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Reiten im Walde bezeichnet einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6 Juni 1989 1 In diesem konkretisierte das Gericht die Reichweite des Rechts auf allgemeine Handlungsfreiheit sowie die eigene Prufungskompetenz bei Verfassungsbeschwerden Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt 2 Zusammenfassung der Entscheidung 3 Folgen des Urteils 4 Siehe auch 5 FussnotenSachverhalt BearbeitenDer Klager Vorsitzender eines Reitvereins klagte zunachst vor dem Verwaltungsgericht Aachen gegen die Sperrung zahlreicher Feld und Waldwege fur Reiter Das Verwaltungsgericht wies die Klage wegen fehlender Klagebefugnis als unzulassig ab weil der Klager kein subjektives Recht auf Benutzung der Feld und Waldwege als Reiter habe Nachdem der Klager Berufung einlegte anderte sich die Rechtslage durch eine Novelle des Landschaftsgesetzes des Landes Nordrhein Westfalen 2 Das Reiten war nun grundsatzlich nur noch auf Feld und Reitwegen nicht aber auf sonstigen Waldwegen gestattet zudem mussten Reiter ein amtliches Kennzeichen an ihrem Pferd anbringen und hierfur eine Gebuhr ahnlich der Kfz Steuer entrichten Aus diesem Grund beantragte der Klager nunmehr im Rahmen der Feststellungsklage festzustellen dass er die betreffenden Wege als Reiter benutzen durfe hilfsweise die Stadt Aachen zur Ausschilderung eines Reitwegenetzes zu verpflichten Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein Westfalen wies den Hauptantrag als unbegrundet ab den Hilfsantrag erklarte das Gericht bereits als unzulassige Klageanderung Die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht mit dem der Klager einen Verstoss gegen das Bundeswaldgesetz rugte blieb ebenfalls ohne Erfolg Zwar erlaube das Bundeswaldgesetz grundsatzlich das Reiten im Walde dies binde den Landesgesetzgeber aber nur dahingehend dass er das Reiten im Walde nicht komplett verbieten durfe Das Landesrecht verstosse hiergegen nicht da es das Reiten im Walde auf Reitwegen ausdrucklich erlaubt Mit seiner Verfassungsbeschwerde rugte der Klager Einschrankungen verschiedener Grundrechte Insbesondere rugte er dass die Kennzeichenpflicht sowie die Pflicht zur Entrichtung einer Abgabe fur seine Pferde einen Verstoss gegen die freie Entfaltung der Personlichkeit darstelle Das Landesrecht sei zudem wegen Verstosses gegen hoherrangiges Bundesrecht verfassungswidrig Zum einen verstosse das Landesrecht gegen das Bundeswaldgesetz indem es das grundsatzlich durch Bundesrecht zugelassene Reiten im Walde ausdrucklich verbiete zum anderen verstosse das Gesetz auch gegen die Strassenverkehrs Zulassungs Ordnung indem es amtliche Kennzeichen fur Pferde vorschreibt obwohl die StVZO dies nur fur Kraftfahrzeuge vorsieht Durch das Verbot des Reitens im Walde werde er zudem in seiner grundgesetzlich geschutzten Freizugigkeit im Bundesgebiet eingeschrankt dies stelle auch ein faktisches Berufsverbot dar weil er faktisch nicht als Reiter tatig werden durfe Dadurch sei auch das Recht auf Eigentum verletzt Zusammenfassung der Entscheidung BearbeitenDer Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erklarte die Verfassungsbeschwerde grosstenteils fur unzulassig den Rest aber jedenfalls fur unbegrundet Dabei erklarte das Gericht zunachst dass die Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG jedes Handeln eines Menschen schlechthin unter dem umfassenden Schutz der Grundrechte stellt mithin auch das Reiten im Walde Allerdings ist die Handlungsfreiheit insoweit eingeschrankt als dass dies die verfassungsmassige Ordnung gebietet abgesehen vom Kernbereich privater Lebensgestaltung der sich einer Einwirkung durch die offentliche Gewalt komplett entzieht Mit einer auf Art 2 Abs 1 GG gestutzten Verfassungsbeschwerde kann demnach gepruft werden ob ein Gesetz das die Handlungsfreiheit einschrankt zur verfassungsmassigen Ordnung gehort also formell und materiell mit den Normen der Verfassung in Einklang steht Demnach ist nicht nur zu prufen ob das Gesetz in materieller Hinsicht verfassungskonform ist insbesondere ob das Gesetz dem Verhaltnismassigkeitsprinzip entspricht und bei nachtraglicher Einschrankung der Handlungsfreiheit der Vertrauensschutz gewahrt ist sondern auch ob es formell rechtmassig erlassen wurde Im Falle von Landesrecht gehort dazu auch die Prufung nach Art 31 GG ob Landesrecht inhaltlich mit Bundesrecht bzw mit Bundesrahmenrecht vereinbar ist Hierbei ist das Bundesverfassungsgericht aber nicht an die Auslegung des Bundesrechts durch die Fachgerichte gebunden weil dies zu unzumutbaren Einschrankungen der Grundrechte fuhren wurde wenn ein Gericht in zwei Fallen Bundesrecht unterschiedlich auslegt Vielmehr kann das Bundesverfassungsgericht eigenstandig die Vereinbarkeit von Landesrecht mit Bundesrecht beurteilen Gemessen an diesem Massstab ist die einzig zur Verfassungsbeschwerde zugelassene Regelung namlich das grundsatzliche Verbot des Reitens im Walde ausserhalb von Reitwegen mit der Verfassung vereinbar Beim Reiten handelt es sich nicht um den Kernbereich privater Lebensgestaltung sodass eine Einschrankung dieses Rechts grundsatzlich zulassig ist Das Landesrecht verstosst auch nicht gegen Bundesrecht denn die erwahnte Norm des Bundeswaldgesetzes die das Reiten im Walde fur zulassig erklart entfaltet bereits keine Aussenwirkung es handelt sich vielmehr um eine Rahmennorm die ausschliesslich den Landesgesetzgeber dazu verpflichtet eigenstandige Regelungen zum Reiten im Walde zu erlassen Die Regelung ist auch materiell zulassig da die vom Gesetzgeber beabsichtigte Trennung von Fussgangern und Reitern im Wald die ersichtlich auf eine Vermeidung von Gefahren durch Reiter gerichtet ist eine zulassige Einschrankung der Handlungsfreiheit darstellt Die Regelung sei auch ausreichend bestimmt da die zugelassenen Reitwege von der zustandigen Behorde erlassen werden Es handelt sich auch nicht um eine nachtragliche Einschrankung der Grundrechte da das Reiten im Walde insgesamt nur funf Jahre lang erlaubt war und ersichtlich als Ubergangsregelung erlassen wurde sodass sich Reiter hier nicht auf Vertrauensschutz berufen konnen Einer der Richter des Ersten Senats Dieter Grimm gab ein Sondervotum ab Er sah das Reiten im Walde nicht durch die allgemeine Handlungsfreiheit geschutzt Folgen des Urteils BearbeitenMit dem Urteil weitete das Bundesverfassungsgericht die Reichweite der allgemeinen Handlungsfreiheit erheblich aus und machte so das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit zu einem Auffanggrundrecht es kann zum Einsatz kommen wenn auf einen bestimmten Fall kein anderes Grundrecht einschlagig ist Siehe auch BearbeitenReitrecht ReitenFussnoten Bearbeiten BVerfG Beschluss vom 6 Juni 1989 Az 1 BvR 921 85 BVerfGE 80 137 das Landschaftsgesetz vom 2 Mai 1995 GV NRW S 382 trat in Kraft siehe auch recht nrw deBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Reiten im Walde amp oldid 199755142