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In der christlichen Theologiegeschichte bezeichnet Spiritualismus eine Haltung die von der Annahme der Gegenwart des gottlichen Heiligen Geistes lat spiritus sanctus im menschlichen Korper bzw in der Natur ausgeht und daher in Glaubensangelegenheiten alles als ausserlich Angesehene fur unwesentlich halt oder sogar ganz ablehnt von der Kirche als Institution und den Sakramenten und Dogmen in manchen Fallen bis hin zum schriftlich fixierten Bibelwort Zuweilen taucht der Ausdruck Spiritualismus als Fehlubersetzung aus dem Englischen auf wo spiritualism aber Spiritismus bedeutet Gelegentlich wird der Terminus als typologischer Begriff fur die gesamte Christentumsgeschichte benutzt Allgemeiner verbreitet ist er aber fur eine Stromung die erst in der Reformationszeit aufkam sich im 16 und 17 Jahrhundert feststellen lasst und ihre Nachwirkung vor allem im Pietismus und bei den Dissentern hatte 1 Wegen der Abhangigkeit von der mittelalterlichen Mystik wie sie etwa durch Johannes Tauler oder die Theologia deutsch vertreten wurde wird die Stromung oft auch als mystischer Spiritualismus bezeichnet Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte und Bedeutung des Begriffs 2 Wichtige Vertreter 3 Literatur 4 EinzelnachweiseGeschichte und Bedeutung des Begriffs BearbeitenDer schon seit der Mitte des 19 Jahrhunderts fur Aussenseiter der Reformation gebrauchliche Begriff Spiritualist loste zeitgenossische abwertende Begriffe wie Schwarmer oder Schwarmgeister haufig bei Martin Luther ab Nach Alfred Hegler der Sebastian Franck 1892 als Prototypen des Spiritualismus in der Reformationszeit behandelte 2 hat vor allem Ernst Troeltsch in seinen Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen die Begriffsbestimmung gepragt Troeltsch sah im protestantischen Spiritualismus fur den vor allem Sebastian Franck und Valentin Weigel stehen eine Verwirklichung eines der drei Grundtypen des Christentums namlich der Mystik wahrend das Taufertum fur den Sektentypus und die Hauptstromungen der Reformation gemeinsam mit dem Katholizismus fur den Kirchentypus stehen 3 Heinrich Bornkamm der weitgehend dieselben Vertreter behandelte wie Troeltsch benutzte die Begriffe Spiritualismus und protestantische Mystik abwechselnd und unterstrich den Einfluss von Luthers Theologie 4 Gustav Adolf Benrath stellte 1998 fest dass es sich beim Spiritualismus nicht um eine konfessionell festgelegte schulmassig vermittelte in sich geschlossene Lehrtradition handelt 5 Neben dem auf Luther und die mittelalterliche Mystik zuruckgehenden mystischen Spiritualismus identifizierte er auch einen libertinistischen Spiritualismus einen apokalyptischen Spiritualismus und einen humanistischen Spiritualismus 6 Im englischen Sprachraum wird als spiritualism im Allgemeinen das bezeichnet was im deutschen als Spiritismus gilt In falscher Ruckubersetzung wird dann gelegentlich auch der Spiritismus als Spiritualismus bezeichnet 7 Versuche uber Emanuel Swedenborg und Johann Heinrich Jung Stilling eine Verbindung vom fruhneuzeitlichen Spiritualismus zum Spiritismus herzustellen 8 sind bislang ohne grosse Rezeption geblieben Wichtige Vertreter BearbeitenDie Denkhaltung des Spiritualismus zeigte sich schon in den Anfangen der reformatorischen Bewegung prominent etwa bei Luthers zeitweisem Gefahrten Andreas Bodenstein genannt Karlstadt der sich nach seinem Weggang aus Wittenberg 1522 mystischen Gedanken offnete die ihn dazu brachten die Heilswirksamkeit der Sakramente zu bestreiten Sein Abendmahlstraktat von 1524 eroffnete den Abendmahlsstreit und wurde auch fur Zwingli bedeutsam den Luther ebenfalls als Anhanger des Schwarmertums ansah Ein bedeutender Vertreter spiritualistischer Ideen war des Weiteren Thomas Muntzer der sowohl von den tauferischen als auch von den reformierten Traditionen im sudwestdeutschen Raum rezipiert wurde 9 Die Impulse Muntzers wurden im Taufertum z B bei Ludwig Hatzer und Hans Denck ebenso aufgenommen wie im individualistischen Spiritualismus Sebastian Franck Kaspar von Schwenckfeld und im eschatologischen bzw apokalyptischen Spiritualismus David Joris Heinrich Niclaes In einer eigenen Traditionslinie stehen Paracelsus sowie im spaten 16 und fruhen 17 Jahrhundert Valentin Weigel und Jakob Bohme deren Schriften weit uber den deutschen Sprachraum hinaus wirkten Bei Johann Arndt fand der Spiritualismus eine Form die trotz Anfragen von Seiten der lutherischen Orthodoxie in der lutherischen Kirche vermittelbar blieb und auf den kirchlichen Pietismus einwirken konnte Spiritualisten bildeten nur selten organisierte Bewegungen Ausnahmen sind die Schwenkfeldianer die fruhen Quaker und die von Johann Georg Gichtel gegrundeten Gichtelianer Erst im Radikalen Pietismus kam es in grosserem Umfang zu Gruppenbildungen Die sog Geistchristen nach Johannes Greber sind eine kleine rezente Gruppierung die Elemente eines theologischen Spiritualismus im Sinne von Ernst Troeltsch vertritt 10 Literatur BearbeitenGustav Adolf Benrath Die Lehre der Spiritualisten In Handbuch der Dogmen und Theologiegeschichte 2 Hg v Carl Andresen 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1998 S 560 610 Volker Leppin Horst Weigelt Frieder Ludwig Walter Sparn Spiritualismus In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 7 Mohr Siebeck Tubingen 2004 Sp 158 159 Einzelnachweise Bearbeiten Volker Leppin Spiritualismus I Zum Begriff II Kirchengeschichtlich 1 Mittelalter und Reformation In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 7 Mohr Siebeck Tubingen 2004 Sp 1584 1586 Alfred Hegler Geist und Schrift bei Sebastian Franck Eine Studie zur Geschichte des Spiritualismus in der Reformationszeit Freiburg 1892 Ernst Troeltsch Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen Mohr Tubingen 1912 S 849 939 bes 862 Heinrich Bornkamm Mystik Spiritualismus und die Anfange des Pietismus im Luthertum Giessen 1926 Gustav Adolf Benrath Die Lehre ausserhalb der Konfessionskirchen In Handbuch der Dogmen und Theologiegeschichte Bd 2 Hg v Carl Andresen 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1998 S 560 672 hier S 561 Gustav Adolf Benrath Die Lehre ausserhalb der Konfessionskirchen In Handbuch der Dogmen und Theologiegeschichte 2 Hg v Carl Andresen 2 Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1998 S 560 672 hier S 561f Z B Maurice Barbanell Was ist Spiritualismus J G Blaschke Verlag St Michael 1982 ISBN 3 7053 1636 2 Vgl z B Frieder Ludwig Spiritualismus II Kirchengeschichtlich 2 b 19 20 Jahrhundert In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 7 Mohr Siebeck Tubingen 2004 Sp 158 1588 Johannes Wallmann Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation UTB 1355 7 durchgesehene Auflage Mohr Siebeck Tubingen 2012 ISBN 978 3 8252 3731 8 S 48 Artikel Spiritualismus In Religion in Geschichte und Gegenwart RGG 4 Auflage Band 7 Mohr Siebeck Tubingen 2004 Sp 158f Normdaten Sachbegriff GND 4180308 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spiritualismus Theologie amp oldid 231032228