsprechendem Gewicht ausreichend Finden mittelbar faktische Grundrechtsbeeintrachtigungen gezielt statt soll es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht einmal mehr auf das Gewicht der Beeintrachtigung ankommen Mittelbare Eingriffe sind solche bei denen die Beeintrachtigung nicht beim Adressaten sondern bei einem Dritten eintritt Beispiel Genehmigung eines Atomkraftwerkes 10 Faktische Eingriffen fehlt die Rechtsformigkeit Beispiel Videouberwachung 10 Als Beispiel fur mittelbar faktische Einwirkungen lasst sich die staatliche Warnung vor Produkten eines Herstellers anfuhren Solche hoheitliche Warnungen richten sich gezielt an potenzielle Kaufer fuhren im Ergebnis zu geringeren Verkaufen und beeintrachtigen damit mittelbar den Hersteller Erfolgt eine solche Informationstatigkeit in im Ubrigen rechtmassiger Weise d h bei Vorliegen einer staatlichen Aufgabe Zustandigkeit und Richtigkeit und Sachlichkeit der Informationen soll kein Grundrechtseingriff vorliegen 11 Bezeichnet ein Bundesminister eine religiose Gemeinschaft als Sekte mit destruktiven und pseudoreligiosen Zielen soll hingegen ein mittelbar faktischer Eingriff vorliegen 12 Einer gesetzlichen Ermachtigungsgrundlage bedarf es dennoch nicht Eine wirklich stringente Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit nicht zu erkennen 13 Kritik Bearbeiten Gegen den Ausdruck Eingriff wird mitunter eingewandt er impliziere einen raumlichen Schutzbereich in den hineingegriffen werde Der Qualitat der Grundrechte als subjektive Rechte werde das nicht gerecht Stattdessen wird der Uberbegriff Einwendungen vorgeschlagen der sich in Eingriff soweit als unverletzlich gewahrleistete Schutzguter Leben Wohnung vorliegen und Einschrankung soweit es sich um bestimmte Handlungsmoglichkeiten Freiheiten handelt aufgliedere Grundrechtsverzicht BearbeitenSoweit auf ein Grundrecht durch Ausubungsverzicht oder Einwilligung verzichtet wurde kommt eine Grundrechtsverletzung nicht mehr in Betracht 14 15 16 17 18 Voraussetzungen eines Grundrechtsverzichts sind die grundsatzliche Verzichtbarkeit und eine wirksame Verzichtserklarung als Einwilligung Unter Umstanden genugt bereits ein konkludenter Ausubungsverzicht z B Nichtausubung des Wahlrechts 16 18 19 Die Verzichtbarkeit auf ein Grundrecht kann bei bedeutsamen eigenstandigen Gemeinwohlanliegen z B Wahlgeheimnis nach Art und Schwere der Beeintrachtigung oder wegen der Menschenwurde Art 1 I GG ausgeschlossen sein 20 18 17 Die Koalitionsfreiheit steht dagegen nicht zur Disposition einzelner Abreden die dieses Recht einschranken oder zu behindern suchen sind nichtig hierauf gerichtete Massnahmen sind rechtswidrig Art 9 Abs 3 Satz 2 GG Anforderungen an die Qualitat des staatlichen Handelns BearbeitenBei einer Reihe von Grundrechten ist der Gesetzgeber zur Ausgestaltung und naheren gesetzlichen Regelung berechtigt oder sogar verpflichtet sog Grundrechte mit Ausgestaltungs und Regelungsvorbehalt Eine zulassige Grundrechtsausgestaltung hat damit nicht die Qualitat eines Eingriffs 21 22 Diese Problematik wird insbesondere bei Art 14 Abs 1 GG deutlich Inhalt und Schranken des Eigentums ergeben sich danach nicht unmittelbar aus Art 14 GG sondern werden uberhaupt erst durch die einfachen Gesetze bestimmt Ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht liegt deshalb erst vor wenn das betreffende Gesetz etwa die Wesensgehaltsgarantie aus Art 19 Abs 2 GG verletzen oder unverhaltnismassig sein sollte Dazu gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung 23 Im Hinblick auf Art 12 Abs 1 Satz 2 GG fordert das Bundesverfassungsgericht fur einen Eingriff in die Berufsausubungsfreiheit eine objektiv berufsregelnde Tendenz des fraglichen Gesetzes Aus einer geringfugigen Beeintrachtigung der freien Berufsausubung die als Belastung kaum mehr als Bagatellcharakter zukommt folgt dass der Grundsatz der Verhaltnismassigkeit nicht verletzt ist 24 25 Vereinzelte Stimmen fordern dagegen fur die Allgemeine Handlungsfreiheit als Ausgleich zum weiten Schutzbereich eine Beschrankung auf den klassischen Eingriffsbegriff Nach verbreiteter Ansicht die das Bundesverfassungsgericht nicht teilt 26 soll dies auch fur die Freizugigkeit gelten Besondere Relevanz hat der Streit um die erforderliche Eingriffsqualitat im Hinblick auf die negative Religionsfreiheit des Art 4 Abs 1 und 2 GG erhalten Das Bundesverfassungsgericht bejaht im Hinblick auf die Schulpflicht einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit der Schuler durch eine kopftuchtragende Lehrerin 27 oder ein an der Wand befestigtes Kreuz 28 Andere sehen hier die Eingriffsqualitat nicht erreicht ebenso wenig wie in die Religionsfreiheit des einzelnen etwa durch ein am Feld aufgestelltes Wegkreuz oder ein Gipfelkreuz eingegriffen werde Nach dieser Ansicht liegt zwar moglicherweise ein Verstoss gegen die weltanschauliche Neutralitat des Staates vor nicht aber ein Eingriff in die negative Religionsfreiheit das Bundesverfassungsgericht versubjektiviere die Pflicht zur weltanschaulichen Neutralitat zu einem darauf gerichteten Recht Rechtfertigung des Eingriffs BearbeitenIst festgestellt dass ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts vorliegt so ist damit das entsprechende Grundrecht noch nicht automatisch verletzt der Eingriff nicht ohne Weiteres verfassungswidrig Vielmehr konnen Grundrechtseingriffe durchaus rechtmassig sein sofern sie verfassungsmassig gerechtfertigt sind Die Verfassung setzt aber diesen Einschrankungen selbst Schranken die sogenannten Schranken Schranken wie das Verhaltnismassigkeitsprinzip den Gesetzesvorbehalt das Ubermassverbot die Wesensgehaltsgarantie das Zitiergebot und das Verbot des Einzelfallgesetzes Ausnahme ist die Menschenwurdegarantie Art 1 GG Sie ist als unantastbar geschutzt woraus in Verbindung mit Systematik und Geschichte die ganz herrschende Meinung folgert dass ein Eingriff in die Menschenwurde nicht gerechtfertigt sein kann also zwangslaufig eine Verletzung des Grundrechts darstellt Die Menschenwurde ist daher abwagungsresistent und uneinschrankbar selbst im Hinblick auf die Menschenwurde anderer Dies spielt insbesondere eine Rolle im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Zulassigkeit der sogenannten Rettungsfolter etwa zum Schutz von Entfuhrungsopfern Die Menschenwurde des Entfuhrers darf nicht zugunsten des Entfuhrten eingeschrankt werden selbst in dieser Situation ist Folter verfassungswidrig 29 Anm 1 Die Garantie der Menschenwurde unterliegt zudem der in Art 79 Abs 3 GG geregelten Ewigkeitsklausel Anmerkungen Bearbeiten Wahrend der polizeilichen Ermittlungen bezuglich der Entfuhrung von Jakob von Metzler drohte der ehemalige stellvertretende Frankfurter Polizeiprasident Wolfgang Daschner dem Entfuhrer Magnus Gafgen die Zufugung erheblicher Schmerzen an wenn dieser keine wahren Angaben uber den Aufenthaltsort des Opfers machen wurde Im Zuge des Daschner Prozesses stellten das Landgericht Frankfurt am Main und Oberlandesgericht Frankfurt am Main fest dass es sich bei dem Verhalten des Polizeiprasidenten um eine Notigungshandlung im Sinne des 240 Abs 4 Satz 2 Nr 3 StGB handle die unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen oder entschuldigen sei Dabei wurde die Bindungswirkung innerstaatlicher Gerichte zum Art 3 EMRK ausgefuhrt wonach niemand der Folter unterworfen werden darf die Menschenrechtskonvention ist gemass Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art 20 Abs 3 GG zu berucksichtigen Literatur Auswahl BearbeitenHerbert Bethge Beatrice Weber Durler Der Grundrechtseingriff In Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Hrsg Der Grundrechtseingriff Offentlich rechtliche Rahmenbedingungen einer Informationsordnung Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Osnabruck vom 1 bis 4 Oktober 1997 VVDStRL Nr 57 De Gruyter Berlin Boston 1998 ISBN 978 3 11 089583 4 S 7 157 doi 10 1515 9783110895834 7 degruyter com abgerufen am 27 April 2021 Alexander Brade Additive Grundrechtseingriffe Ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik In Studien zum offentlichen Recht Nr 26 Nomos Baden Baden 2020 ISBN 978 3 8487 6047 3 doi 10 5771 9783748901754 nomos elibrary de abgerufen am 27 April 2021 Dissertation Universitat Leipzig 2019 Andreas Vosskuhle Anna Bettina Kaiser Grundwissen Offentliches Recht Der Grundrechtseingriff In Juristische Schulung JuS 2009 S 313 Einzelnachweise Bearbeiten Pieroth Schlink Staatsrecht II Rdnr 238 240 Kingreen Poscher Grundrechte Staatsrecht II 36 Auflage 2020 6 Rn 292 ff BVerfG Beschluss vom 26 Juni 2002 1 BvR 670 91 Rdnr 68 Hufen Staatsrecht II Grundrechte 8 Auflage 2020 8 Rn 4 ff Christoph Gropl Grundrechtseingriffe Eingriffsbegriffe PDF Universitat des Saarlandes abgerufen am 14 April 2021 BVerfG Beschluss vom 26 Juni 2002 1 BvR 670 91 Rdnr 68 BVerfGE 105 279 299 f Osho Hufen Staatsrecht II Grundrechte 8 Auflage 2020 8 Rn 4 ff BVerfG Beschluss vom 26 Juni 2002 1 BvR 670 91 Rdnr 70 BVerfG Beschluss vom 26 Juni 2002 Az 1 BvR 670 91 Volltext Rn 77 ff a b Andreas Vosskuhle Anna Bettina Kaiser Grundwissen Offentliches Recht Der Grundrechtseingriff In Juristische Schulung JuS 2009 S 313 BVerfGE 105 252 Glykol BVerfGE 105 279 Osho Manssen Gerrit Staatsrecht II Grundrechte 14 Auflage C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 70750 6 Rn 149 BVerfGE 85 386 398 f BVerfGE 106 28 44 f a b Sach Grundgesetz Kommentar 8 Auflage 2018 Vorbemerkungen zu Abschnitt I Rn 52 57 a b v Mangoldt Klein Starck Starck 7 Auflage 2018 GG Art 1 Rn 300 302 a b c Jarass Pieroth Grundgesetz fur die Bundesrepublik Deutschland 16 Auflage 2020 Rn 35 36 Manssen Gerrit Staatsrecht II Grundrechte 14 Auflage C H Beck Munchen 2017 ISBN 978 3 406 70750 6 Rn 140 142 Maunz Durig Herdegen 92 Auflage 2020 GG Art 1 Abs 1 Rn 78 79 Sebastian Graf von Kielmansegg Die Grundrechtsprufung JuS 2008 S 23 25 Rolf Schmid Grundrechtsdogmatik Schutzbereichsbegrenzung bei Informationseingriffen der Bundesregierung PDF 2002 S 5 f vgl Rolf Schmidt Grundrechte 4 Auflage 2003 zu Art 14 GG BVerfG Beschluss vom 18 Februar 1970 1 BvR 226 69 Rdnr 36 Verpflichtung des Rechtsanwalts vor Gericht in Robe aufzutreten VGH Baden Wurttemberg Vorlagebeschluss vom 5 Dezember 1988 9 S 2730 86 Rdnr 36 BVerfG Urteil vom 17 Marz 2004 Az 1 BvR 1266 00 Volltext Rn 34 BVerfGE 108 282 302 Kopftuch BVerfGE 93 1 18 Kruzifix LG Frankfurt Urteil vom 20 Dezember 2004 Az 5 27 KLs 7570 Js 203814 03 4 04 OLG Frankfurt Urteil vom 10 Oktober 2012 Az 1 U 201 11 Volltext und Pressemitteilung Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eingriff Grundrechte amp oldid 233303049