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Kolone ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Zum samoanischen Politiker siehe Vaʻai Kolone Der oder das Kolonat lat colonatus war ein gesetzlich definiertes System zur Organisation einer Gruppe der in der Landwirtschaft tatigen Bevolkerung welches sich im Verlauf der Spatantike im Imperium Romanum entwickelte und spater zum Teil in den nachromischen Konigreichen der Goten Vandalen Burgunder und Franken ubernommen wurde Im ostromisch byzantinischen Reich wurde der Kolonat nach den Gesetzen der spatantiken Kaiser bis ins Mittelalter fortgefuhrt Inhaltsverzeichnis 1 Kolonenwirtschaft in der Zeit des Prinzipats 2 Entstehung und Entwicklung des Kolonats in der Spatantike 3 Fruhes Mittelalter 4 Entwicklung bis zur Neuzeit 5 Weitere Beispiele und Auslaufer 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseKolonenwirtschaft in der Zeit des Prinzipats BearbeitenZunachst bedeutete colonus im Lateinischen ganz allgemein den Ackerbauern im Unterschied zum Hirten pastor Die Kolonenwirtschaft bezeichnete im romischen Kaiserreich 1 bis 3 Jahrhundert ursprunglich den Stand der bauerlichen Kleinpachter auf Grossgrundbesitz insbesondere jenen auf kaiserlichen Domanen sowie das vergleichbare agrarwirtschaftliche System welches sich damals moglicherweise nach hellenistischem Vorbild in Kleinasien und Agypten vielleicht auch angesichts eines sich abzeichnenden Sklavenmangels entwickelte 1 Zum Ackerpachter colonus wurde ein freier romischer Burger wenn er mit einem Grundeigentumer patronus dominus einen kundbaren Pachtvertrag locatio conductio rei abgeschlossen hatte Die Pflicht des Kolonen war es den Boden zu bebauen und den Pachtzins zu erbringen Aus diesem Grund musste der Kolone eine Strafe zahlen sollte er den Boden innerhalb der vereinbarten Pachtzeit verlassen Grundsatzlich galt dies bis in die Zeit der severischen Kaiser 193 bis 235 fur die meist auf funf Jahre angelegte Laufzeit des Pachtvertrages Nach dessen Ablauf konnte der Kolone das Land verlassen oder einen neuen befristeten Vertrag schliessen Es lag aber im Interesse der Grundeigentumer eine stetige Bebauung des Bodens zu gewahrleisten um Einnahmeausfalle und damit Pachtruckstande sowie Steuerschulden zu vermeiden Dieser Umstand wirkte sich langfristig negativ auf die Rechtsstellung der Kolonen aus als der allgemeine Steuerdruck seit dem 3 Jahrhundert erheblich wuchs Entstehung und Entwicklung des Kolonats in der Spatantike BearbeitenIm Jahr 332 erliess Kaiser Konstantin der Grosse ein Gesetz das erkennen lasst dass bestimmte Kolonen das gepachtete Land nun nicht mehr verlassen durften Kaiser Konstantin an die Provinzialen Bei wem auch immer ein Kolone fremden Rechts angetroffen wird muss nicht nur selbigen an seinen Ursprungsort zuruckversetzen sondern daruber hinaus seine Kopfsteuer fur diese Zeit ubernehmen Cod Theod 5 17 1 332 Mit Kolonen fremden Rechts coloni iuris alieni sind hier solche Kolonen bezeichnet die ursprunglich einer anderen oder andersartigen Grundherrschaft zugehorig waren als der in der sie angetroffen wurden Hieraus entwickelte sich im 4 Jahrhundert eine dauerhafte Bodenbindung die bald auch auf andere Kolonengruppen ubertragen wurde z B Cod Theod 10 20 10 1 380 Die Tendenz die Rechte der Kolonen einzuschranken setzte sich fort und der Kreis der bodengebundenen Kolonen wurde erweitert Zu Beginn des Jahrhunderts war bereits die Gruppe der kaiserlichen Kolonen in ihrer Amts und Heiratsfahigkeit eingeschrankt worden d h sie durften keine anderen staatlichen Dienste ausuben und konnten mit freien romischen Burgern bzw Burgerinnen nur noch Ehen eingehen die den Kolonat begunstigten Im weiteren Verlauf wurden dann auch die personlichen Rechte der nicht kaiserlichen Kolonen weiter beschnitten etwa im Eherecht Sie konnten schliesslich nur noch untereinander rechtsgultige Ehen eingehen immer mit dem Ziel die Nachkommen an den Kolonat zu binden Beziehungen mit freien und unabhangigen romischen Burgern galten nicht als rechtsgultige Ehe matrimonium iustum Kinder aus dieser Beziehung fielen dem Grundherrn als Arbeitskrafte zu Auch in ihren Rechten zur Prozessfuhrung mussten die Kolonen Einschrankungen hinnehmen Noch in der Kaiserzeit konnten sie entsprechend ihrem Status als Freie eine regulare Prozessfuhrung anstreben Im Laufe des 4 Jahrhunderts schrankte man ihr Klagerecht gegen den Grundherrn immer weiter ein Sie konnten schliesslich nur noch wegen uberhohter Pachtforderungen superexactiones und wegen widerfahrenen Unrechts iniuria klagen Cod Iust 11 50 2 4 396 Ferner wurde das Vermogensrecht der Kolonen beschnitten sie konnten nur noch mit Zustimmung ihres Grundherrn uber personliches Eigentum Verfugungen treffen Cod Theod 5 19 1 365 Umstritten ist in der Forschung allerdings die faktische Trag und Reichweite all dieser gesetzlichen Regelungen Nach Ansicht mancher Gelehrter ist nicht davon auszugehen dass der Status der Kolonen reichsweit jemals so einheitlich und systematisch reguliert war wie es die spatantiken Gesetzessammlungen vermuten lassen z B Carrie 1982 In der Tat sind die Quellen teils widerspruchlich Insgesamt deutet die Evidenz aber darauf hin dass sich das Kolonat zunehmend in einen Geburtsstand condicio wandelte Dies fugte sich ein in einen allgemeinen Trend Menschen erblich an bestimmte Berufe zu binden wie es in dieser Zeit insbesondere auch fur Soldaten ublich wurde Fraglich bleibt inwieweit dies praktisch durchgesetzt wurde Das Prinzip der Bodenbindung wurde gegen Ende des 4 Jahrhunderts offenbar vielfach von der Bindung des Kolonen an den Grundherrn abgelost Flucht konnte die Kolonen nicht von den Forderungen ihrer Grundherren befreien es sei denn sie lag mehr als 30 Jahre zuruck ohne dass eine Ruckforderungsklage erhoben wurde In diesem Fall durften auch die Kinder der Geflohenen nicht herangezogen werden Cod Theod 5 18 1 419 Hierdurch wurden allerdings wohl weniger die Kolonen begunstigt sondern vielmehr der Anspruch auf fluchtige Kolonen unter den Grundherren geregelt Die rechtliche Stellung der meisten Kolonen hatte sich im 4 und 5 Jahrhundert jedenfalls massiv verschlechtert Ohne deren Eigentum im juristischen Sinne zu sein standen sie unter personlicher Herrschaft der Grundherren Zwar wurde noch unter Kaiser Justinian betont dass Kolonen prinzipiell keine Sklaven sondern freie Burger seien Boudewijn Sirks 2008 Dennoch ist eine Annaherung der Kolonen an die Rechtsstellung der Sklaven kaum zu ubersehen Gesellschaftlich standen sie innerhalb der Schicht der freien romischen Burger auf einer sehr niedrigen Stufe Fruhes Mittelalter BearbeitenFolgt man den sparlichen Quellen so bestand das ein Kolonat im Frankischen Reich bis ins 9 Jahrhundert und wurde vermutlich zusammen mit dem so genannten Patrozinium des Grundherrn und der dinglichen Unfreiheit der Kolonen eine der wesentlichsten Stutzen der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung wobei die Frage der direkten Kontinuitat dieser Formen in der neuesten Forschung wie erwahnt umstritten ist Entwicklung bis zur Neuzeit BearbeitenWahrend heute die Bauernguter in der Regel im vollen Eigentum des Besitzers stehen war dies im Mittelalter und bis ins 19 Jahrhundert nicht der Fall s Freistift und Erbpacht Die Guter waren vielfach den Bauern von den Gutsherren unter Anwendung lehnsrechtlicher Grundsatze verliehen und die Rechte der Besitzer daher nach Lehnsrecht zu beurteilen hier und da hatte auch das romisch rechtliche Institut der Emphyteuse s d besonders bei Kirchengutern Anwendung gefunden Daneben aber kamen zahlreiche Nutzungsrechte an Bauerngutern vor welche nach Landrecht zu beurteilen waren und welche man eben unter der Gesamtbezeichnung Kolonat zusammenfasst Die genauen rechtlichen Bestimmungen und Bezeichnungen waren regional sehr verschieden die erblichen Laten oder Hobguter am Niederrhein und in Westfalen die ebenfalls erblichen Meierguter in Niedersachsen und in Westfalen die Schillingsguter im Luneburgischen und in der Grafschaft Hoya die Erbpachtguter in Sachsen Thuringen und Osterreich die Festeguter in Schleswig Holstein die nicht erblichen Fallguter oder Schupflehen in Schwaben die Todbestande in Baden die Leibrechtsguter in Bayern und Osterreich die beiden letzteren ebenfalls nicht erblich die Landsiedelleihen in Oberhessen nicht erblich im Solmsischen die Lassguter in der Mittelmark nicht erblich in Sachsen und die sogen Herrengunst in Bayern letzteres die Bezeichnung fur Guter die auf freien Widerruf des Gutsherrn verliehen waren Das Rechtsverhaltnis zwischen Gutsherren und Kolonen bestimmte sich bei allen diesen Gutern im Einzelnen nach den bei der Verleihung etwa aufgenommenen Urkunden Leihbrief Meierbrief sowie ab dem 18 Jahrhundert hieruber ergangenen Ordnungen Meier Erbpachtsordnungen ausserdem nach lokalem und partikularem Gewohnheitsrecht Die Grundzuge des Rechtsinstituts sind im Grossen und Ganzen uberall dieselben ein sogen Obereigentum Dominium directum des Gutsherrn ein nutzbares Eigentum des Kolonen Dominium utile der Kolone hatte die auf dem Gut ruhenden Lasten zu tragen Verausserungen ohne Zustimmung des Gutsherrn waren nichtig das Gut haftete nicht ohne weiteres fur die Schulden des Kolonen dieser war zu sorgfaltiger Bewirtschaftung des Gutes verpflichtet und konnte im entgegengesetzten Fall abgemeiert werden s Abmeierung Gewohnlich hatte der Kolone beim Antritt der Erbleihe eine Abgabe Handlohn Laudemium Weinkauf Ehrschatz an die Gutsherrschaft zu entrichten zuweilen war auch eine sogen Baulebung ublich ebenso war hier die sogen Interimswirtschaft gebrauchlich Die moderne Gesetzgebung hat jedoch mit der ehemaligen Rechtsanschauung vom sogen geteilten Eigentum gebrochen und an die Stelle der bauerlichen Nutzungsrechte das volle Eigentumsrecht des Besitzers gesetzt s Ablosung Bauernbefreiung Weitere Beispiele und Auslaufer BearbeitenVergleichbare feudale oder feudalahnliche Patronatssysteme bauerlicher Grundherrschaft bestanden in vielen Teilen der Welt bis weit in die Neuzeit und Moderne hinein Im spanischen Kolonialreich in Amerika wo die Versklavung Eingeborener zunachst nur im Krieg statthaft war wurde die Bewirtschaftung von Bergwerken und Landgutern durch unterworfene indigene Volker mit dem langlebigen Encomienda und Repartimiento System etabliert Die daraus beispielsweise entstandene Inquilinenwirtschaft in Chile bestand bis weit in die zweite Halfte des 20 Jahrhunderts hinein Ahnliches gilt fur die Latifundienwirtschaft in Sudspanien die noch gegen Ende der Franco Zeit im Hinblick auf die personliche Abhangigkeit der Arbeitseinsassen spatantiken und mittelalterlichen Vorbildern ahnelte Ein ahnliches System das auch die Bezeichnung Kolonat verwendete setzte die portugiesische Regierung noch nach 1945 in Angola ein um die Einwanderung von Weissen in neu angelegte Musterdorfer colonados zu fordern Literatur BearbeitenJ M Carrie Le colonat du Bas Empire un mythe historiographique In Opus 1 1982 S 351ff R Clausing The Roman Colonate The Theories of Its Origins New York 1925 Michael Rostowzew Michael Ivanovitch Rostovtzeff Studien zur Geschichte des romischen Kolonates Teubner Leipzig 1910 Nachdruck Vieweg Teubner Wiesbaden ISBN 978 3 663 15804 2 Veraltet aber lesenswert A Sirks The Colonate in Justinian s reign In The Journal of Roman Studies 98 2008 S 120ff Charles R Whittaker Colonate In Glen Warren Bowersock Peter Brown Oleg Grabar Hrsg Late Antiquity A guide to the postclassical world Harvard University Press Cambridge MA 1999 ISBN 0 674 51173 5 S 385f Oliver Schipp Der westromische Kolonat von Konstantin bis zu den Karolingern 332 bis 861 Kovac Hamburg 2009 ISBN 978 3 8300 4575 5 Studien zur Geschichtsforschung des Altertums Band 21 zugleich Dissertation an der Universitat Trier 2007 Otto Seeck Colonatus In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band IV 1 Stuttgart 1900 Sp 483 510 Weblinks BearbeitenKlaus Peter Johne Von der Kolonenwirtschaft zum Kolonat PDF 28 Seiten 59 kB Antrittsvorlesung Ein romisches Abhangigkeitsverhaltnisim Spiegel der Forschung 20 Oktober 1992 an der Humboldt Universitat zu Berlin Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften Institut fur Geschichtswissenschaften Einzelnachweise Bearbeiten Max Weber 1896 Die sozialen Grunde des Untergangs der antiken Kultur In Max Weber Gesammelte Aufsatze zur Sozial und Wirtschaftsgeschichte Hrsg von Marianne Weber Tubingen 1988 Volltext online Normdaten Sachbegriff GND 4164701 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kolonat Recht amp oldid 218716100