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Die Gemeinschaft der Gichtelianer geht auf den Freundeskreis des Mystikers und Spiritualisten Johann Georg Gichtel 1638 1710 zuruck Sie werden auch Engelsbruder und Engelsschwestern genannt in Bezug auf Mt 22 30 LUT Spater gaben sie sich die Selbstbezeichnung Gemut h liche oder Gefuhlige da sie in ihrem Gemut die Absicht haben jederzeit nach der Liebe zu hungern Der Name Kinder guten Willens geht auf die Briefsammlung Gesammelte Auszuge fur Kinder guten Willens zuruck Diese Sammlung von Briefen Gichtels und seines Schulers Johann Wilhelm Uberfeld ist fur eine dreiteilige tagliche Lekture uber drei Jahre hinweg aufgeteilt Diese Lekture wird bis heute von Gichtelianern gepflegt 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Auflosung 3 Lehre 4 Anmerkungen 5 LiteraturGeschichte BearbeitenJohann Georg Gichtel wurde aufgrund seiner Kirchenkritik aus Regensburg ausgewiesen Er beschaftigte sich intensiv mit religiosen spater besonders mit Jakob Bohmes Schriften die er zuerst vollstandig herausgab 1682 Aufnahme fand er bei dem Pfarrer und Spiritualisten Friedrich Breckling in Zwolle Dort wurde er wegen seiner Kirchenkritik wiederum ausgewiesen Er fand seine Zufluchtsstatte in Amsterdam Hier sammelte sich um ihn ein kleiner Freundeskreis zum Gebet Austausch und der Lekture der Schriften Jakob Bohmes Er lebte nicht immer spannungsfrei mit mehreren Hausbrudern und schwestern zusammen und wurde von Wohltatern unterstutzt Sein Ideal war die freiwillige Armut Um 1674 zahlte die 1668 gegrundete Hausgemeinschaft in Amsterdam 30 Hausbruder die sich von der Kirche separiert hielten Als Braute der himmlischen Sophia fuhrten sie ein zolibatares Leben Dieses Ideal wird bis heute von den Gichtelianern gelebt 2 Zu den Gasten in der Amsterdamer Hausgemeinschaft gehorte u a Gottfried Arnold Gichtel fuhrte eine intensive Korrespondenz mit den Nonkonformisten Spiritualisten und radikalen Pietisten seiner Zeit 1722 gab sein Schuler und Nachfolger Johann Wilhelm Uberfeld in einer siebenbandigen Ausgabe grosse Teile von Gichtels Briefen unter dem Titel Theosophia practica heraus Nach Gichtels Tod sammelte Uberfeld dessen Freundeskreis in einer Hausgemeinschaft in Leiden Diese wurde zum Vorbild fur alle weiteren Hausgemeinschaften der Gichtelianer Die Leidener Hausgemeinschaft wurde zum Anziehungspunkt fur Anhanger Gichtels Viele von ihnen sammelten sich in kleinen Hausgemeinschaften meist landwirtschaftlichen Gutern aber auch Schlossern die im Besitz von Freunden Gichtels waren Im 18 Jahrhundert bestanden u a Gemeinschaften in Dresden Glaucha bei Halle Kopenhagen Magdeburg Merzien bei Kothen Nordhausen Weimar Schlodien und Hohendorf in Ostpreussen Die Leitung der Hausgemeinschaften lag in den Handen von Hauseltern Ehepaare die sich den Gichtelianern anschlossen lebten fortan im Zolibat 3 In der Schweiz entstanden Ende des 18 und Anfang des 19 Jahrhunderts Kreise von Gichtelanhanger im Anschluss an Hauser von Nonkonformisten besonders im Zurcher Oberland in Pfaffikon im Emmental und im Kanton Bern Teilweise wurden diese Gemeinschaften obrigkeitlich unterdruckt Im Weiler Falmis Zurcher Oberland entstand eine Erweckung aufgrund des Lebenszeugnisses der ersten Gichtelianer Es wurden Anfang des 19 Jahrhunderts uber 300 Personen zu diesem Kreis gezahlt Kontakt hielten die einzelnen Gemeinschaften durch eine intensive Korrespondenz Mitte des 19 Jahrhunderts existierten in Winikon Ober Uster Bussenhausen Pfaffikon Oberdorf bei Hinwil Hausgemeinschaften Die strenge Separation von der Kirche wurde durch den mildernden Einfluss des deutschen Gichtelianers Baron Carl Joseph von Campagne 1751 1833 4 aufgegeben So beerdigten fortan die evangelischen Ortsgeistlichen verstorbene Gichtelianer oft auf eigenen Friedhofsparzellen 5 Dennoch hielten sich die Gichtelianer von den evangelischen Gottesdiensten und dem Abendmahl fern Ende des 19 Jahrhunderts spalteten sich die Gichtelianer im Bergischen Land in die alte und die neue Gemutlichkeit Auflosung BearbeitenNach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Zahl der Gichtelianer und der von ihnen gefuhrten Hausgemeinschaften aufgrund des Todes der Mitglieder und fehlenden Nachwuchses immer mehr ab Das letzte Mitglied der Linzer Hausgemeinschaft starb 1990 Jakob Bertschi der letzte Prasident des 1898 in Fehraltdorf Schweiz gegrundeten Vereins Freunde des seligen Herrn von Campagne Alte Gemutliche starb 1995 in Oberglatt Kanton Zurich Im Dezember 2000 starb in Fehraltdorf die letzte Engelsschwester der Schweiz 2007 wurde das Haus Kellermann in Diezenkausen bei Waldbrol verkauft und die Vereinigung der Freunde von Jakob Bohme e V Waldbrol aufgelost Neue Gemutliche Im Juni 2011 starb mit Gretchen Mand in Oberhaun Hessen das letzte Mitglied der Alten Gemutlichkeit Sie wurde fast 106 Jahre alt Spater wurde mit dem Haus Hoh Neue Gemutliche in Huckeswagen das letzte Haus der Gichtelianer verkauft Es zahlte Anfang der 1990er Jahre noch vier Mitglieder Im Oktober 2018 lebten in Huckeswagen und Waldbrol noch je eine Engelsschwester Neue Richtung beide in weit fortgeschrittenem Alter 99 bzw 90 Jahre Lehre BearbeitenNach dem Schweizer Theologen Jurgen Seidel verstehen sich die Gichtelianer als Erben der Theosophie Jakob Bohmes und Johann Georg Gichtels Ihr Ziel ist die geistige Vereinigung mit Jesus in Gestalt der himmlischen Sophia durch unbedingte Keuschheit und Gottes sowie Nachstenliebe 6 Die Schriften Jakob Bohmes Gichtels und auch Johann Wilhelm Ueberfelds einem der wichtigsten Herausgeber der Werke von Jakob Bohme geniessen deshalb eine grosse Wertschatzung unter den Gichtelianern 7 So wurde zum Beispiel ein wichtiges Archiv mit Originalhandschriften Jakob Bohmes Gichtels und Uberfelds in einer 1896 gegrundeten Hausgemeinschaft der Alten Gemutlichen Haus Thielen Schulte in Linz am Rhein 1941 durch die Gestapo beschlagnahmt 8 Eine Schwester hatte vorher einen Brief an Hitler geschrieben in dem sie erklarte wie der Zweite Weltkrieg zu gewinnen sei und dadurch die Behorden auf die Gruppe aufmerksam gemacht Auch die neuen Gemutlichen hatten 1933 die Machtergreifung Hitlers zunachst begrusst Die Gichtelianer lehnen die Sakramente der Taufe und des Abendmahls als nutzlose Ausserlichkeiten ab Ihre Mitglieder lebten in kommunitaren Gemeinschaften und arbeiteten meist auch zusammen In Linz am Rhein und in Waldbrol existieren auf den stadtischen Friedhofen eigene schlichte Graberfelder ohne Grabsteine Anmerkungen Bearbeiten J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 98f J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 95 98 J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 100 102 Biografie des Barons von Campagne J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 104 109 116f J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 118 J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietimus S 113 Jacob Bohme in der OLB eingesehen am 8 Januar 2011 Literatur BearbeitenFriedrich Wilhelm Bautz Gichtel Johann Georg In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 2 Bautz Hamm 1990 ISBN 3 88309 032 8 Sp 240 241 bautz de Memento vom 26 Juni 2007 im Internet Archive Vorlage Webarchiv Wartung Linktext fehlt Linktext fehlt Artikel Artikelanfang im Internet Archive Wolfgang Breul Marcus Meier Lothar Vogel Hrsg Der Radikale Pietismus Perspektiven Der Forschung Arbeiten zur Geschichte des Pietismus Band 55 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2010 ISBN 978 3 525 55839 3 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Dietrich Blaufuss Rosina Dorothea Schilling Ruckteschel Eine Separatistin im Pietismus S 105 128 Thilo Daniel Schwestern unter Brudern Drei Lebenslaufe aus dem Umfeld Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs S 159 170 Lothar Vogel Beobachtungen zur Bohmerezeption in Gottfried Arnolds Sophienschrift S 271 292 Ruth Albrecht Zum Briefwechsel Johann Georg Gichtels mit Johanna Eleonora Petersen S 327 359 Aira Vosa Johann Georg Gichtels Verhaltnis zum anderen Geschlecht in Leben und Lehre S 361 368 Wolfgang Breul Ehe und Sexualitat im radikalen Pietismus S 403 418 Peter Kuhlbrodt Zwischen Toleranz und Repression Sozinianer und Gichtelianer Engelsbruder in der Grafschaft Hohenstein und der Reichsstadt Nordhausen ca 1680 1720 In Zeitschrift fur Thuringische Geschichte 77 2023 S 65 86 J Jurgen Seidel Zwischen Theosophie und Pietismus Einblicke in die Korrespondenz der Schweizer Gichtelianer In Zwingliana Beitrage zur Geschichte des Protestantismus in der Schweiz und seiner Ausstrahlung Band 34 Theologischer Verlag Zurich Zurich 2007 ISBN 978 3 290 17486 6 ISSN 0254 4407 S 95 119 PDF Datei 189 35 KB J Jurgen Seidel Baron von Campagne und die Gichtelianer Ein Beitrag zum Radikalpietismus im Zurcher Oberland dreamis Verlag Zurich 2006 ISBN 3 905473 04 6 Buchbesprechung von Aira Vosa in Zwingliana Beitrage zur Geschichte des Protestantismus in der Schweiz und seiner Ausstrahlung Band 34 Theologischer Verlag Zurich Zurich 2007 ISBN 978 3 290 17486 6 ISSN 0254 4407 S 184 185 PDF Datei 40 40 KB Christiaan Sepp Gichtel Johann Georg In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 9 Duncker amp Humblot Leipzig 1879 S 147 150 Govert Bonnie Snoek Handschriften en vrienden van Jacob Bohme in Leiden en Amsterdam Van Leiden naar Linz am Rhein Eugen Schulte als Vorsteher van de Gichtelianen in contact met Wilhelm Goeters en Werner Budecke Rozekrus Pers Haarlem 2018 Gertraud Zaepernick Johann Georg Gichtels und seiner Nachfolger Briefwechsel mit den hallischen Pietisten besonders mit A nna M agdalena Francke In Hans Schneider Kurt Aland Martin Brecht Hrsg Der radikale Pietismus Pietismus und Neuzeit Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus Band 8 Vandenhoeck amp Ruprecht 1982 ISBN 3 525 55879 1 ISSN 0172 6943 S 74 118 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gichtelianer amp oldid 238699471