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Kulturvandalismus ist die mutwillige Zerstorung oder Beschadigung von Kulturgutern Im weitesten Sinne ist damit jede Art von Handlung gemeint die mit Vorsatz oder Billigung dazu fuhrt dass Kunstwerke wie Gemalde Skulpturen Architektur Stadt oder Kulturlandschaften Wissenschaft Literatur Musikwerke oder immaterielle Kulturguter Schaden nehmen oder unwiederbringlich zerstort werden Kulturelle Hervorbringungen materieller oder immaterieller Art gelten als Zeugen des kulturellen Gedachtnisses und werden heute gemeinhin als besonders schutzwurdig eingestuft Kulturvandalismus schweren Grades kann daher als Vergehen gegen die gesamte Menschheit gelten denn im schwersten Fall hat er Kulturverlust zur Folge das heisst die vollstandige Ausloschung der Erinnerung an die Kulturguter und ihre Schopfer Die Zerstorung des kulturellen Erbes wird durch die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten vom 14 Mai 1954 als Verbrechen sanktioniert Kulturvandalismus kann religios ideologisch politisch okonomisch oder individuell motiviert sein Der Begriff des Kulturvandalismus ist weiter gefasst als der des Ikonoklasmus der zwar gelegentlich synonym gebraucht wird jedoch im engen Sinne die religios motivierten Zerstorungen von Bildwerken zur Durchsetzung eines Bilderverbots bezeichnet Fiktive Darstellung der Plunderung Roms durch die Vandalen im Jahr 455 Inhaltsverzeichnis 1 Typologie 2 Theorien und Rechtfertigungen 3 Rechtslage 4 Siehe auch 5 Literatur 6 EinzelnachweiseTypologie BearbeitenDen Begriff Kulturvandalismus pragte massgeblich der Historiker Alexander Demandt mit seinem 1997 erschienenen Buch Vandalismus Gewalt gegen Kultur Demandt definiert den Begriff als Beschadigung oder Beseitigung von Kunstwerken und Denkmalern in einem grosseren politischen ideologischen oder okonomischen Kontext in der Absicht oder mit der Folge einer Bewusstseinsanderung d h der gewaltsame Versuch Erinnerung zu beseitigen oder zu verandern 1 In diesem Begriff ist das Wort Vandalismus enthalten das wahrend der Franzosischen Revolution auf die Zerstorungen der Jakobiner an Kunstwerken gemunzt wurde Es leitet sich von der historisch nicht korrekten Uberlieferung ab dass der ostgermanische Volksstamm der Vandalen im Jahr 455 die Stadt Rom geplundert und gebrandschatzt haben soll Die mutwillige Zerstorung von Kulturgut lasst sich nach Motiven gliedern Religion Insbesondere die vom Judentum abstammenden monotheistischen Religionen Christentum und Islam kennen ein Verbot bildlicher Darstellung des Gottes Bilderverbot und ein Verbot der Bilderverehrung In diesen Religionen wird das Bilderverbot von manchen Stromungen radikal ausgelegt so dass mit Vorsatz Bildwerke weltlicher oder religioser Art zerstort werden Besonders heftige Epochen der Zerstorung waren der Byzantinische Bilderstreit im 8 9 Jahrhundert n Chr wenngleich die neuere Forschung davon ausgeht dass die erste Phase des Bilderstreits kaum mit Zerstorungen verbunden war und der Bildersturm der Reformationszeit 16 Jahrhundert Das Bilderverbot im Islam radikal auslegend haben muslimische Sekten ebenfalls immer wieder Bildwerke zerstort Anfang Mai 2012 zerstorten islamistische Fundamentalisten der Gruppe Ansar Dine das zum UNESCO Welterbe gehorende Mausoleum Sidi Mahmud Ben Amar und drohten Anschlage auf weitere Mausoleen an 2 3 Ende Juni 2012 wurde Timbuktu aufgrund des bewaffneten Konflikts in Mali auf die Liste des gefahrdeten Welterbes gesetzt Kurz danach wurde die Zerstorung der durch die UNESCO denkmalgeschutzten Grabstatten von Sidi Mahmud Sidi Moctar und Alpha Moya in Mali unter Verhohnung der UNESCO fortgesetzt 4 5 Politik Aus dem Altertum insbesondere dem Alten Agypten und dem Romischen Reich ist die Damnatio memoriae bekannt die meist posthume Bestrafung von Herrschern durch die Ausloschung aller Denkmaler Bildwerke und Inschriften die an sie erinnern Politisch motiviert kann auch die Zerstorung von Kulturgutern als kriegerisches Mittel sein um die Moral des Gegners zu schwachen oder ihn seines kulturellen Besitzes zu berauben oder um den besiegten Feind zu demutigen Ideologie Zerstorung von Kulturgutern ist oft nicht nur politisch sondern auch ideologisch motiviert etwa bei der Beseitigung von Denkmalern im Zuge der Franzosischen Revolution von Kirchen und Klostern nach der russischen Oktoberrevolution oder beim Sturz von Denkmalern im Rahmen der Black Lives Matter Proteste 2020 Viele sozialistische Denkmaler wiederum wurden nach dem Zusammenbruch des Ostblocks beseitigt Hierzu gehoren z B Bucherverbrennungen mit dem Ziel der Vernichtung von Gedankengut historischem Wissen politisch Andersdenkenden oder wissenschaftlichen Kenntnissen manchmal wurde dieses faktisch erreicht etwa durch die Vernichtung fast samtlicher Schriftzeugnisse der Maya durch Diego de Landa oft aber auch nur symbolisch vorgenommen Bucherverbrennung 1933 in Deutschland Der im Jahr 2011 aus ideologischen Grunden erfolgte Abriss der Skulptur Insanlik Abidesi dt Denkmal der Menschlichkeit des turkischen Bildhauers Mehmet Aksoy die an den Konflikt um den Volkermord an den Armeniern erinnern sollte stiess innerhalb und ausserhalb der Turkei auf Kritik 6 7 8 Okonomie Wirtschaftliche Motive haben Plunderungen von Kulturgutern ob in Form gross angelegten Staatsraubs Beutekunst oder individuelle Kleinvandalismen wie die Plunderung des Irakischen Nationalmuseums in Bagdad im Jahr 2003 Kunstraub solange er nur den Eigentumer nicht aber das Kunstwerk schadige so Demandt sei kein Kulturvandalismus sondern eher ein Kompliment fur den Kunstler 9 Staatlich geplanter Kunstraub etwa die Plunderungen des Einsatzstabs Reichsleiter Rosenberg in der Zeit des Nationalsozialismus dient meist nicht der Zerstorung sondern der Enteignung und Konservierung der geraubten Kulturguter und damit nicht nur der wirtschaftlichen sondern auch der kulturellen Neuordnung der Verhaltnisse Individuelles Herostratentum Einzeltater treten in der Geschichte immer wieder in Erscheinung Ihr Archetyp ist Herostratos der im Jahr 356 v Chr den Tempel der Artemis in Ephesos in Brand gesetzt haben soll um seinen Namen in die Geschichte einzuschreiben Einzeltater die Kunstwerke zerstoren treten auch in der Moderne auf hier sind ihre Taten gelegentlich kunstlerisch oder kunstkritisch motiviert Demandt nimmt solche individuell motivierten Taten aus der Geschichte des Kulturvandalismus aus Theorien und Rechtfertigungen BearbeitenIm Angesicht der Zerstorungen des Ersten Weltkriegs entwickelte Sigmund Freud in den 1920er Jahren das Konzept des Todestriebs Thanatos Dieses immanente Prinzip der menschlichen Psyche soll erklaren warum einzelne Menschen bzw die gesamte Menschheit aggressiv und zerstorerisch tatig werden In seinem 1930 veroffentlichten Aufsatz Das Unbehagen in der Kultur erweitert Freud dieses Konzept zu einer Erklarung der Autoaggression des in einer Kultur lebenden triebgezahmten Menschen Rechtslage BearbeitenHaager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten DenkmalschutzSiehe auch BearbeitenDenkmalliste Ikonoklasmus Liste des gefahrdeten WelterbesLiteratur BearbeitenGregor Ahn Jan Assmann Christoph Bartscherer u a Bildersturm Universitatsverlag Winter Heidelberg 2006 ISBN 3 8253 5172 6 Alexander Demandt Vandalismus Gewalt gegen Kultur Siedler Berlin 1997 ISBN 3 88680 624 3 Michael Falser Die Buddhas von Bamiyan performativer Ikonoklasmus und das Image von Kulturerbe In Zeitschrift fur Kulturwissenschaften Heft 1 2010 Kultur und Terror transcript Bielefeld 2010 ISSN 2197 9103 S 82 93 Hermann Parzinger Verdammt und vernichtet Kulturzerstorungen vom Alten Orient bis zur Gegenwart Beck Munchen 2021 ISBN 978 3 406 76484 4 Peter Moritz Pickshaus Kunstzerstorer Fallstudien Tatmotive und Psychogramme Rowohlts Enzyklopadie Band 463 Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1988 ISBN 3 499 55463 1 Einzelnachweise Bearbeiten Demandt 1997 S 23 Timbuktu steht unter Schock Fundamentalisten zerstoren Unesco Weltkulturerbe im Norden Malis NZZ 6 Mai 2012 Abgerufen am 1 Juli 2012 Mali Islamists attack UNESCO holy site in Timbuktu Memento des Originals vom 30 September 2015 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot af reuters com Reuters 6 Mai 2012 Verwustetes Weltkulturerbe in Mali Islamisten verhohnen die Unesco Spiegel Online 1 Juli 2012 Abgerufen am 1 Juli 2012 Islamisten zerstoren UNESCO Weltkulturerbe in Timbuktu Welt Online 30 Juni 2012 Abgerufen am 1 Juli 2012 Denkmal der Menschlichkeit muss weichen Memento des Originals vom 24 August 2011 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www deutsch tuerkische nachrichten de In Deutsch Turkische Nachrichten abgerufen am 23 Juni 2012 Mahnen Versohnen Dynamit In Spiegel Online 23 April 2011 Abgerufen am 22 Juni 2011 Denkmal in der Turkei Mit der Abrissbirne gegen Versohnung Frankfurter Allgemeine 20 April 2011 Abgerufen am 23 Juni 2011 Demandt 1997 S 43 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kulturvandalismus amp oldid 235251124