www.wikidata.de-de.nina.az
Marbriano de Orto geburtig Marbrianus Dujardin um 1460 in Tournai Januar oder Februar 1529 in Nivelles belgische Provinz Brabant war ein franko flamischer Komponist und Sanger der Renaissance 1 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Bedeutung 3 Werke 4 Literatur Auswahl 5 Weblinks 6 QuellenLeben und Wirken BearbeitenMarbriano de Orto war das nichteheliche Kind eines Priesters und bekam seine Ausbildung mit grosser Wahrscheinlichkeit an einer der Kirchen seiner Heimatdiozese Tournai In einem Gesuch des Tournaier Kardinalbischofs Ferry de Cluny vom September 1482 an Papst Sixtus IV Amtszeit 1471 1484 wird der Komponist Marbrianus de Orto Tornacensis civitatis genannt dies gilt als Beleg fur seine Herkunft Der Name de Orto ist eine Latinisierung von Dujardin Nach dem genannten Dokument war de Orto zu dieser Zeit ein Vertrauter des Kardinals und hielt sich mit diesem seit Juni 1482 in Rom auf Nach dem unerwarteten Tod seines Dienstherrn im Oktober 1483 hat sich de Orto schon im Dezember dieses Jahres eine Stelle in der papstlichen Kapelle gesichert und gehorte ihr ab da bis zum Jahr 1499 an Die papstliche Kapelle umfasste 18 bis 20 Musiker meist Flamen Wallonen und Franzosen und sang wahrend der Liturgie Gregorianische Choralgesange mehrstimmige Musik wurde nur selten aufgefuhrt Es wurde nicht nur in der Sixtinischen Kapelle gesungen sondern auch in anderen Kirchen wenn der Papst dort zelebrierte manchmal auch in seinen Privatgemachern Zu dieser Zeit waren an der Kapelle die Komponisten Gaspar van Weerbeke 1481 1489 und wieder etwa ab 1499 Bertrandus Vaqueras Lebenszeit um 1450 1507 Johannes de Stokem und Josquin Desprez September 1486 bis etwa 1494 die Kollegen von Marbrianus de Orto Der Komponist stand bei den Papsten in hoher Gunst besonders bei Innozenz VIII Amtszeit 1484 1492 der ihn mit einer Reihe von Benefizien versorgte seine Geburt legitimierte ihm 1486 eine jahrliche Pension gewahrte und ihn nach 1489 zum Dekan an der Abtei Sainte Gertrude in Nivelles ernannte Diese Ernennung stiess zufolge einer papstlichen Mitteilung von Alexander VI Amtszeit 1492 1503 vom 30 Juli 1496 auf Widerstand was de Orto 1497 veranlasste sich nach Nivelles zu begeben um das Amt fur sich zu beanspruchen und anzutreten 1487 wurde er auch Kanoniker in der Stadt Comines Seinen Wohnsitz verlegte er jedoch erst nach 1499 von Rom nach Nivelles Zu dieser Abtei stand de Orto bis zu seinem Lebensende in einem engen und auch sehr gut dokumentierten Kontakt auch nach seinem spateren Weggang dies ging einher mit einer besonderen personlichen Verehrung der heiligen Gertrud Dies bezeugen auch zahlreiche Stiftungen die kostbarste davon ist eine Bronzetruhe zur Aufbewahrung von Reliquien die heute noch im Querschiff der Kirche zu sehen ist Den Hohepunkt seiner kunstlerischen Karriere erreichte der Komponist im Jahr 1505 In diesem Jahr brachte der venezianische Musikverleger Ottaviano dei Petrucci eine Sammlung mit Messen nur von ihm heraus einen so genannten Individualdruck betitelt mit Misse de Orto was als besondere Ehrung angesehen werden kann Daruber hinaus fand de Orto am 24 Mai 1505 Aufnahme in der Hofkapelle von Herzog Philipp dem Schonen von Kastilien Regierungszeit 1504 1506 Hier war de Orto Kollege von weiteren Komponisten des Hofs z B Pierre de la Rue Alexander Agricola Nicolas Champion und Antonius Divitis wurde aber bald vom Herzog zum premier chapelain ernannt was auch mit einer deutlich erhohten Vergutung verbunden war Vielleicht auf Grund dieses hohen Amts scheint de Orto in der Folgezeit seine kompositorische Tatigkeit praktisch eingestellt zu haben Philipp der Schone trat mit seinem Hofstaat am 10 Januar 1506 seine zweite Spanienreise an diesmal auf dem Seeweg wobei die Sanger und Instrumentalisten ein eigenes Schiff hatten Ein Sturm hat jedoch am 13 Januar einen Teil der Flotte auch das Schiff der Musiker nach Falmouth an der englischen Sudwestkuste getrieben Es ist sehr wahrscheinlich dass Marbriano de Orto in dieser gefahrlichen Zeit das Gelubde abgelegt hat die Lebensbeschreibung der heiligen Gertrud vom Lateinischen ins Franzosische zu ubersetzen Nachdem die Flotte schliesslich am 27 April des Jahres in der nordwestspanischen Hafenstadt A Coruna angekommen war zog der Herzog uber Valladolid nach Burgos um seine Sommerresidenz einzurichten Er erkrankte hier jedoch schwer an Fieber und starb schliesslich am 26 September 1506 woraufhin seine Hofkapelle sich aufloste ein Teil der Musiker nach Burgund zuruckkehrte ein anderer Teil von seiner Witwe und Nachfolgerin Johanna ubernommen wurde so auch de Orto Johanna mit dem Beinamen die Wahnsinnige wurde jedoch zwei Jahre spater von ihrem Vater entmachtet und gefangen gesetzt mit der Folge dass sich im August 1508 auch diese Hofkapelle aufloste und der Komponist Spanien verliess Am Hof in Brussel wurde die Regentschaft von Margarete von Osterreich fur den noch minderjahrigen Erzherzog Karl gefuhrt den spateren Kaiser Karl V Hier war de Orto zunachst bei der Reorganisation der Hofkapelle behilflich er wurde dann laut Dokument aus dem Jahr 1509 ab 1510 zum premier chapelain ernannt und wechselte sich in diesem Amt bis 1517 mit einem gewissen Anthoine de Berghes ab Dieser Wechsel hing mit Residenzpflichten an anderen Kirchen zusammen nachdem er ab 1510 als Kanoniker an der Kathedrale Notre Dame in Antwerpen Liebfrauenkirche und ab 1513 in der gleichen Funktion an Saint Gudule in Brussel tatig war Auf der Spanienreise von Kaiser Karl V im Jahr 1517 hat sich de Orto offenbar von einem gewissen Cr van Stappen vertreten lassen Obwohl sein Name in der Zahlungsliste vom 21 Juni ausgestrichen ist fungierte er nach einer anderen Unterlage immer noch als Kanzler und erster Kaplan Karls Es ist nicht sicher ob er im Jahr 1522 noch an der Reise seines Dienstherrn nach England teilnahm prinzipiell war er aus Altersgrunden davon entpflichtet Seinen Lebensabend hat Marbriano de Orto in Nivelles verbracht er starb dort im Januar oder Februar 1529 und wurde bei der Kirche Sainte Gertrude beigesetzt Hier war sein Grabstein bis 1940 zu sehen bis die Kirche im Zuge von Kriegshandlungen teilweise zerstort wurde Bedeutung BearbeitenZentrale Bedeutung fur die Uberlieferung von de Ortos Kompositionen nimmt Petruccis genannter Individualdruck von 1505 ein der funf der sechs uberlieferten Messen des Komponisten enthalt weitere wichtige Handschriftengruppen stehen in enger Verbindung mit seinen papstlichen und kaiserlich habsburgischen Dienstherren Seine Messen zeigen auf hohem Niveau seine zeit und gattungstypische Kompositionskunst und sind alle vom Cantus firmus Typ c f Zu den fruhesten Messen gehort die kanonische Messe Ad fugam die kurz vor 1490 entstand und nicht in Petruccis Sammlung enthalten ist Sie lehnt sich auch stilistisch mit ihrer Tendenz zu kleiner Gliederung und schweifender Melodik an den Stil der Ockeghem Generation an Ihr am nachsten steht die Messe L homme arme die das bekannte Volkslied in der verkurzten Fassung mit dem c f meist im Tenor in verschiedenen Zeitmassen Diminutionen und Transpositionen zitiert wie es fur die Josquin Generation typisch war Dagegen wird in seiner Messe La belle se sied der c f freier behandelt Hier wird die aus dem 13 Jahrhundert stammende Melodie gelegentlich ornamentiert aber hauptsachlich imitiert diese Messe fallt auch durch ihre farbige und vielfach akkordische Struktur auf In der Messe J ay pris amours verwendet de Orto als Einziger diese anonyme im 15 Jahrhundert sehr beliebte Chanson fur eine Messe bringt den Tenor und die oberste Stimme der Vorlage meist linear teilweise sogar als c f lasst aber die polyphone Struktur der Melodie ganzlich beiseite so dass die Komposition nicht als Parodiemesse im eigentlichen Sinn bezeichnet werden kann Die Messe Petita camusette verdankt ihre Namensgebung seitens Petrucci der zufalligen Ahnlichkeit des Mi mi Motivs mit der Chanson Petita camusette Weil hier aber weitere Bezuge zu dieser Melodie fehlen gilt die Namensgebung als irrtumlich In dieser langsten Messe de Ortos wird vielmehr der doppelte Quintsprung verarbeitet und Choralzitate stehen im Vordergrund weshalb diese Messe in die Reihe von Mi mi Messen etwa von Johannes Ockeghem oder Matthaeus Pipelare eingeordnet werden kann In der Missa dominicalis schliesslich werden unterschiedliche Choralmelodien paraphrasiert und im Credo werden zwei verschiedene Credo Melodien miteinander kombiniert Die meisten ubrigen geistlichen Werke de Ortos gehen auf seine Zeit in der papstlichen Kapelle zuruck Die typischen Auffuhrungstraditionen dieser Kapelle mit ihrer speziellen Textfassung ihrer Choralbehandlung und dem gezielten Einsatz akkordischer Schreibweise finden sich in diesen Kompositionen wieder dazu gehoren auch die allgemeine stilistische Orientierung an Johannes Ockeghem und Johannes Regis Dagegen ist das recht kompakte Ave Maria welches Petruccis Sammlung Odhecaton A eroffnet weniger streng ausgerichtet Die Motetten de Ortos zeigen wiederum die Cantus firmus Technik Das Stuck Salve regis mater ist anonym uberliefert feiert die Kronung Papst Alexanders VI im Jahr 1492 und wird zu den Werken mit zweifelhafte Autorschaft gerechnet Ein anderes Manuskript C S 15 enthalt einen Hymnenzyklus dessen Teile Guillaume Dufay Josquin und de Orto zugeschrieben werden Unter den weltlichen Werken verdient seine Vertonung der Klage der Dido in Vergils Aeneis Dulces exuviae besondere Beachtung Sie ist das einzige Stuck des Komponisten das sich in der Chanson Sammlung der Margarete von Osterreich befindet und sich somit in seine Zeit an diesem Habsburger Hof einordnen lasst Die Textvertonung ist eine der fruhesten in einer Reihe weiterer von Josquin Johannes Ghiselin Jean Mouton Adrian Willaert Jacobus Arcadelt und Orlando di Lasso und zeichnet sich durch besondere Ausdrucksmomente aus so durch die klagende phrygische Kirchentonart und durch die dissonanzenreiche Verwendung chromatischer Effekte Die ubrigen weltlichen Stucke sind meist freie Chansons oder Rondeaux wie im Fall von Venus tu m a pris D ung aultre amer und Fors seulement wobei die beiden letzteren jeweils die oberste Stimme der Ockeghem Vorlage ubernehmen und Venus im burgundischen Stil gehalten ist Bei dem Stuck Et il y a trois dames a Paris lasst die Verwendung homophoner Passagen auf die Pariser Chanson und damit stilistisch das 16 Jahrhundert vorausahnen Von dem letztgenannten besonderen Fall abgesehen lasst sich der Chanson Stil Marbriano de Ortos wegen seiner kontrapunktischen Raffinesse seiner gelegentlichen Kanon Verwendung und seinem Hang zur Wort Ausdeutung als ausgesprochen progressiv bezeichnen Werke BearbeitenGesamtausgabe Marbriano de Orto Opera omnia herausgegeben von N Davison Moretonhampstead 2005 Messen und Messenteile wenn nichts anderes angegeben zu vier Stimmen Missa dominicalis Missa J ay pris amours mit 2 Credos uberliefert Missa La belle se sied Missa L homme arme Missa Petita camusetta Mi mi Missa ad fugam Kyrie in honorem beatissime virginis Credo Le serviteur Credo zu funf Stimmen Motetten Ave Maria gratia plena zu vier Stimmen Ave Maria mater gracie zu funf Stimmen Da pacem Domine zu funf Stimmen Descendi in ortum meum zu vier Stimmen Fragment Superius verloren Domine non secundum zu vier Stimmen Andere liturgische Werke alle zu vier Stimmen Lamentatio Jeremie prophete Lucis creator optime Ut queant laxis Vers 2 Nuncius celso von Guillaume Dufay vertont Chansons D ung aultre amer zu vier Stimmen Et il y a trois dames a Paris Les troys filles de Paris zu vier Stimmen Fors seulement zu vier Stimmen Je ne suis poinct zu vier Stimmen Bassus verloren aber wahrscheinlich mit Tenor im Kanon Mon mary m a diffamee zu vier Stimmen Se je perdu mon amy zu vier Stimmen Venus tu m a pris zu drei Stimmen Andere weltliche Satze Dulces exuviae zu vier Stimmen Text Vergil Aeneis IV 651 654 La mi la sol zu vier Stimmen textlos Werke bei denen die Autorschaft de Ortos angezweifelt wird Salve regis mater Hic est sacerdos zur Papstkronung Alexanders VI am 26 August 1492 anonym Fama malum anonym Impulsus eversus sum Joannes de Horto vermerkt Je cuide se ce temps me dure in unterschiedlichen Handschriften De Orte Congiet und Japart zugeschrieben Literatur Auswahl BearbeitenOrto Mabriano In Wolfgang Ruf Annette van Dyck Hemming Hrsg Riemann Musiklexikon 13 neu uberarbeitete und aktualisierte Auflage Band 4 Niss Schwa Schott Mainz 2012 ISBN 978 3 7957 0006 5 S 80 R Gerber Romische Hymnenzyklen des spaten 15 Jahrhunderts In Archiv fur Musikwissenschaft Nr 12 1955 Seite 40 73 Martin Picker The Chanson Albums of Marguerite of Austria Berkeley 1965 R Miller The Musical Works of Marbriano de Orto Dissertation Indiana 1974 University Microfilms International Ann Arbor Michigan Nr 7501726 M Duggan Queen Joanna and Her Musicians In Musica disciplina Nr 30 1976 Seite 73 95 A B Skei Dulces exuviae Renaissance Settings of Dido s Last Words In The Music Review Nr 37 1976 Seite 77 91 R Sherr Illibata Dei Virgo Nutrix and Josquin s Roman Style In Journal of the American Musicological Society Nr 40 1988 Seite 434 464 Martin Picker The Career of Marbriano de Orto ca 1450 1529 In Collectanea II Studien zur Geschichte der papstlichen Kapelle herausgegeben von Bernhard Janz Vatikanstadt 1994 Seite 529 557 ISBN 88 210 0655 7 H Kellman Herausgeber The Treasury of Petrus Alamire Music and Art in Flemish Court Manuscripts 1500 1535 Gent Amsterdam 1999 Jesse Rodin Marbrianus de Orto in Rome In Early Music Band 37 2009 issue 1 Seite 149 doi 10 1093 em can142 Weblinks BearbeitenWerke von und uber Marbriano de Orto in der Deutschen Digitalen Bibliothek Noten und Audiodateien von Marbrianus de Orto im International Music Score Library Project Gemeinfreie Noten von Marbrianus de Orto in der Choral Public Domain Library ChoralWiki englisch Martin Picker Orto Marbrianus de In Grove Music Online englisch Abonnement erforderlich Quellen Bearbeiten Klaus Pietschmann Orto Marbrianus de In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Zweite Ausgabe Personenteil Band 12 Mercadante Paix Barenreiter Metzler Kassel u a 2004 ISBN 3 7618 1122 5 Sp 1440 1443 Online Ausgabe fur Vollzugriff Abonnement erforderlich Marc Honegger Gunther Massenkeil Hrsg Das grosse Lexikon der Musik Band 6 Nabakov Rampal Herder Freiburg im Breisgau u a 1981 ISBN 3 451 18056 1 Normdaten Person GND 123166896 lobid OGND AKS LCCN n86050191 VIAF 56810510 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Orto Marbriano deALTERNATIVNAMEN Orto Marbrianus de Dujardin MarbrianusKURZBESCHREIBUNG franko flamischer Komponist und Sanger der RenaissanceGEBURTSDATUM um 1460GEBURTSORT TournaiSTERBEDATUM Januar 1529 oder Februar 1529STERBEORT Nivelles Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Marbriano de Orto amp oldid 227497108