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Philipp Jacob Spener 13 Januar 1635 in Rappoltsweiler Elsass 5 Februar 1705 in Berlin war ein deutscher lutherischer Theologe Er war einer der bekanntesten Vertreter des Pietismus Daneben war er der bedeutendste Genealoge des 17 Jahrhunderts und der Begrunder der wissenschaftlichen Heraldik Philipp Jacob Spener Stich von Bartholomaus Kilian 1683 Gedenktafel an der Frankfurter Paulskirche zum 275 TodestagPhilipp Jacob SpenerGedenktafel am Nikolaikirchplatz in Berlin MitteSpener wurde 1663 Prediger am Strassburger Munster 1666 Senior des lutherischen Predigerministeriums in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main und 1686 kursachsischer Oberhofprediger in Dresden Von 1691 an war er Propst und Konsistorialrat an der Nikolaikirche in Berlin 1694 wirkte er an der Grundung der Reformuniversitat Halle an der Saale mit wo seinem Schuler August Hermann Francke eine herausragende Rolle zukam In seinem Hauptwerk Pia Desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefalliger Besserung der wahren evangelischen Kirche von 1675 prangerte er Missstande in der Kirche und die mangelnde Bibelkenntnis der Glaubigen an und schlug ein umfassendes Reformprogramm fur die lutherische Kirche vor Er forderte auch die Bildung der sich seit 1670 entwickelnden collegia pietatis Hauskreise Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Elsassische Zeit 1635 1666 1 2 Frankfurter Zeit 1666 1686 1 3 Dresdner Zeit 1686 1691 1 4 Berliner Zeit 1691 1705 1 5 Familie 2 Pia desideria 3 Collegia pietatis und ecclesiola in ecclesia 3 1 Aufkommen der Konventikel bis 1675 3 2 Das Verhaltnis der Collegia pietatis zur ecclesiola in ecclesia 3 3 Weitere Formen der ecclesiola 4 Theologie 4 1 Soteriologie 4 2 Eschatologie 5 Wirkung und Rezeption 6 Schriften Auswahl 6 1 Werk und Briefausgaben 6 2 Wichtige Einzelwerke 7 Gedenktag 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseLeben BearbeitenElsassische Zeit 1635 1666 Bearbeiten Am 13 Januar 1635 wurde Philipp Jacob Spener in Rappoltsweiler im Elsass als Sohn des aus Strassburg stammenden graflich rappoldsteinischen Hofmeisters Johann Philipp Spener 1657 und der Agata 8 Marz 1683 in Frankfurt Main der Tochter des graflich rappoltsteinischen Rates und Stadtvogtes Johann Jacob Saltzmann und dessen Frau Cecilia Meyer geboren Seine Schwester Agatha Dorothea 1636 heiratete 1660 den Hofprediger Joachim Stoll und nach dessen Tod 1683 den Pfarrer Johann Heinrich Otho Sophia Cacilia 1640 1727 heiratete 1671 den Pastor Johann Heinrich Horb Er wuchs am Hof der Herren von Rappoltstein auf und genoss Privatunterricht u a bei seinem Schwager Stoll Dabei kam er in Beruhrung mit puritanischen Erbauungsschriften und mit Johann Arndts Buchern vom wahren Christentum 1651 bis 1659 studierte er in Strassburg Philosophie Geschichte und Theologie Mit einer Schrift uber Thomas Hobbes De cive erlangte er 1653 den Grad eines Magister artium Neben der Theologie galt sein Hauptinteresse seit 1655 der Genealogie spater auch der Heraldik die er bei Johann Heinrich Boeckler studierte Unter seinen theologischen Lehrern sind Johann Schmidt Sebastian Schmidt und besonders Johann Conrad Dannhauer zu nennen auf dessen Hauptwerk Hodosophia Christiana sive Theologia positiva 1649 2 Auflage 1666 er sich zeitlebens in dogmatischen Fragen berief Dannhauers Wertschatzung des Aristotelismus und der theologischen Polemik sowie seiner Skepsis gegenuber Arndt folgte er jedoch nicht Studienreisen fuhrten Spener in den Jahren 1659 bis 1663 u a nach Basel und Genf wo er Jean de Labadie begegnete 1663 wurde Spener als Prediger an das Strassburger Munster berufen 1664 wurde er mit einer Arbeit uber die Auslegung von Offb 9 13 21 EU promoviert Am Tag der Doktorpromotion heiratete er Susanne Erhard mit der er elf Kinder haben sollte Frankfurter Zeit 1666 1686 Bearbeiten Seine Berufung als Senior des Frankfurter Predigerministeriums und Prediger an die Barfusserkirche beendete seine wissenschaftliche Laufbahn In Frankfurt bemuhte er sich um die Einfuhrung der Konfirmation die Einhaltung der Sonntagsheiligung sowie um die Kirchenzucht aber auch um die Grundung von Armen Waisen und Arbeitshausern Seine Predigten die auf einen tatigen Glauben und eine disziplinierte Frommigkeit drangten riefen in der Gemeinde ein geteiltes Echo hervor teils Begeisterung teils Ablehnung wo man die lutherische Rechtfertigungslehre in Gefahr sah 1670 kam es zur Grundung eines privaten Konventikels des collegium pietatis Hauskreis das sich zunachst in seinem Studierzimmer traf aber 1682 nachdem der Zulauf immer grosser geworden war in die Barfusserkirche verlegt wurde Da allerdings wandten sich Grundungsmitglieder wie Johann Jacob Schutz ab und trennten sich von der lutherischen Kirche 1675 erscheint sein Hauptwerk Pia desideria oder herzliches Verlangen nach gottgefalliger Besserung der wahren Evangelischen Kirche samt einigen dahin einfaltig abzweckenden christlichen Vorschlagen zunachst als Vorrede zu einer Evangelienpostille von Johann Arndt doch aufgrund der hohen Nachfrage schon bald als Separatdruck Neben verschiedenen Predigtsammlungen veroffentlichte Spener als wichtige theologische Schriften Die allgemeine Gottesgelehrtheit aller Glaubigen und rechtschaffenen Theologen 1680 und Die evangelische Glaubensgerechtigkeit 1684 Dresdner Zeit 1686 1691 Bearbeiten 1686 wurde Spener Oberhofprediger in Dresden und bekleidete damit eines der angesehensten Amter im damaligen deutschen Luthertum Dort richtete er keine Collegia pietatis mehr ein sondern setzte mehr auf katechetische Ubungen In dieser Zeit kam es zur Freundschaft mit August Hermann Francke mit dessen Wirken in Leipzig der Pietismus ab 1687 zu einer erkennbar eigenstandigen sich von der lutherischen Orthodoxie abgrenzenden theologischen und kirchenpolitischen Stromung innerhalb der lutherischen Kirche wuchs Spener wurde schon in Dresden und mehr noch in Berlin ihr einflussreichster Schutzherr Sprecher und Forderer Berliner Zeit 1691 1705 Bearbeiten Aufgrund von unuberbruckbaren Differenzen mit Kurfurst Johann Georg III nahm Spener 1691 gerne eine Berufung zum Propst und Konsistorialrat an die Berliner Nikolaikirche an Auch wenn er selbst keine Erbauungsversammlungen mehr abhielt blieb er ein starker Fursprecher des Pietismus Mit etlichen umfangreichen Streitschriften verteidigte er die Anliegen des Pietismus gegen theologische Angriffe der lutherischen Orthodoxie Bei der Grundung der Reformuniversitat Halle an der Saale setzte er sich fur die Berufung pietistischer bzw orthodoxiekritischer Professoren u a seines Freundes und Schulers August Hermann Francke ein Auch bei der Besetzung von Pfarrstellen in Brandenburg machte er seinen Einfluss fur den Pietismus geltend So hielt er 1699 auch die Leichenrede fur Astmann einen schon zuvor ab 1688 in Diespeck und Bayreuth fur den Pietismus eingetretenen Pfarrer der Berliner Nikolaikirche 1 In seinen letzten Lebensjahren veroffentlichte er Teile seines umfangreichen Briefwechsels als Theologische Bedenken 1700 ff Weitere Teile seines Briefwechsels wurden posthum als Consilia et iudicia theologica 1709 lateinische Briefe und als Letzte Theologische Bedenken 1711 durch seinen Anhanger Carl Hildebrand von Canstein herausgegeben Am 5 Februar 1705 starb Spener in Berlin Seine Beisetzung fand in der Nikolaikirche statt 2 Die Leichenpredigt hielt Conrad Gottfried Blanckenberg der seit 1700 als sein Adjunkt fungierte und ihm als Propst und Pfarrer der Nikolaikirche nachfolgte Familie Bearbeiten Mit Susanne Erhard auch Ehrhardt 1644 1705 einer Tochter des Strassburger Patriziers Johann Jacob Erhard 1609 1670 hatte er elf Kinder darunter Susanna Catharina 1665 1726 seit 1686 Ehefrau Adam Rechenbergs Johann Jacob 1669 1692 Philipp Reinhard 1673 1732 Christian Maximilian 1678 1714 Jakob Carl 1684 1730 Pia desideria Bearbeiten Hauptartikel Pia desideria Speners einflussreichste Schrift Pia desideria oder herzliches Verlangen nach gottgefalliger Besserung der wahren Evangelischen Kirche samt einigen dahin einfaltig abzweckenden christlichen Vorschlagen erschien 1675 zuerst als Vorrede einer Neuauflage der Evangelien Postille von Johann Arndt im 8 September auch als Separatdruck Hier entwickelte er sein Reformprogramm das leitend fur den Pietismus wurde Ausgangspunkt war eine schonungslosen Klage uber Missstande in der lutherischen Kirche Im zweiten Teil erklart er dass ein besserer zustand der Kirche hier auf der Erde binnem kurzem zu erwarten sei als Begrundung dienen ihm die noch ausstehende Bekehrung der Juden Rom 11 25f LUT und der verheissene Untergang der romischen Kirche Offb 18 1ff LUT Im dritten Teil fuhrt er sechs einzelne Vorschlage darunter die Forderung der Bibellekture auch in eigenen Versammlungen der Gemeinde nach 1 Kor 14 26 LUT die Starkung des geistlichen Priestertums aller Glaubigen eine neue Schwerpunktsetzung auf das christliche Leben und eine Abkehr von der interkonfessionellen Polemik Die Schrift fand ein grosses Echo und bewirkte dass Speners Anregungen an vielen Orten aufgenommen wurden Collegia pietatis und ecclesiola in ecclesia BearbeitenIm Zentrum der Spener Forschung stehen die unter seinem Einfluss etablierten Konventikel aussergottesdienstliche Versammlungen zur personlichen Erbauung der Glaubigen Im Laufe der Zeit verandern sich hier Gestalt Bedeutung und Bezeichnung anfanglich spricht Spener von einem exercitium pietatis im Juli 1675 erwahnt er in einem Brief den Begriff ecclesiola in ecclesia Kirchlein in der Kirche und erst seit 1677 spricht er von den Collegia pietatis fromme Versammlungen Aufkommen der Konventikel bis 1675 Bearbeiten Seit Sommer 1670 traf sich eine kleine Gruppen Manner in Speners Studierzimmer zur personlichen Erbauung exercitium pietatis Frommigkeitsubung Sie taten dies aus personlichem Antrieb und nicht auf Speners Initiative hin Im Oktober 1669 hatte Spener uber Sonntagsheiligung gepredigt und in diesem Zusammenhang ahnliche Frommigkeitsubungen genannt doch dies kann wohl kaum zum Antrieb dieser Manner geworden sein Speners zunachst zuruckhaltende Reaktion auf den Wunsch zur Grundung solcher Zirkel ware unverstandlich wurde dieser Vorschlag einzig und allein auf seine eigene Predigt rekurrieren Der Impuls kam vielmehr von aussen Schon an anderen Orten hatte es ahnliche Konventikel gegeben so z B um den reformierten Jean de Labadie In dessen Umfeld kam es zur Separation und das wollte Spener in jedem Fall vermeiden Einzig aus diesem Grund nahm er den Faden auf und lud diese Manner um Johann Jakob Schutz zu sich ins Pfarrhaus und machte seine eigene Anwesenheit zur Bedingung Diese Entwicklung ist wohl dem Einfluss von Schutz zu verdanken der dieses Gedankengut aus den Schriften Labadies einbrachte Die Treffen fanden zweimal pro Woche statt jeweils nach der Betstunde Es war ein geschlossener Kreis zur Erbauung und zur heiligen Freundschaft Spener sprach ein Gebet und las aus Erbauungsbuchern vor Anschliessend gab es einen freien Austausch mit klaren Regeln keine Dispute ohne Bezug zur Frommigkeit nur zur Erbauung nicht uber Abwesende sprechen und Missstande nur allgemein nennen Der Kreis wuchs von anfanglich funf Mannern auf zunachst ca 20 Manner Ende 1670 Bis 1675 gab es bereits mehr als 50 Teilnehmer Die Idee der heiligen Freundschaft liess sich damit nicht mehr verwirklichen Dies war die erste von vier Veranderungen bis zum Erscheinen der Pia desideria Sie war notig geworden um dem Separatismusverdacht entgegenzuwirken Nur so konnte das Verbot der Collegia abgewendet werden Nun konnte jeder teilnehmen Schutz hingegen hatte sich abgewandt und fand bei den Saalhofpietisten eine neue Heimat Die zweite Veranderung war die Offnung des Kreises auch fur Nicht Akademiker und fur Frauen spater auch fur Katholiken und Reformierte Die dritte Anderung betraf die Lekture Die Erbauungsliteratur war schnell ausgelesen Spatestens seit 1674 las man in der Bibel Damit war die Form von Konventikeln erreicht wie sie in die Pia desideria Eingang finden sollte Am schwersten wiegt jedoch der Bedeutungswandel und zwar unabhangig vom Gestaltwandel wenngleich ebendieser Gestaltwandel die sachliche Voraussetzung jedoch nicht die Ursache war Ursprunglich war das exercitium pietatis eine reine Erbauungsveranstaltung Mit Erscheinen der Pia desideria dienten die Konventikel einem hoheren Zweck namlich als Hauptinstrument der angestrebten Reformen Spener erkannte in diesen beliebten Zusammenkunften ein brauchbares Vehikel Er legitimiert dies durch Rekurs auf das Vorbild der apostolischen Versammlung nach 1Kor 14 eine Versammlung die nicht durch Leitung eines Einzelnen gepragt ist sondern durch die Beteiligung vieler einzelner Begabter Die spatere Legitimierung durch Luthers dritte Form der Messe ist jedoch ein Irrtum Denn Luther meinte mit der dritten Form der Messe fur die die mit Ernst Christen sein wollen einen Gottesdienst mit Darreichung der Sakramente also keine Nebenveranstaltung Auch hat Luther selbst diese Form nicht mit der Bibelstelle 1Kor 14 in Verbindung gebracht Diese Verbindung ist durch einen Paginierungsfehler zu erklaren Spener verwendete die Altenburger Lutherausgabe Im Register wird dort unter 1 Kor 14 falschlicherweise auf Luthers Vorrede zur Messe hingewiesen Der Ruckgriff auf diese Bibelstelle im Zusammenhang mit den Konventikeln durfte durch die Lekture Labadies eventuell vermittelt durch Schutz zuruckzufuhren sein Den Begriff Collegia pietatis verwendete Spener erst seit 1677 Inhaltlich meint er jedoch noch immer die Sammlung der Frommen um Bibel und Gebet die Urform heutiger Hauskreise Er bezeichnet ebendiese spezielle Form die sich in den Folgejahren weiterentwickelte Aufgrund der wachsenden Teilnehmerzahl verlagerte sich die Veranstaltung in die Frankfurter Barfusserkirche An vielen Orten entstanden nun diese Collegia Nicht immer wurden sie direkt von Pfarrern betreut Man kann von daher zwischen den Collegia im engeren und im weiteren Sinne unterscheiden Das Verhaltnis der Collegia pietatis zur ecclesiola in ecclesia Bearbeiten Seit Juli 1675 also im Zeitraum zwischen den Pia desideria als Postillenvorrede und dem Separatdruck verwendete Spener zusatzlich den Ausdruck ecclesiola in ecclesia Im Vorwort zum Separatdruck meidet Spener bewusst oder unbewusst diesen Terminus beschreibt ihn aber inhaltlich Es scheint als sei die ecclesiola von Anfang an das den Pia desideria innewohnende Prinzip die Collegia pietatis seien hingegen nur eine konkrete Verwirklichungsform Ecclesiola ist demnach nur ein Oberbegriff der auch andere Verwirklichungsformen finden kann Das zugrundeliegende Prinzip ist die Sammlung und Starkung der Frommen eine Kirchenreform von innen nach aussen Markus Matthias weiss ebenso die Collegia pietatis von der ecclesiola zu unterscheiden misst letzterer jedoch sehr wohl eine eigene konkrete Form bei Sie sei die o g engere Form im privateren Kreis Hier sollen Einzelne erbaut werden damit diese wiederum Aussenstehende neu gewinnen konnen Die ecclesiolae waren damit auf Neugewinnung ausgerichtet die Collegia hingegen nur zur Erbauung Doch kann diese Unterscheidung bei naherer Betrachtung nicht standhalten 3 Richtig ist dass diese Konventikel eine Wandlung durchgemacht haben schon bevor sie in den Pia desideria als Instrument zur Kirchenreform und damit auch zur Neugewinnung von Glaubigen erwahnt wurden Sie hatten ihre Gestalt schon vor der Idee der Reform gefunden und waren ein willkommenes Instrument diese umzusetzen Dabei entwickelte sich die aussere Form weiter das innere Anliegen der ecclesiola blieb erhalten Weitere Formen der ecclesiola Bearbeiten In seiner Dresdner Zeit realisierte Spener keine Collegia pietatis mehr Schon in seiner Frankfurter Abschiedsrede raumte er ein damit nicht sein Ziel erreicht zu haben Immer starker verlagerte sich das Gewicht auf die Katechismusubungen als eine andere Verwirklichungsform der ecclesiola Als weitere Konkretion wurde die offentliche und die hausliche Bibellese vorgeschlagen wie es schon in den Pia desideria anklang Hier ist zwischen quantitativem und qualitativem Bibellesen zu unterscheiden Quantitativ sollen alle Christen nicht nur Hausvater aller Schichten die ganze Bibel lesen konnen Qualitativ soll jeder die Texte im Zusammenhang wahrnehmen und auf das eigene Leben anwenden konnen Die Verlagerung von Lehre auf Leben gilt als Charakteristikum des Pietismus Theologie BearbeitenAuch wenn Spener abgesehen von seiner fruhen Zeit in Strassburg keine akademischen Amter innehatte war er auch als Fachtheologe von grossem Einfluss Seine Theologie lasst sich nicht nur aus seinen fachtheologischen Veroffentlichungen sondern auch aus seinen Predigten und Briefen rekonstruieren Soteriologie Bearbeiten Spener schaffte es in der Rechtfertigungslehre die Anliegen Martin Luthers und Johann Arndts zu verbinden 4 Luthers Bestimmung der Rechtfertigung des Sunders als ein Geschehen in dem die Gerechtigkeit Christi dem Menschen allein aus Gnaden geschenkt und von ihm durch den Glauben angeeignet werde hat er immer unterstrichen Mit Arndt im Grunde auch mit Luther selbst beklagte er jedoch auch einen Missbrauch der Lehre von Rechtfertigung ohne gute Werke Anstatt sich darauf zu verlassen dass sie durch ihren richtigen Glauben auf jeden Fall das Heil erlangten mussten die Christen anerkennen dass ein echter Glaube notwendigerweise Fruchte bringe Zu den in den Pia desideria angeprangerten Missstanden gehorte vor allem das Fehlen eines lebendigen Glaubens verbunden mit der Einbildung glaubig zu sein obwohl doch die Fruchte des Glaubens fehlten Speners Zentralbegriffe neben der Rechtfertigung sind Wiedergeburt und Erneuerung Die Wiedergeburt besteht in einer qualitativen Verwandlung des Menschen durch die Begegnung mit Gottes Gnade Von spiritualistischen Vorstellungen einer wesenhaften Vergottlichung hat sich Spener zwar distanziert aber gelehrt dass die Wiedergeborenen keine Sunde mehr tun Was auf die Wiedergeburt als reines Gnadengeschehen zu folgen hat ist die Erneuerung ein Prozess des Wachstums und der allmahlichen Vervollkommnung die der Mensch zu gestalten hat Diese Impulse Speners sind vor allem von August Hermann Francke aufgenommen worden Spener hielt jedoch an der reformatorischen Grunderkenntnis fest und verteidigte die lutherische Rechtfertigungslehre auch gegen die romisch katholische Lehre in der Fassung des Tridentinums 5 Um der Heilsgewissheit willen musse jeder Verdienstgedanke abgewehrt werden Eschatologie Bearbeiten Charakteristisch fur Spener ist die von ihm selbst so genannte Hoffnung besserer Zeiten die er im Mittelteil der Pia desideria entwickelte Gegen die von Luther und der lutherischen Orthodoxie vertretene Erwartung eines nahen Endes der Welt mit all seinen Schrecken setzte er die Gewissheit dass Gott noch einigen bessern Zustand seiner Kirchen hier auf Erden versprochen habe Gegen den Chiliasmus grenzte sich Spener zwar ab und identifizierte den von ihm erwarteten herrlicheren Zustand fur die Kirche nicht ausdrucklich mit dem in der Johannesoffenbarung vorhergesagten Tausendjahrigen Reich er rechnete aber mit denselben Merkmalen wie die Chiliasten namlich mit einer allgemeinen Bekehrung der Juden nach Rom 11 25f LUT und dem Untergang der romischen Kirche Diese eschatologische und doch zugleich innerweltliche Zukunftserwartung wird von vielen Forschern fur die Dynamik und den weltzugewandten Geist des Pietismus verantwortlich gemacht Wirkung und Rezeption BearbeitenSpeners Wirkung reichte weit uber seinen Tod hinaus Vor allem die Aktivierung der Laien durch Gesprachskreise hat die weitere Geschichte des Protestantismus entscheidend bestimmt Durch personliche Anhanger wie August Hermann Francke Paul Anton Joachim Justus Breithaupt Carl Hildebrand von Canstein Johann Reinhard Hedinger Gunter Heyler Franz Julius Lutkens und Johann Heinrich May konnte er in einigen deutschen Territorien sowie in Danemark das Reformprogramm des kirchlichen Pietismus fur langere Zeit etablieren Auch auf radikale Pietisten wie Johann Jakob Schutz Johann Wilhelm Petersen und Johanna Eleonora Petersen ubte er lange Zeit grossen Einfluss aus Gottfried Arnold der unter seinem Einfluss zum Pietisten geworden war und zeitweise in den Separatismus gegangen war konnte er in ein kirchliches Amt zuruckholen Der Grunder der Herrnhuter Brudergemeine Nikolaus Ludwig von Zinzendorf dessen Grosseltern Nicol und Henriette Catharina von Gersdorff enge Vertraute Speners waren hat sich bewusst an dessen theologischem Ansatz orientiert Vor allem mit seiner Wiederbelebung von Luthers Forderung eines Priestertums aller Glaubigen und seiner auf Weltveranderung zielenden Hoffnung besserer Zeiten hat Spener jedoch auch auf die Aufklarung eingewirkt Weil seine Theologie auf praktische Weltgestaltung drangte verstarkte er die ethische Ausrichtung des neuzeitlichen Protestantismus Johannes Wallmann einer der bedeutendsten Spener Forscher hat ihn deshalb als den Vater des Neuprotestantismus bezeichnet 6 Speners umfangreiches Schrifttum wurde erst seit den 1970er Jahren wissenschaftlich erschlossen Eine seit 1979 durch Erich Beyreuther herausgegebene umfangreiche Reprint Ausgabe wurde 2015 von Dietrich Blaufuss abgeschlossen Eine noch unvollendete historisch kritische Ausgabe der Briefe Philipp Jakobs Speners deren erster Band 1992 erschien wurde zuerst durch Johannes Wallmann und seit 2003 durch Udo Strater verantwortet Aus der von Kurt Aland schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg angekundigten kommentierten Werkausgabe sind bislang erst zwei Bande erschienen Nach Spener sind Strassen unter anderem in seinen Hauptwirkungsorten Frankfurt am Main Dresden und Berlin sowie viele Gemeindehauser und andere Hauser in evangelischer Tragerschaft benannt Schriften Auswahl BearbeitenWerk und Briefausgaben Bearbeiten Philipp Jakob Spener Schriften Korrespondenz Herausgegeben von Erich Beyreuther Dietrich Blaufuss Olms Hildesheim 1979 2015 Reprint Ausgabe 16 Bande in 38 Teilbanden Verlagsprospekt PDF 3 4 MB Philipp Jakob Spener Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666 1686 Hrsg von Johannes Wallmann Mohr Siebeck Tubingen 1992 ff bisher sechs von acht geplanten Banden 7 Philipp Jakob Spener Briefe aus der Dresdner Zeit 1686 1691 Hrsg von Udo Strater und Johannes Wallmann Mohr Siebeck Tubingen 2003 2017 vier Bande Philipp Jakob Spener Briefwechsel mit August Hermann Francke 1689 1704 Hrsg von Johannes Wallmann und Udo Strater Mohr Siebeck Tubingen 2006 Philipp Jakob Spener Briefwechsel mit Adam Rechenberg Hrsg von Udo Strater in Zus Arb mit Claudia Neumann Mohr Siebeck Tubingen 2019 Die Werke Philipp Jakob Speners Studienausgabe Hrsg von Kurt Aland und Beate Koster Brunnen Giessen 1996ff Band 1 in zwei Halbbanden 1996 2000 Band 2 2004 Philipp Jacob Spener Die Anfange des Pietismus in seinen Briefen Hrsg von Markus Matthias Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2015 Wichtige Einzelwerke Bearbeiten Pia Desideria Oder Hertzliches Verlangen Nach Gottgefalliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen sampt einigen dahin einfaltig abzweckenden Christlichen Vorschlagen Philipp Jacob Speners Sampt angehengten Zweyer Christlichen Theologorum daruber gestellten und zu mehrer auff erbauung hochst dienlichen Bedencken Zunner Fritgen Frankfurt Main 1676 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Pia desideria Umkehr in die Zukunft Brunnen Verlag Giessen 51995 ISBN 3 7655 9065 7 modernisierte Ausgabe Pia Desideria oder herzliches Verlangen nach gottgefalliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen Brunnen Verlag Giessen 2005 historisch kritische Ausgabe nach dem Text der Studienausgabe von Aland Koster Der innerliche und geistliche Friede Oder der Friede Gottes So wol desselben mit uns als unserer mit und in Gott samt dessen Beforderungs mitteln und hindernussen Zunner Frankfurt Main 1686 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Grundliche Vertheidigung seiner Unschuld und der unrecht beschuldigten so genannten Pietisten gegen Herrn D Valentini Alberti prof publ zu Leipzig praefat vindic exeget Joel 2 Ernst Stargardt 1696 Digitalisat der SLUB Dresden via EOD Theologische Bedencken Und andere Brieffliche Antworten auff geistliche sonderlich zur erbauung gerichtete materien zu unterschiedenen zeiten auffgesetzet und auff langwihriges anhalten Christlicher freunde in einige ordnung gebracht und heraus gegeben Waisenhaus Halle Saale Band 1 1700 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 2 1701 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 3 1702 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Band 4 3 Auflage 1715 Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv Speners Katechismus Erklarung Missionsverlag Bielefeld 1984 ISBN 3 929602 02 4 Gedenktag Bearbeiten5 Februar im Evangelischen Namenkalender 8 Literatur BearbeitenVeronika Albrecht Birkner Hrsg Hoffnung besserer Zeiten Philipp Jacob Spener und die Geschichte des Pietismus Verlag der Franckeschen Stiftungen Halle Saale 2005 ISBN 3 931479 71 4 Werner Bellardi Die Vorstufen der Collegia pietatis bei Philip Jacob Spener Brunnen Verlag Giessen 1994 ISBN 3 7655 9388 5 Ludwig Biewer Philipp Jakob Spener als Heraldiker Ein kleiner Beitrag zu dem 300 Todestag eines grossen Theologen In Der Herold Band 16 2005 Heft 17 S 493 ff Dietrich Blaufuss Spener Arbeiten Quellenstudien und Untersuchungen zu Philipp Jacob Spener und zur fruhen Wirkung des lutherischen Pietismus Zweite verbesserte und erganzte Auflage Lang Bern u a 1980 ISBN 3 261 04761 5 Martin Brecht Philipp Jakob Spener sein Programm und dessen Auswirkungen In Geschichte des Pietismus Band 1 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1993 S 281 389 Wolfgang Bromme Nicht nur fromme Wunsche Philipp Jacob Spener neu entdeckt Spener Verlag Frankfurt M 2000 ISBN 3 930206 56 0 Georg Gremels Die Ethik Philipp Jacob Speners nach seinen Evangelischen Lebenspflichten In Hamburger Theologische Studien Band 26 Hamburg 2002 ISBN 3 8258 5834 0 Paul Grunberg Philipp Jakob Spener 3 Bande Gottingen 1893 1905 1906 Reprint Hildesheim New York 1988 ISBN 3 487 07934 8 Hyeung Eun Chi Philipp Jacob Spener und seine Pia desideria Die Weiterfuhrung der Reformvorschlage der Pia desideria in seinen spateren Schriften Lang Frankfurt M 1997 ISBN 3 631 49393 2 Albrecht Haizmann Erbauung als Aufgabe der Seelsorge bei Philipp Jakob Spener Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1997 ISBN 3 525 62351 8 Heike Krauter Dierolf Die Eschatologie Philipp Jakob Speners Der Streit mit der lutherischen Orthodoxie um die Hoffnung besserer Zeiten Beitrage zur historischen Theologie 131 Mohr Siebeck Tubingen 2005 ISBN 3 16 148577 7 Werner Raupp Art Spener Philipp Jacob 1635 1705 In The Dictionary of Eighteenth Century German Philosophers Hrsg von Heiner F Klemme und Manfred Kuehn Band 3 London New York 2010 S 1106 1110 Paul Tschackert Spener Philipp Jakob In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 35 Duncker amp Humblot Leipzig 1893 S 102 115 Johannes Wallmann Philipp Jakob Spener und die Anfange des Pietismus Beitrage zur historischen Theologie 42 Mohr Tubingen 1970 2 Auflage 1986 ISBN 3 16 144979 7 Johannes Wallmann Der Pietismus Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2005 ISBN 3 8252 2598 4 S 66 102 Johannes Wallmann Spener Philipp Jakob In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 7 Mohr Siebeck Tubingen 2004 Sp 1564 1566 Johannes Wallmann Spener Philipp Jakob In Neue Deutsche Biographie NDB Band 24 Duncker amp Humblot Berlin 2010 ISBN 978 3 428 11205 0 S 659 661 Digitalisat Dorothea Wendebourg Hrsg Philipp Jakob Spener Begrunder des Pietismus und protestantischer Kirchenvater Bilanz der Forschung nach 300 Jahren Hallesche Forschungen 23 de Gruyter Berlin 2007 ISBN 978 3 484 84023 2 Klaus Gunther Wesseling Philipp Jacob Spener In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 10 Bautz Herzberg 1995 ISBN 3 88309 062 X Sp 909 939 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Philipp Jacob Spener Quellen und Volltexte nbsp Commons Philipp Jacob Spener Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Druckschriften von und uber Philipp 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Ernst Luuk Nikolaikirche In Berlin Handbuch Das Lexikon der Bundeshauptstadt FAB Verlag Berlin 1992 ISBN 3 927551 27 9 S 887 Markus Matthias Collegium pietatis und ecclesiola In Pietismus und Neuzeit Band 19 Gottingen 1993 S 46 59 Vgl auch zum Folgenden Martin Friedrich Philipp Jakob Spener Leben Werk Bedeutung In Dorothea Wendebourg Hrsg Philipp Jakob Spener Begrunder des Pietismus und protestantischer Kirchenvater Bilanz der Forschung nach 300 Jahren Hallesche Forschungen 23 de Gruyter Berlin 2007 ISBN 978 3 484 84023 2 S 4 7 Vgl Spener Die Evangelische Glaubens Gerechtigkeit Frankfurt a M 1684 Digitalisat hierzu Johannes Wallmann Philipp Jakob Speners Auseinandersetzung mit der tridentischen Rechtfertigungslehre In Ders Pietismus Studien Gesammelte Aufsatze II Mohr Siebeck Tubingen 2008 S 182 202 Johannes Wallmann Philipp Jakob Spener der Vater des Neuprotestantismus In ders Pietismus Studien Gesammelte Aufsatze 2 Mohr Siebeck Tubingen 2008 S 132 145 zuerst 1983 vgl auch ders Der Vater des Neuprotestantismus Der Ertrag des Gedenkens zum 300 jahrigen Todestag Philipp Jakob Speners In Theologische Literaturzeitung 132 2007 S 1033 1044 Vorstellung der Briefausgabe beim Verlag Mohr Siebeck Philipp Jacob Spener im Okumenischen HeiligenlexikonVorgangerAmtNachfolgerChristian GerlachSenior des Predigerministeriums in Frankfurt am Main 1666 1686Johann Daniel ArculariusJohann Andreas LuciusOberhofprediger in Dresden 1686 1691Georg GreenNormdaten Person GND 118616099 lobid OGND AKS LCCN n50021161 VIAF 19723023 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Spener Philipp JacobKURZBESCHREIBUNG deutscher evangelischer Theologe Begrunder des PietismusGEBURTSDATUM 13 Januar 1635GEBURTSORT Rappoltsweiler ElsassSTERBEDATUM 5 Februar 1705STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Philipp Jacob Spener amp oldid 235539295