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Die allgemeine Handlungsfreiheit ist ein aus Art 2 Abs 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland abgeleitetes Grundrecht Der Text des Art 2 Abs 1 GG lautet Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Personlichkeit soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmassige Ordnung oder das Sittengesetz verstosst Die Allgemeine Handlungsfreiheit stellt den Grundsatz auf dass jede Handlung erlaubt ist wenn sie nicht verboten ist oder die Rechte anderer verletzt Sie wird auch als allgemeine Verhaltensfreiheit bezeichnet 1 was im Einklang mit der Definition von Verhalten Tun oder Unterlassen steht Inhaltsverzeichnis 1 Schutzbereich 1 1 Personlicher Schutzbereich 1 2 Sachlicher Schutzbereich 1 3 Konsequenzen des Verstandnisses als allgemeine Handlungsfreiheit 1 4 Abgrenzung und verwandte Grundrechte 2 Eingriff 3 Schrankentrias 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseSchutzbereich BearbeitenPersonlicher Schutzbereich Bearbeiten Trager des Rechts ist jeder Mensch Adressat ist die staatliche Gewalt die gemass Art 1 Abs 3 GG Exekutive Legislative und Judikative umfasst 2 Ganz uberwiegend ist anerkannt dass auch inlandische juristische Personen gemass Art 19 Abs 3 GG Trager des Grundrechts sein konnen es also seinem Wesen nach auf diese anwendbar ist 3 Sachlicher Schutzbereich Bearbeiten Weniger eindeutig ist der Schutzbereich der Inhalt des Rechts Aus dem Wortlaut freie Entfaltung der Personlichkeit wurde in den Anfangsjahren der Bundesrepublik geschlossen geschutzt seien nur besondere hochwertige Personlichkeitsentfaltungen Personlichkeitskerntheorie Nur so sei das Grundrecht dem Gewicht der ubrigen Grundrechte vergleichbar 4 Das Bundesverfassungsgericht hat dagegen schon fruh entschieden 5 Art 2 Abs 1 GG gewahrleiste eine allgemeine Handlungsfreiheit und schutze damit selbst so banale Dinge wie das Reiten im Walde 6 Dabei stutzte das Gericht seine Auslegung massgeblich auf den Willen des Verfassungsgebers Der Parlamentarische Rat wollte dem Grundrecht zunachst die Formulierung Jedermann hat die Freiheit zu tun und zu lassen was die Rechte anderer nicht verletzt und nicht gegen die verfassungsmassige Ordnung oder das Sittengesetz verstosst 7 8 falschlicherweise 9 oft als jeder kann tun und lassen was er will zitiert geben und wahlte nur der sprachlichen Gefalligkeit wegen die heutige Fassung Fur diese Ansicht spricht auch dass die Schranken insbesondere die der verfassungsmassigen Ordnung weiter als bei jedem anderen Grundrecht sind was umgekehrt auf einen ungemein weiten Schutzbereich hindeutet Diese Auslegung ist heute so herrschend dass man das Grundrecht allgemeine Handlungsfreiheit nennt Es ist damit ein Auffanggrundrecht das immer eingreift wenn speziellere Grundrechte nicht vorhanden sind oder das ist freilich umstritten deren Voraussetzungen nicht erfullt sind Demnach darf beispielsweise jedermann die bevorzugte Kleidung tragen ausreisen 5 Tauben futtern 10 oder sich das Auto seiner Wahl kaufen Auch konnen sich Auslander die nicht Trager von sog Deutschengrundrechten sind stattdessen auf Art 2 Abs 1 GG berufen Besondere Bedeutung erlangt das Grundrecht soweit Unionsburger betroffen sind im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot des Art 18 AEU Vertrag Durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung kann ihnen ein den Deutschengrundrechten entsprechender Schutz gewahrt werden Konsequenzen des Verstandnisses als allgemeine Handlungsfreiheit Bearbeiten Die Annahme Art 2 Abs 1 GG sei ein subsidiares Auffanggrundrecht hat die Stellung des Bundesverfassungsgerichts erheblich gestarkt Unter Berufung auf dieses Recht kann jeder Burger jedes ihn belastende Gesetz mittels der Verfassungsbeschwerde auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz prufen lassen Folge dieser umfassenden Zustandigkeit des Bundesverfassungsgerichts ist eine Flut von Verfassungsbeschwerden die nur durch Einrichtung von vorprufenden Kammern uberhaupt noch zu bewaltigen waren Zudem ist jede behauptete unrichtige Rechtsanwendung durch die Rechtsprechung eine angebliche Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit da bei unrichtiger Gesetzesauslegung die belastende Entscheidung nicht mehr von der verfassungsmassigen Ordnung gedeckt ist Damit wurde das Bundesverfassungsgericht zu einer Superrevisionsinstanz die samtliche Urteile aller anderen Gerichte zu uberprufen hatte Das ware weder sinnvoll noch uberhaupt leistbar Deshalb beschrankt das Bundesverfassungsgericht seine Prufung auf die Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht also darauf ob eine Entscheidung willkurlich war oder die Bedeutung der Grundrechte uberhaupt verkannt wurde Mit einer Verfassungsbeschwerde die nur falsche Rechtsanwendung rugt wird der Burger also nicht gehort Fur das Verwaltungsrecht hat die allgemeine Handlungsfreiheit die Auswirkung dass jeder belastende Verwaltungsakt den Adressaten moglicherweise zumindest in seinem Recht aus Art 2 Abs 1 GG verletzt die erforderliche Klagebefugnis liegt dann vor sog Adressatentheorie Abgrenzung und verwandte Grundrechte Bearbeiten In Art 2 Abs 1 GG wird nach der standigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Privatautonomie geschutzt Nicht zu verwechseln ist die freie Entfaltung der Personlichkeit mit dem allgemeinen Personlichkeitsrecht und dessen Spezialfall dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Diese sind im Grundgesetz nicht ausdrucklich erwahnt sondern vom Bundesverfassungsgericht aus Art 2 Abs 1 i V m Art 1 Abs 1 GG entwickelt worden In der Weimarer Reichsverfassung war mangels entsprechendem Grundrecht die allgemeine Handlungsfreiheit noch in der Freiheit der Person Art 114 Abs 1 Satz 1 WRV verortet die damit mehr als nur korperliche Bewegungsfreiheit war Eingriff BearbeitenEingriff ist jede belastende hoheitliche Massnahme in den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG Jedoch sind denkbare Eingriffe durch die Weite des Art 2 Abs 1 GG unendlich vielfaltig Es sind somit nur erhebliche Eingriffe gemeint Bagatellen gelten nicht als Eingriff in den Schutzbereich des Art 2 Abs 1 GG Vereinzelt wird vertreten als Ausgleich zu dem weiten Schutzbereich nur klassische Eingriffe Finalitat Unmittelbarkeit Rechtsformigkeit Zwang genugen zu lassen Nicht erfasst wurden dann etwa nur faktische Beeintrachtigungen Diese Ansicht hat sich indes nicht durchgesetzt Schrankentrias BearbeitenWie jedes Grundrecht gilt auch die allgemeine Handlungsfreiheit nicht schrankenlos Die freie Entfaltung der Personlichkeit darf das friedliche Zusammenleben der Menschen nicht storen Die so genannte Schrankentrias besteht aus der verfassungsmassigen Ordnung den Rechten anderer und dem Sittengesetz 11 Angesichts der Fulle der Rechtsnormen hat heute nur noch die Schranke der verfassungsmassigen Ordnung Bedeutung Sie erfasst alle formell und materiell rechtmassigen Rechtsnormen also die gesamte Normenpyramide von Bundesgesetzen rechtsverordnungen Landesverfassungen bis zu parlamentsgesetzen Insbesondere kommen auch Satzungen der Gemeinden und Landkreise in Frage fur die anders als bei der Einschrankung von Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt keine spezielle gesetzliche Grundlage erforderlich ist sondern die allgemeine Satzungsermachtigung genugt Weil beinahe jedes Gesetz die allgemeine Handlungsfreiheit einschrankt gilt das Zitiergebot des Art 19 Abs 1 Satz 2 GG nicht fur die Einschrankung der allgemeinen Handlungsfreiheit Allerdings mussen auch hier die einschrankenden Gesetze dem Ubermassverbot genugen also verhaltnismassig sein Siehe auch BearbeitenMenschenrechteLiteratur BearbeitenChristoph Gropl Kay Windhorst Christian von Coelln Studienkommentar Grundgesetz C H Beck Munchen 2013 ISBN 978 3 406 64230 2 Jorn Ipsen Staatsrecht 16 Auflage Vahlen Munchen 2013 ISBN 978 3 8006 4656 2 Einzelnachweise Bearbeiten Michael Sachs Verfassungsrecht Grundrechte Kapitel B 2 Randnummer 5 zitiert aus Epping GR Rn 517 Christoph Gropl Kay Windhorst Christian von Coelln Studienkommentar Grundgesetz S 55 Jorn Ipsen Staatsrecht S 219 Jorn Ipsen Staatsrecht S 220 a b BVerfGE 6 32 36 f sog Elfes Urteil BVerfGE 80 137 152 ff Deutscher Bundestag und Bundesarchiv Der Parlamentarische Rat 1948 1949 Entwurfe zum Grundgesetz Band 7 Harald Bold Verlag Boppard am Rhein 1995 ISBN 3 7646 1945 7 S 135 BVerfGE 6 32 39 Wolfram Cremer Freiheitsgrundrechte 2003 S 182 BVerfGE 54 143 146 nur BVerfGE 6 389 433 ff Homosexualitat Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Allgemeine Handlungsfreiheit amp oldid 231059974